Zur Herleitung der Michaelis-Menten-Formel für enzymatische Katalysationen


Skript, 1999

5 Seiten


Leseprobe


Zur Herleitung der Michaelis-Menten-Formel für enzymatische Katalysationen

Teil 1: Grundlegende Begriffsklärungen und Darstellung des Gedankenganges zum Erlangen der Michaelis - Menten-Formel

Von Jörn Haynold

A. Grundlagen:

Seien A und B zwei Stoffe, die man miteinander reagieren läßt.

chem. dargestellt: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Diese Reaktion kann beschleunigt bzw. gebremst werden, wenn man ein Enzym als „Katalysator“ hinzugibt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Untersuchen der Reaktionsgeschwindigkeiten und ihrer Änderung unter verschiedenen Bedingungen nennt man Kinetik, in unserem Beispiel, in dem sich die Reaktionsgeschwindigkeiten von (1) und (2) durch Hinzugabe eines Enzymes geändert haben, handelt es sich also um ENZYMKINETIK.

Die Anfangsstoffe vor Beginn einer chemischen Reaktion mit Enzym nennt man Substrate, die Endprodukte einfach Produkte. Bezeichnen wir nun die Substratkonzentration mit [S], das Enzym (z.B. in (2) ABase) schlicht mit E, und das Produkt (in (2) AB) mit P.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Größe [S] und deren Einfluß auf die Reaktionsgeschwindigkeit birgt einige Probleme, da sie nicht konstant ist. Das läßt sich leicht einsehen, da [S] mit der Zeit abnimmt und [P] demzufolge zunimmt. Um dieser Schwierigkeit aus dem Weg zu gehen, betrachten wir [S] unmittelbar nach Beginn der Reaktion. Diesen

Zeitpunkt benennen wir mit t und die Reaktionsgeschwindigkeit bei t mit V. Zu diesem Zeitpunkt können wir 0 [S] als konstant annehmen, da [S] sehr viel größer als [E] ist (selbst bei sehr geringen Substratmengen) und daher die Änderung von [S] für unsere Betrachtung keine Rolle spielt.

Um einen Einblick in die Enzymkinetik zu erhalten, beschäftigen wir uns zunächst mit Meßdaten. Hierzu messen wir die Anfangsgeschwindigkeit der Reaktion (= V ) bei verschiedenen Substratkonzentrationen. Aus diesen 0 Meßdaten erhält man ein Schaubild (=kinetisches Diagramm), das wie folgt aussieht:

Interpretationen dieser Kurve:

- der Beginn der Kurve ist nahezu linear
- ab einem gewissen Wert von [S] ändert sich V nur 0 noch minimal
- ein Wert [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] wird nie überschritten

B. Zur Entstehung der Michaelis-Menten-Gleichung

1903 schloß Victor Henry aus diesem kinetischen Diagramm, daß bei einer enzymatischen Katalysation vorübergehend ein Enzym-Substrat-Komplex (wird ab jetzt ES-Komplex genannt) aufgebaut werden muß, d.h., daß es bei der Reaktion (3) noch einen Zwischenschritt geben muß, also [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Maud Menten (1879-1960, wurde 1911 als erster Frau eine Professur angeboten, die sie auch annahm) und Leonar Michaelis (1875-1949) erweiterten diese erste grundlegende Feststellung Henrys zu einer allgemeinen

Theorie der enzymatischen Wirkungsweise. Dieser Theorie liegen zwei Annahmen bezüglich der beiden Teilschritte von V. Henry zu Grunde:

A1.) E + S ES (1. Annahme:. die (vorübergehende) Bildung des ES-Komplexes aus Enzym und Substrat ist reversibel, und dieser 1.Schritt ist relativ schnell (d.h.: k1 >> k2))

A2.) ES E + P (2. Annahme: dieser 2. Teilschritt ist relativ zum 1.) langsam, ist aber ebenfalls reversibel)

Da wir uns für die Reaktionsgeschwindigkeit ganz zu Anfang der Reaktion interessieren, können wir, da die Produktkonzentration [P] zu Beginn noch sehr gering ist, k-2 vernachlässigen, was wir im folgenden auch tun werden.

Michaelis und Menten folgerten nun aus diesen Annahmen, daß die Anfangsgeschwindigkeit V0 hauptsächlich durch die Geschwindigkeit des 2. Schrittes bestimmt werden muß, da dieser ja deutlich langsamer als der 1. ist.

Also gilt:[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ~ [ES]. Das Problem ist jetzt allerdings, daß sich [ES] nicht ohne weiteres bestimmen läßt. Dazu nun einige Überlegungen:

In unserer Reaktion [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] kommt das Enzym in zwei verschiedenen Zuständen vor:

1.) als freies Enzym [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]
2.) gebunden im ES-Komplex [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Wir bezeichnen nun die Summe der an der Reaktion beteiligten Enzyme mit E (sowohl die freien wie auch die gebundenen), die Gesamtkonzentration der Enzyme bezeichnen wir also mit [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten].

Daraus folgert man nun:

- ist die [S] niedrig, so bleibt bei dem ersten Teilschritt [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] viel E übrig. Für diesen Fall können wir feststellen: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Dadurch ist die Linearität zu Beginn des Diagramms erklärt.
- ist die [S] hoch, so bleiben bei dem ersten Teilschritt [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] nur wenige Enzyme übrig, da ja genügend S da ist, mit dem das E sich zum ES-Komplex bilden kann.
- ist nun die [S] so hoch, daß nahezu kein freies Enzym übrig bleibt, daß sich also nahezu alle Enzyme gebunden im ES-Komplex befinden („E ist gesätigt mit S“), die [ES] also nahezu maximal ist -> E ist der begrenzende Faktor), so wird eine Erhöhung der [S] keine Änderung der [ES] und damit der V0 bringen können, V0 ist also nun Vmax. Damit läßt sich nun das Kurvenplateau im Diagramm erklären.

Wir unterscheiden den Vorgang der Reaktion in zwei Perioden:

(a) pre-steady-state-Phase: Die Phase in der der ES-Komplex aufgebaut wird (ganz zu Beginn der Reaktion), und
(b) steady-State-Phase: Die auf (a) folgende Phase, in der die [ES] jetzt also erst einmal konstant bleibt, d.h. die Geschwindigkeit der Bildung des ES-Komplexes ist genauso groß wie die des Zerfalls des ES-Komplexes

Periode (a) vollzieht sich so schnell, daß sie selbst zum messen zu kurz ist. Unser V spiegelt daher also den steady-state Zustand wieder.

Michaelis und Menten untersuchten also die Reaktionsgeschwindigkeiten im steady-state (dt.: Fließgleichgewicht). Dieses Gebiet nennt sich also Fließgleichgewichtskinetik.

Teil 2: Zur Herleitung der Michaelis -Menten-Gleichung und deren Anwendungsmöglichkeiten Von Susen Werner

Faßt man die beiden oben genannten fundamentalen Gleichungen (A1) und (A2) zusammen, so erhält man folgende Gleichung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bildung des Enzym-Substrat-Komplexes (ES) aus Enzym und Produkt ist hier vernachlässigbar, wie oben schon erklärt, also ist auch die Geschwindigkeitskonstante k-2 zu vernachlässigen. Da wir ja annehmen, daß die Reaktion von ES zu E + P hierbei der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist, läßt sich die Zerfallsgeschwindigkeit V0 des Enzym-Substrat-Komplexes folgendermaßen beschreiben:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In vier Schritten gelangt man nun zu der Michaelis-Menten-Gleichung:

1. Schritt

Mit Hilfe der Gleichung (3) werden die Geschwindigkeiten der Bildung und des Zerfalls des ES beschrieben.

Geschwindigkeit der Bildung von ES: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Geschwindigkeit des Zerfalls von ES: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

E1 bezeichnet hierbei die Gesamtkonzentration des Enzyms.

2. Schritt

Als nächstes geht man davon aus, daß bei dieser Enzymreaktion ein Fließgleichgewicht herrscht. Das heißt, das am Anfang der Reaktion die Bildung des ES gleich dem Zerfall des ES ist. Diese wichtige Annahme nennt man auch die Fließgleichgewichtsannahme. An diesem Beispiel wird deutlich, daß systemtheoretische Überlegungen und Hypothesen der Schlüssel für mathematische Modellierungen sind. Durch Rechnen und Probieren allein entstehen selten wichtige Formeln. Hier nehmen Michaelis und Menten also an, daß [ES] während der Anfangsphase der Reaktion konstant ist. Mit anderen Worten, es herrscht ein steady state. Für die Herleitung der Michaelis -Menten-Gleichung bedeutet es, daß die beiden Terme aus dem 1. Schritt gleichgesetzt werden können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3. Schritt

Löst man die Gleichung (5) nach [ES] auf, erhält man folgende Lösung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zur Vereinfachung wird die sogenannte Michaelis-Menten-Konstante Km eingeführt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eingesetzt in die Gleichung (6) ergibt das:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4. Schritt

Die oben berechnete ES-Konzentration kann nun in die Gleichung zur Berechnung der Zerfallsgeschwindigkeit (4) eingesetzt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Da die Maximalgeschwindigkeit Vmax nur erreicht werden kann, wenn die ES-Konzentration genauso groß ist wie die Gesamtkonzentration des Enzyms, also [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten], gilt ebenfalls nach (4) :

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus den beiden Gleichungen (8) und (9) ergibt sich die Michaelis-Menten-Gleichung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Trägt man die durch diese Gleichung gewonnenen Werte von V0 über [ S ] ab, so erkennt man das am Anfang dargestellte kinetische Diagramm wieder. Auch mathematisch läßt sich leicht zeigen, daß die MichaelisMenten-Gleichung und der Graph übereinstimmen. Dazu betrachtet man zuerst den Spezialfall

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eingesetzt in die Michaelis -Menten-Gleichung ergibt dies: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Das heißt genau, daß die Michaelis Menten-Konstante Km der Substratkonzentration entspricht, bei der die Reaktionsgeschwindigkeit die Hälfte ihres Maximalwertes erreicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Michaelis -Menten-Gleichung wird unter anderem angewandt, um [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] bestimmen. Dazu invertiert man die Gleichung und erhält:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese lineare Gleichung wird Lineweaver-Burk-Gleichung genannt. Die doppelt-reziproke Darstellung liefert eine Gerade, wobei der y-Achsenabschnitt bei[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und der x-Achsenabschnitt bei[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] liegt. Dies ist also eine einfache Methode, um [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] experimentell zu bestimmen.

Abschließend läßt sich noch sagen, daß die Anwendung der Michaelis -Menten-Gleichung auf Enzymreaktionen nur für Enzyme möglich ist, bei denen man die Abhängigkeit der Anfangsgeschwindigkeit V0 von [ S ] durch eine Hyperbel beschreiben kann.

Ende der Leseprobe aus 5 Seiten

Details

Titel
Zur Herleitung der Michaelis-Menten-Formel für enzymatische Katalysationen
Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln
Veranstaltung
Seminar: Mathematische Grundlagen der Systemtheorie
Autor
Jahr
1999
Seiten
5
Katalognummer
V94994
ISBN (eBook)
9783638076746
Dateigröße
392 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Grundlagen für physiologische Prozesse. Die Michaelis-Menten Modellierung als Grundlage für viele Modellierungen in der Physiologie
Schlagworte
Herleitung, Michaelis-Menten-Formel, Katalysationen, Seminar, Mathematische, Grundlagen, Systemtheorie
Arbeit zitieren
Jörn Haynold (Autor:in), 1999, Zur Herleitung der Michaelis-Menten-Formel für enzymatische Katalysationen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94994

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