Relativpronomen und Relativsätze. Ein Vergleich der deutschen und französischen Sprache


Seminararbeit, 2000

16 Seiten


Leseprobe


Inhalt:

0 Einleitung

1. Relativpronomina
1.1 Relativpronomina im Französischen
1.2 Relativpronomina im Deutschen

2. Der Relativsatz
2.1 Der Relativsatz im Französischen
2.2 Der Relativsatz im Deutschen

3.1 Substantivische Relativsätze im Französischen
3.2 Substantivische Relativsätze im Deutschen

4.1 Adjektivische Relativsätze im Französischen
4.2 Adjektivische Relativa im Deutschen

5.1 Relativierung von Präpositionalgruppen im Französischen
5.2 Relativierung von Präpositionalgruppen im Deutschen

6.1 Relativsätze als Umstandsbestimmung im Französischen
6.2 Relativa der Umstandsbestimmung im Deutschen

7. Schluß

8. Bibliographie

0 Einleitung

Anhand eines Vergleichs der deutschen Sprache mit dem Französischen soll im folgenden der unterschiedliche Gebrauch der Relativpronomina sowie der Relativsätze erörtert werden. Ich werde dabei in erster Linie auf die Unterschiede der beiden Sprachen eingehen, obwohl auch grammatische Parallelen Erwähnung finden werden.

Um einen Vergleich im Rahmen dieser Arbeit vollziehen zu können sehe ich mich gezwungen, die in den beiden Sprachen recht verschiedenen Kategorisierungen und Terminologien entsprechend anzugleichen.

Die Relativpronomina sollen zugunsten der Relativsätze hier nur in geringem Umfang abgehandelt werden, da eine ausführliche Analyse beider grammatischer Kategorien den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Auf die Interrogativpronomina werde ich aus demselben Grund nicht eingehen.

Als Grundlage für meine Arbeit dienten mir vor allem sprachtheoretische Werke, zu denen ich praktische Grammatiken hinzuzog.

1. Relativpronomina

Wie oben bereits erwähnt soll der umfangreiche Bereich der Relativpronomina hier lediglich auf den auffallend verschieden gehandhabten Gebrauch im Deutschen und im Französischen und in Hinsicht auf die Konstruktion von Relativsätzen betrachtet werden.

In beiden Sprachen führt das Relativpronomen, dem ggf. höchstens eine Präposition vorausgeht, den Relativsatz ein. Das Relativpronomen hat neben der wichtigen Funktion, den Relativsatz sichtbar und unmißverständlich einzuführen, die Aufgabe, den Kasus des Antezedens im Relativsatz zu definieren, wobei sich hier der Gebrauch in den beiden angeführten Sprachen unterscheidet, wie im folgenden erläutert wird.

Sowohl das Deutsche als auch das Französische unterscheidet zwischen beseeltem (antécédent animé) und unbeseeltem (antécédent inanimé) Antezedens, was allerdings nur in einigen bestimmten Fällen zum tragen kommt.

1.1 Relativpronomina im Französischen

Das Inventar der französischen Relativpronomina ergibt sich aus den einfachen und aus den zusammengesetzten Formen.

Die einfachen Formen qui, que, , dont und quoi - derart betitelt, da keinerlei Verschmelzung mit Präpositionen stattgefunden hat - markieren „ni l’opposition du genre ni celle du nombre“1, obwohl das nachfolgende Verb in Numerus und Genus dem Antezedens angeglichen wird, wie in

L ’ enfant/les enfants qui venait/venaient me chercher, wobei qui im Relativsatz bis auf einige unten erläuterte Ausnahmen die Funktion des Subjekts und que jene des direkten Objekts (Akkusativobjekt) übernimmt; dont und referieren auf eine Präpositionalgruppe und das unpersönliche quoi bezieht sich auf einen vagen, nicht spezifiziertes Bezugselement wie quelqu ’ un, une chose, personne etc.

Die einfachen Relativpronomina sind nicht flexivisch - sie werden mit Hilfe von Präpositionen dekliniert - und, bis auf dont, identisch mit den entsprechenden Interrogativpronomina.

Die zusammengesetzten Formen der Relativpronomina rekrutieren sich aus den Formen von lequel (laquelle, lesquels, lesquelles) für die Subjektfunktion und das direkte Objekt (Akkusativobjekt), bzw. aus deren Verschmelzung mit der vom Verb verlangten Präposition (à oder de) zu auquel etc. oder duquel etc., die in diesem Fall die Funktion des Dativobjekts oder einer Umstandsbestimmung im Relativsatz einnehmen. Die zusammengesetzten Relativpronomina sind dank ihrer Verschmelzung mit einer Präposition flexivisch.

Des weiteren unterscheidet man im Französischen, wie oben bereits erwähnt, zwischen „référents animés et non animés“2 ; dieser Unterschied manifestiert sich jedoch nur in den „formes prépositionnelles“3, d.h. in an Präpositionen gebundene Formen des Relativpronomens. Diese ergeben sich

a) für beseelte Referenten aus der vom Verb abhängigen Präposition + dem einfachen Relativpronomen qui, bzw. dont, welches bereits den Status eines verschmolzenen, d.h. zusammengesetzten Relativpronomen besitzt (L ’ homme sur qui je compte/dont j ’ ai parlé),

b) für unbeseelte Bezugselemente aus der vom Verb abhängigen Präposition + dem

unpersönlichen Relativpronomen quoi, bzw. dont oder das ursprünglich auf Umstandsergänzungen des Ortes beschränkte , welches sich inzwischen auch temporaler Verwendung erfreut („ C ’ est une choseàquoi je n ’ avais pas pensé4 ) und

c) für sowohl beseelten als auch unbeseelten Antezedens aus der Präposition + den zusammengesetzten Relativpronomina lequel etc. sowie auquel und duquel.

Generell gilt die Konvention, die zusammengesetzten Relativpronomina für unbeseelte Bezugselemente zu verwenden, „surtout s’ils ne sont pas eux-mêmes pronominaux.“5 Im Französischen ist im Relativsatz eine syntaktische Abweichung vom kanonischen Satzbau nach folgendem Modell möglich:

Relativpronomen + Subjekt + VerbàRelativpronomen + Verb + Subjekt La parapluie que Pierre a prise à La parapluie qu ’ a prise Pierre

1.2 Relativpronomina im Deutschen

Das Relativpronomen ist im Deutschen flexivisch, es muß in Numerus und Genus dem Antezedens angeglichen werden. Der Kasus des Relativpronomen hängt, ebenso wie im Französischen, von der Konstruktion des Relativsatzes ab, dessen Syntax fixiert ist und nicht verändert werden kann:

Paula ging gestern zu einem Notar, den sie noch nie gesehen hatte.

Numerus und Genus des Relativpronomen (Sg. Mask.) sind durch das Antezedens ‚ einem Notar ‘ festgelegt, während der Kasus der Syntax im Relativsatz unterworfen ist, hier der Akkusativ, der vom Verb gesehen im Relativsatz verlangt wird6.

Das Repertoire der deutschen Relativpronomina rekrutiert sich ebenfalls aus einfachen Formen (der, die, das, welcher, welche, welches) und aus Verschmelzungen (wer, was, wo), d.h. zusammengesetzten Formen, die sich aus dem Antezedens und dem Relativpronomen ergeben. Bei den Verschmelzungen „fehlen [...] die Formen für das Femininum und den Plural“7 ; ihr Wert ist verallgemeinernd und sie werden alleinstehend gebraucht. Während einerseits ein Fehlen des Dativs des Neutrum festgestellt wird8, wird andererseits behauptet, daß es auch „im Neut[rum] Formen für alle Kasus“9 gäbe.

So braucht das deutsche Relativpronomen nicht zwingend ein explizites Bezugselement, da jenes bereits im Relativpronomen enthalten sein kann: Sie bekam das, was alle bekamenSie bekam, was alle bekamen.

2. Der Relativsatz

Der Relativsatz als geläufigste Form der attributiven Nebensätze hat im Satzgefüge die Funktion, die Semantik eines bestimmten Satzgliedes bzw. Satzteils, auf welches er sich bezieht, zu relativieren. Dieses Bezugselement oder Kern der Attributskonstruktion ist zumeist ein Substantiv oder ein Pronomen, in weniger häufigen Fällen auch eine komplexere Nominalgruppe10.

Man unterscheidet hierbei zwei Arten der Relativsätze, auf die ich in Bezug auf die einzelnen Sprachen später genauer eingehen werde:

a) Den restriktiven (determinativen) Relativsatz (relative déterminative) und
b) den nichtrestriktiven (appositiven) Relativsatz (relative explicative).

Der Relativsatz ist - sowohl in der deutschen als auch in der französischen Grammatik – restriktiv bzw. determinativ, wenn er zur Identifizierung des Antezedens notwendig ist11, wie etwa in

1. Hunde, die bellen, bei ß en nicht.
2. Le roman que je viens de lire me plaît beaucoup.

Die Aussagen wären ohne den eingeschobenen Relativsatz falsch (Fall 1) oder unpräzise (Fall 2), was beides eine mangelnde Eindeutigkeit in der Kommunikation zur Folge hätte.

Der Relativsatz ist hingegen nichtrestriktiv, wenn seine Gegenwart zur Konkretisierung des Bezugselements beiträgt, jedoch keine Notwendigkeit einer Konkretisierung besteht, wie in:

1. Der Roman, den ich gestern gekauft habe, war zu teuerDer Roman war zu teuer.
2. Ce roman, que je viens de lire, me plaît beaucoupCe roman me plaît beaucoup.

In diesen beiden Fällen ist der Relativsatz zwar informativ, jedoch nicht notwendig, wie die Reduzierung auf den Hauptsatz zeigt. Unterstützt wird die Eindeutigkeit der Äußerung in Fall 4 durch den Demonstrativ ce.

Es bleibt anzumerken, daß nicht alle Relativsätze mit dieser Dichotomie erfaßt werden können. Auch ist eine solche Einteilung schwierig zu treffen, ohne den Kontext der Äußerung mit in die Betrachtungen einfließen zu lassen. So kann ein isolierter Relativsatz sowohl restriktiv, als auch nichtrestriktiv aufgefaßt werden, je nachdem, ob das Antezedens im Kontext bereits erläutert wurde oder nicht. Nichtrestriktive Relativsätze werden zudem im Deutschen „durch eine [deutlich längere] Pause vom Kern getrennt und durch eine Partikel bzw. ein Adverb abgetönt“12:

Die Kirche, die wir ja /übrigens / zuf ä lligerweise ... gestern noch besucht haben, ist abgebrannt.

Im folgenden werden auch Sonderformen der Relativsätze in beiden Sprachen verglichen.

2.1 Der Relativsatz im Französischen

Wie bereits erwähnt hat der Relativsatz die Funktion, ein Element oder eine Nominalgruppe im vorhergegangenen Haupt- oder Nebensatz zu relativieren, wobei das Relativpronomen nach dem obigen Modell die grammatische Funktion des Bezugselements im Relativsatz identifiziert.

Variationsmöglichkeiten ergeben sich hier vor allem bei dem indirekten Objekt, wenn dieses ein menschliches Wesen, einen bestimmten leblosen Gegenstand oder eine generelle Aussage bezeichnet.

Die Unterscheidung zwischen restriktiven und explikativen Relativsätzen macht sich im Französischen über die unterschiedliche Lautung hinaus im Schriftbild bemerkbar; der restriktive Relativsatz, der, wenn eingeschoben, durch eine kurze Sprechpause gekennzeichnet ist, wird nicht durch Kommata abgegrenzt, während der explikative Relativsatz, lautlich durch deutlich längere Sprechpausen gekennzeichnet, im Französischen durch Kommata eingegrenzt wird.

Bei allgemeingültigen Aussagen kann das Relativpronomen auch im Französischen ohne ein explizites Bezugselement stehen, wobei qui in seltenen Fällen als Objekt funktionieren kann, wenn es doch auch immer auf einen beseeltes Antezedens beschränkt bleibt:

Qui vivra verra. / Choisis qui tu voudras. / Il raconte sa vieàqui veut l ’ entendre.13

In diesen Fällen übernimmt das Relativpronomen qui anstelle von celui qui die Funktion der verschmolzenen Relativpronomina (wer, wen, was) im Deutschen, wobei der Antezedens im Relativpronomen impliziert ist.

2.2 Der Relativsatz im Deutschen

Im Gegensatz zum Französischen wird der Relativsatz, ob eingeschoben oder nachgestellt, immer durch Kommata abgegrenzt. Die Zeichensetzung als Indikator in der schriftlichen Sprache entfällt. Die relativ freie Handhabung der Wortstellung im Relativsatz entfällt ebenfalls im Deutschen. Ebenso wie im Französischen kann der Relativsatz in der Rolle verschiedener Kasus stehen, die vom Verb im Relativsatz abhängen; da die Relativpronomina im Deutschen flektiv sind, ist die Determinierung durch Präpositionen eher selten.

Der Relativsatz kann stehen in der Rolle des:

1. Subjekts: Kann befreien, wer selbst unterworfen ist?
2. Gleichsetzungsnominativs o. -akkusativs: Er ist heute erst (der/das) , wer / was ich vor 5 Jahren war.
3. Akk.: Er tut (das) , was ich will
4. Dativ: Wem du das antust, den will ich kennenlernen
5. Genitiv: Er war ein Lehrer, dessen Grunds ä tze ich für Lobenswert hielt
6. Präpositionalobjekts: Er erinnerte mich an alles, was ich gesagt hatte
7. Der freien Umstandsangabe (hier Ort): Lauf (dahin) , wohin du willst! 14

In Fall 5. Kann eine Sonderform des Relativsatzes auftreten: der attributive Relativsatz. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, daß das „Subjekt des Relativsatzes [...] seinerseits aufgebaut [ist] aus Kern und Attribut. Der Relativsatz bleibt als Ganzer Attribut zum Kern der übergeordneten Nominalgruppe“15:

Wir schlie ß en einen Vertrag, dessen Vorteile unbestreitbar sind.

Oft wird der Relativsatz schon im übergeordneten Satz durch ein Demonstrativpronomen oder durch ein unbestimmtes Für- oder Zahlwort angekündigt; das ankündigende Wort und das Relativ stehen dann in Korrelation:

Er bekam alles, was er sich gewünscht hatte.

Zusätzlich zu den oben erwähnten Verschmelzungen existieren weitere Korrelationspaare:

Der, der (wer); der, welcher; derjenige, der; derjenige, welcher; derselbe, der; derselbe, welcher; das, was (was); dasjenige, was; dasselbe, was; einiges, was; vieles, was; weniges, was; manches, was; sonstiges, was; etwas, was; nichts, was; allerlei, was; mancherlei, was; vielerlei, was; allerhand, was; folgendes, was.

Das erste Element des Korrelationspaares kann oft fakultativ ausgelassen werden, wobei sich ggf. eine Sinnesänderung ergeben kann.

Bei Relativsätzen, die eine Raumangabe machen, kann auch ein Adverb Korellat sein, wobei auch hier das erste Element fakultativ unterdrückt werden kann, indem eine semantische Verschmelzung stattfindet:

Das Haus steht (da / dort), wo der Weg in den Wald abbiegt.

3.1 Substantivische Relativsätze im Französischen (relatives substantives)

Das Gemeinsame dieser Relativsätze ist die Tatsache, daß sie kein Antezedens haben16 ; der Relativsatz selbst gibt dem Relativpronomen seinen Inhalt und seine Berechtigung. Diese Art der Relativsätze läßt sich in zwei Gruppen einteilen: Den indefiniten Relativsatz (La relative indéfinies) und den periphrastischen Relativsatz (la relative périphrastique).

Der erste Typ, der indefinite Relativsatz ist dadurch gekennzeichnet, daß das Pronomen, ggf. kombiniert mit einer Präposition oder dem fiktiven Determinanten tel, die Nominalgruppe formt, die es gleichzeitig vertritt. Innerhalb dieser Art von Relativsätzen kann wiederum unterschieden werden zwischen Repräsentanten menschlicher Wesen einerseits und unbeseelter Gegenstände oder Sachverhalte andererseits.

Als Repräsentant menschlicher Wesen steht das Relativpronomen qui, bzw. seine Variante quiconque zur Disposition. Dieses führt den Relativsatz ein und übernimmt die Funktion des Subjekts im Satz. Der so gebildete Relativsatz übernimmt im Satzgefüge wiederum die Funktion des Subjekts, des Akkusativobjekts oder des Dativobjekts, wenn die Präposition de oder à vorangestellt ist: J ’ aime qui m ’ aime. / Il répétait celaàqui voulait bien l ’ entendre. 17

Diese Form der Relativierung „peut être soumiseàla dislocation [...]: Qui se fait brebis, le loup le mange.“18

Liegt jedoch ein Fall der Repräsentation unbeseelter Gegenstände vor, so wird dieser in der Regel durch das Pronomen quoi vertreten, dessen Anwendung strengen Regeln unterliegt: Quoi wird prädeterminiert von den Präpositionen de oderà, ohne die es nicht stehen kann. Nach voici / voilà / c ’ est steht der Relativsatz im Indikativ oder - wie auch nach il y a und einigen intransitiven Verben - in einer Infinitivkonstruktion:

C ’ estàquoi je pensais. / Voilàde quoi il est capable. / Il y a de quoi ê tre fier.

Es finden sich des weiteren von où eingeführte Relativsätze ohne einen explizites Antezedens. Oú ist hier Ergänzung des Ortes im Relativsatz, welcher wiederum Ergänzung des Verbs im Hauptsatz ist und die Position einer direkten oder indirekten Ergänzung einnimmt19:

J ’ iraioù vous allez. / Je n ’ ai pasoù passer la nuit.

Der zweite Typ, der periphrastische Relativsatz, hat ebenfalls kein echtes Antezedens. Die Determinanten des Relativpronomen, celui oder ce, die hier nur die allgemeine Bedeutung haben, beseelte Bezugselemente von unbeseelten zu unterscheiden, erstellen in Verbindung mit dem Pronomen eine Variable, deren Wert und Bedeutung erst im Relativsatz definiert werden:

Celui qui casse les verres les paie.

Celui, immer auf ein beseeltes Objekt der Rede referierend, wird in Numerus und Genus dem psychologischen Subjekt angeglichen und von einem Relativpronomen gefolgt, welches sich aus der Gruppe qui, que, dont und lequel rekrutiert und ggf. von einer Präposition angeführt wird, je nachdem, welche grammatische Funktion der Relativsatz im Satzgefüge einnehmen soll:

Celui qui m ’ aime, le voilà. / Celle que j ’ aime, la voici. / Je ne suis pas celui que vous croyez.

Wenn der Relativsatz ein unbeseeltes Objekt als Thema hat, dann wird er mit dem unvariablen Demonstrativum ce eingeführt, gefolgt von einem der folgenden Relativpronomina: qui, que, dont oder quoi.

3.2 Substantivische Relativsätze im Deutschen

Substantivische Relativsätze verhalten sich im Deutschen im Allgemeinen so, wie auch in der französischen Sprache (s.o.). Ein nennenswerter Unterschied ist die Tatsache, daß die Ellipse des Antezedens im Französischen durch ein Korrelationspaar mit einem Element im übergeordneten Satz vorweggenommen werden muß, um das Verständnis zu gewährleisten:

1. Ich liebe alle, die mich lieben.
2. Ich liebe, wer mich liebt.

Bei 2. stehen die substantivische Funktion des Relativsatzes und der vom Verb verlangte Kasus in Gegensatz; außerdem ist hier das Korellationspaar nicht eindeutig identifizierbar, da die Verschmelzung wer auf das Paar ‚der, der‘ verweist und keinen Akkusativ im zweiten Teil akzeptiert. Der Satz ist nicht grammatisch.

4.1 Adjektivische Relativsätze im Französischen (relatives adjectives)

Die adjektivischen Relativsätze, derart benannt „parce qu’ils fonctionnent comme des adjectifsépithètes“20, lassen sich wiederum in drei Gruppen einteilen:

a) Relativierung der Nominalgruppe in Subjektfunktion (qui)
b) Relativierung der Nominalgruppe in akkusativischer Funktion (que) und
c) Relativierung einer Präpositionalgruppe.

Typ a) ist die geläufigste und insofern die leichteste Form der Relativierung, als daß er keine Umstellung der Satzelemente nach der Fusion beider Hauptsätze erfordert: Je fais un probl è me. Ce probl è me est difficile. à Je fais un probl è me qui est difficile. Qui, Subjekt des Relativsatzes, zieht in Numerus, Genus und Tempus die gleiche Modifikation des Verbs nach sich wie der Antezedens.

Der Gebrauch von lequel, „ archa ï sant et rare21, ist dem judikativen Bereich vorenthalten, es sei denn, sein Gebrauch verhindert eine Ambiguität, die durch den Gebrauch von qui entstehen würde:

Le terrain est léguéau neveu de Madame Untel, lequel s ’ engageàverser une soulte aux cohéritiers. 22

Bei einer Relativierung einer Nominalgruppe in akkusativischer Funktion verhält sich das Relativpronomen que wie andere Substituten des direkten Objekts; das nachfolgende Partizip wird ggf. entsprechend angeglichen: La lettre que j ’ aiécrite. Wenn das Subjekt des Relativsatzes eine volle Nominalgruppe - und kein proklitisches Personalpronomen - ist, kann fakultativ die Inversion gebildet werden:

Je les un livre que ma s œ ur m ’ a offert. / Je lis un livre que m ’ a offert ma s œ ur.

Der Gebrauch von que bei der Relativierung des realen Subjekts unpersönlicher Verben ist eingeschränkt, da in den meisten solcher Fälle der Antezedens begleitet wird von einem „déterminant indéfini, ce qui bloque la possibilité d’une relative.“23

4.2 Adjektivische Relativa im Deutschen

Im Wesentlichen entspricht auch hier der deutsche Gebrauch dem Französischen: Der Gebrauch erinnert an den des prädikativen Adjektivs; das Relativpronomen muß in Numerus und Genus dem Antezedens im übergeordneten Satz angeglichen werden, während der Fall vom Verb im Relativsatz bestimmt wird. Wenn vom Verb eine Präposition verlangt wird, so wird diese dem Relativpronomen vorangestellt:

a) Die Sache, an die ich gedacht habe.
b) Der Mann, der mir das Buch gab.
c) Die Leute, die mir teuer sind.

Im Gegensatz zum Gebrauch im Französischen ist im Deutschen allerdings keinerlei Variation in der Satzstellung möglich. Eine gewisse Auswahl ergibt sich jedoch auch im Deutschen durch „die Rolle eines ‚universellen Relativadverbs‘“24, welche von dem nichtflektierbaren Relativpronomen wo eingenommen wird25:

Eine Ehe, wo immer Krach ist, ist nicht wünschenswert.

Der Gebrauch von wo anstelle des anderen zutreffenden Relativpronomen eliminiert bzw. integriert ggf. vom Verb verlangte Präpositionen.

5.1 Relativierung von Präpositionalgruppen im Französischen

Die allgemeine Regel für die Pronominalisierung einer Präpositionalgruppe ist die folgende:

Präposition + NominalgruppeàPräposition + lequel,

„que le GP soit complément de phrase, de verbe, de nom ou d’adjectif“26. Die so gebildete Gruppe führt den Relativsatz ein. Das Repertoire der hier möglichen Relativpronomina rekrutiert sich aus dont,où , quoi und lequel, wobei der Gebrauch von lequel vorgeschrieben ist nach parmi und wenn der Gebrauch der anderen Relativpronomina nicht grammatisch ist. Die Inversion des Subjekts ist auch hier möglich, wenn es sich um eine volle Nominalgruppe handelt und wenn das Verb intransitiv ist oder intransitiv gebraucht wird.

Folgende obligatorische Regeln sind bei der Pronominalisierung von

Präpositionalgruppen zu beachten:

- Wenn die zu pronominalisierende Präpositionalgruppe selber in einer anderen Präpositionalgruppe enthalten ist, wird diese Einheit an die Spitze des Satzes gestellt und die einzigen möglichen Relativpronomina sind qui & lequel:

J ’ aime la rivi è re. Nous avons pique-niquésur le bord de cette rivi è re.

à J ’ aime la rivi è re sur le bord de laquelle nous avons pique-niqué.

- Wenn der Antezedens ein indefinites Demonstrativpronomen ist, das ein unbeseeltes Objekt vertritt, wie cela, quelque chose und rien, so ist das einzige grammatische Pronomen quoi:

Je ne vois que cela. Il peut prétendreàcela.

à Je ne vois que celaàquoi il puisse prétendre. Zusätzlich sind folgende fakultative Regeln zu beachten:

- Wenn der zu relativierenden Nominalgruppe eine Präposition vorangeht und eine menschliches Wesen der Antezedens ist, dann kann lequel durch qui ersetzt werden:

J ’ ai rencontréla fille pour qui tu te meurs d ’ amour.

- Wenn der zu relativierenden Nominalgruppe die Präposition de vorangeht, ist die

Verwendung von dont gebräuchlicher als duquel oder de qui:

C ’ est la vieille cousine dont j ’ ai hérité.

- Wenn die zu relativierende Nominalgruppe einen Ort repräsentiert, so wird die Einheit von Nominalgruppe und lokativer Präposition durch pronominalisiert, außer die Präposition ist de, was zu der Pronominalisierung d ’où führen würde. · Wenn die zu relativierende Nominalgruppe eine Umstandsergänzung der Zeit repräsentiert, kann diese sowohl als als auch als que pronominalisiert werden:

L ’é poqueoù j ’ allaisàl ’é cole. / La premi è re fois que je l ’ ai vue. 27

5.2 Relativierung von Präpositionalgruppen im Deutschen

Der Gebrauch im Deutschen ist nahezu identisch mit dem oben genannten französischen Anwendungsmodell:

Präp. + NominalgruppeàPräp. + der / welcher

Da allerdings im Deutschen das Repertoire der Relativpronomina eingeschränkter ist, existiert keine vergleichbare Auswahl, die einer Reglementierung bedürfte. Die Variationsmöglichkeiten im Deutschen beschränken sich auf die oben genannten Verwendungsmöglichkeiten des Relativadverbs wo und auf die affirmative Verwendung der Interrogativpronomina:

Die Frau, der ich das Buch gab. / Die Frau, welcher ich das Buch gab.

6.1 Relativsätze als Umstandsbestimmung im Französischen (relatives comme expressions circonstancielles)

Jene Relativsätze, die im Satzgefüge die grammatische Funktion einer Umstandsergänzung einnehmen, zählen zu der Gruppe der nichtrestriktiven Relativsätze. Ihrer gibt es wieder zwei verschiedene Gruppen28, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

a) Umstandsergänzung des Ortes: Es handelt sich hier um periphrastische Relativsätze, die, eingeführt durch làoù, eine größere Autonomie genießen als jene, die nur mit eingeführt werden. Die Inversion kann fakultativ nach den oben erläuterten Regeln gebildet werden:

Làoù je suis, le soleil brille. / Làoù je suis, brille le soleil.

b) Umstandsergänzung der Art und Weise: Einige werden durch qui que, quoi que oder où que, gefolgt vom Subjonctif, eingeführt. Das erste Element übernimmt hier als eine Art indefinites Pronomen die Funktion, eine semantische Kategorie (z.B. beseelt, unbeseelt) festzulegen, während das zweite Element das Relativum ist, das Platz und Funktion im Relativsatz definiert:

Qui que ce soit, c ’ est un malin. / Quoi qu ’ il fasse, on l ’ aime bien.

6.2 Relativa der Umstandsbestimmung im Deutschen

Die Verwendungen von da, wo bzw. wo entsprechen den oben erwähnten Anwendungsmöglichkeiten im Französischen. Unterschiede ergeben sich vor allem im Modus, der im Deutschen einheitlich bleibt (Indikativ) außer in der Umstandsbestimmung der Art und Weise, wo ggf. auf den Konjunktiv zurückgegriffen wird.

Ebenso wie im Französischen zählen die Relativsätze als Umstandsbestimmung auch im Deutschen zu der Gruppe der nichtrestriktiven Relativsätze und lassen sich in zwei verschiedene Gruppen einteilen: Ergänzung des Ortes und der Art und Weise.

Das adverbiale wo kann auch einen relativen Anschluß mit Präposition ersetzen: In der Stadt, in der ich wohne à In der Stadt, wo ich wohne

Das Relativadverb wo nimmt zunehmend die Funktion eines universellen Relativadverbs ein, was mit seiner lokalen Grundbedeutung zusammenhängt, da gerade Lokale besonders häufig metaphorisiert werden. Das Relativpronomen in einer Präpositionalgruppe kann so durch ein der Präposition vorangestelltes wo ersetzt werden, welches praktisch fast jedes Relativpronomen ersetzen kann29:

c) Der Moment, wo das passierte.
d) Ein Vorschlag, wo man nicht weiß, was aus ihm folgt.
e) Eine Ehe, wo immer Krach ist.
f) *Die Aufsätze, wo Hans korrigiert hat.

Bei Umstandsergänzungen der Art und Weise ist festzustellen, daß vor allem beim Verb sein eine Modusänderung zum Konjunktiv stattfinden kann, die jedoch fakultativ ist:

Was es auch sei, er tut es. / Wer es auch tut (tun mag), es mu ß getan werden.

Diese Art der Relativsätze wird, wie in b) ersichtlich, oft durch das Verb m ö gen unterstrichen und mit auch ergänzt.

7. Schluß

Zusammenfassend kann man sagen, daß im Französischen das Repertoire an Relativpronomina, an Kombinationen mit Präpositionen und an verschiedenen Möglichkeiten der Wortstellung im Satz reichhaltiger ist als im Deutschen, wenn es auch aufgrund des Umfangs eines größeren Regelinventars bedarf. Allein der Umfang der Ausführungen verdeutlicht die deutlich höhere Komplexität der französischen Sprache in diesem Spezialgebiet.

Die französische Sprache scheint auf diesem Gebiet reicher zu sein, die deutsche dagegen statischer. Hier ist das Instrumentarium begrenzt, die Wortstellung bis auf wenige Ausnahmen festgelegt. Außerdem ist festzustellen, daß im Deutschen deutlich weniger unterschieden wird zwischen verschiedenen Sprachebenen oder der Natur der Bezugselemente (z.B. belebt / unbelebt).

Die deutsche Sprache hingegen scheint durch die noch vorhandene Flexion die komplexeren Vorgänge und Möglichkeiten des Französischen zu kompensieren.

8. Bibliographie

- Duden: Grammatik. Mannheim: Bibliographisches Institut AG, 21966.
- Eisenberg, Peter: Grundri ß der deutschen Grammatik. Stuttgart: Metzler, 41993.
- Grevisse, Maurice: Le bon usage . Grammaire fran ç aise, refondue par André Goosse. Paris: Duculot, 131993.
- Haas, Joachim / Tanc, Danielle : Franz ö sische Grammatik. Frankfurt/Main: Diesterweg, 31987.
- Riegel, Martin / Pellat, Jean-Christophe / Rioul, René: Grammaire méthodique du fran ç ais. Paris: P.U.F., 2eédition corrigée 1996 [1reédition 1994].

[...]


1 Riegel, M. / Pellat, J.-C. / Rioul, R., S. 209.

2 Ebd.

3 Ebd.

4 Riegel, M. / Pellat, J.-C. / Rioul, R., S. 209.

5 Ebd.

6 Vgl. Eisenberg, s: 215.

7 Duden, S. 268.

8 Vgl. Duden, S. 269.

9 Eisenberg, S. 219.

10 Vgl. Eisenberg, S. 215.

11 Vgl. Eisenberg, S. 217.

12 Eisenberg, S. 217.

13 Riegel, M. / Pellat, J.-C. / Rioul, R., S. 210.

14 Vgl. Duden, S. 557.

15 Eisenberg, S. 216 f.

16 Wobei durchaus ein elliptischer psychologischer Antezedens festgestellt werden kann, auf den referiert wird. So hat der Satz J ’ aime qui m ’ aime den psychologischen Wert von J ’ aime tous les hommes qui m ’ aiment. [Anm. d. Verf.]

17 Riegel, M. / Pellat, J.-C. / Rioul, R., S. 486.

18 Ebd., S. 486 f.

19 Vgl. ebd., S. 487.

20 Riegel, M. / Pellat, J.-C. / Rioul, R., S. 480.

21 Riegel, M. / Pellat, J.-C. / Rioul, R., S. 480.

22 Vgl. ebd., S. 480.

23 Ebd. S. 481.

24 Eisenberg, S. 222.

25 Nach Eisenberg ist der Terminus ‚nichtflektierbares Relativpronomen‘ in sich widersprüchlich; er kategorisiert diese somit Klasse als Relativadverbien, da das grammatische Verhalten auf ein Adverb schließen ließe.

26 Riegel, M. / Pellat, J.-C. / Rioul, R., S. 481.

27 Vgl. Riegel, M. / Pellat, J.-C. / Rioul, R., S. 482 f.

28 Vgl. Riegel, M. / Pellat, J.-C. / Rioul, R., S. 488 f.

29 Vgl. Eisenberg, S. 222.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Relativpronomen und Relativsätze. Ein Vergleich der deutschen und französischen Sprache
Hochschule
Technische Universität Berlin
Autor
Jahr
2000
Seiten
16
Katalognummer
V95553
ISBN (eBook)
9783638082310
ISBN (Buch)
9783656830382
Dateigröße
404 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Relativa
Arbeit zitieren
Johannes Mory (Autor:in), 2000, Relativpronomen und Relativsätze. Ein Vergleich der deutschen und französischen Sprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95553

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