Der Schlieffenplan


Referat / Aufsatz (Schule), 2000

7 Seiten


Leseprobe


Der Schlieffenplan

1. Politische Konstellation

Mit dem Rücktritt Bismarcks 1890änderte sich die deutsche Außenpolitik grundsätzlich und das von ihm geschaffene Bündnissystem zerfiel. Imgleichen Jahr wird der Deutsch - Russische Rückversicherungsvertrag von 1887 nicht verlängert, was Rußland veranlaßt, Bündnisverhandlungen mit Frankreich aufzunehmen. Bereits 1894 ist Frankreich nicht mehr außenpolitisch isoliert und schließt mit dem Russischen Reich ein Defensivbündnis gegen einen deutschen Angriff (Militärkonvention).

Weil Wilhelm II. “Weltpolitik als Aufgabe, Weltmacht als Ziel, Flotte als Instrument“ auf seine Fahnen schrieb, scheiterten 1898 Verhandlungen mit England über eine Flottenbegrenzung. Deutschland wird immer mehr an die Seite seiner Bündnispartner aus dem Dreibund von 1882 gedrückt, aus dem aber Italien auch schon langsam drängt: 1900 schließt es mit Frankreich ein Kolonialabkommen über die Interessen in Marokko und Tripolis. Die „Einkreisung“ Deutschlands war perfekt, als England und Frankreich 1904 zu einer Verständigung über ihre kolonialen Interessen in Nordafrika kommen. Beide Mächte beschließen, künftig alle Fragen im „herzlichen Einvernehmen“ (Entente cordiale) zu lösen. 1905 kommt es zur ersten Konfrontation der beiden Machtblöcke Entente und den Mittelmächten Deutschland und Österreich-Ungarn : die Marokkokrise. Im gleichen Jahr legt General von Schlieffen seine Denkschrift vor, an der er seit 1891 immer wieder gearbeitet hat, der sogenannte „Schlieffenplan“.

2. Biographie: Alfred Graf von Schlieffen

Militärische Karriere

Am 28. Februar 1833 wird Alfred Graf von Schlieffen als Sohn eines preußischen Generalmajors in Berlin geboren. Bereits mit 20 Jahren trat er seinen Militärdienst 1853 an und blieb seitdem bei der Armee. Schlieffen wurde 1863 schon Generalstabsoffizier und nahm drei Jahre später 1866 als Hauptmann des Generalstabs an der Schlacht von Königgrätz gegen die Österreicher teil. Im Deutsch - Französichen Krieg 1870/71 ist Graf Schlieffen Major im Generalstab des Großherzogs von Mecklenburg. Von 1876 bis 1884 war er Kommandeur des Garde-Ulanenregiments und war seitdem außschließlich im Großen Generalstab tätig. 1881 wird Schlieffen zum Oberst befördert. Drei Jahre später ist Graf Schlieffen schon Abteilungschef des Großen Generalstabs und 1889 wird er zum Oberquartiermeister befördert und somit Stellvertreter des Generalstabschef Alfred Graf von Waldersee, dessen Nachfolge er 1891 antritt. 1892 wird er Generaladjutant S.M. Wilhelm II.. 1903 wird von Schlieffen zum Generaloberst befördert. 1905 erscheint seine Denkschrift, der Schlieffen-Plan, der aber immer noch leichteänderungen erfahren wird. 1906 tritt Schlieffen mit 73 Jahren in den Ruhestand, in dem er 1911 zum Generalfeldmarschall ernannt wird. Bereits zwei Jahre später, am 4. Januar 1913, stirbt Generalfeldmarschall Alfred Graf von Schlieffen in Berlin.

3. Der Schlieffen - Plan (von 1905)

Der Schlieffen - Plan erfuhr auch nach seiner Vorlage von 1905 immer wieder Veränderungen durch Schlieffen selbst. Da diese aber meist sehr ins Detail gingen, lassen wir sie hier außer acht und stellen den Plan von 1905 vor.

3.1. Die geopolitische Lage des Deutschen Reiches um 1905

Das Deutsche Reich lag in der Mitte Europas und grenzte an folgende Länder/Meere: Im Norden: Nordsee, Ostsee, Dänemark

Im Süden: Schweiz, Österreich-Ungarn Im Osten: Rußland

Im Westen: Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich

Weiterhin für den Schlieffenplan und damit für die Kriegstaktik im Westen von Bedeutung waren:

- der Rhein als natürliche Grenze,
- die Mosel als natürliche Grenze,
- die Vogesen und
- die Ardennen als natürliche Hindernisse.

Der Bereich ostwärts der deutschen Grenze bestand aus weiträumigen Landschaften, die durch ihre Tiefe und ihre mangelnde Infrastruktur für die Logistik einer Armee ein Problem darstellte.

3.2. Die Grenzbefestigungen in West und Ost

Frankreich hatte seine Grenzen zum Deutschen Reich seit dem Krieg von 1870/71 stetig weiter ausgebaut. Angelehnt an die Schweiz und Belgien, zog sich eine Linie der Grenzbefestigungen von Belfort über Verdun bis Montmedy hin.

Ein zweites Befestigungssystem in Frankreich befand sich auf der Linie Lille, Maubeuge, dahinter La Fere, Lacon und Reims.

In Belgien waren die Städte Lüttisch und Namur sehr stark befestigt.

Im Osten sind nennenswerte Befestigungen der Grenze nicht vorhanden gewesen.

3.3. Die militärische Lage im Westen

1905 waren die Armeen Deutschlands und Frankreichs folgende:

Deutschland: 971 Bataillone, 504 Eskadrons (Kavallerie), 801 Batterien (Artillerie) ohne

Landwehr, Landsturm und Festungsbesatzungen

Frankreich: 995 Bataillone, 444 Eskadrons, 705 Batterien ohne Territorialtruppen und Festungsbesatzungen.

Neuartige Waffen, wie Panzer oder Maschinengewehre, die ein schnelles Vorankommen einer Armee gewährleisten, waren 1905 noch nicht eingeführt oder noch nicht bekannt. Auch die Luftfahrt war noch in den Anfängenbegriffen, also kein Kriegsentscheidender Faktor.

3.4. Die politische Lage in Bezug auf die Niederlande, Belgien und Luxemburg

Bei einem Krieg des Deutschen Reichs mit Frankreich und Rußland war von Bedeutung, daß

- die Niederlande,
- Belgien und
- Luxemburg

neutrale Länder waren. Ein unerlaubtes Überschreiten der Grenzen wäre ein Bruch des Völkerrechts gewesen und hätte den Agressor sofort ins Unrecht gesetzt, wie dies auch 1914 geschah.

3.5. Der Plan

Ausgehend von der Unumgänglichkeit eines Zweifrontenkrieges des Deutschen Reichs unter Berücksichtigung der geopolitischen Verhältnisse in Bezug auf die Niederlande, Belgien und Luxemburg, stellt sich die Frage nach der Kriegstaktik und dem Kriegsziel.

Der Schlieffenplan wurde völlig unabhängig von der Marinepolitik des Kaisers konzipiert. Für den gleichzeitigen Kriegsfall mit Frankreich und Rußland sah der Plan vor, im Osten nur schwache Kräfte zur Sicherung der Grenzen und zur Unterstützung der Österreicher einzusetzen, die Entscheidung aber im Westen durch einen offensiven „Vernichtungskrieg“ mit staken Kräften zu suchen. Dabei sollte es auf dem rechten Flügel mit starken Kräften - 7:1 zum linken Defensivflügel - durch eine Umgehung der Befestigungsanlagen im Westen durch belgisches Gebiet zu einem Raumgewinn bis westlich von Paris kommen.

Durch das Einschwenken der Armeen nach Süden und Osten (Drehtüreffekt, Sichelschnitt) sollte es zur Einschließung und Vernichtung des gegen die Moselfestungen, den Jura und die schweizer Grenze gedrängten Gegners kommen. Auf diese Weise sollten verlustreiche und zeitaufwendige Kriegshandlungen an der befestigten deutsch-französichen Grenze umgangen und eine schnelle Entscheidung gesucht werden.

Nach einem deutschen Sieg durch diese Taktik, sollten die durch die Entscheidungsschlacht im Westen freigewordenen Truppen in möglichst kurzer Zeit an die Ostfront gefahren werden, um dort die russische „Dampfwalze“ aufzuhalten und zu besiegen. Ein Operationsplan für die Ostfront wurde allerdings vernachlässigt.

4. Die Durchführung

Der Bündnisfall mit Österreich-Ungarn war eingetreten, das Deutsche Reich befand sich in einem Zweifrontenkrieg.

Der im Schlieffen-Plan begründete Automatismus nahm seinen Lauf; zunächst Angriff mit starken Kräften im Westen und anschließend, nach einem Sieg über Frankreich, Angriff im Osten.

Noch bevor eine Kriegserklärung seitens Frankreich vorlag oder ausgesprochen wurde, besetzten deutsche Truppen das neutrale Luxemburg (2.8.1914).

In der Zeit vom 4. - 16.8. 1914 marschieren die deutschen Verbände - 7 Armeen (siehe Anhang) - entsprechend des Schlieffen-Plans unter dem Oberbefehl des Chefs des Generalstabes Helmuth von Moltke im Westen auf. Der Aufmarsch verlief exakt. In dem angegebenen Zeitraum wurden in ca. 11.100 Transporten 843 Bataillone, 236 Eskadrone, 693 Feldartilleriebataillone und 92 schwere Batterien mit zusammen 3,12 Millionen Mann und 860.000 Pferden in ihre Aufmarschstellungen gebracht.

Unter Verletzung der belgischen Neutralität marschieren deutsche Truppen am 4.8. 1914 in Belgien ein und treffen hier auf erheblichen Widerstand, mit dem nicht gerechnet wurde. Dennoch können die Festungen Lüttich (16.8. 1914 Handstreich von Lüttich) und Namur genommen und der Maasübergang erkämpft werden. Damit war eine wesentliche Voraussetzung des Schlieffen-Plans erfüllt, weil ein schnelles Vorankommen unbedingt erforderlich war. Frankreich hatte mit einer derart ausfassenden Operation nicht gerechnet.

Am 20.8. 1914 wurde Brüssel von den deutschen Truppen besetzt, die Maas wird überschritten. Vom 22.-28. August wurde in großen Grenzschlachten in 250 km Breite eine französische Offensive gestoppt. Die Deutschen siegten bei Neufchâteau in Belgien am 22./23.8. 1914 und die Festung Longwy wurde am 26.8. 1914 genommen, Montmedy am 28.8.1914. Am 30.8. dringen deutsche Verbände bis an die Marne vor. Paris ist durch den rechten deutschen Angriffsflügel mit der Front nach Süden bedroht. Die französische Regierung flüchtet sich am 3.9.1914 nach Bordeaux.

Wie war die sonstige Kriegskonstellation an der Westfront?

Die Franzosen hatten den Deutschen den „Liebesdienst“ (Schlieffen) erwiesen, Angriffe gegen die Vogesenfront und die Mitte des deutschen Schwenkflügels gerichtet. Dadurch sollte es, so Schlieffen, zur Bindung von französischen Kräften kommen, die dann im Bereich von Paris fehlten.

Deutsche Reserven wurden in Abweichung des Schlieffen-Plans im Südflügel vorgehalten, weil man hier einen starken französischen Angriffs nach Lothringen erwartete. Der nach dem 22.8.1914 dem Südflügel erteilte Befehl zur Verfolgung des Feindes band alle Kräfte der 6. und 7. Armee, brachte schwere Verluste, aber keinerlei Erfolg. Eine Entscheidung des Generalstabs, in absoluter Abweichung vom Schlieffen-Plan war, den Feind zwischen der 4. und 5. Armee durchbrechen zu lassen, um ihn dann in einer Art Kesselschlacht zwischen den beiden Armeen aufzureiben. Dadurch wurde der deutsche rechte Flügel ohne zwingenden Grund geschwächt, da das Kräfteverhältnis auf 3:1 zugunsten des linken Flügels vermindert wurde (im Schlieffen-Plan 7:1 vorgesehen). Durch diese Schlachten im Mittelabschnitt der Front, hatte der Generalstab gegen ein bis dahin geltendes militärisches Gebot verstoßen, nämlich alle Kräfte auf einen Entscheidungspunkt zu konzentrieren.

Sobald deutlich wurde, daß der Grundgedanke, möglichst starke französische Kräfte in ElsaßLothringen zu binden, wenn nötig durch einen Angriff, nicht mehr realisierbar war, weil die französischen Festungen auch durch schwache Kräfte gehalten werden konnten, lag es nahe, dem linklen Flügel einen rein defensiven Auftrag zu erteilen, wie dies auch von Schlieffen vorgesehen war. Dieser hatte sogar im Süden Geländeverluste zuungunsten Deutschlands einkalkuliert, um hier möglichst viele französische Kräfte zu binden. Durch die Defensive freigewordene Kräfte, sollten nun dem rechten Flügel zugeführt werden, nur Metz mußte unbedingt als Drehpunkt der Operation gehalten werden.

Kehren wir nun wieder an den rechten deutschen Flügel, der entsprechend dem Drehtüreffekt nach Süden eingeschwenkt war, zurück:

Joffre war mit seinen Truppen zurückgewichen, um der Umfassung zu entgehen. Bei Kriegsbeginn hatten auf dem rechten deutschen Flügel 358 deutsche Bataillone 257 französischen und englischen gegenübergestanden.

Der rechte deutsche Flügel hatte jetzt bis zum Beginn der 1. Marneschlacht schon erhebliche Kräfteeinbußen hinnehmen müssen. Zunächst war der überaus anstrengende Vormarsch sehr kräfteraubend gewesen. 4 Korps der Gesamtstärke des rechten Flügels wurden zur Beobachtung Antwerpens und zur Belagerung von Maubeuge zurückgelassen. 2 Korps wurden angesichts der viel zu optimistischen Lagebeurteilung bis zu diesem Zeitpunkt, zur Verteidigung gegen die schon aufmarschierenden Russen nach Ostpreußen abkommandiert. Für die bis dahin hohen Verluste an Soldaten gab es keine Reserven. Insgesamt hatte der rechte Flügel bis zu 50 % seiner Gesamtstärke eingebüßt.

In der Zwischenzeit hatte sich die Kräftelage an der Marne erheblich zugunsten der Entente verändert. Nun standen den deutschen Truppen fast 200 Bataillone und 190 Batterien mehr gegenüber als zu Beginn der Offensive. Die Deutschen waren zu diesem Augenblick, nämlich zu Beginn der 1. Marneschlacht, kräftemäßig unterlegen.

Hier wird nun deutlich, daß der deutsche Angriffsschwung, der bis zur Marne vorgehalten hatte, nicht zu einer operativen Überholung der zurückflutenden französischen Truppen genutzt werden konnte. General Joffre seinerseits stellte die sechste Armee bei Paris auf. Da die deutschen Kräfte nicht in der Lage gewesen waren, die von Schlieffen konzipierte Westumgehung von Paris durchzuführen, schwenkt die deutsche Armee östlich von Paris nach Süden ein. Außerdem konnte die Entente durch stetiges Ausweichen einer Umfassung ihrer Truppen entgehen und durch erbitterte Angriffe die stark überdehnte deutsche Front fast auseinanderbrechen. Auch deshalb mußte östlich von Paris eingeschwenkt werden. Entgegen anderslautenden Befehlen der OHL, trieb von Kluck die 1. Armee unbarmherzig voran, um endlich das BEK zu umfassen und aufzureiben. Statt dessen geriet die 1. Armee selbst in Schwierigkeiten.

In der Zeit vom 5. - 12.9.1914 kommt es zur ersten Marneschlacht. General Joffre gibt den Befehl zur großen Gegenoffensive und zwar in der gesamten Frontbreitevon Verdun bis nach Paris, mit dem Schwerpunkt im Westen im Bereich der 1. Deutschen Armee. Die Deutschen werfen ihre Kräfte in die Verteidigung ihrer Flanke und waren erfolgreich, doch die Franzosen und die Engländer stießen in eine Lücke zwischen der 1. und der 2. Armee. Infolge der wechselseitigen Durchbruchserfolge wurde die Schlachtordnung für die deutsche Seite, durch Falschmeldungen zusätzlich verwirrt, so unübersichtlich, daß sich der höchstkommandierende Frontoffizier, General von Bülow und der von der OHL detachierte Oberst Hentsch am 9.9.1914 zum Rückzug entschlossen.

Dieser Rückzugsbefehl war, indem er die deutsche Niederlage in dieser Schlacht besiegelte, zweifellos der Wendepunkt des Krieges. Daß Moltke nicht selbst den Befehl zum Rückzug gegeben hatte, ist bezeichnend für den Zustand in der deutschen Führung. Zu diesem Zeitpunkt war der deutsche Generalstabschef erkrankt und vor allem ohne genügenden Kontakt mit der Front. In der Zeit vom 10.-12.9.1914 gehen die deutschen Truppen bis hinter die Aisne zurück. Der Feind folgte zunächst zögernd und drang dann heftig nach, ohne jedoch zum operativen Erfolg zu gelangen.

Damit war der deutsche Angriff im Westen seiner Bewegung beraubt und es kam zum Stellungskrieg - der Schlieffen-Plan war gescheitert.

Ende der Leseprobe aus 7 Seiten

Details

Titel
Der Schlieffenplan
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Autor
Jahr
2000
Seiten
7
Katalognummer
V95260
ISBN (eBook)
9783638079396
Dateigröße
334 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schlieffenplan
Arbeit zitieren
Peter Sievert (Autor:in), 2000, Der Schlieffenplan, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95260

Kommentare

  • Gast am 26.8.2005

    Gelungene Arbeit.

    Ich habe eigentlich nur eine kleine Anmerkung zu machen: die Bezeichnung "Sichelschnitt" stammt von Winston Churchill und bezog sich auf den deutschen Westfeldzug 1940. Ich hoffe das wird mir jetzt nicht als Haarspalterei ausgelegt:-)

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Titel: Der Schlieffenplan



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