Phraseologismen und Kollokationen im Spanischen


Seminararbeit, 1999

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Phraseologie
1.1. Die Phraseologieforschung
1.2. Die spanische Phraseologie
1.3. Terminologie
1.3.1. Definition für Phraseologie
1.3.2. Definition für Phraseologismen
1.4. Klassifikation von Phraseologismen
1.4.1. Periphere phraseologische Einheiten
1.4.2. Zentrale phraseologische Einheiten

2. Phraseolexeme oder Idiome
2.1. Idiomatizität
2.1.1. Grade der Idiomatizität
2.1.1.1. Vollidiomatische Phraseolexeme
2.1.1.2. Teilidiomatische Phraseolexeme
2.1.2. Arten der Idiomatizität
2.1.2.1. Metaphorisierung
2.1.2.2. Spezialisierung
2.2. Stabilität
2.2.1. Stabilität im Gebrauch
2.2.2. Lexikalisch-semantische Stabilität
2.2.3. Morphosyntaktische Stabilität
2.2.4. Unikale Komponenten
2.3. Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit

3. Kollokationen
3.1. Begriff und Definition
3.2. Beispiele
3.3. Kollokationen - Phraseologismen?

4. Übersetzbarkeit von Phraseologismen
4.1. Übersetzbarkeit von Phraseolexemen
4.1.1. Volläquivalenz
4.1.2. Teiläquivalenz
4.1.3. Nulläquivalez
4.1.4. Scheinäquivalenz
4.2. Übersetzbarkeit von Kollokationen
4.2.1. Volläquivalenz
4.2.2. Teiläquivalenz
4.2.3. Nulläquivalez / Scheinäquivalenz

5. Schlußbemerkungen

Abkürzungen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

0. Einleitung

In dieser Arbeit befasse ich mich mit spanischen Phraseologismen/ phraseo-logischen Einheiten im allgemeinen und mit Phraseolexemen/ Idiomen und Kollokationen im besonderen. Im ersten Teil wird die Phraseologie, die Lehre der Phraseologismen vorgestellt, und es werden Begriffe erklärt und definiert, die in der Hausarbeit verwendet werden. Dabei beziehe ich mich auf Literatur von Fleischer (1997) "Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache", Segura (1998) "Kontrastive Idiomatik: Deutsch - Spanisch" und Palm (1995) " Phraseologie. Eine Einführung". Im zweiten Teil werden die Phraseolexeme/ Idiome als zentrale Gruppe der phraseologischen Einheiten untersucht. Es wird dargestellt, welche Eigenschaften und Merkmale Phraseolexeme/ Idiome aufweisen. Die wichtigsten Kriterien, die in der deutschsprachigen Germanistik schon von einigen Autoren erforscht wurden, werden auf spanische Phraseolexeme/ Idiome übertragen. Auf die Erläuterung anhand von Beispielen wird besonderer Wert gelegt. Zusätzlich zu der bereits genannten Literatur verwende ich von Díaz (1983) "Zum Vergleich deutscher und spanischer idiomatischer Redewendungen unter Berücksichtigung der Über-setzungsproblematik". Die Phraseolexeme, die ich als Beispiele nehme, sind vorwiegend aus der Dissertation von Segura (1998, s.o.) und aus Iribarren (1996) "El porqué de los dichos".

Der dritte Teil handelt von den Kollokationen. Der Begriff soll erklärt und definiert werden, was sich teilweise als schwierig erweist, da die Literatur zu diesem Thema, sowohl in der deutschen als auch in der spanischen Sprachforschung einige Lücken läßt. Ich beziehe mich auf Irsula (1992) "Substantiv-Verb-Kollokationen" und auf Klare (1998) "Kollokationen im Französischen im Spannungsfeld zwischen Grammatik, Lexikon und Text". Im vierten Teil gehe ich auf die Übersetzungsproblematik ein, um bewußt zu machen, daß das behandelte Thema auch für praktische Anwendungen interessant ist. Verschiedene Arten von Äquivalenz werden anhand von Beispielen sowohl für Phraseolexeme/ Idiome, als auch für Kollokationen untersucht.

1. Phraseologie

1.1. Die Phraseologieforschung

Die Phraseologie ist ein wissenschaftliches Gebiet, das, beginnend im russisch- sprachigen Raum, erst seit diesem Jahrhundert eingehend bearbeitet wird. In der Slawistik gilt die Phraseologie als selbständige linguistische Disziplin neben der Lexikologie. Die Phraseologie hat die Bedeutung der festen Wortverbindungen zum Gegenstand, während die Lexikologie die Bedeutung der Wörter untersucht.

In der deutschsprachigen Germanistik ist eher von einem “Teilgebiet der Lexiko-logie” die Rede (Fleischer 1997, S.9f), oder auch von “einer deutschen Phraseo-logie auf dem Weg zu einer selbständigen Disziplin” (Segura, 1998, S.18).

1.2. Der Stand der spanischen Phraseologieforschung

Die spanische Phraseologie wurde bisher wenig bearbeitet, was zu einem “Durch- einander in der Bestimmung der Gegenstände und zu einer Vagheit der Begriffe” geführt hat. Es wird keine klare Unterscheidung zwischen Phraseologie und Parömiologie getroffen (Segura 1998, S.18). In keinem der bekanntesten ein-sprachigen spanischen Wörterbüchern (Maria Moliner, 1987 und DRAE, 1992) wird “fraseología” im Sinne einer Wissenschaft definiert. Phraseologie kann in diesem Zusammenhang also nicht mit “fraseología” übersetzt werden.

1.3. Terminologie

Da es sich mit vielen spanischen Begriffen so verhält, daß sie noch ungenauer als in der deutschsprachigen Phraseologieforschung definiert sind, möchte ich mich größtenteils auf die deutsche Terminologie beschränken. Auch diese ist äußerst komplex und uneinheitlich, da die deutschsprachige Phraseologie erst seit den siebziger Jahren auf wachsendes Interesse stößt und dementsprechend unausgereift ist.

1.3.1. Definition für “Phraseologie”

Heute versteht man unter “Phraseologie” zum einen “die Gesamtheit der Phraseologismen einer Sprache” und zum anderen das “Teilgebiet der Sprach-wissenschaft, das die Phraseologismen untersucht” (Palm 1995, S.104).

1.3.2. Definition für “Phraseologismen”

“Phraseologismen” und “phraseologischenEinheiten” werden hier als Oberbegriffe für alle "verschiedenen Arten der in Frage kommenden sprachlichen Erscheinungen" im Sinne von Fleischer (1997, S.3) verwendet. Diese sprachlichen Erscheinungen, wie z.B. feste Redwendungen, Redensarten, Sprichwörter, können sehr unterschied-licher Natur sein. Aufgrunddessen gibt es verschiedene Möglichkeiten und Auffas-sungen darüber, wie sie definiert und klassifiziert werden können. Es gibt die Ein-teilung der Phraseologismen in "Phraseologie im engeren Sinne” und “Phraseologie im weiteren Sinne” (Palm 1995, S.1f), oder in “Zentrum und Peripherie” (Fleischer 1997, S.68).

Um die Vielfältigkeit der Phraseologismen zu demonstrieren, im Anschluß einige Beispiele: no morderse los labios (kein Blatt vor den Mund nehmen), echar la soga tras el caldero (die Flinte ins Korn werfen), llevar agua al molino de alguien (Wasser auf jemandes Mühle sein), morder la tierra (ins Gras beißen), andar a la greña (sich in die Haare geraten), lavarse las manos (sich die Hände in Unschuld waschen), tener la sartén por el mango (das Heft in der Hand haben), tener la leche en los labios (hinter den Ohren noch nicht trocken sein), pescar en agua turbia (im Trüben fischen), (Aus: Munker, 1931) brillar por su ausencia (durch Abwesenheit glänzen), sembrar cizaña (Zwietracht säen), no contar con la huéspeda (die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben), traer una cosa por los pelos (etwas an den Haaren herbeiziehen), meterse en la boca del lobo (sich in Teufels Küche/in die Höhle des Löwen begeben), dar la lata (auf die Nerven gehen), todo el santo día (den lieben, langen Tag), hacerse el sueco (sich dumm stellen), meter la pata (ins Fettnäpfchen treten), (Aus: Iribarren, 1996)

1.4. Klassifizierung von phraseologischen Einheiten

1.4.1. Periphere phraseologische Einheiten

Um bei der Einteilung von Phraseologismen in Zentrum und Peripherie zu bleiben, wären folgende Wortverbindungen in die Peripherie einzuordnen: Sprichwörter, Ge-flügelte Worte, terminologische Wortgruppen, Eigennamen, nichtidiomatische feste Wortverbindungen (Fleischer 1997, S.8). Sie sollen in dieser Arbeit, nicht weiter berücksichtigt werden. Kollokationen, die im dritten Teil der Arbeit behandelt wer- den, können zu den peripheren phraseologischen Einheiten gerechnet werden, was aber nicht allgemein anerkannt ist (Fleischer 1997, S.251).

1.4.2. Zentrale phraseologische Einheiten

Die zentrale Gruppe der phraseologischen Einheiten werden u.a. Phraseolexeme (Fleischer 1997, Klare 1998), Idiome (Segura 1998, Irsula 1992), Phraseme (Palm 1995), oder idiomatische Redewendungen (Díaz 1983) genannt. Im spanischen wer-den die Begriffe expresión idiomatica, giro idiomático oder idiotismo verwendet. In dieser Arbeit benutze ich zum einen den Begriff Phraseolexem, da er sich auf die Phraseologie bezieht und zum anderen den Begriff Idiom, der mit Idiomatizität und Idiomatik verwandt ist. Idiomatizität wird häufig als wichtigstes Mekmal für Phraseo-lexeme oder Idiome gesehen. Sie sollen im Folgenden genauer untersucht werden. Der Teilbereich der Phraseologie, der die Phraseolexeme oder Idiome zum Gegen-stand hat, wird auch Idiomatik genannt (Segura 1998, S.26).

2. Phraseolexeme/ Idiome

Phraseolexeme “besitzen eine feste syntaktische Struktur, eine irreguläre Be-deutung und werden in bestimmten Situationen gebraucht”. Sie unterscheiden sich von freien Wortverbindungen u.a. dadurch, daß ihre Komponenten nicht frei zu-sammengestellt werden können, sondern fest sind (Segura S.22f). “Ihre Gesamt-bedeutung läßt sich nicht unmittelbar aus den Bedeutungen der einzelnen Kom-ponenten erschließen” (Díaz 1983, S.11). Folgende Beispiele sollen das veran-schaulichen:

1) freie Verbindung: El niño se metió las monedas en el bolsillo. Dt: Der Junge steckte sich die Münzen in die Tasche.
2) idiomatische Verbindung: El niño se metió en el bolsillo al abuelo1. Dt: Der Junge steckte sich den Großvater in die Tasche.

Die Bedeutung des zweiten Satzes ist: der Großvater war in den Jungen vernarrt.

Offensichtlich läßt sich diese Bedeutung nicht “aufgrund von semantischen Regeln" erklären (Segura 1998, S. 26). Diese Eigenschaft nennt man Idiomatizität.

Phraseolexeme bestehen aus mindestens zwei Lexemen, deren Verbindungen sowohl regulär als auch irregulär sein können. Reguläre Verbindungen haben oft auch eine Bedeutung als freie Wortgruppe (Palm 1995, S.2), wie z.B.:

3) La chica le dio calabazas - freie Bedeutung: Das Mädchen gab ihm Kürbisse. phraseologische Bedeutung: Das Mädchen gab ihm einen Korb.

Der folgende Satz, dessen Komponenten irregulär verknüpft sind, macht nur in seiner phraseologischen Bedeutung einen Sinn:

4) La chica tomó las de Villadiego - frei: Das Mädchen nahm die von Villadiego. phraseologisch: Das Mädchen machte sich aus dem Staub.

Ein weiteres Merkmal von Phraseolexemen ist, daß diese, im Gegensatz zu Sprich- wörtern u.a. keine vollständigen Sätze sind, sie sind also nicht satzwertig (Palm 1995, S.1).

Idiome enthalte als häufige Komponente Körperteile. Dieser Aspekt wurde in der Dissertation von Díaz (1983) ausführlich behandelt.

Die entscheidenden Kriterien, die ein Phraseologismus aufweisen muß, um dem Zentrum der Phraseologie, also den Phraseolexemen oder Idiomen zugeordnet zu

werden, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

- Idiomatizität
- Stabilität
- Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit

(Fleischer 1997, S.30; Segura 1998, S.25; Díaz 1983, S.11)

Im Anschluß soll auf diese drei Kriterien genauer eingegangen werden.

2.1. Idiomatizität

Es wurde bereits erwähnt, daß sich die Bedeutung eines Phraseolexems nicht aus der

Summe der Bedeutungen der einzelnen Lexeme ergibt. Also muß eine Um-deutung, eine "semantische Transformation" stattgefunden haben. Dieses Phänomen nennt man Idiomatizität (Palm 1995, S.9).

In den folgenden Sätzen besteht bei “gleicher syntaktischer Struktur unterschied-liche Bedeutungsstruktur” (Fleischer 1997, S.30):

5) María tiene un coche grande. - nur wörtlich: Maria hat ein großes Auto.

6) María tiene mala leche. - wörtl.: Maria hat schlechte Milch. phraseologisch: Maria ist schlechter Laune.

Der erste Satz ist eine freie Verbindung von Lexemen zu einem Satz, dessen Bedeutung sich “additiv aus den freien Bedeutungen der Komponenten ergibt” (Palm 1995, S.9). Die additive Bedeutung des zweiten Satzes hingegen ergibt keinen Sinn, d.h., daß die einzelnen Komponenten irregulär verknüpft sind. Man spricht auch davon, daß bestimmte Phraseolexeme “unmotiviert” sind. “Idiomatizität als semantische Größe bildet sich aufgrund der verblaßten Motiviertheit der Konstituenten einer Verbindung” (Segura 1998, S. 26f). Je weniger motiviert eine Wortverbindung ist, um so stärker ist der Grad der Idiomatizität.

2.1.1. Grade der Idiomatizität

2.1.1.1. Vollidiomatische Phraseolexeme

Nicht alle Phraseolexeme sind gleich idiomatisch, der Grad der Idiomatizität ist verschieden. Man spricht von vollidiomatischen und teilidiomatischen Wortver-bindungen. Wenn alle Komponenten eines Phraseolexems semantisch umgedeutet sind, ist es vollidiomatisch (Palm 1995, S.12):

7) hacer un puchero - wörtl.: einen Eintopf machen

- phras.: das Gesicht weinerlich verziehen

8) hay moros en la costa - wörtl.: es gibt Mauren an der Küste

- phras.: es ist Gefahr im Verzug

9) llevar naranjas a Valencia - wörtl.: Orangen nach Valencia bringen

- phras.: etwas überflüssiges tun

2.1.1.2. Teilidiomatische Phraseolexeme

Bei den teilidiomatischen Wortverbindungen wird mindestens eine Komponente um- gedeutet, wiederum mindestens eine behält ihre freie oder wörtliche Bedeutung. Die kursiv geschriebenen Wörter haben ihre Bedeutung behalten:

10) perder los estribos - wörtl.: die Steigbügel verlieren

- phras.: die Geduld verlieren

11) pasar más hambre que un maestro de escuela - wörtl.: mehr Hunger leiden als ein Schulmeister

- phras.: viel Hunger leiden

12) pasar las noches en blanco - wörtl.: die Nacht in weiß verbringen

- phras.: die Nacht schlaflos verbringen

Auffällig ist, daß bei allen Beispielen das nichtidiomatisierte Lexem das Verb ist.

2.1.2.Arten der Idiomatizität

2.1.2.2. Metaphorisierung

Außer den unterschiedlichen Graden der Idiomatizität lassen sich auch verschiedene Arten feststellen. Eine davon ist die Metaphorisierung, die man in durchsichtige (transparente) und undurchsichtige (opake) unterteilen kann (Palm 1995, S.12). Folgende Beispiele enthalten transparente Metaphorisierungen:

13) darle un lavado de cabeza a alguien - jemandem den Kopf waschen 14) como arena en el mar - wie Sand am Meer

15) no mover un dedo - keinen Finger rühren

Die Abgrenzung zwischen opak und transparent erweist sich als schwierig, weil die Übergänge fließend sind und die Unterscheidung subjektiv ist:

16) hay moros en la costa (vgl.8))

17) llevar naranjas a Valencia (vgl.9))

Wem bekannt ist, daß die Spanier jahrhundertelang Krieg gegen die Mauren führten, bzw., daß es in der Gegend um Valencia Orangen gibt wie Sand am Meer, wird die Metapher durchschauen; wer über diese Kenntnisse nicht verfügt, vermutlich nicht. Bei vielen Idiomen ist der “Metaphorisierungsprozess” nicht mehr ohne weiteres, d.h., nicht ohne etymologische Nachforschungen, nachvollziehbar. Das vermittelte Bild hat keine “einsichtige Beziehung zur Gesamtbedeutung” (Fleischer 1997, S.32). Diese Phraseolexeme wären als opak zu bezeichnen:

18) tener pelos en el corazón - wörtl: Haare am Herzen haben

- phras.: hartherzig, unsensibel sein

19) estar a la cuarta pregunta - wörtl.: bei der vierten Frage angelangt sein

- phras.: abgebrannt sein, kein Geld haben

2.1.2.2. Spezialisierung

Idiomatisierung kann auch durch “Spezialisierung nichtübertragener Sememe” entstehen (Fleischer 1997, S.33). Damit ist gemeint, daß einzelne Komponenten eine bestimmte Bedeutung erhalten, die nicht unbedingt verständlich ist. In den nachstehenden Beispielen ist dies bei jeweils einem Pronomen der Fall:

20) tomar la del estribo - wörtl.: die des Steigbügels (zu sich) nehmen Das Verb tomar steht hier für trinken, bzw. sich betrinken, la ist eng mit tomar verbunden und bezieht sich auf la copa (das Glas). Die Gesamtbedeutung wäre also: das (letzte) Glas trinken, bevor man zu Pferde steigt und abreitet (Segura 1998, S.30). Andere Beispiele wären:

21) Tomar las de Villadiego (vgl.4))

Obwohl der genaue Ursprung dieses Phraseolexems umstritten ist, läßt sich ziem-lich sicher sagen, daß sich las auf las calzas (die Unterhosen) bezieht (Iribarren 1996, S.96f). Die Bedeutung wurde bereits genannt, eine wörtliche oder annähernd wörtliche Übersetzung ist hier nicht sinnvoll.

22) cantárse las claras - wörtl.: die klaren singen Las bezieht sich hier auf las verdades (die Wahrheiten), die Gesamtbedeutung ist:

jemanden zurechtweisen. Die Bedeutung von la oder las ist mit der Zeit verblaßt, sodaß sich die Funktion der Pronomen, wenn überhaupt, nur noch erahnen läßt.

Auch Zahlwörter können eine Form der Spezialisierung bilden, wobei die Referenz, genauso wie in den vorigen Beispielen bei den Pronomen, mehr oder weniger opak wird:

23) partirse en dos - sich zweiteilen, entzweibrechen

24) sentarse en sus cuatro - sich auf seine/ihre vier Buchstaben setzten

25) meter las cuatro - (mit allen vieren) ins Fettnäpfchen treten.

26) en un cinco - im Handumdrehen

Eine weitere spezialisierte Komponente von Phraseolexemen können Eigennamen sein. Meistens sind solche Idiome auf geschichtliche Ereignisse oder Anekdoten zurückzuführen (Segura 1998, S.29f):

27) andar más que la perra de Calahora - wörtl.: mehr gehen/ laufen als die

Hündin von Calahora, phras.: viel gehen/ laufen - diese Redewendung beruht auf einer Anekdote laut der eine Hündin, als ihre Besitzer von Calahora nach Logroño umzogen, ihre sieben Jungen einzeln vom einen Ort zum andern trug, sodaß sie die Strecke von etwa 45km siebenmal hin- und herlief (Iribarren 1974, S.363).

Andere Beispiele der gleichen Art, auf deren Geschichte hier verzichtet werden soll, sind folgende:

28) tomar las de Villadiego - vgl. 4)

29) estar entre Pinto y Valdemoro - 1. zwischen zwei Dingen schwanken

2. angetrunken sein

Eigennamen in Phraseolexemen werden manchmal auch aufgrund eines Reimes oder besseren Klangs verwendet:

30) el día de San Blando, que no hay ni día ni cuando - wörtl.: am Tag des heiligen Weich, von dem es weder Tag noch wann gibt - vergleichbar: am Sankt Nimmer- leinstag

31) ¡Toma el frasco Carrasco! - wörtl.: Nimm die Flasche Carrasco - Ausdruck der Überraschung

(Segura 1998, S. 33f)

Palm (1995, S.13) versteht unter Spezialisierungen Phraseolexeme, die nur bzw. vorzugsweise aus Synsemantika oder aus sog. beziehungsweiten Verben bestehen (z.B.: nicht ganz ohne sein, unten durch sein). Im spanischen habe ich nur für die Gruppe der beziehungsweiten Verben entsprechende Beispiele gefunden. Zu diesen Verben gehören u.a.: ser, estar, tener, hacer, meter, poner, dar, echar. Die erst-genannten sind gleichzeitig diejenigen, die am häufigsten in Idiomen vorkommen. Die freie Bedeutung eines dieser Verben innerhalb eines Idioms kann eine andere sein als die innerhalb der Gesamtbedeutung des Idioms:

32) ser de agallas - frei: aus Galläpfeln bestehen

- phras.: ein mutiger Mensch sein

33) estar en la luna - frei: sich auf dem Mond befinden

- phras.: zerstreut, geistig abwesend sein

(Segura 1998, S.35)

Das Verb verliert seine Beziehungsweite, innerhalb der Gesamtbedeutung dieser Idiome ist nur ein Konnotat möglich.

Wenn man verschiedene Beispiele auf ihren Grad und ihre Art der Idiomatizität untersucht, wird man feststellen, wie unterschiedlich sie sind, und daß sich die Bestimmung oft als schwierig erweist. Die genannten Methoden zur Differenzierung von Phraseolexemen oder Idiomen haben daher weder den Anspruch noch die Fä- higkeit alle zu umfassen und einzuordnen. Das liegt daran, daß die "Klassifizierung sprachlicher Einheiten" aufgrund deren Vielfalt "stets auf Grenzen stößt" (Fleischer 1997, S.36).

2.2. Stabilität

2.2.1.Stabilität im Gebrauch

Unter Stabilität im Gebrauch soll hier verstanden werden, was Irsula (1992, S.11) als "äußere Stabilität" bezeichnet, nämlich zum einen die Gebundenheit an einen bestimmten Sachverhalt. Die meisten Phraseolexeme bezeichnen eine ganz be-stimmte Situation: 34) estar a la cuarta pregunta - vgl. 19)

35) estar en la luna - vgl. 33)

Es gibt aber auch Phraseolexeme, die auf verschiedene Situationen zutreffen, d.h., daß dieses Merkmal nicht immer zutrifft. Folgendes Idiom kann in zwei Situationen angewendet werden:

36) llevar el gato al agua - wörtl.: die Katze ins Wasser bringen

- phras.: 1. eine Schwierigkeit überwinden

2. ein risikoreiches Unternehmen in Angriff nehmen

Außerdem ist mit ä ußerer Stabilität die Gebundenheit von Phraseologismen an bestimmte Kommunikationssituationen, Textsorten oder Fachbereiche gemeint. Phraseolexeme drücken häufig "mentale Größen, wie Emotionen, Einstellungen oder (negative) Verhaltensweisen" aus (Palm 1995, S.1). Sie kommen in gesprochener Sprache, Werbung, Presse und Literatur vor (Segura, 1998, S.15).

2.2.2. Lexikalisch-semantische Stabilität

Das Merkmal der Stabilität oder Festigkeit von Phraseolexemen hängt insofern mit dem Kriterium der Idiomatizität zusammen, daß die Gesamtbedeutung oft an die stabile Kombination bestimmter Komponenen gebunden ist, es liegt eine "lexikalisch-semantische Stabilität" vor. Bsp.:

37) llevar el gato al agua - vgl. 36)

Die phraseologische Gesamtbedeutung geht völlig verloren, wenn Komponenten ausgetauscht werden:

* meter el gato al agua

*llevar el perro al agua

*llevar el gato al r í o

(Fleischer 1997, S.36)

2.2.3. Morphosyntaktische Stabilität

Stabilität ist oft auch auf "morphosyntaktischer" Ebene vorhanden, was anhand der folgenden Beispiele deutlich gemacht werden soll:

38) dar gato por liebre - dt.: die Katze als Hasen geben, d.h. eine Sache für etwas (aus)geben, was sie nicht ist

*dar gatos por liebres

*dar un gato por un liebre

39) meter el hombro - dt.: sich ins Zeug legen

*meter un hombro

40) vivir como perro y gato - dt.: wie Hund und Katze leben

*vivir como perra y gata

41) tomar a pecho algo - sich etwas zu Herzen nehmen

*tomar de pecho algo

42) la tortilla se voltea - das Blatt wendet sich

*la tortilla se volteará

43) no matar a una mosca - keiner Fliege etwas zuleide tun

*matar a una mosca

44) no tener ni pies ni cabeza - weder Hand noch Fuß haben

*no tener ni cabeza ni pies

(Segura 1998, S.36f)

2.2.4.Unikale Komponenten

Bei deutschen Phraseolexemen gilt die Anwesenheit von "unikalen Komponenten" als häufig auftretendes Merkmal. Man bezeichnet damit Wörter, die im freien Gebrauch der Sprache nicht (mehr) verwendet werden, die also "phraseologisch gebunden" sind, wie z.B.: Maulaffen feilhalten, Schindluder treiben, ohne Fehl sein, etc. (Fleischer 1997, S.37). Im spanischen läßt sich schwer feststellen, welche Rolle dieses Merkmal spielt, weil es dazu bisher keine quantitativen Untersuchungen gibt. Folgende Beispiele zeigen jedoch, daß unikale Komponenten auch vorkommen:

45) estar en babia - zerstreut/ geistig abwesend sein

46) ser ad ú es - dicke Freunde sein

47) a troche moche - auf gut Glück

An diesen Beispielen läßt sich noch ein weiteres Merkmal erläutern: in den Phraseolexemen 45) und 47) ist jeweils ein Lexem an das andere/ die anderen gebunden, während diese auch in anderen Verbindungen vorkommen können, d.h., die Komponenten sind einseitig oder "unidirektional" gebunden. In Idiom 47) hin-gegen sind beide Wörter, troche und moche wechselseitig oder "bidirektional" ge-bunden. Weder das eine noch das andere werden im DRAE (1992) einzeln definiert, sie kommen nur in Verbindung miteinander vor. Idiome mit bidirektional ge-bundenen Komponenten sind im deutschen selten, im spanischen liegen wiederum kaum Untersuchungen vor (Segura 1998, S. 36f).

Abgesehen von den genannten Arten der Stabilität und den Beispielen, auf die sie zutreffen, ist darauf hinzuweisen, daß es auch viele Phraseolexeme mit Varianten gibt, die also nur begrenzt stabil sind:

48) pasar la(s) noche(s) en claro pasar la(s) noche(s) en vela - dt. beide: die Nacht (Nächte) schlaflos verbringen

49) ganarse el pan ganarse los frijoles - dt. beide: sich sein Brot verdienen

50) ¿Qué mosca le picó? ¿Qué mosca te picó? - dt.: Was hat ihn/dich gestochen

52) no valer un bledo no valer un comino no valer un pito

Aus diesen Beispielen geht hervor, daß das Kriterium der Stabilität in vielen Fällen relativ ist. Das gilt auch insofern, daß Phraseolexeme gerade durch ihre Stabilität zum Bruch derselben und zu Wortspielen einladen (Palm 1995, S.29):

53) ser pan con mantequilla - wörtl.: Brot mit Butter sein

- phras.: kinderleicht sein

- wird zu: ser pan duro con mantquilla rancia - zu hartem Brot mit ranziger

Butter - damit soll ausgedrückt werden, daß die Aufgabe zwar kinderleicht, aber nicht attraktiv ist (Segura 1998, S.154).

Wichtig für die Wirkung solcher Wortspiele ist, daß sie bewußt gemacht werden und daß sie als solche erkennbar sind.

2.3. Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit

Unter Lexikalisierung einer phraseologischen Einheit versteht man die Festlegung eines neuen "Wortgruppenlexems" (Irsula 1992, S.13), die Aufnahme desselben im Lexikon einer Sprache. Es wird vorausgesetzt, daß die entsprechenden Wort-gruppenlexeme vom durchschnittlichen Muttersprachler verstanden werden, ohne daß deren Hintergrund oder Ursprung bekannt sein muß.

Das Merkmal der Reproduzierbarkeit hängt eng damit zusammen. Phraseologismen im allgemeinen und Phraseolexeme im besonderen sind in den meisten Fällen feste, lexikalisierte, kurze Texte, die, wenn sie einmal erlernt wurden, nicht neu gebildet, sondern immer wieder in der gleichen Form wiedergegeben, d.h. reproduziert werden können (Palm 1995, S.36).

Da auch andere feste Wortverbindungen, die nicht zu den Phraseologismen bzw. zur Peripherie derselben gehören, lexikalisiert und reproduziert werden können, ist dieses Kriterium nur in Verbindung mit dem der Idiomatizität und der Stabilität für die Bestimmung von Phraseolexemen entscheidend (Neyda 1983, S.25).

3. Kollokationen

3.1. Begriff und Definition

In der Germanistik wurde bisher relativ wenig zum Thema Kollokationen ver-öffentlicht.

Seitdem erkannt wurde, daß der freie Wortgebrauch eine wesentlich geringere Rolle spielt, als bisher angenommen, werden "syntagmatisch deter-minierte lexematische Strukturen" verstärkt untersucht. In gesprochenen oder geschriebenen Texten überwiegen "stereotypische Formulierungsmuster unter-schiedlicher Art" (Klare 1998, S 235; bzw. Irsula 1992, S.9). Außer den Kollokationen gibt es noch andere mehr oder weniger feste Wortverbindungen, wie z.B. Funktionsverbgefüge, Nominationsstereotypen, Phraseoschablonen, Paar- oder Zwillingsformeln und onymische Einheiten (Fleischer 1997, bzw. Irsula 1992). Auf ihre Merkmale, Unterschiede und Gemeinsamkeiten im einzelnen werde ich, ab-gesehen von den Kollokationen, nicht eingehen, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.

Der Begriff Kollokation stammt von dem britischen Sprachwissenschaftler J.R. Firth. Er bezeichnet damit eine Verbindung von Wörtern, die "Kollokate" genannt werden. Wörter, die zusammen vorkommen können, weisen "Kollokabilität" auf (Klare 1998, S.237). In der deutschsprachigen Germanistik spricht man Kollokationen, wenn die Kombination von Lexemen sich so oft wiederholt, daß ihr Gebrauch allgemein üblich, normgerecht wird (Fleischer 1997, S.251, bzw. Klare 1998, S.236). Beispielsweise sagt man im spanischen prorrogar un plazo (dt.: eine Frist verlängern) und nicht alargar un plazo. Letzteres wäre durchaus verständlich, ist aber nicht üblich.

Eine Kollokation ist eine Verbindung aus zwei autosemantischen lexikalischen Einheiten, die einen unterschiedlichen Status haben. Eine Komponente ist "semantisch autonom" und wird als Basis bezeichnet, die andere, der sog. Kol-lokator erhält seine Bedeutung erst durch die gesamte Kollokation:

- una cinta virgen - dt.: eine unbespielte Kassette

Cinta ist die Basis, sie bleibt immer eine Kassette, gleichgültig ob sie unbespielt ist oder nicht. Der Kollokator virgen fügt ein weiteres Merkmal der Kassette hinzu, ver-ändert aber nicht deren Identität. Virgen wird von cinta"determiniert" (Irsula 1992, S.29f, bzw. Klare 1998, S.239).

Ein weiteres Merkmal der Kollokationen ist die "Gebundenheit an ihren Kontext", bzw. an Kommunikationssituationen, Sachverhalte, Textsorten (vgl. 2.2.1.) In be-stimmten Texten sind Kollokationen häufiger als in anderen. "Textsortenspezifische Kollokationen" kommen besonders in fachsprachlichen Texten vor, bzw. in Text-sorten, die stark an Konventionen gebunden sind, wie z.B. Gesetzestexte, Ver-waltungstexte, Bedienungsanleitungen, Wetterberichte, etc. (Klare, S. 239f, bzw. Irsula, 1992, S.50f).

Kollokationen sind Verbindungen von verschiedenen Wortarten als Komponenten. Die folgenden syntaktischen Muster für Kollokationen werden als vorherrschend betrachtet:

(1) Verb-Substantiv
(2) Adjektiv-Substantiv
(3) Verb-Adverb
(4) Adverb-Adjektiv (Irsula 1992, S.56) Für das französische fügt Klare (1998, S. 241) noch folgende hinzu:
(5) Substantiv-Adjektiv
(6) Substantiv-Präposition-Substantiv

Meiner Meinung nach existieren Kollokationen dieser Art auch im spanischen.

3.2. Beispiele

Im Anschluß wird der Versuch gemacht, für die sechs genannten syntaktischen Typen entsprechende Beispiele für das spanische zu nennen. Zum einen Teil habe ich die französischen Kollokationen als Muster genommen und ins spanische übersetzt (Klare 1998, S.249), zum anderen Teil sind sie aus Lexika, Literatur, Presse, Fernsehen und spanischer Umgangssprache:

Verb-Substantiv:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.3. Kollokationen - Phraseologismen?

Die Frage, ob Kollokationen zum Gegenstandsbereich der Phraseologie gehören, ist, wie bereits in 1.4.1. erwähnt wurde, strittig. Es soll nun untersucht werden, ob und wie sich Kollokationen von Phraseolexemen abgrenzen lassen. Klare (1998, S.246) nennt als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal, daß Kollokationen, im Gegensatz zu den Phraseolexemen, "nicht idiomatisiert, also nicht semantisch umgedeutet sind". Aber nicht alle Kollokationen lassen sich ohne weiteres aus ihren Kom-ponenten erschließen, so ist una copia certificada eine beglaubigte Kopie, jedoch una carta certificada ein eingeschriebener Brief. Auch die Kollokation retirar dinero ist nicht unbedingt transparent, da retirar alleine mit "zurückziehen, -nehmen, herausziehen, wegnehmen" übersetzt wird (Slaby/ Grossman, 1994). Noch deutlicher idiomatisiert ist die deutsche Kollokation ein Gesetz verabschieden. Kollokationen können dem-nach teilidiomatiziert sein, was jedoch bei den meisten nicht der Fall ist. Idiomatizität kann aufgrunddessen in der Regel als Unterscheidungsmerkmal von Phraseologismen und Kollokationen gesehen werden, aber nicht als absolutes.

Wenn man die übrigen in 2.1.-2.3. erläuterten Merkmale der Phraseolexeme betrachtet, so wird man feststellen, daß hier mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede bestehen. Kollokationen gelten als stabile, reproduzierbare Kombinationen mit einer Tendenz zur Lexikalisierung (Irsula 1992, S. 51, S.163f).

Offensichtlich existiert auch hier ein Übergangsbereich, der keine einwandfreie Abgrenzung zuläßt (Irsula 1992 S. 62f).

Ein weiteres Unterscheidungsmekmal, das sich jedoch auch nicht immer anwenden läßt, ist, daß Kollokationen aus zwei autosemantischen Lexemen bestehen, während Phraseolexeme drei oder mehr Autosemantika beinhalten können (Palm 1995, S.42). Da das Merkmal der Idiomatizität auf die meisten Kollokationen nicht zutrifft, also nicht zutreffen muß wie bei den Phraseolexemen, können Kollokationen nicht zum Zentrum der Phraseologismen gerechnet werden, sondern allenfalls zur Peripherie (Klare 1998, S.247, bzw. Fleischer 1997, S.251). Gegen die Einbeziehung der Kollokationen in die Phraseologie überhaupt spricht, daß "andere linguistische Disziplinen, wie Lexikologie, die Lexikographie, die Semantik und die Syntax sie in ihren Gegenstandsbereich" miteinschließen (Irsula 1992, S.22). In dieser Arbeit wird jedoch davon ausgegangen, daß Kollokationen zu den peripherischen phraseologischen Einheiten gehören.

4. Übersetzbarkeit von Phraseologismen

Unter Übersetzbarkeit von Phraseologismen wird die Möglichkeit verstanden, sie von einer Ausgangssprache hinsichtlich ihrer "denotativen und konnotativen As-pekte" in eine Zielsprache zu übertragen. Da die Distanz zwischen der spanischen und der deutschen Sprache und Kultur relativ gering ist, lassen sich meistens Äquivalente finden. Jedoch wird nicht immer der gleiche Inhalt in der AS und ZS mit den gleichen Mitteln ausgedrückt. Es gibt unterschiedliche Grade von Äquivalenz, was anhand von Beispielen für Phraseolexeme und Kollokationen erläutert werden soll (Segura 1998, S. 163f).

4.1. Übersetzbarkeit von Phraseolexemen

In Phraseolexemen wird ein Inhalt durch ein Bild vermittelt, das oft aufgrund des unterschiedlichen kulturellen Hintergrundes in verschiedenen Sprachen auch durch verschiedene Bilder ausgedrückt wird. Dadurch entstehen Schwierigkeiten beim übersetzen, die jedoch, bezogen auf die Sprachen bzw. Kulturen spanisch und deutsch meistens überwunden werden können. Auch spielt die Textsorte eine Rolle, z.B. kann in einer Bedienungsanleitung ein Idiom als Ausschmückung dienen, die in der Übersetzung nicht so wichtig ist wie der Informationsgehalt. In literarischen Texten hingegen werden höchste Ansprüche an die ÜbersetzerInnen gestellt, was die Äquivalenz betrifft. Obwohl es noch weitere Äquivalenztypen gibt (Díaz 1983, S.90f), möchte ich aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit nur auf folgende eingehen:

4.1.1. Volläquivalenz

Von Volläquivalenz spricht man, wenn ein Idiom in beiden Sprachen, deutsch und spanisch, die gleiche Idiomstruktur, die gleiche Bedeutung und das gleiche Bild besitzen. Solche Idiome sind meistens auf den gleichen Ursprung zurückzuführen und stammen aus den gleichen Quellen, vor allem aus der Bibel und aus der humanistischen Literatur und Kultur:

- aus der Bibel:

- más fácil es el pasar un camello por el ojo de una aguja, que... - es ist leichter, ein Kamel durch ein Nadelör zu bekommen, als...
- como arena en el mar - wie Sand am Meer
- lavarse las manos - sich die Hände in Unschuld waschen

- aus der humanistischen Literatur und Kultur:

- adornarse con plumas ajenas - sich mit fremden Federn schmücken
- encerrarse un su torre de marfil - sich in einen Elfenbeinturm zurückziehen

4.1.2. Teiläquivalenz

Unter Teiläquivalenz versteht man Idiome, die mindestens auf einer Ebene, d.h. der Idiomstruktur, der Bedeutung oder des Bildes übereinstimmen. Oft ist das Bild kulturspezifisch und variiert in AS und ZS:

- sembrar cizaña - Zwietracht säen (gleich: Struktur, Bedeutung)
- echar margaritas a los puercos - Perlen vor die Säue werfen (gleich: Struktur, Bedeutung
- dar la lata a alguien - jemandem auf die Nerven gehen (gleich: Bedeutung)
- dar calabazas - jemandem einen Korb geben (gleich.: Struktur, Bedeutung)
- tener la leche en los labios - hinter den Ohren noch nicht trocken sein (gleich: Bedeutung)
- paciencia y barajar - abwarten und Teetrinken (gleich: Bedeutung)

Idiome mit gleichem Bild, aber unterschiedlicher Bedeutung werden unter 5.1.4. genannt.

4.1.3. Nulläquivalenz

Nulläquivalenz besteht bei Idiomen, für die in der ZS kein entsprechendes Idiom existiert, was ebenfalls oft damit zu tun hat, daß Idiome kulturspezifisch sind. In diesen Fällen kann die Bedeutung des Idioms umschrieben werden, oder man arbeitet mit Fußnoten:

- hay moros en la costa - es ist Gefahr im Verzug
- estar pensando en las musarañas - geistig abwesend sein
- tener pelos en el corazón - ein hartherziger, unsensibler Mensch sein
- tirar de la manta - etwas aufdecken, was verborgen bleiben sollte, etwas wichtiges entdecken
- hay ropa tendida - Warnung, daß sich jemand nähert, der/die nicht hören soll,

worüber gesprochen wird

4.1.4. Scheinäquivalenz

Scheinäquivalente Phraseolexeme werden auch falsche Freunde genannt, weil sie potentielle Fehlerquellen darstellen. Es sind Phraseolexeme mit gleicher oder ähnlicher Struktur und gleichem Bild, aber unterschiedlicher Bedeutung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Segura 1998, S. 163f)

4.2. Übersetzbarkeit von Kollokationen

Bei den Kollokationen verhält sich das Problem der Übersetzbarkeit anders. Bei der Übersetzung sowohl von Phraseolexemen als auch von Kollokationen ist es entscheidend, daß die Gesamtbedeutung in AS und ZS die gleiche ist. Bei Phraseolexemen, wie bereits mehrfach gesagt wurde, ist die Gesamtbedeutung meist eine andere als die, die sich aus den Bedeutungen der einzelnen Komponenten ergibt. Folglich können sämtliche Komponenten in AS und ZS variieren. Bei Kollokationen hingegen wird davon ausgegangen, daß sie nicht idiomatisch sind, sondern "Sachverhalte, Objekte und Erscheinungen der Realität bezeichnen" (Irsula 1992, S.51). Daher können sie normalerweise nicht durch völlig andere Komponenten in der ZS ausgedrückt werden, sondern mindestens eine Komponente, nämlich die Basis bleibt bestehen. Probleme beim Übersetzen entstehen, wenn Kollokationen nicht als stereotypische Wortverbindungen erkannt werden, sondern die Komponenten als Einzelwörter übersetzt werden, bzw. wenn der Kollokator nicht bekannt ist und falsch übersetzt wird. Daher ist es für Über- setzerInnen wichtig, ihr Kollokationswissen ständig zu erweitern (Irsula 1992, S.154).

4.2.1.Volläquivalenz

Unter volläquivalenten Kollokationen werden solche verstanden, deren Kom-ponenten "weder semantische noch kombinatorische Unterschiede" aufweisen. Im Anschluß einige Beispiele aus dem Sprachenpaar spanisch-deutsch (Irsula 1992, S. 152f):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.2.2. Teiläquivalenz

In den meisten Fällen unterscheiden sich die Kollokationen in den verschiedenen Sprachen (Klare 1998, S.240), d.h. der Kollokator ist nicht gleich in AS und ZS. Diese Kollokationen sind teiläquivalent:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.2.3. Nulläquivalenz und Scheinäquivalenz

Spanische Kollokationen, die keinerlei Äquivalent im deutschen haben, oder Scheinäquivalente, wurden nicht gefunden.

5. Schlußbemerkungen

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß in allen in dieser Arbeit untersuchten Bereichen der Phraseologie Unschärfen zu finden sind. Einerseits sind diese darauf zurückzuführen, daß die Phraseologie, wie schon am Anfang gesagt wurde, eine relativ junge Wissenschaft ist. Aus diesem Grund erwies sich die vorhandene Literatur als unvollständig. Als problematischer empfand ich jedoch die Tatsache, daß sprachliche Einheiten zu komplexe Erscheinungen sind, um Klassifizerungs- oder Beschreibungsmethoden zu finden, die alle erfassen könnten. Genau in diesem Punkt liegt offensichtlich auch die Faszination, die das Phänomen Sprache bewirkt.

Spanische Phraseologismen:

Aus Munker, 1945:

no morderse los labios echar la soga tras el caldero llevar agua al molino de alguien morder la tierra andar a la greña lavarse las manos tener la sartén por el mango tener la leche en los labios pescar en agua turbia dar calabazas no valer un comino

Aus Iribarren, 19961974 brillar por su ausencia sembrar cizaña no contar con la huéspeda traer una cosa por los pelos meterse en la boca del lobo dar la lata todo el santo día hacerse el sueco meter la pata le dio calabazas tomar las de Villadiego hay moros en la costa perder los estribos pasar más hambre que un maestro de escuela tener pelos en el corazón estar a la cuarta pregunta andar más que la perra de Calahora estar entre Pinto y Valdemoro llevar el gato al agua estar en babia no valer un bledo más fácil es el pasar un camello por el ojo de una aguja, que... estar pensando en las musarañas paciencia y barajar

Aus Segura, 1998 El niño se metió en el bolsillo al abuelo tener mala leche hacer un puchero llevar naranjas a Valencia pasar las noches en blanco darle un lavado de cabeza a alguien como arena en el mar no mover un dedo cantárselas claras partirse en dos sentarse en sus cuatro meter las cuatro en un cinco el día de San Blando, que no hay ni día ni cuando ¡Toma el frasco Carrasco! ser de agallas dar gato por liebre meter el vivir como perro y gato tomar a pecho algo la tortilla se voltea no matar a una mosca no tener ni pies ni cabeza estar en pingdingas pasar la(s) noche(s) en vela ganarse el pan ganarse los frijoles ¿Qué mosca le picó? ser pan con mantequilla adornarse con plumas ajenas encerrarse un su torre de marfil estirar las piernas sudar sangre cerrar el ojo no tener pelos en la lengua

Aus DRAE, 1992: estar en la luna ser adúes a troche moche no valer un pito son habas contadas

Bibliographie:

1.Primärliteratur:

Díaz García, Neyda (1983): Zum Vergleich deutscher und spanischer idiomatischer Redewendungen unter Berücksichtigung der Übersetzungsproblematik. Dissertation. Universität Leipzig

Fleischer, Wolfgang (1997): Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. Tübingen, Max Niemeyer Verlag

Iribarren, José María (1996)1974: El porqué de los dichos. Pamplona, Gobierno de Navarra

Irsula Peña, Jesús Ismael (1992): Substantiv-Verb-Kollokationen. Dissertation. Universität Leipzig

Klare, Johannes (1998): Kollokationen im Französischen im Spannungsfeld zwischen Grammatik, Lexikon und Text. In: Udo Figge u.a.: Grammatische Strukturen und grammatischer Wandel im Französischen. Bonn, Rom. Verlag

Munker, Friedrich (1931): Die Sprache des Alltags. Moderne feststehende Redewendungen im Deutschen und ihre Äquivalente in fremden Sprachen. Nürnberg, Schrag Verlag

Palm, Christine (1995): Phraseologie. Eine Einführung. Tübingen, Narr Verlag

Segura García, Blanca (1998): Kontrastive Idiomatik: Deutsch - Spanisch. Dissertation. Frankfurt am Main, Peter lang Verlag

2. Wörterbücher/ Enzyklopädien

Domínguez, José María (1975): Fraseología en su contexto. München, Hueber

Florian, Ulrich / Martínez, Fernando (1985): Spanische idiomatische Redewendungen. Enzyklopädie. Leipzig, VEB Verlag

Fontanillo Merino, Enrique (1995): Diccionário Práctico de Locuciones. Barcelona, Larousse Planeta

Martínez Kleiser, Luis (1953): Refranero general ideológico español. Madrid, Aguirre

Moliner, María (1987): Diccionario de Uso del Español. 2 Bde. Madrid, Editorial Gredos

Real Academia Española (1992): Diccionario de la Lengua Española. 21ª. Edición. Madrid, Espasa Calpe

Rodríguez Marín (1926): Más de 21 000 refranes castellanos. Madrid

Slaby / Grossmann (1990)1994: Wörterbuch der spanischen und deutschen Sprache. 2 Bde. Wiesbaden, Brandstetter Verlag

Sulzer, Paul (1966): Refranes españoles. Sprichwörter der spanischen Sprache und ihr deutscher Spiegel. Chile, Herausgeber: Verein deutscher Lehrer in Chile

3. Sekundärliteratur

García Gómez, Emilio

- (1977): Una prueba de que el refranero árabe fue incorporado en traducción al refranero español / Paremiología y filología: Sobre "Zahar" y "Zahareño". In: Al Andalus, S. 375-408
- (1975): Tres notas sobre el refranero español. In: Homenaje a la memoria de Don Antonio Rodriguez Moñino 1910-1970. Madrid, Castalia, S. 239-253

Granja, Fernando de la (1976): "Llenar el ojo". In: Al Andalus, S. 445-459

Iglesias, Adela (1990): Del dicho al hecho... Los más selectos refranes prácticos. Mexico, Selector

Martínez Marín, Juan (1992): Las expresiones fijas en español: perspectivas teóricodescriptiva y aplicada. In: Gramma-Temas 1, S. 181-196

Palm, Christine (1994): Phraseologie. Ein Arbeitsbuch. Tübingen, Narr Verlag

Sbarby, José María (1871): Monografía sobre los refranes, adagios y proverbios castellanos y las obras o fragmentos que expresamente tratan de ellos en nuestra lengua. Madrid, Imprenta de los Huérfanos

Schmelz, Richard u.a. (1989): Sprichwörter, Proverbs,...Berlin, Volk und Wissen

[...]


1 Die Beispiele werden am Schluß registriert

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Phraseologismen und Kollokationen im Spanischen
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Veranstaltung
Gegenwartssprache Spanisch: Grammatik und Lexikologie
Note
1,3
Autor
Jahr
1999
Seiten
19
Katalognummer
V95596
ISBN (eBook)
9783638082747
Dateigröße
383 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Phraseologismen, Kollokationen, Spanischen, Gegenwartssprache, Spanisch, Grammatik, Lexikologie
Arbeit zitieren
Susanne Schmid (Autor:in), 1999, Phraseologismen und Kollokationen im Spanischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95596

Kommentare

  • Gast am 18.7.2005

    Wo ist die Diskussion??.

    Ich finde diese Arbeit natürlich toll, denn ich habe sie selber geschrieben. Jetzt würde ich aber gerne wissen, wie man zur "Diskussion zur Hausarbeit" gelangt.

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Titel: Phraseologismen und Kollokationen im Spanischen



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