Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1.0 Was ist Forschung?
2.0 Was ist Technologie?
3.0 Was sind Arbeitgeber- und Industrieverbände?
4.0 Stimmungsbild der gesamtwirtschaftlichen Lage in der BRD
4.1 Weltweite Globalisierung mit ihren Auswirkungen
4.2 Die Exportstruktur der deutschen Wirtschaft
5.0 Forschung und Technologie in Abhängigkeit der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
5.1 Die Beurteilung der Forschung
5.2 FuE in Deutschland
5.3 Patentaktivitäten der deutschen Wirtschaft
6.0 Innovationsmanagement für das 21. Jahrhundert
6.1 Gegenwärtige Trends
6.2 Bedarf
7.0 Rückläufige Forschungsintensität
7.1 Hohe Ausgaben für ausländisches Know-how
8.0 Aktuelles Beispiel ,,Transrapid"
8.1 Stellungnahme des Vorstandsvorsitzenden der Thyssen Gruppe
9.0 Vorderungen der Arbeitgeberverbände zur Verbesserung der Forschung
10.0 Schlußbetrachtung
Literaturverzeichnis
Brockhauslexikon Auflage 1989 BDI Jahrbuch 1994
Simon, Walter: Unternehmensverbände. Köln 1978
Statistik der Bundesanstalt für Arbeit: Drucksache 3/96
Schlüter Christoph, BDI, Zeitschrift der Deutschen Arbeitgeber. Köln 1996
Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung. Bericht an das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Hannover 1995
Statistisches Jahrbuch des Bundesamtes für Statistik. Bonn 1994
Positionspapier der deutschen Elektroindustrie. Drucksache 1993
Stellungnahme des BDI, Abt. Technologie und Innovationspolitik. Köln 1996
Deutsche Bundesbank. Monatsbericht April 1996. Drucksache Frankfurt a.M. 1996 Ljuba, Kokali. Industriepolitik in der Marktwirtschaft. Berlin 1987
Vorwort
Die Bundesrepublik Deutschland verfügt über eine breite und vielfältige Forschungslandschaft. Sie ist jedoch den vielfältigen Wechselwirkungen und den Rahmenbedingungen aus dem politischen, dem staatlichen, volkswirtschaftlichen und dem internationalen Bereich unterworfen. Eine hohe Forschungs- und technologische Leistungsfähigkeit ist eine der wichtigsten Vorzüge des Standorts Deutschland. Ausgaben in den Bereichen Forschung, Technologie, sowohl für Grundlagenforschung als auch für industrielle Forschung, sind Investitionen für die Zukunft der einzelnen Unternehmen. Die neuen Technologien, die sich aus der raschen Umsetzung der Ergebnisse aus der Grundlagenforschung von heute entwickeln, gehören morgen zu den wesentlichen Bestimmungsfaktoren für die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Unternehmungen und gesamtwirtschaftlich zu der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft.
Die bedeutendsten Akteure in der deutschen Forschungslandschaft sind die Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft. Sie tragen gegenwärtig ca. 60% zur Finanzierung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei. Aber nicht nur auf der Finanzierungsseite, sondern auch bei der Durchführung von Forschung und Entwicklung haben die Unternehmen eine dominierende Stellung. Rund zwei Drittel aller Forschungstätigkeiten werden in den Forschungseinrichtungen der Industrie durchgeführt. Diese Größenverhältnisse unterstreichen die Tatsache, daß der größte Teil der marktorientierten Forschung und Entwicklung von den Unternehmen selbst durchgeführt wird.
Dieses Seminar stellt den Stand der forschungs- und technologiepolitischen Diskussion aus Sicht der Industrie- und Arbeitgeberverbände dar. Es beinhaltet u.a. eine kurze Darstellung der momentanen Ausgangslage des Standorts Deutschland.
Es versucht desweiteren, die vielschichtigen Zusammenhänge zwischen Politik, Wirtschaft und weltweiter Globalisierung zu belichten, die für das Verständnis der aktuellen forschungsund technologiepolitischen Diskussion wichtig sind.
Lüdenscheid, den 17.05.1996
1.0 Was ist Forschung?
1 Forschung ist die Gesamtheit der methodisch - systematischen, schöpferisch - geistigen
Bemühungen der Wissenschaft zur Gewinnung neuer, allgemein nachprüfbarer Erkenntnisse.
2 Technologie ist die Lehre von der Entwicklung der Technik in ihren gesellschaftlichen
Zusammenhängen; in den Ingenieurwissenschaften in Deutschland wurde dies dann
eingeschränkt auf die Bedeutung Verfahrenskunde. Die heutige Wiederaufnahme desälteren, weiteren Bedeutungsinhalts deutet auf ein wachsendes Bewußtsein der engen Verflechtung der Technik mit anderen gesellschaftlichen Faktoren hin. Technologie wird heute auch im Sinne von Technik verwendet.
3.0 Was sind Arbeitgeber- und Industrievebände?
Die drei größten und einflußreichsten Industrieverbände in der BRD sind :
1.) Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
2.) Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
3.) Der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT)
BDI:3 Ihm obliegt die Gesamtvertretung industrieller Interessen. Er ist der Verband von 39 industriellen Wirtschafts-Spitzenverbänden. Er hat das weitgefächerte Aufgabenfeld, alle gemeinsamen Interessen der in ihm zusammengeschlossenen Industriezweige gegenüber den Bundesparteien und den Gewerkschaften zu vertreten.
BDA:4 Der BDA ist der Dachverband der fachlichen und regionalen Spitzenverbände der deutschen Arbeitgeber. Er hat die Aufgabe die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit von der Unternehmensseite her zu regeln. Er ist Tarifpartner der Gewerkschaften.
DIHT: Der DIHT ist der Dachverband der deutschen Industrie- und Handelskammern sowie der Außenhandelskammern.5 Er hat die Aufgabe die Interessen der Arbeitgeber auf regionaler Ebene zu vertreten
4.0 Stimmungsbild der gesamtwirtschaftlichen und politischen Lage in der BRD
4.1 Weltweite Globalisierung mit ihren Auswirkungen
Die Wirtschaft in Deutschland setzt sich seit einigen Jahren mit der neuen Realität der Globalisierung auseinander. Die Politik dagegen erlebt diese als fortschreitenden Verlust ihrer Handlungsmacht. In einer offenen Welt fällt es einzelnen Staaten schwer, den Unternehmen weiter die Rahmenbedingungen zu diktieren, unter denen sie investieren, produzieren und Menschen beschäftigen dürfen. Vielmehr scheinen die einzelnen Unternehmen einen Wettbewerb zwischen den Nationalstaaten unter Standortgesichtspunkten zu veranstalten, bei denen Deutschland zumeist an hinterer Position steht. Mehr als 6 4 Millionen Arbeitslose im März 96 scheinen dies zu bestätigen. Die Folgen werden inzwischen von der Politik und auch den Gewerkschaften nicht mehr übersehen.
Die Bedeutung von Exporten für die wirtschaftliche Stellung eines Landes nimmt immer mehr ab. Zahl und Volumen der Direktinvestitonen sind im Zeitalter der Globalisierung weitaus wichtiger für das Wachstum und Beschäftigung eines Landes als die Menge seiner Exporte. Hier schneidet die BRD im europäischen Vergleich schlecht ab. Von Mitte 1985 bis Mitte 1995 wurden aus dem Ausland 46,7 Mrd. DM in der BRD investiert. Die deutsche Wirtschaft investierte im gleichen Zeitraum ca. 287,5 Mrd. DM im Ausland. Es gelingt also nicht ausländische Investoren im nennenswerten Umfang in die BRD zu bekommen. Auch nicht in die neuen Länder! Selbst Subventionen der Bundesregierung in einer Höhe, die fast einer Vollerstattung der investierten Mittel nahekommt, schaffen es nicht den Ausschlag für den deutschen Standort zu geben. Die Investoren sind nicht an kurzfristigen Mitnahmeeffekten interessiert. Ausschlaggebend sind Faktoren, von denen das Gewinniveau langfristig abhängt.7 Dies sind z.B. Arbeitskosten, Maschinenlaufzeiten, Regulierungsdichte, Auflagen, Arbeitszeitreglungen und Steuersätze. Nach Abwägung aller Faktoren, zu denen auch die gute Infrastruktur und das hohe Ausbildungsniveau gehören, kommen immer mehr Unternehmen zu dem Ergebnis, daß Deutschland für sie nur zweite Wahl ist. Darin spiegelt sich die Tatsache wieder, daß aufgrund der offenen Grenzen und des weltweiten Wettbewerbs um Investitionen Standortalternativen in großer Zahl vorhanden sind. Nordreihn - Westfalen konkurriert nicht nur mit Sachsen oder dem benachbarten Hessen sondern auch mit Tschechien oder Südkorea. Warum also nicht die Vorteile nutzen, die sich dort bieten, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen? Nicht nur Kostenfragen drängen die Unternehmen zur Internationalisierung, auch größere Marktnähe, Risikostreuung und Absicherung gegen Wechselkursschwankungen. In einigen Branchen wie z.B. in der Automobilindustrie, der Chemiebranche und der Telekommunikation ist die Globalisierung zum dominierenden Trend geworden. So produziert z.B. VW in 15 verschiedenen Ländern. Mehr als 50% der Beschäftigten bei der Bayer AG arbeiten im Ausland. Unter anderem sind diese Entwicklungen durch Fortschritte in der Telekommunikation möglich geworden. Sie erlaubt es Unternehmensfunktionen räumlich zu trennen. Auch die Koordination von Entwicklung und Fertigung ist nicht mehr an die einzelnen Standorte gebunden. Über Satellit lassen sich solche Dinge über beliebige Distanzen organisieren.
Dies gilt jedoch nicht nur für Großkonzerne, sondern auch für zahlreiche Mittelständler die trotz ihrer geringen Größe Weltmarktstandart besitzen, wie z.B. die Firma Festo.
Negativ sind die Auswirkungen für den Arbeitnehmer und den Staat, da sie mit ihren Erwerbs- und Lenkungsaktivitäten in nationalen Grenzen bleiben müssen. Der Arbeitnehmer sieht die Gefährdung seines Arbeitsplatzes durch die neue Konkurrenz im Weltmaßstab, auf die immer mehr Unternehmen mit Rationalisierung und Standortverlagerung reagieren. Zur Zeit gehen jährlich durch Standortverlagerungen ca. 300000 Arbeitsplätze in der BRD verloren. Diese Handlungsweise ist aus Sicht der Industrie zwingend und rational, aber sie ist konträr zu den Interessen des deutschen Staates und seiner Gesellschaft. Jedoch nicht diese Anpassung an den ,,Lauf der Dinge" ist das Problem, sondern der versiegende Zufluß von Kapital und Know - how nach Deutschland , der dafür verantwortlich ist, daß zuwenig neue Arbeitsplätze entstehen.
Demgegenüber steht der Staat, der z.Z. einen Kompetenzverlust erlebt. Die aktuellen Lösungsversuche zeigen, daß er die volle Tragweite dieses Problems nicht erkannt hat.
Wirtschaftliche Dynamik und Wachstum lassen sich immer weniger durch staatliche Lenkung beeinflussen. Die herkömmlichen wirtschaftlichen Instrumentarien verlieren rapide an Wirkung.
Die weltweit globalen Unternehmen haben die nationale Dimension hinter sich gelassen und sie entscheiden weitgehend autonom, wo auf der Welt Arbeitsplätze entstehen. Deshalb stehen nicht nur Unternehmen in Konkurrenz zueinander, sondern auch nationale Systeme wie z.B. Bildungs- Steuer- Rechts- und Tarifsysteme.
4.2 Die Exportstruktur der deutschen Wirtschaft
Bei gleichbleibendem Welthandelsanteil der `medium-tech - Güter` ist der Anteil der `high- tech - Güter` kontinuierlich angestiegen. Der Anteil der `low-tech - Güter` ist speziell in den 80 er Jahren merklich zurückgegangen.
Bei den höherwertigen Techniken hielt Deutschland 1993 einen Weltmarktanteil von 19% und damit Platz zwei hinter Japan (22%). Bei den Spitzentechnologien war es dagegen nur ein Anteil von 13%, was den dritten Platz hinter den USA (28%) und Japan (19%) bedeutete. Berücksichtigt man das Wachstum des `high-tech`- und die Stagnation des `medium-tech` - Bereichs , so ergeben sich hieraus Welthandelsanteilsverluste für die deutsche Volkswirtschaft. ( s. Abb. 1 )
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Quelle: Bericht 8 NIW
Die relative Stärke der deutschen Volkswirtschaft liegt bei den höherwertigen Techniken und eher schwach ist sie im `high-tech`- Bereich.
5.0 Forschung und Technologie in Abhängigkeit der politischen und gesellschaftlichen Randbedingungen
5.1 Die Beurteilung der Forschung
Ergebnis einer im letzten Jahrzehnt überwiegend innovationsfeindlichen Meinungsbildung, wie z.B. die öffentliche Diskussion über Gentechnologie, Jäger 90 und Transrapid, in der deutschen Gesellschaft ist eine unverkennbare Technologieabneigung, die einen erheblichen Teil der Bevölkerung, und zwar gerade junge und politisch engagierte Bürger, erfaßt hat. Aber auch in Führungsetagen der Wirtschaftsunternehmen ist der traditionelle Glaube an die Bedeutung der Forschung zurückgegangen. Dies beweist die Tatsache, daß die 9 Ausgaben der Wirtschaft im Bereich Forschung und Entwicklung (FuE) seit 1990 ständig sinken.
Charakteristisch für die Forschung ist:
1.) Undefinierbarkeit der Ziele
2.) Unzuverlässigkeit von Zeitangaben (siehe AIDS-Forschung) und ein hohes Maß an Risiko, daß überhaupt ein verwertbares Ergebnis dabei herauskommt.
Dies ist für viele Firmen ein unbefriedigendes Ergebnis mit der Konsequenz, daß sie die angewandte Forschung in der Industrie und zunehmend auch die Grundlagenforschung in den staatlichen Instituten unter ,,Erfolgszwang" setzen. Dies geschieht dadurch, daß die Forschungsthemen so ausgewählt werden, daß sie relativ kurzfristig zu am Markt umsetzbaren Produkten führen sollen.
5.2 FuE in Deutschland
Die Forschungsintensität der deutschen Wirtschaft hat seit 1990 stetig abgenommen. gleichzeitig ist bei den international agierenden deutschen Unternehmen eine Verschiebung zugunsten von Forschungsaktivitäten in die USA zu beobachten. Die FuE Aufwendungen deutscher Unternehmen in den USA wiesen im Zeitraum 1987 - 1993 ein reales Wachstum von10 durchschnittlich 11,4 % pro Jahr aus. Die Schwerpunkte der FuE - Aktivitäten deutscher Tochterunternehmen in den USA lagen dabei in der Elektrotechnik und in der Chemischen Industrie.
5.3 Patentaktivitäten in der deutschen Wirtschaft
Die deutschen Unternehmen liegen mit ihren internationalen Patenterfolgen kontinuierlich hinter den Hauptkonkurrenten USA und Japan. Japan hat seinen Weltmarktanteil von 1980 - 1987 kontinuierlich gesteigert ( ca. 23% ) Auf diese Herausforderung haben die USA reagiert und Anfang der 90er Jahre wieder den ,,Weltmeistertitel" bei den internationalen Patentanmeldungen erobert (ca. 33%). Der deutsche Anteil an den Patentanmeldungen hat sich Anfang der 90er Jahre bei ca. 16% stabilisiert.
6.0 Inovationsmanagement für das 21. Jahrhundert
Vor dem Hintergrund der geschilderten Ausgangslage sind die11 Mitgliedsuntenehmen des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI) der Frage nachgegangen, welche Forschungs und Entwicklungsthemen an der Schwelle zum nächsten Jahrhundert für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Elektroindustrie von Bedeutung sind und wie diese effizient genutzt werden können. Dabei ergaben sich folgende Erkenntnisse:
6.1 Gegenwärtige Trends
12 Die Veränderung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat unmittelbare Auswirkungen auf den Innovationsprozeß. So ist zu beobachten, daß:
- die Innovationsgeschwindigkeit aufgrund des internationalen Wettbewerbs ständig steigt, und zwar bei gleichzeitiger Verringerung der Produktlebenszyklen,
- immer mehr gut ausgebildete Forscher auch in anderen Ländern kaum freie Technologiebedarfsfelder offenlassen,
- Kompatibilität technologischer Ergebnisse zu bestehenden Prozessen bei Abnehmern verlangt wird und
- der Dienstleistungssektor mit zunehmender Tendenz die treibende Kraft für Innovationen ist.
Daraus hat der ZVEI acht Anwendungsfelder identifiziert, die zukunftsweisend sind. Diese sind die Bereiche: Kommunikation, Information / Bildung, Verkehr, Energie, Gesundheit, Umwelt, Gebäude / Wohnen und Sicherheit / Verteidigung. Diese Bereiche sollen tendenziell die Marktsegmente der Zukunft sein.
6.2 Bedarf
Aus den o.g. Anwendungsfeldern ergeben sich laut ZVEI folgende Fragen:
- Welche technologischen Entwicklungen sind für die einzelnen Anwendungsfelder erforderlich?
- Wie können die technologischen Ergebnisse effizienter als bisher umgesetzt werden? Aus der Vielzahl der technologischer Anforderungen, die aus den einzelnen Anwendungsfeldern entstehen, bilden sechs Technologiebereiche mit breitgefächerter Wirkung die Basis für die Weiterentwicklung:
- Neue Materialien
- Sensorik
- Mikroelektronik
- Elektrooptische und elektromechanische Wandler
- Erzeugung, Verteilung und Speicherung elektrischer Energie
- Informationstechnik / Intelligenzfunktionen / Software
In den einzelnen Technologiebereichen wurden Themenvorschläge vorgelegt und hinsichtlich ihrer Bedarfszeitpunkte bestimmt. Beispielsweise wird für den Bereich ,,Neue Materialien" unterschieden in:
- Weiterentwicklung von Werkstoffen hinsichtlich einer stetigen Qualitätsverbesserung
- neue Materialien mit speziellen Eigenschaftsprofilen
- neue Materialien mit ganz neuen Eigenschaften, wie u.a. bei Hochtemperatur-Supraleitern.
Die Materialentwicklung ist kein unternehmerisches Ziel der Elektroindustrie, sondern wird von Komponenten - Herstellern der Glas- oder der chemischen Industrie wahrgenommen. Besonders aktuell erscheinen Materialien für:
- Elektrochemische Energiewandlung und -speicherung,
- die Photovolaik und
- die optische Informationstechnik.
Wie dieses Beispiel zeigt, ist die Auflistung der Themen kein wesentliches Problem. Risikoreicher ist die Abschätzung von Bedarfszeitpunkt und voraussichtlicher wirtschaftlicher Bedeutung und die Einschätzung der Rahmenbedingungen zum Bedarfszeitpunkt.
7.0 Rückläufige Forschungsintensität
Mißt man die13 FuE Ausgaben der Länder an ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, fällt die dramatische Positionsverschlechterung Deutschlands gegenüber seinen Hauptkonkurrenten auf. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre lag Deutschland mit FuE Ausgaben von knapp 3% des Bruttoinlandproduktes gemeinsam mit Japan und Schweden und vor den USA noch an der Spitze. Seit 1989 setzte ein rapider Rückgang ein. Mittlerweile rangiert Deutschland mit 2,34% nur noch auf Rang sechs hinter Schweden, Japan, USA und neuerdings auch Frankreich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2 Quelle: OECD, Main Science and Technology Indicators, 1/1995
Dabei ist insbesondere die rückläufige deutsche FuE Quote alarmierend, da die Industrieforschung bislang das FuE Engagement in Deutschland entscheidend geprägt hat.
7.1 Hohe Ausgaben für ausländisches Know-how
Um die geringe FuE - Quote zu kompensieren, geben die deutschen14 Unternehmen jährlich etwa 18 Mrd. DM für ausländische Patente, Lizenzen und Ingenieursleistungen aus. Angebote deutscher Herkunft konnten aber nur im Wert von 14 Mrd. DM abgesetzt werden. Dieser Fehlbetrag von 4 Mrd. DM hat sich in den letzten zehn Jahren verfünffacht. Seit Mitte der 80er Jahre hat sich Deutschlands Defizit, an Erfindungsaktivitäten, gemessen an Patentanmeldungen, z.B. bei mikroelektronikbestimmten Baugruppen kontinuierlich verstärkt. In diesem Marktsegment haben die USA und Japan ein überdurchschnittliches Engagement entwickeltähnlich sieht es im Bereich der Biotechnologien aus. Schwerwiegende Innovationshemmnisse15 behindern sowohl die FuE Projekte als auch die Umsetzung von Wissenschaftskompetenz in Innovationen am Markt. Wichtige Zukunftsmärkte, wie z.B. die Biotechnologie, sind zu lange durch Regulationen und Akzeptanzprobleme behindert worden.
Als aktuelles Beispiel soll im folgenden kurz auf den Transrapid eingegangen werden.
8.0 Aktuelles Beispiel ,,Transrapid"
Bei diesem umstrittenen Projekt, daß mit hohen staatlichen Subventionen unterstützt wurde, treffen zwei gegensätzliche Standpunkte aufeinander: der verkehrswirtschaftliche und der technologiepolitische. Aus verkehrswirtschaftlicher Sicht ist eine rentable Bewirtschaftung der Strecke Hamburg - Berlin wohl kaum möglich. Hinzu kommt, daß die Bahnstrecke für den ICE ausgebaut werden soll, wodurch die Zeitvorteile des Transrapid verringert werden. Anderseits ist hier aus technologiepolitischer Sicht von einer zukunftsträchtigen Technologie auszugehen, die langfristig, auch unter umweltpolitischen Gesichtspunkten, durchaus sinnvoll ist. Von dieser Technologie werden hohe externe Effekte erwartet. Eine Teststrecke im Emsland reicht allerdings nicht aus, den potentiellen Käufern den Beweis der Brauchbarkeit zu liefern.
8.1 Stellungnahme des Vorstandsvorsitzenden der Thyssen Gruppe Herr Winfried Haastert zum Transrapid:
,, Kein anderes Verkehrsprojekt in Deutschland steht so sehr im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion wie der Transrapid.
Das kann nicht verwundern. Denn um dieses Thema rankt eine Vielzahl von Fragen, die für die technologische, vor allem aber die wirtschaftliche und soziale Zukunft unseres Landes von Bedeutung sind. Sie gehen über die eigentliche Bedeutung, die das Transrapid-Projekt für den Nordosten Deutschlands hat, weit hinaus.
Der Transrapid ist ein Beispiel dafür, wie wir auch als Hochlohnland auf Dauer bestehen und den galoppierenden Arbeitsplatz-Export in Länder mit niedrigeren Arbeitskosten stoppen können: Durch neue, intelligente, innovative und umweltverträgliche Technologien. Eben durch Produkte, die uns im wahrsten Sinne des Wortes so schnell keiner nachmacht.
Damit ist die Transrapid-Strecke zwischen Berlin und Hamburg auch ein Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Der Einsatz des Transrapid macht deutlich, wie wir durch eine Umsetzung neuer Technologien bei uns Beschäftigung sichern und schaffen können.
Immerhin geht es nach einer Untersuchung der Technischen Universität Berlin allein bei diesem Projekt inklusive der Sekundäreffekte um die Jobs von 18.000 Menschen in der Bauphase und etwa 4.400 Arbeitsplätzen in der Betriebsphase.
Es ist schon paradox: Investitionen in die Vergangenheit werden bei uns beinahe kritiklos getätigt. Zukunftsinvestitionen dagegen werden immer schwieriger. Monatelang wird vor allem darüber diskutiert, ob denn in 15 Jahren nun vielleicht zehn, zwölf oder gar 15 Millionen Menschen mit dem Transrapid schweben werden.
Dabei sind die Verkehrsprognosen für das Jahr 2010, die den Wirtschaflichkeitsberechnungen zugrunde liegen, absolut realistisch. Dem ursprünglichen Finanzierungskonzept lag eine Prognose des Verkehrsaufkommens von jährlich 14,5 Millionen Fahrgästen zugrunde. Auf Basis der aktuellen Planung, die eine Trasse von Hamburg-Hauptbahnhof über Schwerin in den Zentralen Bereich von Berlin (alternativ Lehrter Bahnhof/Bahnhof Papestraße) vorsieht, prognostizieren unabhängige Gutachter das Verkehrsaufkommen sogar auf 15 bis 17 Millionen Passagiere pro Jahr. Im übrigen: Bereits bei 9,7 Millionen Passagieren pro Jahr schwebt der Transrapid in der Gewinnzone.
Um diese Zahlen sachlich bewerten zu können, sollte man wissen, daß schon für eine reine Intercity-Verbindung - also keine ICE-Strecke - für das Jahr 2010 bereits mehr als zehn Millionen Fahrgäste prognostizieren werden - trotz einer weitaus längeren Fahrzeit.
Der Transrapid dagegen wird die Innenstädte von Berlin und Hamburg im S-Bahn-Takt alle zehn bis fünfzehn Minuten in einer Fahrzeit von weniger als einer Stunde miteinander verbinden. Eine derartige Qualität vermag kein anderes Verkehrssystem zu erreichen. Sie veranlaßt denn auch Autofahrer und Flugreisende zum Umsteigen auf den spurgeführten Verkehr. Zwischen den beiden größten deutschen Städten werden jährlich etwa 1,65 Millionen Autofahrer ihren PKW stehenlassen und auf die Magnetschnellbahn umsteigen. Der Flugverkehr zwischen Berlin und Hamburg kann sogar völlig eingestellt werden.
Hinzu kommt: Dadurch, daß der Transrapid die Eisenbahn vom Personennahverkehr entlastet, wird auf der Schiene die Kapazität frei, die erforderlich ist, um das Regionalverkehrsangebot im Nordosten Deutschlands optimieren und endlich auch mehr Güter vom Lkw auf die Bahn verlagern zu können.
All dies ist nicht nur verkehrspolitisch, sondern vor allem auch aus ökologischen Gründen dringend geboten. Doch auch der Transrapid selbst entlastet Mensch und Umwelt - durch einen geringen Energieverbrauch, weniger Flächenbedarf und vor allem eine weitaus geringere Geräuschentwicklung. So ist die Magnetschnellbahn mit ihrer ,,Stadtgeschwindigkeit" von 200 km/h noch leiser als eine Berliner S-Bahn mit 78 km/h und selbst auf freier Strecke bei Tempo 400 keinesfalls lauter als ein ICE mit 250 Stundenkilometern.
Die Umweltvorteile des Transrapid kann man sehen, hören und messen. Deshalb: Warum sie auf die herkömmliche mechanische Bahntechnik und nicht auf die neue umweltverträgliche Verkehrstechnologie des 21. Jahrhunderts setzen, wird wohl auch weiterhin das Geheimnis der organisierten ,,Umweltschützer" bleiben."
Diese Stellungnahme deckt sich mit den Meinungen der Arbeitgeberverbände zu diesem Thema. Hier wird nochmal deutlich, wie vielschichtig die Problemstellungen in Bezug auf die aktuelle technologiepolitische Diskussion sind.
9.0 Forderungen der Arbeitgeberverbände zur Verbesserung der Technologieentwicklung und zur Verbesserung der Forschung
Die Arbeitgeberverbände16 17 fordern zur Therapie der momentanen Mißstände im Bereich der Forschung und Technologie Veränderungen bei den politischen Rahmenbedingungen. Die fünf entscheidenden Punkte sind im folgenden dargestellt.
1. Die öffentlichen Hände in Deutschland müssen mehr Ressourcen für den Innovationsprozes in Unternehmen lassen und - wie die Hauptkonkurrenten - die FuE treibenden Unternehmen steuerlich entlasten. Eine generell Senkung der Unternehmenssteuern muß also ergänzt werden durch eine steuerliche Begünstigung von FuE- Aufwendungen, die deutsche Unternehmen gleiche Startbedingungen wie ihren ausländischen Konkurrenten auf den Weltmärkten verschafft.
2. Politische Rahmenbedingungen müssen so angepaßt werden, daß sie den Einsatz neuer Technologien nicht behindern sondern eher fördern. Infrastrukturentscheidungen und öffentliche Beschaffung müssen mit der Einführung neuer Technologien Hand in Hand gehen. Der Forschungsminister muß als Anwalt für neue Technologien helfen, Bremsklötze systematisch zu beseitigen.
3. Das Konzept von Wissenschaftsminister Rüttgers mit Hilfe von Leitthemen zu koordinierten Innovationsstrategien von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu kommen ist der richtige Ansatz. Alle Kräfte im Innovationssystem müssen darauf konzentriert werden, gemeinsame technische Ziele zu erreichen, Netzwerke für Innovation zu organisieren und die Umsetzung moderner Technologien gesellschaftlich durchzusetzen.
4. Die Wissenschaft braucht mehr Autonomie, um auf die Bedürfnisse der Industrie einzugehen. Finanzielle Mechanismen müssen sie dazu ermutigen. Die öffentlichen Forschungseinrichtungen müssen motiviert sein, den Inovationsprozeß aus eigenem Antrieb zu unterstützen. Dazu müssen sie Forschungsunternehmen werden, ihre Forschungsleistungen als Dienstleistungen für die Wirtschaft und Gesellschaft betrachten. Ein stärkerer Wettbewerb um Drittmittel wird zu mehr Innovationsorientierung schon bei der Themenauswahl führen.
5. Bessere steuerlich Rahmenbedingungen müssen mehr Venture Capital mobilisieren, damit viel mehr Wissenschaftler die Chance erhalten, ihre Ergebnisse in technoloieorientierte Unternehmensgründungen umzusetzen. Hier wären u.a. Risikokapitalgeber ein hilfreiches Instrument.
10.0 Schlußbetrachtung
Abschließend ist festzustellen, daß die brennenden Probleme, die hier aufgezeigt wurden, dringend einer Lösung bedürfen. Die aus Sicht der Arbeitgeberverbänden aufgezeigten Mißstände beziehen sich hauptsächlich auf die politischen Rahmenbedingungen die den Unternehmen ,,diktiert" werden. Die Reformen die, durch die Verbände gefordert werden, erfordern Mut, Durchsetzungsvermögen und Zähigkeit bei den verantwortlichen Politikern. Politiker, die solch ein Profil besitzen, sind meiner Meinung nach, nicht in Sicht. Desweiteren liegt es auf der Hand, daß solche Maßnahmen auch Einschnitte in die soziale Struktur bedeuten, für die die Bevölkerung ,,Opfer" bringen muß.
Auffallend ist, daß die Arbeitgeberverbände nur Mißstände beklagen, die nicht zu ihrem Kompetenzbereich gehören. Dort werden auch die nötigen Veränderungen gefordert. Selbstkritische Meinungen konnte ich während der gesamten Zeit an meiner Arbeit nicht feststellen.
[...]
1 Vgl. Brockhauslexikon (1989), S. 165
2 Vgl. Brockhauslexikon (1989) S. 331
3 Vgl. BDI - Jahrbuch (1994)
4 Vgl. Simon, Walter (1976) Unternehmensverbände S.101
5 Vgl. Simon, Walter (1976) Unternehmensverbände S. 110
6 Vgl. aktuelle Statistik der Bundesanstalt für Arbeit (3/96)
7 Schlüter, Christoph, BDI, Köln (5/96)
8 Niedersächsächsisches Institut für Wirtschaftsforschung
9 Vgl. Statistisches Jahrbuch des Bundesamtes (1994)
10 Vgl. NIW Bericht an das BMBF
11 Positionspapier der deutschen Elektroindustrie (1993)
12 Positionspapier der deutschen Elektroindustrie (1993)
13 Stellungnahme des BDI Köln (5/1996)
14 Deutsche Bundesbank Monatsbericht (4/1996)
15 Stellungnahme des BDI Köln (5/1996)
16 Schlüter,Christoph, Der Arbeitgeber (5/96)
17 Forderungskatalog BDI Köln (5/1996)
- Arbeit zitieren
- Volker Klawitter (Autor:in), 1996, Stand der aktuellen forschungs- und technologiepolitischen Diskussion 4.1.4, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95269