Der Einfluß von Interessenverbänden auf den Deutschen Bundestag


Seminararbeit, 1998

11 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Einordnung von Interessenverbänden in das politische System der Bundesrepublik
a) Zur Typologie von Interessenverbänden
b) Die Rolle von Interessenverbänden im politischen System
2. Öffentliche Anhörungen der Ausschüsse als formalisierte Einflußmöglichkeiten
a) Rechtliche Entwicklung
b) Empirische Bestandsaufnahme der Ausschuß-Hearings
c) Bedeutung der Beteiligung
3. Zur ,inneren Lobby` des Deutschen Bundestages
a) Allgemein
b) Nach Fraktionen
c) In den Ausschüssen
d) Bedeutung der ,inneren Lobby` für die Durchsetzung von Interessen
2. Inoffizielle Kontakte

II. Schlußbemerkung

III. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

In dieser Arbeit soll eine Antwort auf die Frage, inwieweit Interessenverbände auf die Entscheidungen des Deutschen Bundestages Einfluß nehmen, gegeben werden. Dabei geht der Autor davon aus, da ß sie überhaupt Einfluß nehmen. Gegenstand der Untersuchung soll also lediglich sein, wie groß der Einfluß ist und nicht die Bejahung oder Verneinung seiner Existenz.

Im Mittelpunkt soll dabei der formalisierte bzw. institutionalisierte Einfluß stehen, namentlich die öffentlichen Ausschuß-Hearings. Betrachtet werden sollen aber auch die inoffiziellen Kontakte zwischen Parlamentsabgeordneten auf der einen Seite und Vertretern von Interessenverbänden auf der anderen Seite. Und schließlich soll der - in der Literatur viel beachtete - sogenannten ,Verbandsfärbung` des Bundestages, dem Einfluß durch Abgeordnete, die gleichzeitig Vertreter von Verbänden sind also, Beachtung geschenkt werden.

Nicht beachtet werden sollen hingegen außerparlamentarische Einflußadressanten von Interessenverbänden, wie etwa Regierung, Verwaltung, Parteien, usw.

Der Forschungsstand zur inneren Lobby und zu den Ausschuß-Hearings ist weitaus besser als der zu den inoffiziellen Kontakten. Das ist auch einleuchtend, wenn man bedenkt, daß bei Studien zu den erstgenannten Themen auf amtliche bzw. halbamtliche Statistiken zurückgegriffen werden kann. Hier ist insbesondere Schindler hervorzuheben, der mit seinen vom Deutschen Bundestag herausgegebenen Datenhandbüchern kontinuierlich statistische Zahlen liefert.

Zur Erforschung von inoffiziellen Kontaktmustern hingegen müssen eigene Befragungen gemacht werden. Allerdings hat hier Herzog eine Studie mit brauchbaren Ergebnissen vorgelegt.

II. Hauptteil

1. Einordnung von Interessenverbänden in das politische System der Bundesrepublik

a) Zur Typologie von Interessenverbänden

Über die Anzahl der Interessenverbände in der Bundesrepublik lassen sich keine verläßlichen Angaben machen. Die Zahlen schwanken mitunter stark. So geht Thomas Ellwein 1983 von ,,mindestens 200.000 Vereinigungen" aus (Ellwein, 1983: 151). Allerdings wird hier der Begriff ,,Vereinigung" sehr allgemein gefaßt, so daß es sich nicht nur um Interessenorganisationen im eigentlichen Sinne, sondern auch um allgemeine Vereine wie Sportvereine handelt. Einen weiteren Anhaltspunkt liefert die Lobbyliste1 des Deutschen Bundestages. Hier müssen sich alle Interessenorganisationen eintragen lassen, die etwa an Anhörungen des Bundestages (s.3.) teilnehmen möchten. Die Ausgabe des Jahres 1997 verzeichnet 1631 Verbände. Allerdings sind hier etwa Verbände, die nur auf Landesebene tätig sind, nicht verzeichnet. Jürgen Weber geht 1977 von 4000 bis 5000 Verbänden im engeren Sinne aus (Weber, 1977: 85).

Die Interessenorganisationen der Bundesrepublik nach eindeutigen Kriterien zu typologisieren, gestaltet sich als schwierig Die große Bandbreite der unterschiedlichen Interessenverbände macht eine solche Einteilung fast unmöglich. Dennoch haben sich einige grundlegende Einteilungskriterien, in die wohl alle verschiedenen Arten von Verbänden eingeordnet werden können, durchgesetzt:

i) Typologie nach Art des Interesses

Hier wird zwischen wirtschaftlichen Interessengruppen auf der einen und ideellen Förderverbänden auf der anderen Seite unterschieden (vgl. von Beyme, 1969: 31-37). Die Grenzen zwischen den beiden Kriterien ist aber fließend, da ,,ideelle Förderverbände auch materielle Ziele haben" (von Beyme, 1969: 31) und umgekehrt.

ii) Typologie nach Organisationsform

Bei dieser Unterscheidungsform geht es um die Rechtsform der Organisationen. Die meisten Verbände in der Bundesrepublik haben wohl den Status eines eingetragen Vereins (,,e.V.") nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Alternative Interessenorganisationen wie etwa Bürgerinitiativen aber wollen sich von solchen konventionellen Rechtsformen lösen und haben sich nicht eintragen lassen (vgl. von Alemann, 1989: 69). Historische Gründe hingegen hat die fehlende Eintragung bei den meisten Gewerkschaften und einigen Parteien (vgl. von Alemann, 1989: 162). Eine Sonderstellung nehmen die Kammern und die Religionsgemeinschaften ein. Sie fungieren als Anstalten des öffentlichen Rechts.

iii) Typologie nach Handlungsfeldern

Dabei wird unterschieden zwischen Interessenorganisationen im Wirtschafts- und Arbeitsbereich, Arbeitnehmerverbänden, Verbänden im sozialen Bereich, politischen und ideellen Vereinigungen sowie Verbänden öffentlicher Gebietskörperschaften (Einteilung nach Rudzio, 1996: 69ff.). Die einzelnen Bereiche - besonders der Wirtschafts- und Arbeitsbereich - ließen sich noch weiter differenzieren.

iv) Typologie nach Organisationsgrad

Dieses Unterscheidungsmerkmal meint den ,,Anteil der Mitglieder von Interessenorganisation an denjenigen, deren Interessen vertreten werden sollen" (Rudzio, 1996: 77). Der Organisationsgrad von Arbeitgeberorganisationen ist besonders hoch, der von Arbeitnehmerverbänden hingegen eher gering (vgl. Weber, 1977: 221).

b) Die Rolle von Interessenverbänden im politischen System

Die Interessenverbände werden als intermediäres Glied im politischen Prozeß angesehen. Dabei wirken sie im vorpolitischen Raum als Vermittler zwischen Bürgern und staatlichen Institutionen. Nach Weber nehmen sie folgende Funktionen wahr (vgl. hierzu Weber, 1977: 343ff.):

Sie artikulieren Interessen Ihrer Mitglieder. Die oftmals unkonkreten und diffusen Interessen werden als einheitliche Gruppeninteressen formuliert.

Weiter aggregieren sie die Interessen Ihrer Mitglieder. Dabei werden die unterschiedlichen und vielfältigen Einzelinteressen ihrer Mitglieder zu politischen Zielen gebündelt. Durch die Interessenselektion wählen die Interessenverbände die wichtigsten Forderungen aus, da nicht alle Interessen einer Gesellschaftsgruppe durchsetzbar sind. Eine weitere wichtige Funktion von Interessenverbänden ist die Integration der vertreten Gesellschaftsgruppe in das politische System. Die Mitglieder fühlen sich durch den Interessenverband in den Entscheidungsprozeß einbezogen. ,Ihre` Gruppe ist ein Teil des politischen Systems.

Und schließlich legitimieren die Interessenverbände auch das politische System. Durch die Interessenverbände werden die Bürger in den staatlichen Prozeß eingebunden. Solange einzelne Bürger oder gesellschaftliche Gruppen in diesen Entscheidungsprozeß eingebunden sind, werden sie die Legitimität des Staates nicht anzweifeln.

2. Ö ffentliche Anhörungen der Ausschüsse als formalisierte Einflußmöglichkeiten

a) Rechtliche Entwicklung

Schon die Geschäftsordnung des Bundestages (GO BT) vom 6. Dezember 1951 sah in § 73 die Möglichkeit vor, den nicht-öffentlichen Ausschußsitzungen ,,öffentliche Informationssitzungen" vorausgehen zu lassen. Durch die ,,Kleine Parlamentsreform" vom 18. Juni 1996 wurde § 73 GO BT in folgenden Punkten geändert: Bei überwiesenen Vorlagen war das Hearing von nun an ein Minderheitenrecht. Für nicht überwiesene Vorlagen mußte weiterhin eine Mehrheit zustande kommen (vgl. Schüttemeyer, 1989: 1147). Ferner konnte ein Ausschuß nun beschließen, die Öffentlichkeit zu einer Ausschußsitzung zuzulassen (vgl. Schindler, 1984: 889). Zu einer weiteren Geschäftsordnungsänderung kam es 1975: Kommunale Spitzenverbänden bekamen von nun an eine Sonderstellung durch Ergänzung eines Absatzes 3a (vgl. Schüttemeyer, 1989: 1147; Schindler, 1984: 892). Seit der Geschäftsordnungsreform von 1980 sind ,,Öffentliche Anhörungssitzungen" in dem noch heute gültigen § 70 geregelt.

Die schriftlichen Stellungnahmen der Auskunftspersonen wurden von einer ,,Mußvorschrift" zu einer ,,Sollvorschrift" Außerdem wurde das Hauptziel der Anhörungen von der Information der Öffentlichkeit zur Information des Ausschusses verlagert. (Schüttemeyer, 1989: 1147).

In § 70 heißt es nun:

Zur Information über einen Gegenstand seiner Beratung kann ein Ausschuß öffentliche Anhörungen von Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen vornehmen.

b) Empirische Bestandsaufnahme der Ausschuß-Hearings

Abbildung 1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einen Überblick über die Anzahl der im Deutschen Bundestag veranstalteten Ausschuß- Hearings gibt Abbildung 1. Auffällig ist zunächst, daß, obwohl die Möglichkeit dazu schon seit 1951 besteht (s.o.), erst ab der 4. Wahlperiode in nennenswertem Ausmaß von Hearings Gebrauch gemacht wurde. Gründe für die seltene Durchführung von Anhörungen bis zur 4. Legislaturperiode waren die Raumnot der frühen Jahre des Bundestages, die Unerfahrenheit der Abgeordneten mit parlamentarischen Verfahren und der Druck der in den Anfangsjahren dazu führte, viele wichtige Gesetze zu verabschieden (vgl. Schüttemeyer, 1989: 1148f.).

Gründe dafür, daß seit der 4. vereinzelt und seit der 5. Wahlperiode dann verstärkt das Hearing als Mittel der parlamentarischen Entscheidungsfindung zum Einsatz kam, sind in der ,,Verlagerung der Parlamentsarbeit vom Plenum in die Ausschüsse" (Schüttemeyer, 1989: 1149). Als ein weiterer Grund kann die ,,reformpolitische Aufbruchstimmung" dieser Zeit (Ismayr, 1992: 478) angesehen werden.

In der 9. bis 11. Legislaturperiode ist die Anzahl der Ausschuß-Hearings dann noch einmal stark angestiegen. Dies ist sicherlich nicht nur damit zu begründen, daß sich auch die Anzahl der beschlossenen Gesetze stark erhöht hat ( vgl. Schindler, 1994: 821). Eine Ursache für den Anstieg seit 1983 ist vielmehr der Einzug der Grünen in das Parlament. Dies läßt sich schon daran ablesen, daß Hearings überwiegend von den Oppositionsfraktionen des Bundestages beantragt werden. Und somit mag auch der Wechsel der SPD in die Opposition ein Grund für die vermehrte Anwendung von Ausschuß-Hearings sein. (vgl. Schüttemeyer, 1989: 1150)

Schlüsselt man nun die Anzahl der Hearings nach einzelnen Ausschüssen auf, so zeigt sich, daß die Ausschüsse, die sich am meisten mit der konkreten Gesetzgebung beschäftigen, auch am meisten Anhörungen veranstalten. Außerdem werden Anhörungen vor allem zu komplizierten und komplexen Gesetzesvorhaben durchgeführt. (Schüttemeyer, 1989: 1151) Ansteigend ist auch der Anteil der öffentlichen Anhörungen an der Gesamtzahl der veranstalteten Hearings (Schüttemeyer, 1989: 1152).

c) Bedeutung der Beteiligung

Die Bedeutung der Ausschuß-Hearings für die Einflußnahme der Interessenverbände wird unterschiedlich bewertet. Die Einschätzungen reichen von einem durchaus effizienten Mittel zur Durchsetzung der Interessen (vgl. Appoldt, 1971: 62) bis zu einem völlig nutzlosen Instrumentarium (vgl. Mengel, 1983: 233).

Unbestritten ist hingegen, daß die ,,Zahl der Verbandsvertreter" bei öffentlichen Anhörungssitzungen ,,überwiegt" (Ismyayr, 1992: 482). Die Beteiligung an Ausschuß- Hearings ist für die Interessenverbände freilich besonders dann wichtig, wenn sie ihre Vorstellungen im vorparlamentarischen Raum, auf der Ebene der Ministerialbürokratie etwa, nicht durchsetzten konnten.

Daß die Ausschuß-Hearings ein Einfallstor für Verbandseinfluß darstellen, wird insbesondere daran deutlich, daß zwei Drittel der Anhörungen konkreten Gesetzesvorhaben galten (Schüttemeyer, 1989: 1150) und zudem die meisten Anhörungen von den klassischen Gesetzgebungsausschüssen veranstaltet werden (s.o.).

Aber auch wenn in den jeweiligen Gesetzentwurf die Vorstellungen der Fachverbände schon eingearbeitet wurden, dienen die Hearings den Vebänden immerhin noch als Forum zur öffentlichen Selbstdarstellung (Ismyayr, 1992: 482). Und so schnitten auch die AusschußHearings bei einer Befragung von Verbandsvertretern zur Bedeutung von verschiedenen Formen institutionalisierter Kontakte relativ gut ab. Nur die Anhörungen der Exekutive erhielten noch bessere Ergebnisse. (Sebaldt, 1997: 680)

3. Zur ,inneren Lobby` des Deutschen Bundestages

a) Allgemein

Zu der Durchdringung des Bundestages mit Verbandsvertretern liegen erst seit der 7. Wahlperiode empirische Zahlen vor. Erst seit dem 1. November 1972 nämlich gelten die ,Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages`. Sie verpflichten die Parlamentarier dazu, anzugeben, für welche Personen, Firmen, Institutionen oder Vereinigungen sie haupt- oder ehrenamtlich tätig sind (vgl. Schindler, 1995: 203). Es erscheint nicht als sinnvoll, die Zahl der Verbandsmitglieder, sondern nur die Zahl der Funktionäre zu betrachten (vgl. Weber, 1977: 281). Würde man nach den reinen Mitgliedschaften gehen, würden sich zum einen Ergebnisse ohne großen Aussagewert ergeben. So würde sich bei der Mitgliedschaft in DGB-Gewerkschaften etwa für die Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS/LL im 12. Deutschen Bundestag ein Wert von 100 Prozent ergeben. Und zum anderen ist nicht zu erwarten, daß die bloße Mitgliedschaft in einem Verband schon eine Interessengebundenheit nach sich zieht. Abbildung 2 gibt einen Überblick über den Anteil der Interessenvertreter im Deutschen Bundestag der 7. Bis 12. Wahlperiode. Dabei läßt sich erkennen, daß der Anteil der Interessenvertreter seit der 9. Wahlperioder kontinuierlich abnimmt. Betrachtet man die einzelnen Sektoren, so zeigt sich, daß bis zur 10. Wahlperiode die Vereinigungen im Wirtschafts- und Arbeitsbereich mit Abstand die meisten Interessenvertreter im Bundestag hatten. Seitdem hat ihr Anteil aber zugunsten der Vereinigungen im Bereich Kultur, Wissenschaft, Religion, Politik und der Vereinigungen im Sozialbereich. Ein Grund hierfür mag der Einzug der Grünen in das Parlament sein. Wie sich noch zeigen wird, repräsentieren ihre Mitglieder mehrheitlich andere Interessenverbände als die etablierten Parteien.

Abbildung 2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

b) Nach Fraktionen

Die Aufgliederung der Interessenvertreter nach Fraktionen ist wichtig, da hierdurch Präferenzen einzelner Parteien zu bestimmten Verbänden deutlich werden können. Außerdem ist eine Hinwendung zu nur einer einzigen Partei nachteilig, da bei einem Regierungswechsel der Einfluß sonst stark eingeschränkt sein kann (Weber, 1977: 284).

Der Anteil der Interessenvertreter der CDU/CSU-Fraktion war in der 7. bis 9. Wahlperiode zunächst sehr hoch, nahm allerdings seit der 10. Wahlperiode stark ab. Besonders hoch ist der Anteil der Vereinigungen im Wirtschafts- und Arbeitsbereich (vgl. Schindler, 1984: 204; Schindler, 1995: 283). Dabei dominieren die Vertreter von Industrieverbänden und Arbeitnehmerorganisationen und der Nicht-DGB-Gewerkschaften (vgl. Weber, 1977: 284). In der SPD-Fraktion stieg der Anteil der Interessenvertreter von der 7. bis zur 10. Wahlperiode an, sank dann aber bis zur 12. Wahlperiode ab. Auch hier dominieren die Vertreter von Verbänden des Wirtschafts- und Arbeitsbereichs (vgl. Schindler, 1984: 204, Schindler, 1995: 283). Wobei es sich hier vor allem um Vertreter von DGB-Gewerkschaften handelt.

In der FDP-Fraktion gehören ebenfalls die meisten Verbandsvertreter Vereinigungen im Wirtschafts- und Arbeitsbereich an. Hier fällt besonders auf, daß Arbeitnehmerorganisationen gar nicht vertreten sind, sondern nur Vertreter von Arbeitgeberorganisationen der Fraktion angehören.

In der Fraktion der Grünen (bzw. von Bündnis 90/Die Grünen in der 12. Wahlperiode) war der Anteil der Interessenvertreter verhältnismäßig gering. Hier sind es die Vereinigungen im Bereich Kultur, Wissenschaft, Religion und Politik, die am häufigsten vertreten sind. Am geringsten ist der Anteil der Interessenvertreter bei der Gruppe der PDS/LL. Auch hier sind vor allem Verbandsvertreter aus dem Bereich Kultur, Wissenschaft, Religion und Politik zu finden.

c) In den Ausschüssen

Da die tatsächliche Sacharbeit des Parlaments in den Ausschüssen stattfindet (vgl. Weber, 1977: 285), erscheint es sinnvoll, die Durchdringung der Ausschüsse mit Verbandsvertretern zu betrachten. Weber hat die Verbandsfärbung der Ausschüsse des 7. Deutschen Bundestages ermittelt (Vgl. Weber, 1977: 285ff.). Dabei ergab sich, daß in den Ausschüssen für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; für Arbeit und Sozialordnung; für Wirtschaft; für Jugend, Familie und Gesundheit und im Petitionsausschuß der Anteil der Interessenvertreter überdurchschnittlich hoch war. Dabei ist bei den drei erstgenannten eine einseitige Verbandsfärbung festzustellen. So dominieren den Landwirtschaftsausschuß die Vertreter der Landwirtschaft, den Arbeits- und Sozialausschuß die Arbeitgeberorganisationen und den Wirtschaftsausschuß die Vertreter der Wirtschaftsverbände und der Arbeitgeberorganisationen.

d) Bedeutung der ,inneren Lobby` für die Durchsetzung von Interessen

Nachdem sich empirisch gezeigt hat, daß im Deutschen Bundestag eine - wenn auch abnehmende - personelle Durchdringung mit Interessenvertretern festzustellen ist, stellt sich die Frage, inwieweit diese Verbandsvertreter auch tatsächlich die Interessen ,ihres` Verbandes durchsetzen. Bei einer Befragung von Interessenvertretern zu dieser Frage beurteilten die meisten diesen Faktor als zweitrangig. Demnach gelang es lediglich Wohlfahrts- und Sozialverbänden, durch die innere Lobby Einfluß zu nehmen (vgl. Sebaldt, 1996: 683ff.). Eine Interessenverflechtung der Verbandsvertreter ist aber dennoch nicht von der Hand zu weisen. So werden insbesondere bei speziellen Gesetzen, die für lediglich für eine kleine Gruppe von Bedeutung sind und bei denen die Entscheidung nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen wird, sondern von den Experten der Fraktionen in den Ausschüssen geregelt wird, die Interessen der jeweiligen Verbände vertreten (vgl. Weber, 1977: 290). Eine besonders gute Möglichkeit der Interessendurchsetzung ist bei den überdurchschnittlich stark vertretenen Verbänden des Wirtschafts- und Arbeitsbereichs zu erwarten. Eine vergleichsweise geringe innere Lobby hingegen besitzen etwa Freizeitverbände.

4. Inoffizielle Kontakte

Neben den formalisierten Kontakten zwischen Interessenvertretern und Parlament durch die Ausschuß-Hearings und der ,inneren Lobby` durch die Verbandsfärbung des Bundestages, müssen auch die inoffiziellen Kontakte betrachtet werden. Wie schon eingangs erwähnt, liegen für diesen Aspekt nicht so fundierte Studien vor, wie für die anderen Bereiche. Eine erste Studie zu den Kontaktmustern deutscher Abgeordneter legte Herzog 1990 vor. Danach unterhalten die Parlamentarier durchschnittlich zu 23 Interessenverbänden Kontakte. Dabei haben die Grünen unterdurchschnittlich wenige, die CSU hingegen überdurchschnittlich viele Kontakte. (vgl. Herzog, 1990: 29)

Die Häufigkeit der Kontakte ist dabei beträchtlich. So hat jeder Abgeordnete zwischen 270 und 430 Kontakte pro Jahr.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Sauer und Schnapp im Rahmen der Potsdamer Elitestudie (Sauer-Schnapp, 1997: 253ff.). Hier werden zwar keine Zahlen speziell für den Bundestag veröffentlicht. Allerdings liefern die Untersuchungen zu Politikern im allgemeinen interessante Ergebnisse. Demnach halten die befragten Politiker Kontakt zu immerhin 2,2 von 5 Verbänden. Zum Vergleich sei hier angeführt, daß die befragten Mitarbeiter der Verwaltung nur zu 1,9 von 5 Verbänden Kontakt halten. (Sauer-Schnapp, 1997: 260) Inwieweit diese Kontakte eine Einflußnahme der Interessenverbände auf den jeweiligen Parlamentarier ausüben, ist damit allerdings noch nicht gesagt. In einer Befragung über die Bedeutung verschiedener Kontaktpartner von Interessenverbänden (Sebaldt, 1996: 673) rangieren aber die Bundestagsfraktionen von Regierung und Opposition sowie die Ausschüsse ganz oben. Sie folgen gleich nach den Organen der Exekutive. Die Abgeordneten scheinen also für die Interessenvertreter wichtige Adressaten bei der Durchsetzung ihrer Interessen zu sein.

Auch diese inoffiziellen Kontaktnetzwerke dürfen also bei der Betrachtung des Verbandseinflusses auf den Bundestag nicht vernachlässigt werden.

III. Schlußbemerkung

Es hat sich gezeigt, daß die Verbände einen ernstzunehmenden Einfluß auf den Bundestag ausüben.

Im einzelnen macht sich die Nutzung der Ausschuß-Hearings zur Einflußnahme darin bemerkbar, daß die Anzahl dieser Anhörungen in den letzten Legislaturperioden immer weiter zugenommen hat. Hier können die Verbände vor allem dann Einfluß nehmen, wenn sie ihre Vorstellungen im präparlamentarischen Stadium noch nicht verwirklichen konnten. Sind ihre Vorstellungen schon verwirklicht, so bilden die Hearings ein Forum zur Selbstdarstellung der Interessenverbände.

Auch auch durch die personelle Durchdringung des Bundestages mit Verbandsvertretern bieten sich Möglichkeiten der Einflußnahme. Auch wenn dieser Anteil in den letzten Wahlperioden abgenommen hat, so ist eine Verflechtung zwischen Parlament und Interessenverbänden, vor allem des Wirtschaftssektors, doch offensichtlich. Und schließlich bieten die regelmäßigen Kontakte von Bundestagsabgeordneten mit Interessenvertretern Möglichkeiten der Einflußnahme. Hier ist - insbesondere bei den großen Parteien - ein kontinuierliches Kontaktnetz zwischen organisierten Interessen und Parlamentariern geknüpft.

Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß durch Ausschuß-Hearings, die Verbandsfärbung des Parlaments und die inoffiziellen Kontakte zwischen Abgeordneten und Interessenvertretern gute Möglichkeiten des Verbandseinflusses auf den Bundestag existieren. Es hat sich gezeigt, daß diese Möglichkeiten auch stark genutzt werden. Auch wenn die Bedeutung des Bundestages von den Verbandsvertretern im Vergleich zu anderen Gremien wie der Exekutive als eher gering eingestuft wird, so wird der Deutsche Bundestag doch als ein Adressat des Einflusses intensiv genutzt.

IV. Literaturverzeichnis

Alemann, Ulrich von: Organisierte Interessen in der Bundesrepublik, 2. durchges. Auflage, Opladen: Leske + Budrich, 1989.

Appoldt, Friedrich W.: Die öffentlichen Anhörungen (,,Hearings") des Deutschen Bundestages. Ein Beitrag zu Beobachtung der Entfaltung eines lebendigen Verfassungssystems an Hand von organisatorischen und geschäftsordnungsmäßigen Entwicklungen eines obersten Staatsorgans. Berlin 1971. (= Schriften zum Öffentlichen Recht.)

Beyme, Klaus von: Interessengruppen in der Demokratie. München: Piper 1969.

Bürklin, Wilhelm; Rebenstorf, Hilke (Hrsg.): Eliten in Deutschland: Rekrutierung und Integration. Opladen: Leske + Budrich, 1997.

Ellwein, Thomas: Die Organisation von Interessen. in: ders., Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, 5. Auflage, Opladen: Leske + Budrich, 1983, S. 144-161.

Ismayr, Wolfgang: Der Deutsche Bundestag Funktionen, Willensbildung, Reformansätze. Opladen: Leske + Budrich, 1992.

Mengel, Hans-Joachim: Die Funktion der parlamentarischen Anhörung im

Gesetzgebungsprozeß. In: Die öffentliche Verwaltung, 36, 1983, S. 226-233.

Rudzio, Wolfgang (1996): Organisierte Interessen im politischen Prozeß. in: ders.: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl, Opladen: Leske + Budrich, S. 63- 99.

Sauer, Martina; Schnapp, Kai-Uwe: Elitenintegration durch Kommunikation? Eine Analyse der Kontaktmuster der Positionseliten. in: Bürklin, Wilhelm; Rebenstorf, Hilke u.a. (Hrsg.): Eliten in Deutschland: Rekrutierung und Integration. Opladen: Leske + Budrich, 1997, S. 239-283.

Schindler, Peter: Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1982. Baden-Baden: Nomos, 1984.

Schindler, Peter: Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages: eine

Veröffentlichung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. Baden-Baden: Nomos, 1994.

Schüttemeyer, Suzanne S.: Öffentliche Anhörungen. in: Schneider, Hans-Peter; Zeh,

Wolfgang (Hrsg.): Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland Berlin, New York: deGruyter, 1989, S. 1145-1159.

Sebaldt, Martin: Interessengruppen und ihre bundespolitische Präsenz vor Ort: Verbandsarbeit vor Ort. Zeitschrift für Parlamentsfragen, 1996, S. 658-696.

Steinberg, Rudolf: Parlament und organisierte Interessen Aus: Schneider, Hans-Peter; Zeh, Wolfgang (Hrsg.): Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland Berlin, New York: deGruyter, 1989, S. 217-259.

Weber, Jürgen: Die Interessengruppen im politischen System der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart u.a.: Kohlhammer, 1977.

[...]


1,,Öffentliche Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern" vom 31. März 1997, abgedruckt in: Bundesanzeiger, 49, 1997, Nr. 148a.

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Der Einfluß von Interessenverbänden auf den Deutschen Bundestag
Hochschule
Universität Potsdam
Veranstaltung
Diplomstudiengang Politikwissenschaft; Seminar "Einführung in das politische System der Bundesrepublik"; Leitung: Dipl.-Pol. Viktoria Kain
Note
1,3
Autor
Jahr
1998
Seiten
11
Katalognummer
V94974
ISBN (eBook)
9783638076548
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Einfluß, Interessenverbänden, Deutschen, Bundestag, Diplomstudiengang, Politikwissenschaft, Seminar, Einführung, System, Bundesrepublik, Leitung, Dipl, Viktoria, Kain
Arbeit zitieren
Sebastian Knoppik (Autor:in), 1998, Der Einfluß von Interessenverbänden auf den Deutschen Bundestag, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94974

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