Platons Pathologie der Verfassungen, Politeia Buch VIII, IX: Tyrannis


Hausarbeit (Hauptseminar), 1999

4 Seiten


Leseprobe


Platons Pathologie der Verfassungen Politeia Buch VIII, IX

- Tyrannis

Die Tyrannis entsteht aus einem Verlangen der gelangweilten Demokraten nach einer strengen und starken Ordnung.

Ein ehemaliger Volksführer verdirbt die Massen, stachelt sie zum Aufstand gegen an, und verteilt anschließend ihren Besitz, um sich die Gunst der Armen zu sichern.

Diese strenge und starke Ordnung bietet der jüngere Bruder des Demokraten, bei dem die nicht notwendigen Begierden die absolute Herrschaft errungen haben (tyrannischer Mensch).

Der oligarchische Vater ist Demokrat geworden, somit richtet sich der Sohn nicht gegen Sparsamkeit und Gelderwerb, sondern gegen die Freiheit der Demokratie.

Aus absoluter Freiheit wird durch den Tyrannen absolute Knechtschaft.

Fremdherrschaft durch Lust beraubt den tyrannischen Menschen seiner Handlungs- und Entscheidungsfreiheit. Der Mensch verliert seine innere Einheit (Seele). Er kann nicht mehr gerecht sein, da er nicht Herr seiner selbst ist (Wahnsinn).

Nur tierische Begierden beherrschen den tyrannischen Menschen, er kann den schlafartigen Bewußtseinszustand nicht abschütteln.

Der Tyrann ist der ungerechteste unter den tyrannischen Menschen, da seine Lüste ihn am stärksten beherrschen.

Bild : ,,Wer einmal von menschlichen Eingeweiden gekostet hat wird zum Wolf."

,,... ist ein Blutsäufer, von seiner Machtlüsternheit getrieben, eher von der Art eines Macbeth ..."1

,,Die dunkelsten Triebe bestimmen sein Leben, die Vernunft hat er ermordet, den edlen Mut hat er verjagt. Kein Gesetz hält ihn, keine Verpflichtung bindet ihn; er ist ein Getriebener, von Süchten gehetzt, ein Sklave seiner Begierden, ... , die Lasterhaftigkeit in Person, ..."2

,,Gestützt auf eine unbedingt gehorsame Menge scheut er sich nicht, seinen Volksgenossen ans Leben zu gehen. Vielmehr schleppt er sie unter ungerechten Beschuldigungen vor Gericht, wie es zu gehen pflegt, mordet, löscht Menschenleben aus, kostet mit gottloser Zunge und Lippe vom Blut der ermordeten Volksgenossen, verbannt, vollzieht Hinrichtungen und macht Andeutungen von Schuldenerlaß und Landverteilungen." Buch VIII, 565e Dieser Staat, regiert vom ungerechtesten Menschen nur zum Wohl des Ungerechtesten, ist das genaue Gegenteil des Idealstaats. Wohingegen in der Demokratie die Lüste des Einzelnen herrschten, beherrscht in der Tyrannis nun die Lust des Tyrannen alles und jeden.

Die Lust des Tyrannen ist die Herrsch- bzw. Machtsucht. Jener Machterhalt zwingt ihn zu unpopulären Maßnahmen: tötet alle guten Männer, da sie zwangsläufig seine Feinde sind, hat ein Leibwache bestehend aus ausländischen Söldnern, da er die eigenen Leute unterdrücken muß, führt Krieg um die Notwendigkeit seiner Person hervorzuheben, zieht Tempelgüter ein, um die Massen zu bestechen.

Die Tyrannis ist also die ungerechteste Staatsform, da jeder tyrannische Mensch von Grund auf unfrei ist, nicht gerecht sein kann, und der Tyrann zu dem noch den unfreiesten und ungerechtesten Menschen im Staat darstellt.

Anders als Aristokratie, Timokratie oder Oligarchie, in denen sich die Herrschaft auf einen der drei Seelenteile bezieht, sind Demokratie und Tyrannis entartete Formen der Oligarchie, in denen die nicht notwendigen Begierden an Stelle der notwendigen regieren.

Der Übergang Demokratie - Tyrannis ist kein Übergang wie sonstüblich bei Platon, sondern eine totale Verkehrung ins Gegenteil. Die Tyrannis ist eine absolute Fehlform, da nicht nur der falsche Seelenteil herrscht, sondern zu allem Ü berflußauch noch seine niedersten Auswüchse an Begierden.

Die Tyrannis macht niemanden glücklich, l äß t niemanden gerecht im Sinne der Idiopragie leben, zeichnet sich durch einen Mangel an Rationalität aus, ist so schlecht, daßsie als historisches oder pragmatisches Bsp. kaum dienen kann.

Man kann alle reinen Staatsformen noch als vernünftig oder rational bezeichnen, in denen sich nur das beherrschende Element bzw. Hauptaugenmerk der Regierenden ändern, in der Tyrannis dagegen geht die Vernunft, die Rationalität zu Grunde, da die Erfüllung unvernünftiger und selbstzerstörerischer Begierden des untersten Seelenteils des ungerechten Tyrannen Ziel allen staatlichen Handelns werden.

Ungerechtigkeit genügt Platon nicht, also mußdie Glücksunfähigkeit des Tyrannen und die absolute Glücksfähigkeit des Philosophen bewiesen werden. Dazu:

- Eudämonistischer Vergleich: ein gutes oder schlechtes Leben bzgl. Glückseeligkeit

1. Die Jammergestalt des Tyrannen als offensichtlichstes Argument (common sense)

Der Tyrann ist nur Gehetzter und Getriebener seiner Lüste. Er besitzt keinerlei Herrschaft über sich, sondern verfolgt nur die Erfüllung seiner dunklen Begierden. Zu Bindungen, im Sinne von ,,Mensch sein", ist er nicht fähig. Er muß sich vor allem und jedermann fürchten und hat somit keine ruhige Minute. Dieser Mensch ist augenscheinlich nicht glücklich.

2. Urteilsüberlegenheit des Philosophen (erste Steigerung)

Wirklich glücklich kann nur der Weisheitsliebende sein. Da sein Glück zum obersten Seelenteil zugehörig ist, ist nur er in der Lage zu beurteilen ob die beiden unteren Seelenteile zu Glück führen oder nicht. Der sein Glück in der Erfüllung der Begierde Suchende und auch der sein Heil im Mut Suchende können das Glück des Philosophen nicht beurteilen, da sie gar nicht so weit sehen können. Der Philosoph dagegen besitzt die Einsicht und Weisheit zu erkennen, was wahres Glück bedeutet.

3. Lust und Bedürfnis (zweite Steigerung)

Wahre Lust kennt nur der Philosoph, denn nur er kann am Seienden Lust empfinden. Alle anderen Menschen empfinden Lust an Empfindungen, die mehr auf Schein als auf Sein basieren. Also ist auch der Genuß des Philosophen der höchste.

Bedürfnisse entsprechen nur dem Mangel an einem Gut. Hunger oder Durst entsprechen dem begehrlichen Teil der Seele, Wissensdurst oder -liebe entsprechen dem obersten Seelenteil, und richten sich somit auf das Seiende.

Das Seiende ist unvergänglich, der Hunger kommt zwangsläufig wieder.

Abschließend zur Glückseeligkeit :

,,Und folgen wir der Berechnung Sokrates`, dann lernen wir, daß der Philosoph 729mal glücklicher ist als der Tyrann."3

Wirkliche Glückseligkeit gibt es nur für den Philosophen, ein gerechtes Leben und minderes Glück für alle gibt es nur im Idealstaat unter Philosophenherrschaft.

Die Antibeispiele Demokratie und Tyrannis verunmöglichen ein gerechtes Leben, da in ihnen die Seelenteile aus dem Lot gekommen sind, bzw. die niederen Bedürfnisse des unteren Seelenteils herrschen.

Beide Beispiele dienen Platon nur um ein düsteres Gegenszenario zu entwerfen, sie sind notwendig um die Ü berlegenheit seines Konzepts darzustellen, sie stellen somit keine geschichtsphilosophischen Idealfälle dar und sind auch nicht als Historizismus zu bewerten, sondern sollen nur eine Darstellung der Polypragie bzw. Glücksunfähigkeit jedes Einzelnen außerhalb des Idealstaates ermöglichen.

[...]


1 Wolfgang Kersting, Platons Staat, Darmstadt: 1999, S. 283

2 Wolfgang Kersting, Platons Staat, Darmstadt: 1999, S. 284

3 Wolfgang Kersting, Platons Staat, Darmstadt: 1999, S. 300 ,nach Bentham

Ende der Leseprobe aus 4 Seiten

Details

Titel
Platons Pathologie der Verfassungen, Politeia Buch VIII, IX: Tyrannis
Veranstaltung
Hauptseminar Politische Theorie, Ottmann, Platon: Politeia
Autor
Jahr
1999
Seiten
4
Katalognummer
V94980
ISBN (eBook)
9783638076609
Dateigröße
432 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Platons, Pathologie, Verfassungen, Politeia, Buch, VIII, Tyrannis, Hauptseminar, Politische, Theorie, Ottmann, Platon, Politeia
Arbeit zitieren
Marko Taborsky (Autor:in), 1999, Platons Pathologie der Verfassungen, Politeia Buch VIII, IX: Tyrannis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94980

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