1. Einleitung
Das Mittelalter war geprägt von starken Männern. Nur selten waren es Frauen, die aufgrund ihrer großen Taten, den Geschichtsschreibern Stoff für ihreÜberlieferungen boten. Kaiserin Agnes von Poitou (um 1025-1077) ist für mich eine dieser Frauen, die überaus wichtig für die spätere Regierungszeit der Salier einzuschätzen ist. In Meiner Ausarbeitung möchte ich klären, wer diese Frau war. Wie ist ihr Handeln zu erklären?
Hätte es Alternativen in der Durchsetzung ihrer Politik, während der vormundschaftlichen Regierung für ihren Sohn - Heinrich IV. gegeben? Wer waren ihre Feinde? Wer kann zu den Verbündeten der Kaiserin gezählt werden? In dieser Arbeit möchte ich mich auf den Zeitraum von 1056, dem Beginn der vormundschaftlichen Regierung für Heinrich IV., bis zum Jahre 1065, ihrem Rückzug aus dem öffentlichen Leben, beschränken. Teritorial möchte ich diese Hausarbeit auf Deutschland, die Vorkommnisse im Reich und Italien, speziell die Vorkommnisse in Rom, als Sitz des Papstes und der Kourie, festlegen. Im Allgemeinen wurde Agnes von Poitou in der Geschichtsschreibung als schwache Regentin dargestellt, als überaus fromme Frau, die mit den ihr anvertrauten Regierungsgeschäften für ihren verstorbenen Mann Heinrich III. ( 1039-1056 ) schlichtweg überfordert war. Ich möchte versuchen ein anderes Bild dieser bedeutenden Frau des Mittelalters zu skizzieren. Ich werde Fehler ihres Handelns aufzeigen und in den Kontext der damaligen Zeit setzen. Ob schwache Regentin oder (politisch) klug agierende Frau - auf diese Frage habe ich meine (persönlichen) Antworten gefunden. Der Stand der neuesten Forschungen kam mir dabei sehr entgegen. Doch dazu später mehr.
Der Mensch im Mittelalter verstand sich selten als Individium. Vielmehr begriff er sich als Teil eines Ganzen, einer überaus religiösen Gesellschaft in der solziale und machtpolitische aber auch ökonomische Bedingungen und Verhältnisse eine gravierende Rolle spielten. Kaiserin Agnes war nach dem Tod ihres Gemahls vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Als Kaiserin musste sie zwischen weltlicher und kirchlicher Macht agieren, Entscheidungen treffen und auch vermitteln. Ihre eigene Religiösität und weltliche Entscheidungen, die von ihr getroffen werden mussten, konnte sie nicht immer in Einklang bringen. Darin sah die Forschung ihre eigentliche Schwäche (auch dazu später mehr). Ich habe eine These aufgestellt, die wie folgt lautet: „ Kaiserin Agnes war nicht die schwache Regentin, als die sie oft dargestellt wird “.
Diese These möchte ich auf den nächsten Seite vertiefen und deren Richtigkeit belegen. Ich kann kein völlig neues Bild von Agnes schaffen, aber aus der Zusammenstellung der von mir benutzten Literatur einen lebendigen Überblick über Ablauf und Ende der weiblichen Regierung im Salier-Reich geben. Die Literaturlage ist erfreulicherweise als sehr gut zu beschreiben. Die wenigen vorhandenen Briefe sind analysiert und von der Forschung ausgewertet worden. Etliche Abhandlungen, Aufsätze und Kurzdarstellungen im Zusammmenhang mit dem Leben der Kaiserin sind gut sortiert in der Fakultätsbibliothek zu finden. Auch meine Internetrecherche ergab viele Treffer. Hier wurde ich auf der MGH-Seite und über die Mittelalterlinks des Lehrstuhls unserer Universität auf viele Veröffentlichungen zu meinem Thema aufmerksam gemacht. Insgesamt konnte ich mich auf eine Fülle von Informationen stützen, die das Leben und Wirken der Kaiserin Agnes zum Inhalt hatten.
2. Stand der neuesten Forschung
Jahrhundertelang galt das Bild der Kaiserin Agnes als klar gezeichnet. Die Forschung ging sehr lange dvon aus, daß die Regentin eine schwach regierende und keineswegs starke Frau war. Diese Meinung geht auf M. Buhlst-Thiele zurück, welche die Kaiserin: „Keinesfalls negativ wertend, sondern eher im Gegenteil bestrebt, Agnes als politische Figur zu sehen - die Verwurzelung der Kaiserin im religiösen letzlich als Schwäche dargestellt hatte.“1
Giesebrecht geht in seiner Geschichte des Deutschen Kaisertums ebenfalls von der schwachen Regentin und Gemahlin des starken Kaisers Heinrich III. aus. Ihre Natur beschreibt er als unentschlossen, ihren Charakter bezeichnet er als ängstlich.2 In den letzten 10 Jahren hat sich die Forschungsmeinung in Bezug auf Agnes von Poitou verändert. Hier möchte ich vor allem zwei Historiker nennen, die sich sehr stark mit der Geschichte der Kaiserin beschäftigt haben. Tilmann Struve hat in einem Aufsatz überzeugend dargelegt, daß die Schleiernahme der Agnes nicht als direkte Reaktion auf den „Staatsstreich von Kaiserswerth“ im Jahre 1062 passierte.3 Vielmehr datiert er die Romreise der Kaiserin und besagtes Ende ihrer Regentschaft auf das Jahr 1065. Hierbei verwand er äußerst überzeugend die Berechnung einiger Mondfinsternisse gekoppelt mit Quellenmaterial der damaligen Zeit.4 Das hieße, daß Agnes sich nicht ängstlich und verschüchtert aus der Verantwortung zog, sondern noch drei Jahre lang das Reich zusammenhielt.
Mechthild Black-Veldtrup hat vor kurzem eine quellenkritische Studie zum Thema „Kaiserin Agnes“ verfasst, in der auch sie neue Erkenntnisse zu einem gewandelten Bild besageter Frau komprimiert.5 Besonders bemerkenswert finde ich, daß mit Tillman Struve ein Wissenschaftler über den „Tellerrand“ der Geschichtsforschung hinausgeschaut hat und sich ernsthaft logischer Zusammenhänge der Naturwissenschaften bediente. Die Idee vorhanden Zeugnisse über Naturschauspiele wie Sonnen- oder Mondfinsternisse zu nutzen und mit vorhandenem Quellenmaterial in Zusammenhang zu setzen ist genauso einfach wie genial. Ich bin der Meinung, dasß der Forschungsgegenstand: Kaiserin Agnes von Poitou noch nicht ganz ausgereizt ist. Wissenschaft und Forschung können sich nicht als Einbbahnstraße betrachten. Deshalb ist es wichtig, ständig zu konkretisieren und zu hinterfragen. Im Falle der Kaiserein Agnes ist dies, wie der Stand der neuesten Forschung anschaulich beweist, gut gelungen.
3. Kaiserin Agnes während der Ehe mit Heinrich III.
Agnes war die Tochter des Herzogs Wilhelm V. von Aquitanien und Pouitou. Seit dem Oktober des Jahres 1043 war sie mit Heinrich dem III. vermählt. Ihre Krönung zur Kaiserin erfolgte in Mainz.6 Heinrich III. hatte Agnes zu seiner Gemahlin gewählt nachdem seine erste Frau Grunhild der Malaria zum Opfer gefallen war. Die deutschen König schätzen „ausländische“ Ehefrauen, weil diese meist eine einflußreiche Verschwägerung und Machtgewinn zur Folge hatte. Agnes entstammte einer der mächtigsten Familien Frankreichs, die zudem in Italien und Burgund reich begütert war. Tiefe Religiösität soll Agnes ausgezeichnet haben. Das Kloster Clunny war eine Gründung ihrer Familie und dessen Abt, Hugo von Clunny sollte später Taufpate des Tronfolgers Heinrich IV.(1056-1106) und enger Vertrauter der Familie werden.7
Höfische Lebensfreude und Überdruß soll dem jungen Königspaar aufgrund ihres religiösen Pflichtbewußtseins widerstrebt haben.8 „... er (Heinrich III.) erscheint in Abbildungen in ´christusähnlicher Gestalt, mit einer Mandorla, dem mandelförmigen Heiligenschein. Er wird von Christus selbst gekrönt und tritt mit seiner Gemahlin Agnes vor die Mutter Gottes ..., die Darstellungen zeigen die erstrebte, unmittelbare Gottesnähe des Königspaares, die die priesterliche Würde für sich beanspruchten.“9
Heinrich III. begeisterte sich schnell für die religiösen Friedensgedanken, der in Frankreich entstandenen „treuga dei“ (Waffenruhe Gottes). Als starker König konnte er Faustrecht und Privatrache unterbinden. Zu Lebzeiten war der Salier zu stark, doch Widerstand regte sich gegen ihn. Ein Umstand der auch seine Gemahlin Agnes noch vor einige Problem stellen sollte.10 Die Forschung geht davon aus, das Agnes ganz hinter dem kirchenreformatischen Gedankengut ihres Mannes stand und ihn durch ihre Frömmigkeit auch inspirierte und beeinflußte. Wenn gleich der Begriff Ehe aus oder mit Liebe für das Mittelalter sehr abstrakt ist, zeigt die Geschichtsschreibung das Kaiserpaar als sich sehr nahestehende Personen, was sich unter anderem darin äußerte, daß Agnes viel für das Totengedenken ihres Mannes tat. Nach seinem Tode übernahm sie bekanntlich die vormundschaftliche Regierung des Reiches für den noch minderjährigen, legitimierten Nachfolger, ihrem Sohn Heinrich IV. Anfangs setzte sie die Politik ihres Gemahles fort. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Das mächtige Haus der Salier hatte mit empfindlichen Widerständen im gesamten Reich, aber besonders in Sachsen zu kämpfen.11 Agnes musste aus dem Schatten ihres Mannes heraustreten und hatte die Aufgabe ein ganzen Reich zusammenzuhalten und das Erbe ihres geliebten Mannes zu verteidigen.
4. Kirchliche Reformen vs. Reichsinteressen
4.1. Der Zusammenhalt einer Dynastie nach dem Tode Heinrich III.
Kaiser Heinrich III. galt als Anhänger der kirchlichen Reformbewegung. Am Anfang der Regentschaft der Kaiserin Agnes schien alles in den alten Bahnen zu verlaufen. Sie setzte quasi die Politik ihres Mannes fort. Unter der Regentschaft Heinrich III. war eine Konzentrierung des Hofes auf Goslar zu erkennnen. Die Übertragung von Gütern und Rechten aus den Händen des (sächsischen) Adels in die der Reichskirche und die daraus resultierende Machtschwächung, vor allem der Brunnonen und Billunger schuf in Sachsen ernste Probleme.12
Agnes Regentschaft stand unter keinem guten Stern. Die Zentralgewalt im Reich entglitt dem Haus der Salier immer mehr.13 Zwei große Geistliche, (und gleichzeitig Reformer) sind als Anfangsgaranten für das Funktionieren der Herschaftsübernahme durch Agnes zu nennen. Zum einem zählte Hugo von Cluny, Abt der gleichnamigen Abtei und Zentrum der Gedanken der Kirchenreform zu den Verbündeten der Kaiserin. In einem Brief, den Tillmann Struve auf das Jahr 1056 datiert, bittet Agnes den Abt von Cluny, ihren verstorbenen Gemahl in seine Gebete aufzunehmen.
Gleichzeitig verweist sie auf ihren minderjährigen Sohn-Heinrich IV., und bittet um Hilfe, falls es zu Schwierigkeiten wie z.B. im benachbarten Burgund kommen sollte.14 Der junge Monarch Heinrich war das Patenkind des Geistlichen von Cluny und konnte sich dessen Hilfe bewußt sein. Als größten Verbündeten in der Anfangszeit der weiblichen Regierung durch Kaiserin Agnes benennt die Forschung den Papst Viktor II. (+ 1057). Als Papst und Reichverwalter (er war gleichzeitig auch Bischof von Eichstätt) tat der Reformanhänger alles in seiner Macht stehende ,um das salische Imperium zu unterstützen und die Herschaft der Kaiserin zu schützen.
Er vermittelte zwischen Krone, weltlichem Adel und Episkopat.
Ergebniss war, daß die Regentschaft der Kaiserin Agnes akzeptiert wurde, wenn gleich völlige Loyalität von Seiten der Großen im Reich niemals wirklich gegeben war.15 Die Regentschaft schien gesichert. Doch es sollten gerade die aufstrebenen Adelsgeschlechter in Sachsen sein, die der Salierherschaft unter Heinrich IV. gefährlich werden sollten. In der Forschung liest man von einer Schwächung der Reichspolitik nach Machtübernahme der Kaiserin Agnes: „... zwar hören wir nach 1057 (ersteinmal) nichts von gefährlichen Unruhen oder Aufständen, aber in einigen wesentlichen Fragen der Reichspolitik reagierte die Regentschaft nur, statt den Kurs zu bestimmen. Die Gefahr wuchs, dass die Großen des Reiches sich daran gewöhnten, ohne König auszukommen.“16
Die Kaiserin war sich bewußt ohne entsprechendes Handeln die ihr übertragende Aufgabe des Regierens nicht lösen zu können.Die Salier verfügten über große Herzogtümer, die ihnen direkt unterstanden.Diese setzte die junge Regentin bald ein, um einige Adlige durch Begüterung enger an sich und ihre Familie zu binden.17 Agnes Macht war nicht so groß, wie die ihres Gemahles-Heinrich III..
Sie ist sich darüber im klaren gewesen, die selbst verwalteten Herzogtümer aus machtpolitischen Gründen verlehnen zu müssen. Im Jahre 1057 wurde Rudolf von Rheinfelden (+1080..) mit dem Herzogtum Schwaben belehnt und sollte auch Burgund verwalten.18 Rudolf von Rheinfelden reagierte taktisch sehr klug. Er verstand es seine Macht auzubauen, indem er die Kaiserstochter Mathilde zur Gattin nahm (Heirat 1059), nachdem er dies durch Entführung eben ganannter erpresste. So stieg er in die Nähe der Königsfamilie auf. Mathilde verstarb bereits im Jahre 1060. In zweiter Ehe verheiratete er sich mit der Schwester Berthas von Turin, der Schwägerin Heinrich IV.! So verschwägerte er sich abermals mit dem Königshaus. Ich bin der Meinung, daß ihn diese verwandschaftlichen Verhältnisse später dazu prädistinierten als Gegenkönig nominiert zu werden. Einige Forschungsmeinungen gehen davon aus, daß Agnes mit der Belehnung Rudolfs den Grundstein für die starke Gegnerschaft gegenüber ihres Sohnes Heinrich IV. gelegt hat. Das ist vielleicht vom Grundsatz richtig, erweist sich aber nur als logisch, wenn man sich die Vorgänge ohne semtliche Rahmenbedingungen im Reich ansieht.
Eine Stippvisite soll uns kurz in die Regierungszeit Heinrich IV. führen. Seine Machtpolitik, der Burgenbau im Harzvorland und seine Bemühungen um eine strategische Behauptung seiner „neuen“ Besitztümer auf sächsischem Gebiet ließ die latenten Feindseligkeiten mit der Sachsenopposition erst richtig aufleben.19 Das gerade die von Agnes belehnten drei Herzöge (zu den anderen beiden, die neben Rudolf von Rheinfelden agierten, komme ich gleich) den Zenit der Opposition bilden sollten, kann ihr nicht vorgeworfen werden. Sie trifft hierbei keine Schuld. Agnes hat meines Erachtens notwendigerweise gehandelt, um den (anfänglichen) Widerstand des Adels gegen ihre Person zu vermindern. Die Forschung wirft ihr vor, daß mit dem Niedergang der salischen Zentralgewalt die Machtbasis des Königstums stark gemindert wurde.20 Durch die Einsetzung des Herzogs Rudolf, fühlte sich der Graf Berthold von Zähringen (+1078) zurückgesetzt, da er Anspruch auf das nächste freiwerdende Herzogtum erhob. Dieses war, nach seinen Aussagen, von Heirich III. versichert wurden. An eine Expektanz (Berthold wies einen Ring vor, welcher als Symbol der Investitur und Erinnerungszeichen von Heinrich III. übergeben sein sollte,) hätte sich Agnes nicht gebunden sehen müssen, da solche Symbolhandlungen nur zu Lebzeiten beider Vertragspartner bindend waren.21 Doch die Behauptung der Eventualbelehnung wog schlichtweg schwerer. Die Kaiserin respektierte diesen Umstand und vergab das nächste freiwerdende Herzogtum - Kärnten. Dies bekam der Zähringer im Jahre 1061 nach dem Tode des Herzogs Konrad. Auch im Jahre 1061 wurde ein weiterer, späterer Gegner Heinrich IV. mit einem dem salischen Königshaus eigenem Herzogtum versehen. Der Sachse Otto von Northheim bekam Bayern übertragen. Er wird in der Forschung als Mann der Tat beschrieben.22 Sicher wurde seine persönliche Machtstellung verbessert, aber Otto von Northeim agierte durchaus im Sinne des salischen Hauses. Er schützte das Reich wirksam gegen äußere Feinde und schuf einen Ausgleich mit den Ungarn, indem er den Aparden Salomon als König durchsetzte. Dies war Heinrich III. zu Lebzeiten nicht gelungen.23 Ich bin wiederum der Meinung, daß Agnes nicht vorgeworfen werden kann, einen bewußt taktischen Fehler bei der Vergabe der Hezogtümer begangen zu haben. Sie hatte einfach keine andere Wahl. Das wird besonders bei der Vergabe des Herzogtums Bayerns sichtbar. Die östlichen Nachbarn, besonders die Ungarn, stellten eine große Gefahr für das Reich dar. Agnes, obwohl Kaiserin und defacto Regentin, hätte, da sie eine Frau war, garnicht die Möglichkeit gehabt, einen Feldzug selber zu führen. Dies war rechtlich nicht möglich. In Otto von Northeim hatte sie zum Beispiel einen starken Herzog gefunden, der zuerst ganz klar für das Reich agierte. Sicher ist es spekulativ zu sagen, wenn auch nicht völlig abwägig, daß es Agnes hätte verhindern müssen, den Adelsfamilien wie den Zähringern, Rheinfeldenern oder Northeimern eine gewaltige Machtbasis, die sie später gegen das Reich nutzten, zu bescheren. Ich frage: Was wäre die Alternative gewesen? Ich meine : eine offene Auseinandersetzung!
4.2 Vormundschaftliche Regierung für Heinrich IV.
Das Reich war für das Erste sowohl nach außen als auch nach innen gesichert. Nicht zuletzt durch die Unterstützung des Agnes-Beraters und Mentors - dem Papst Viktor II. gestützt, akzeptierten die Großen des Reiches die weibliche Regierung.24 Nicht ganz gewöhnlich waren die Zugeständnisse, die man Agnes damals machte. Per Eid wurde ihr zugesichert im Falle einer Thronvakanz, daß hieß der vorzeitige Tod Heinrich IV. (sein Bruder Konrad war bereits 1055 verstorben), eine Designation vorzunehmen.25 Sie hätte demnach, rechtlich abgesichert, die Möglichkeit gehabt, einen „bindenden“ Wahlvorschlag zu tätigen! Dieses Inramentum (Eidesverpflichtung) bringt zum Ausdruck, daß Agnes auch von Seiten des Adels als legitimierte Herrscherin galt. Die Fürsten hätten ohne ihre Zustimmung keinen neuen König erhoben. Wie ernst diese Eideserklärung genommen wurde, zeigten die Skrupel der Fürsten, die diese hatten, als sie unter Eidesbruch im Jahre 1076 einen Gegenkönig zu Heinrich IV. bestimmten.26 Der geleistete Eid und dessen Tragweite läßt die Regentin Agnes nicht in einem schwachen Licht erscheinen. Nur einer Herrscherin, die wirklich ernst genommen wurde, konnte ein derartiges Wahlrecht eingräumt werden, welches die salische Dynastie in erhebliche Weise sicherte. Die bemerkenswerte Übereinkunft im Falle einer Thronvakanz war im übrigen das letzte mal eine Festlegung, die das Wahlrecht der Fürsten zugunsten einer vom Königtum ausgehenden Einheit des Reiches zurückstufte!27 Agnes war so von den großen des Reiches als Oberhaupt des salischen Hauses anerkannt wurden. Hier ist es vor allem der eingangs zititerten neuesten Forschung zu verdanken, daß das Bild der schwachen und ängstlich handelnden Kaiserin etwas zurechtgerückt werden konnte. Agnes agierte durchaus überlegt im Sinne des salischen Hauses. Gesamtpolitischer Wandel und gesellschaftliche Umstände, die nicht nur Deutschland betrafen, schufen einen Konflikt, dem sich die Kaiserin bald gegenüber sah. Dazu in den nächsten Kapiteln mehr.
Großpolitische Entscheidungen außerhalb des Reiches vollzogen sich schon bald ohne Einbeziehung des salischen Reiches. So erfolgte zum Beispiel die Festlegung des Papstwahldekretes von 1059 durch Papst Nikolaus II. ohne zutun der Kaiserin.28 Intrigen und Machtspiele beherrschten im eigenen Land das Tagesgeschehen. Stimmen wurden laut, die die Regentschaft einer Frau verurteilten. Agnes geriet zwischen politische Zwangssituationen und eigene politische Interessen.29 Die Kaiserin war von verschiedensten Ratgebern abhängig und einige, die sich im Vorsitz des Hofes befanden, entwickelten aus persönlichen Interessen, wie Machtgier und Habsucht, eine gewisse Eigendynamik (So heißt es im Jahresbericht des Klosters Niederaltteich vom Jahre 1060)30
„Der König ein Knabe, die Mutter eine Frau ...“ hieß es zur damaligen Zeit treffend.31 Führungsschwäche oder politische Unsicherheit wurden mit dem Umstand begründet, daß Agnes weiblichen Geschlechts war. Ganz so einfach geht diese Rechnung allerdings nicht auf, bedenkt man, daß Agnes ihr Amt unvorbereitet und zwangsläufig bekleiden musste, und ihr Hauptaugenmerk darauf gerichtet war die Herrschaft für ihren Sohn zu sichern. Dabei mussten viele Faktoren berücksichtigt werden und etliche Kompromisse eingegangen werden.
Agnes vertraute mehr und mehr den unfreien, königlichen Dienstleuten, den sogenannten Ministerialen, damit lag sie ganz in der Tradition ihres Mannes. Mit der Erziehung ihres Sohnes beauftragte sie den Ministerialen Kuno. Auch Otnand, selben Ranges, der schon erfolgreich unter Heinrich III. diente, trat in den politischen Vordergrund.32 Gerade dieser setzte die königlichen Interessen gewissenhaft und zielstrebig auch gegen Widerstand von allen Seiten durch. Das grämte vor allem viele Kleriker und schuf Widerstand gegen die Kaiserin, die „Menschen ohne Herkunft“ zu ihren eigenen Vertrauten machte. Otnand wurde gar als „Orcus ille“ als Höllenhund beschimpft.33 Auch dem hohen Adel wurden die Ministerialen, die sich mit größter Energie für die Autorität des Königstums einsetzten, schnell verhasst. Das der junge Heinrich IV. in deren Umfeld aufwuchs, von den Unfreien erzogen wurde, oder gar ihre Einstellungen und Einsichten übernehmen würde - erschien den weltlichen und geistlichen Fürsten im höchsten Maße bedenklich.34 Agnes war unversehens in eine Zwickmühle geraten. Wohl um eine feste Linie einzuhalten, wurde der Bischof Heinrich von Augsburg (1047-1063) ihr bevorzugter persönlicher Berater.35
Dies schuf erneute Probleme, da Agnes und ihrem Berater unzüchtige Liebe vorgeworfen wurde, so berichtet es der Chronist Lampert von Hersfeld in seinem Jahresbericht von 1060.36
Die Forschung geht davon aus, daß solche Beschuldigungen und Anfeindungen die Kaiserin verbittert haben. Ein harsches Benehmen wurde ihr vom Bamberger Bischof Gunter nachgesagt. Wenn man seinen Worten Glauben schenken darf, benahm sie sich unbeherrscht „wie eine wilde Furie“37 Die Stimmung am Hof kann Anfang der sechziger Jahre des 11. Jahrhunderts laut Forschungsmeinung durch Intrigen, Anfeindungen, Eifersucht und Sticheleinen, als äußerst gereizt beschrieben werden. Doch die eigentliche Krise sollte noch folgen.
Das Agnes dem Reformpapsttum und als religiöse Frau dessen Ideen und Ansichten Nahe stand, wurde Eingangs schon beschrieben. Mit dem Tode ihres Beraters und Freundes Viktor II. riss im Jahre 1057 der Kontakt zu den Reformern ab.38 Ihre persönliche Interssen und die der Reformer drifteten sogar bald auseinander. Das reiche Stift Gandersheim wurde von Agnes Stieftochter Beatrix geleitet und stärkte die salische Präsenz in Sachsen. Die Stiftsdamen von Gandersheim, die sich vorwiegend aus dem sächsischen Adel rekrutierten, warfen Beatrix vor, sie würde Stiftsgüter den Ministerialen zukommen lassen und so den Lebensunterhalt der Kononissen gefährden. Beatrix und Agnes wandten sich noch an Viktor II., der für ihre Belange entschied. Nach seinem Tod rollte der Legat des Papstes, Stefan IX., der berühmtgewordene Mönch Hildebrand, den Streitfall erneut auf, und entschied für die sächsischen Stiftdamen. Das bedeutete eine empfindliche Niederlage auch für Agnes, die so in Sachsen an Prestige und Macht verlor.39
Als der Papst Steffan IX. am 29. März 1079 starb, einigte man sich unter Einfluß Rudolf des Bärtigen auf Nikolaus II. als Nachfolger. Dies geschah noch mit der Zustimmung der Kaiserin.40 Weitere Vorgänge, außerhalb Deutschlands, liefen wie schon erwähnt ohne zutun des deutschen Hofes ab. Als Agnes im Jahre 1060 „das Pallium“ - das Erzbischöfliche Würdezeichen, in Rom für den Mainzer Erzbischof Sigfried I. erbat, wurde ihr Gesuchen abgelehnt. Das verbitterte die deutschen Bischöfe.41 Die Auseinandersetzung mit Rom spitzte sich soweit zu, daß eine Reichsynode alle Verfügungen Nikolaus II. für nichtig erklärte und ihn selber exkommunizierte. Die stadtrömische Opposition, die sich schon immer im Clinch mit dem Reformpapsttum befand, witterte ihre Chance und schickte eine Abgesandschaft an den deutschen Hof um für die Nominierung eines neuen Papstes zu bitten.42 Der Gesandte der Reformkirche wurde allerdings nicht empfangen. Die Folge war ein Papstschisma, da die Reformer am 30. September 1061 den Papst Alexander II. wählten, und am 28. Oktober 1061 der deutsche Hof durch den elfjährigen Heinrich IV. in Basel Honorius II. zum Papst erklärten.43 Agnes hatte sich in die wohl schwierigste Situation seit Beginn ihrer Herrschaft gebracht. Durch die Zustimmung zur Gegenpapstwahl, war die Politik Heinrich III. umgekehrt wurden.44 Der deutsche Hof hatte sich zum Gegener des Reformkirchentums entwickelt, und die fromme Kaiserin trug Mitschuld daran, daß die Kirche sich gespalten hatte. Diese Wendung war nach Forschungsmeinung nicht in ihrem Sinne und entsprach ganz und gar nicht ihrer tief religiösen Meinung.45 Nach den Vorgängen in Basel ist ein Bruch in der Regentschaft der Kaiserin zu erkennen. Die Forschung spricht davon, daß ihr das Ruder der Reichsregierung aus den Händen zu glitten schien. Offenbar war sie nicht mehr in der Lage, die Dinge nach ihren Vorstellungen zu steuern.
Agnes hatte durch die teils selbstherrlich auftretenden Kirchenreformer einige Demütigungen ertragen müssen.46 Dennoch bin ich der Meinung, daß sie der Tragweite iher Handlungen nicht im klaren war, denn die Unterstützung der Reformgegner versah sie Zeit ihres Lebens mit Schuldgefühlen und persönlichen Unbehagen.47 Sie hatte stets versucht die Interessen des salischen Hauses zu waren und dabei unversehens die Ansichten ihres verstorben Gemahls durch das „Cadalusschisma“ umgekehrt. Persönliche Schwäche kann hier nicht geltend gemacht werden. Denn es war nicht mehr die Zeit Heinrich III.. Die Zeiten hatten sich geändert, das Reformpapsttum sich emanzipiert und agierte auch mal gegen die Interessen des deutschen Hofes. Agnes musste sich zwangsläufig für eine Seite entscheiden, und tat dies wie von einer Regentin zu erwarten für die Seite ihres Reiches und dessen Würdenträger. Nach den „außenpolitischen“ Problemen sollte die Kaiserin noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden. „Aus Sorge um das Reich“ entführten Anfang April 1062 große Männer des Reiches unter Führung des Kölner Erzbischofes Anno II. den jungen Kaiser Heinrich IV. zu Kaiserswerth. Dieses Ereignis ging als „Staatsstreich von Kaiserswerth“ in die Geschichte ein.48 Die Quellen können keine genauen Motive nennen, doch geht die Forschung davon aus, daß persönlicher Machtgewinn (besonders bei Anno II.) aber auch Sorge um die „Verwahrlosung“ und falsche Erziehung des jungen Heinrichs ausschlaggebend für den tückischen Übergriff war. Kaiserin Agnes war durch diese Handlung defacto entmachtet. Anno II. sowie der Bremer Erzbischof Adelbert I. teilten sich praktisch die Regierungsgeschäfte und wurden bald zu erbitterten Gegnern, da Adelbert ein enges und loyales Verhältnis zu dem jungen Heinrich IV. aufbaute. Anno II., Anhänger der Kirchenreformer schaffte allerdings einen Ausgleich mit Rom, indem er es vermochte bis auf weiteres Anerkennung im Reich für den Reformpapst Alexander II. zu erlangen.49 Durch die schmerzliche Trennung von ihrem Sohn war Agnes plötzlich der Regierungsverantwortung ledig.50 Allgemein wird angenommen, daß die Kaiserin nach dem Anschlag von Kaiserswerth völlig dem weltlichen Leben entsagte und sich dem religiösen Leben gewidmet hat. Diese Meinung baut sich auf die Niederschriften der älteren Forschung, wie der von Meier-Knonau, Giesebrecht oder Buhlst-Thiele .51 Agnes war zwar von dem Seelenwunsch getragen sich ganz in das geistliche Leben zurückzuziehen, denoch schließe ich mich der Meinung von Tilmann-Struve an, daß sie erst knapp drei Jahre nach Kaiserswerth die Reise nach Rom und somit ihren Rückzug aus dem weltlichen Lebnen antrat.52 Dies geschah aus politischen Motiven.53 Damit wäre für mich die Darstellung der sich ängstlich zurückgezogenen Kaiserin widerlegt. Genaue Ausführungen werde ich gleich in meinem Fazit treffen.
5. Kurzer Vergleich: Eine andere bedeutende Frau des Mittelalters - Mathilde von Tuszien
Ungefähr im selben Zeitabschnitt in dem Kaiserin Agnes wirkte, treffen wir auf eine andere bedeutende Frau, welche durch politsches Handeln, verwandschaftliche Verhältnisse und andere gesellschaftliche Verflechtungen sehr gut in den Kontext meiner Ausarbeitung passt. Die Rede ist natürlich von der Markgräfin Mathilde von Tuszien. Als Tochter des Markgrafen Bonifazio und der Beatrix von Lothrringen (in zweiter Ehe mit dem Hauptgegner Heinrich III. Gottfried dem Bärtigen verheiratet) wurde Mathilde im Jahre 1046 geboren.54 Sie wuchs in Deutschland als Gefangene Heinrich III. (Dieser hatte sie und ihre Mutter nach deren Hochzeit nach Deutschland bringen lassen) auf und geriet als zukünftige Erbin schon früh in das Blickfeld politischer Interessen.55 Sie heiratete ihren Stiefbruder - Gottfried den Buckligen, der ein Sohn Gottfried des Bärtigen war. Dieser fiel im Jahre 1076 einen Mord zum Opfer.56 Mathilde spielte schon in jungen Jahren, unterstützt durch ihre Mutter eine wichtige Rolle bei politischen Entscheidungen. In der Forschung wird sie als starke Anhängerin der Kirchenreform beschrieben.57 Sie unterstützte nicht nur die von Clunny und Gorze ausgehende innerkirchliche Reform, sondern auch die kämpferische, sich in die Reichspolitik einmischenden Reformer, wie Papst Gregor VII.58 Mathilde achtete und verehrte den „Intellektuellen“ und als modern geltenden Priester. Sie wurde zur wichtigen Stütze der Kirche, in dem sie diese reich beschenkte und auch mit eigenen Truppen (gegen Heinrich IV.) unterstützte. Mit dem Reformpapst Gregor verband sie eine enge Freundschaft.59 Ihre Güter werden oft dessen Zufluchtsort, Da sie keine Kinder hatte, entschloß sie sich sämtliche Besitze, sofern es keine Reichslehen waren an die Kirche zu verschenken. „Die Mathildischen Güter“ halfen dieser ihre Macht gegenüber dem deutschen Königtum auszubauen. Nach politisch taktischer Heirat mit dem sehr jungen Schwaben Welf V. und unglücklicher Ehe verstarb die tiefreligiöse Mathilda von Tuszien im Jahre 1115.60 Vergleicht man sie mit Agnes von Poitou fallen einem vordergründig etliche Gemeinsamkeiten auf. Beide lebten ungefähr zur selben Zeit, waren hochwohl geboren, verwitwet und nahmen einen für eine Frau des Mittelalters bedeutenden Stellenwert in ihrer Zeit ein. Bemerkenswert auch, daß beide Frauen Anhängerinnen der Kirchenreformbewegung waren, doch die Geschichte , besser die Umstände ihrer Zeit, ihr Umfeld und ihre Ziele differierte doch sehr auseinander. Mathilde wurde eine enge Vertraute Gregor VII., mit dem sich Agnes durch ihre Entscheidung im „Codalus-Schisma“ überwarf. Durch ihre Nähe zum Papst wurde Mathilde zur erkärten Gegenerin der Reichspolitik.61 Ihre Verbundenheit äußerte sich nicht, wie etwa bei Agnes durch Anerkennung und Symphatie, Mathilde agierte konsequet und stellte ihr gesamtes Vermögen und ihr Handlen in den Dienst der Kirche. Sie half dem Papst bei dessen Auseinandersetzungen mit dem Hause der Salier. Auch Agnes hatte eine enge Verbindunge zu einem Papst - nämlich zu Viktor II., dieser half ihr, die Reichsregierung zu übernehmen und zu sichern - vielleicht so etwas wie der selbe Sachverhalt nur mit veränderten Rollen. Beide Frauen hatten von der Basis her ähnliche Vorstellungen und Aussichten. Ein parallel verlaufender Werdegang ist abner nicht zu erkennen. Trotz der gleichen, sprich positiven Einstellung zum Reformpapsttum standen sie bald (zwangsläufig) auf verschiedenen Seiten, Eine logische Konsequenz der verschiedenen Ausgangspositionen und Begleitumstände, in der sie hereingewachsen waren. Agnes als Kaiserin hatte selbst verständlich einen anderen politischen Schwerpunkt als die Markgräfin Mathilde, die weder ein ganzes Reich verwalten, noch einen minderjährigen Thronerbe schützen musste. Es gs gibt viele Gemeinsamketien im Leben beider Frauen, doch diese sind nur oberflächlicher Natur.
6. Fazit: Agnes „ Scheitern “ als logische Konseqenz ihres Handelns?- War die Kaiserin eine schwache Regentin?
Das Ende der Regentschaft der Kaiserin Agnes wurde (und wird) seit Jahrhunderten als Scheitern ihrereseits betrachtet. Mechthild-Black-Veldtrupp verweist in diesem Zusammenhang auf die Arbeiten von Buhlst-Thiele, die wie Veldtrupp meint nicht negativ wertend, die Kaiserin Agnes als schwache Herrscherin sah.62 Doch ist Agnes in ihrer Regentschaft wirklich gescheitert? Oder kann das Ende ihrer Herschaft als ,ein den Umständen entsprechender, bewußt gewählter Rückzug betrachtet werden?
Als ganzes gesehen war die Politik der Kaiserin erfolgreich. Dies wurde auch von ihren Zeitgenossen so aufgenommen.63 Sie war stets um einen Ausgleich bemüht.
Den Konfrontationskurs gegen die Sachsen, den ihr Gemahl-Heinrich III. geführt hatte, setzte sie nicht fort. Sie schaffte es, sich mit den rebelierenden Sachsen zu arangieren, ersteinmal eine Auseinandersetzung mit den Ungarn zu vermeiden und konstatierte eine innere Stabilität durch die Vergabe eigener Herzogtümer. Durch die gerade erwähnte Belehnung schützte sie das reich nach Außen und konnte gleichzeitig die eingesetzten Herzogsfamilien an das Reich binden.64 Unzufriedenheit mit ihrer Regierung verschaffte erst in den sechziger Jahren des 11. Jahrhunderts Gehör. Selbst dann hören wir wenig bis gar nichts über politische Schwächen der Kaiserin, vielmehr wird von ihrem persönlichen Streit mit Bischof Gunther von Bamberg oder ihrer Bevorzugung für Heinrich von Augsburg berichtet.65 Vereinzelt berichtet die Geschichtsschreibung auch vom Mißmut über mangelnde Fortschritte in der Erziehung des jungen Königs.66 Agnes Regentschaft endetet defacto, 1062, nachdem „Staatsstreich von Kaiserswerth“. Die Forschung nimmt allgemein an, dass Agnes in ihrer Politik scheiterte und sich nach Kaiserswerth in einen religiöses Leben zurück zog. Diese Meinung scheint inzwischen revidiert und unterstützt mein Resüme. Tillmann Struve hat sehr anschaulich und meiner Meinung nach wissentschaftlich korrekt belegt, dass Agnes ihre Rom Reise (gleich bedeutend mit ihrem Rückzug aus dem weltlichen Leben)nicht im Jahre 1062/63 antrat, sondern erst 1065 - also 3 Jahre nach dem „Staatsstreich“ Deutschland verließ.67 Hierbei macht sich Struve die spärliche Quellenlage zu Nutze, in der der enge Vertraute der Kaiserin namens Petrus Damiani von einem freundschaftlichen Austausch und der Ankunft Agnes in Rom spricht. Leider nennt er keine Datierung. Struve verglich alle bekannten Quellen und konnte so ungefähr nachweisen, wann sowohl Damiani als auch Agnes sich in Rom aufgehalten haben könnten. Naturerscheinungen wie totale Mondfinsternisse nennt Damiani umd bringt sie mit dem Tod Heinrich III. und Viktor II. in Zusammenhang. Er nennt eine totale Finsternis und setzt sie mít dem „Angriff des Cadalus auf die Kirche“ in Zusammenhang. Struve vergleicht die nachweisbaren Finsternisse und bringt sie in den Kontext der damaligen Vorkommennisse nebst deren Datierung und Beschreibung in den vorhandenen Quellen.68 So kommt er zu dem Schluß, dass die Kaiserin Agnes erst im Mai oder November des Jahres 1065 nach Rom gegangen sei. Zwar hatte Agnes nachweislich nach Kaiserswerth einen Brief an die Mönche von Frutturia gesandt und um Aufnahme im Kloster gebeten, doch berichtet Deckungsgleich der Chronist Lampert von Hersfeld in seinen Analen davon, dass die Kaiserin von ihrem nahesten Umfeld zum Verbleib im Reich überzeugt wurde.69 Es gab wohl auch gewichtige Gründe die ihre Anwesenheit in Deutschland geboten. So lange Heinrich ein unmündiges Kind war, galt Agnes als Leiterin des salischen Hauses. So lange sie den Witwenstuhl inne hatte, konnte sie ihrem Kind das väterliche Haus - sprich die Herrschaft im Reich erhalten. Die Forschung geht davon aus, dass ein vorzeitges Verlassen ihres Standes die Auflösung des Königreiches bedeutet hätte.70 Durch die Präsens der Kaiserin im Reich sollte eine Gefährdung der Position des jungen Königs unterbunden werden. Wie akut diese Gefähr sein konnte, zeigt das Beispiel eines Mordanschlages gegen ihn im Jahre 1057.71 Ich gehe davon aus, dass Agnes aus politischen Gründen, nämlich um die Nachfolge ihres Sohnes zu sichern, in Deutschland blieb. Erst als Heinrich IV. am 29. März 1065 mit der Schwertumgürtelung mündig wurde, konnte Agnes ohne Gefahr für das Reich in das Privatleben zurückkehren und ihrem langgehegtem Wunsch, nach einem geistlichen Lebensabend Rechnung tragen. Ich betrachte das Ende ihrer Regierungszeit nicht als scheitern. Sie hatte ernsthaft versucht stabile Verhältnisse im Reich durch Ausgleich mit allen Seiten zu schaffen. Ich sehe das Ende ihrer Regentschaft als einen Rückzug an. der gewollt war. Ihr tief religöses Wesen ließ den Seelenwunsch nach einem geistlichen Leben in ihr erwachsen. Sie scheiterte höchstens an sich selbst, in dem sie die Eigendynamik der Reformbewegung unterschätzte,in deren Sinne sie anfangs die Politik ihres Mannes fortsetzte. Das „Cadalus - Schisma“ rief in ihr tiefe Schuldgefühle hervor, darin ist sich die Forschung sicher. Ihre Fehleinschätzung der „politischen Großwetterlage“, und der durch die erstarkten Reformer begonnene Zwist zwischen Reich und Kirche führte zu ihrer Unterstützung der „Antireformer“. In Verantwortung für diesen persönlichen Fehler nahm Agnes bald den Schleier zudem nach dem „Cadalus - Schisma“ moch der „Staatsstreich von Kaiserswerth“ folgte. Meiner Meinung nach hat Agnes stets im Sinne des Reiches und ihrer minderjährigen Sohnes gehandelt. Sie konnte die Machtbasis für Heinrich IV., von auch abgechwächt, erhalten! Ich betrachte die Zeit ihrer Regentschaft nicht als gescheitert, sondern sehe das Ende ihrer Regierung als einen Rückzug aus logischer Konsequenz dem Umbruch und der Veränderung der damaligen Zeit Folge zu tragen.
Agnes war nicht die schwache Regentin die oft in ihr gesehen wurde. Ich denke sie war in politischen Fragen weder inkompeten noch an politischen Entscheidnungsprozessen uninteressiert. Sonst hätte sie Heinrich III. wohl kaum als Regentin für seinen minderjährigen Nachfolger bestimmt und der Übergang der Regierung wäre auch nicht so verhältnismäßig glatt verlaufen. In diesem Zusammenhang möchte ich nur kurz auf die Kaiserin Theophanu verweisen, die große Probleme in der Anerkennung ihrer Regentschaft nach dem Tod Otto II. hatte.
Agnes war eine engagierte Frau, was sich in ihrem erfolgreichen Bemühen um die Förderung verschiedenster Ansätze der Kirchenreform beweisen läßt. Sie agierte klug, und schaffte es, das Reichszepter im Haus der Salier und für ihren Sohn zu sichern. Agnes hat zu einem Modus vivendi mit dem sächsichen Adel der stark vom Kurs ihres Mannes abwich. Hier kann ausdrücklich betont werden das nach den Unruhen von 1057 für die gesamte Zeit ihrer Regentschaft in Sachsen Ruhe herrschte. Abschließend formuliert halte ich das etablierte Bild der schwächlichen Kaiserin für überholt. Kaiserin Agnes war weder schwach, noch hilflos und unsicher. Ich bin der Meinung, dass die Regentin einer bedeutende Frau mit durchaus politischem Geschick war, die obwohl sie als Frau und Kaiserin weder Heerführerin noch Richterin sein konnte (anders als ein Mann in selber Position), geschickt, willensstark und zielstrebig handelte. Sie nahm die geistigen Strömungen ihrer Zeit in vielfältiger Art und Weise auf, und versuchte diese auch umzusetzen. Ich finde es außerordentlich bemerkenswertm, mit welcher Konsequenz sie ihren Weg beschritt: „Dessen Gradlinigkeit offenbar bis heute nicht richtig erkannt wurde.“72
7. Literaturverzeichniss:
Black-Veldtrup, M.: Kaiserin Agnes (1043-1077), Quellenkritische Studien, Köln 1995.
Boshof, E.: Die Salier, Stuttgart 1987.
Decker-Hauf, H.: Historische Stätten und Gestalten in Italien, Stuttgart 1992.
Giese, W.: Der Stamm der Sachsen,
Giesebrecht, W. von : Geschichte des Deutschen Kaisertums, Band 2., Leipzig 1890.
Golinelli, P.: Mathilde und der Gang nach Canossa, Mailand, Düsseldorf 1998.
Hartmann, W.: Der Investiturstreit, München 1993.
Hersfeld, L. von: Annalen 1062 (ed. O. Holger-Egger, MGH SS rer. Germ. /38 1884)
Jakobs, H.: Kirchenreform und Hochmittelalter 1046-1215, München 1994.
Laudage, J. von: Der Investiturstreit, Quellen und Materialien, Köln 1989.
Pleticha, H. (Hrsg.).: Deutsche Geschichte, Band 2, Gütersloh 1993.
Schiefer, R.: Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbotes für die deutschen Könige, Stuttgart 1981.
Struve, T.: Die Romreise der Kaiserin Agnes, in: Historisches Jahrbuch 105, 1985 S.1-29.
Struve, T.: zwei Briefe der Kaiserin Agnes, in: Historisches Jahrbuch 104, 184 S.411-424.
Weinfurter, S.: Herschaft und Reich der Salier, Grundlinien einer Umbruchzeit, Sigmaringen 1992.
[...]
1 Vgl.: Bulhlst-Thiele,M.,L.: Kaiserin Agnes, Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance 52, 1933, (Nachdruck 1972).
2 Vgl.:Gisebrecht,W.von:Geschichte des Deutschen Kaisertums,Band 2, Leipzig 1890 S.43ff.
3 Vgl.:Struve, T.: Die Romreise der Kaiserin Agnes, in: HJB.105, 1985 S.1ff.
4 ebenda.
5 Vgl.:Black-Veldtrup, M.:Kaiserin Agnes (1043-1077), Köln 1995.
6 Vgl.:Jakobs, H.: Kirchenreform und Hochmittelalter 1046-1215, München 1994 S. 57.
7 Vgl.: Pleticha,H.(Hrsg.).: Deutsche Geschichte, Band 2, Gütersloh 1993 S. 36.
8 Vgl.: a.a.O S.33-34
9 Vgl.:Pleticha, H.(wie Anm.7), S.36.
10 Vgl.: Weinfurter, S.:Herschaft und Reich der Salier, Grundlinien einer Umbruchzeit, Sigmaringen 1992 S.97.
11 Vgl.:Boshof,E.: Die Salier, Stuttgart 1987 S.170f.
12 Vgl.:Black-Veldtrup, M.(wie Anm.5),S.195.
13 Vgl.:Boshof,E.:(wie Anm.11),S.169.
14 Vgl.:Sruve,T.: Zwei Briefe der Kaiserin Agnes, in: HJB 104, 1984 S.412.
15 Vgl.: Boshof, E.: (wie Anm. 11),S.174.
16 ebenda,S.172.
17 Vgl.:Hartmann, W.: Der Investizurstreit, München 1992 S.14ff.
18 Vgl.:Weinfurter,S.:(wie Anm.10),S.97
19 Vgl.: Schiefer, R.: Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbotes für die dt. Könige, Stuttgart 1981 S.46.
20 Vgl.:Bosof,E: (wie Anm.11), S.171.
21 Vgl. ebenda
22 Vgl.: Hartmann,W.(wie Anm.17),S.16. Vgl.dazu auch: Black-Veldtrup,M. (wie Anm.5),S.195.
23 Vgl.: Boshof, E.: (wie Anm.11),S.171.
24 Vgl.: Weinfurter,S.(wie Anm.10),S.97.
25 Vgl.:Black-Veldtrup,M.:(wie Anm.5),S.348
26 Vgl.:ebenda S.350.
27 Vgl.:Weinfurter,S.:(wie Anm.10),S.98.
28 Vgl.:ebenda S.99.
29 Vgl.:Jakobs,H.: Kirchenreform und Hochmittelalter 1046-1215, München 1994 S.21.
30 Vgl.:Weinfurter,S.(wie Anm.10),S.98.
31 Vgl.:Giesbrecht,W.von: (wie Anm.2),S.46.
32 Vgl.:Black-Veldtrupp,M.(wie Anm.5),S.352.
33 Vgl.:Boshof,E.:(wie Anm.11),S.173.
34 Vgl.:ebenda
35 Vgl.: Giesebrecht,W.von: (wie Anm. 2),S.43.
36 Vgl.: Weinfurter,S.:(wie Anm.10),S.99
37 Vgl.:Erdmann Briefsammlung 170, zit nach: Weinfurter,S.:(wie Anm.10),S.100.
38 Vgl.:Hartmann,W.:(wie Anm.17),S.16.
39 Vgl.: Black-Veldtrup,M.(wie Anm.5),S.349. Vgl.auch:Boshof,E.:(wie Anm.11),S.168-169.
40 Vgl.:ebenda S.175.
41 Vgl.:ebenda S.176.
42 Vgl.:ebenda
43 Vgl.:ebenda
44 Vgl.:Black-Veldtrup,M.:(wie Anm.5),S.128
45 Vgl.:ebenda S.382.
46 Vgl.:Weinfurter,S.:(wie Anm.10),S.101.
47 Vgl.:Struve,T.:Zwei Briefe der Kaiserin Agnes, in: HJB 104 184,S.420.
48 Vgl.: Pleticha, H.: Deutsche Geschichte, Band 2, S.120.
49 Vgl.:Weinfurter,S.:(wie Anm.10),S.105.
50 Vgl.:Struve,T.: Die Romreise der Kaiserin Agnes, in HJB 105 1985 S.1
51 Vgl.:Black-Veldtrup,M.(wie Anm.5),S.1f.
52 Vgl.:Struve,T.: (wie Anm.50),S.12.
53 Vgl.:ebenda S.29.
54 Vgl.:Golinelli,P.:Mathilde und der Gang nach Canossa, Mailand.Düsseldorf 198 S.300
55 Vgl.:Decker-Hauf, H.: Historische Stätten und Gestalten in Italien, Stuttgart 1992 S. 13.
56 Vgl.:ebenda S.14
57 Vgl.:ebenda
58 Vgl.:ebenda S.17
59 Vgl.:Golinelli,P.:(wie Anm 54), S.302.
60 Vgl.:Black-Veldtrup,M.:(wie Anm.5),S.348ff.
61 ebenda
62 ebenda
63 Vgl.:ebenda
64 Vgl.:ebenda S.22f.
65 Vgl.:ebenda S.382.
66 Vgl.:ebenda
67 Vgl.:Struve,T.:Die Romreis der Kaiserin Agnes,in HJB 105, 1985 S.29.
68 ebenda S.ff.
69 Vgl.:Lampert von Hersfeld: Annalen 1062 (ed. O.Holder-Egger,MGH SS rer. Germ.38 1884).
70 Vgl.:Struve,T.:(wie Anm.67),S.9.
71 Vgl.Lampert von Hersfeld:(wie Anm.69)
72 Vgl.:Black-Veldtrupp,M.:(wie Anm.5),S.385.
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