Das Scheitern der Planwirtschaft in der DDR


Seminararbeit, 2019

38 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Gliederung Seitenzahl

1. Einleitung
1.1 Hinführung zum Thema
1.2 Leitende Fragestellungen
1.3 Methodische Vorgehensweise
1.4 Kapitelübersicht

2. Die Zentralverwaltungswirtschaft
2.1 Die Zentralverwaltungswirtschaft als essenzielles Wirtschaftsmodell im Sozialismus
2.2 Die Idee der Zentralverwaltungswirtschaft als überlegenes Wirtschaftsmodel
2.3 Die Umsetzung der Zentralverwaltungswirtschaft in der DDR

3. Das Scheitern der Planwirtschaft in der DDR
3.2 Das fehlende Rentabilitätsprinzip
3.2.1 Die Kapitaleffizienz der DDR
3.2.2 Nicht vorhandener Rentabilitätszwang in den volkseigenen Betrieben
3.2.3 Die Preisgestaltung in der DDR
3.2.3.1 Die Preis-Kosten Divergenz
3.2.3.2 Kapitalfehlleitungen
3.3 Angebots- und Nachfrageüberhänge als Folge der zentralen Wirtschaftsplanung
3.4 Einflüsse der UdSSR und der in der DDR vorkommenden Ressourcen
3.5 Außenhandel und Verschuldung der DDR

4. Fazit

1. Einleitung

1.1 Hinführung zum Thema

Im Sozialismus, einem primär von Karl Marx entworfenen Gesellschaftssystem, gibt es der Theorie nach gleichen Wohlstand für alle und eine stetig wachsende Wirtschaftsleistung. Die Gesellschaft steht unter der Herrschaft der Arbeiterklasse, der einfachen Leute. Obligatorisch ist hierbei eine zentral verwaltete Wirtschaft, in der Angebot und Nachfrage durch kollektive Absprache abgestimmt werden. Prominentester Vertreter der dieses System real umzusetzen versucht hat war die UdSSR, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Nachdem Deutschland 1945 bedingungslos kapitulierte und somit der 2. Weltkrieg beendet war, wurde in der Sowjetischen Besatzungszone 1949 die DDR gegründet. Auch sie war ein sozialistischer Staat, der nach dem Prinzip der Planwirtschaft geleitet wurde. Im Westen waren die Produkte des Landes als größtenteils veraltet und von mäßiger Qualität bekannt. Die Bürger der DDR verdienten weniger als die der BRD und mussten beim Kauf vieler Produkte sowie bei der Wohnungssuche mit langen Wartezeiten rechnen. Beim Beitritt zur BRD im Jahre 1990 war die DDR hochverschuldet und ihre Industrieanlagen hoffnungslos veraltet. Man kann somit von einem Scheitern des Realsozialismus und der Planwirtschaft sprechen. Wenn heute der Sozialismus und ähnliche Systeme erneut als Alternative zum Kapitalismus ins Spiel gebracht werden, müssen die Gründe für das Scheitern der Planwirtschaft genauestens analysiert werden. Denn wenn dies nicht erfolgt, ist jeder erneute Versuch zwangsläufig von Beginn an zum Scheitern verurteilt.

1.2 Leitende Fragestellungen

Der wohl prominenteste Gegenentwurf zum Kapitalismus ist die sozialistische Planwirtschaft. In abgewandelter Form könnten damit theoretisch viele soziale und gesellschaftliche Probleme gelöst werden, auch der Klimawandel könnte in einem zentral gesteuerten System eventuell besser eingedämmt werden. Bekannterweise hat diese Wirtschaftsform in der Praxis jedoch nie funktioniert. Diese Arbeit erklärt, wieso die sozialistische Planwirtschaft bisher ausnahmslos scheiterte. Wichtig für das Verständnis ist auch die historische Entstehung des Konzepts und wie genau das Planungssystem im Realsozialismus aufgebaut war. Als exemplarisches Beispiel habe ich die DDR herangezogen, die mir, da ihr ehemaliges Gebiet heute zu Deutschland gehört, am passendsten erschien.

1.3 Methodische Vorgehensweise

Zur Beantwortung der Fragen ziehe ich ausschließlich deutschsprachige Primär- und Sekundärquellen heran. Sachliche Grundlage bilden zur Entwicklung der sozialistischen Planwirtschaft das im Nikol-Verlag erschienene Buch „Marx, Karl & Engels, Friedrich: Das Manifest der kommunistischen Partei; Hamburg 2008.“ und zur Definition der Planwirtschaft das im Berlin-Verlag erschienene Werk „Haase, E. Herwig: Das Wirtschaftssystem der DDR – Eine Einführung; Berlin 1990.“ und das im Springer-Verlag erschienene Buch „Prof. Dr. Šik, Ota: Wirtschaftssysteme: Vergleiche – Theorie – Kritik; Berlin 1987“. Der Bearbeitung der Frage warum das System gescheitert ist, lege ich neben den beiden letztgenannten Titeln primär „Dr. Obst, Werner: DDR-Wirtschaft: Modell und Wirklichkeit; Hamburg 1973.“ , welches bei Hoffmann und Campe erschienen ist, zu Grunde. Der Volkswirt Dr. Werner Obst war vor seiner Flucht in die BRD 1969 selbst Mitglied des DDR-Planungsstabs und zuvor unter anderem Werkdirektor in der DDR1, was ihn als besonders wertvolle Quelle auszeichnet. Für Begriffsklärungen sowie weiterführende Informationen und Daten greife ich auf verschiedene Internetseiten, Zeitungsartikel und Aufsätze zurück. Auf amerikanische Bücher und DDR-Literatur habe ich aufgrund propagandistischer Informationsverzerrungen in beide Richtungen nicht zurückgegriffen. Die verwendeten Quellen sind meiner Beurteilung nach allesamt seriös. Die relevanten Informationen aller verwendeten Werke stimmen soweit Überschneidungen vorhanden waren überein.

1.4 Kapitelübersicht

Nach der Hinführung zum Thema im ersten Kapitel betrachte ich im zweiten Kapitel die zum Verständnis des Scheiterns notwendigen Grundlagen der Planwirtschaft. So erläutere ich im ersten Kapitel die Marxsche Theorie, gemäß welcher der kapitalistische Staat mit der sozialistischen Revolution enden muss, wende mich daraufhin im zweiten Kapitel der Planwirtschaft im Allgemeinen zu und beschreibe zum Schluss die Funktionsweise des Wirtschaftsplanungssystems der DDR. Im dritten Kapitel untersuche ich ausführlich das Scheitern des DDR-Wirtschaftssystems. Hierbei beleuchte ich sowohl ausschließlich ökonomische als auch politisch-ökonomische Aspekte - wenngleich eine genaue Differenzierung schwerfällt, da in der DDR Wirtschaft und Politik stark miteinander verbunden waren. Im vierten Kapitel ziehe ich ein Fazit, stelle hier den Bezug zwischen meinen leitenden Fragestellungen und den erarbeiteten Ergebnissen her und zeige weiterführende Fragestellungen auf.

2. Die Zentralverwaltungswirtschaft

2.1 Die Zentralverwaltungswirtschaft als essenzielles Wirtschaftsmodell im Sozialismus

„Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.“2

Das gesellschaftliche und wirtschaftliche System der DDR basierte auf dem Marxistischen Sozialismus. Diesen hat Karl Marx (1818 - 1883) in mehreren Schriften definiert, in welchen er erklärt, weshalb nach seiner Überzeugung zwangsläufig eine sozialistische Revolution stattfinden müsse, wie diese abliefe, und wie die resultierende kommunistische Gesellschaft aussähe. Die Kenntnis seiner Theorie ist Grundlage für das Verständnis des Wirtschaftssystems der DDR und dessen Scheitern.

Laut Marx ist die Gesellschaft seit jeher in „Klassen“ aufgeteilt3: Unterdrückende und Unterdrückte. In diesem Klassensystem leben erstere auf Kosten der letzteren. Zwar hätten Revolutionen und gesellschaftliche Veränderungen neue Klassen hervorgebracht, doch sei diese Aufteilung der Gesellschaft immer vorhanden gewesen. Die sozialistische Revolution würde diese Klasseneinteilung selbst aufheben und das Ende gesellschaftlicher Umwälzungen bedeuten. Die Gesellschaft würde ihren idealen sozialistischen Zustand erreichen. Die Schritte zu dieser Revolution hat Marx folgendermaßen skizziert4:

Der kommunistischen Revolution müsse eine kapitalistische Revolution vorrausgehen5, da diese erst die Notwendigkeit der kommunistischen selbst schaffe. Auch könne nur sie die Produktivkräfte6 und Kommunikationswege ausreichend entwickeln, um die sozialistische Revolution zu ermöglichen. Dies sei bereits geschehen: In der feudalen Gesellschaft hätten sich Produktions- und Verkehrsmittel soweit entwickelt, dass die feudalen Eigentumsverhältnisse7 den Produktivkräften nicht mehr entsprächen und die Produktion hemmten. In Folge würden sie zwangsläufig durch neue, kapitalistische Eigentumsverhältnisse ersetzt. Dieser Gedankengang ist durchaus nachvollziehbar: Feudale Produktionsformen waren bestenfalls in Form der Manufaktur, also der Arbeitsteilung innerhalb eines Betriebes organisiert. Meist erfolgte die Produktion jedoch ohne Teilung der Arbeit. Auch war dies Wirtschaften primär auf Selbstversorgung und nicht auf einen globalen Absatz ausgerichtet. Es basierte auf der Ausgabe von Lehen in Form von Land und Produktionsmitteln, auf welchen in kleinem Stil gewirtschaftet wurde. In diesem Ramen wurden kam die durch zwischenzeitlich erfolgten technischen Fortschritt ermöglichte Produktivkraft nicht zur Geltung. Folge war die Herausbildung einer neuen Klasse, des Bürgertums. Diese schöpfte genannte Produktivkräfte durch den Bau von Fabriken und die Etablierung und Nutzung eines großen, stetig wachsenden Absatzmarktes voll aus und konnte sich so schnell bereichern: „Erst sie hat bewiesen was die Tätigkeit der Menschen zustande bringen kann“8. Dies führte zur wirtschaftlichen Verdrängung des Feudalismus durch den marktwirtschaftlichen Kapitalismus. Marx brachte es folgendermaßen auf den Punkt:

„[Die feudalen Eigentumsverhältnisse] hemmten die Produktion, statt sie zu fördern. Sie verwandelten sich in ebenso viele Fesseln. Sie mussten gesprengt werden, sie wurden gesprengt.“9

Infolge dieser Revolution, die zwangsläufig global passieren müsse da alle Nationen gezwungen wären sich die kapitalistischen Zivilisation anzueignen, um nicht unterzugehen10, würden nach Marx zwei neue Klassen entstehen: Die Bourgeoisie und das Proletariat. Erstere seien die Unterdrücker und die Besitzer von Kapital und Produktionsmitteln11, letztere die Unterdrückten, in der Gesellschaft die Position des Lohnarbeiters einnähmen. Diese würden sich zwangsläufig nach und nach organisieren und eine sozialistische Revolution von unten durchführen. Dies wird durch verschiedene Ansätze begründet.

Doch zuerst ist die Situation des proletarischen Lohnarbeiters nachzuvollziehen. Das Proletariat bildet gemäß Marx 90% der Gesellschaft12. Die Proletarier besäßen nichts. Somit seien sie, um zu überleben, auf Lohnarbeit für den bourgeoisen Großkapitalisten gezwungen, für welchen der Lohnarbeiter jedoch nichts anderes darstelle als ein Produktionswerkzeug, seine Arbeit nichts als eine Ware13, die einen ebensolchen Umgang erfordere. Aufgrund der Konkurrenz der Arbeiter untereinander könne der Lohn auf das Existenzminimum, welches die Lebenserhaltung des Arbeiters und somit seine Funktion als Produktionswerkzeug gewährleiste, gedrückt werden. Dies hätte den sogenannten Pauperismus, also die Verelendung der Arbeiterschicht14 zur Folge. Das Proletariat, welches lediglich einfache Handgriffe an Maschinen durchführe und somit beliebig ersetzbar sei, setze sich aus allen ehemaligen Gesellschaftsschichten zusammen, da aufgrund der hohen Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Großkapitalisten kleinere Handwerker und Bauern vom Markt gedrängt würden und ins Proletariat absänken.15

Marx argumentiert nun, dass der Mehrwert der Arbeit, also die Differenz zwischen dem Wert der eingesetzten Arbeit und dem Wert der Produzierten Ware16, ausschließlich dem Besitzer der Produktionsmittel zugutekäme. Dies sei als „offene Ausbeutung“17 zu bezeichnen. Des Weiteren seien Arbeiter den Schwankungen der äußerst instabilen Märkte ausgesetzt: Sobald aufgrund einer Krise die Arbeit des Proletariers das Kapital der Bourgeoisie nicht mehr vermehre, wäre seine Existenzgrundlage zerstört. Denn in einer Krise könnten Produktionsmittelbesitzer lediglich Löhne kürzen, Arbeitnehmer entlassen oder neue Märkte erschließen; was übrigens auch bei der Rationalisierung, also des Ersatzes menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen, passiere. Krisen entstünden allerdings sehr häufig18, da aufgrund des Privateigentums an Produktionsmitteln nicht klar sei, wer wieviel produzieren müsse. Dies wird später näher erläutert. Auf eine zu starke Ausweitung der Produktionskapazitäten, also beispielsweise den Kauf neuer Maschinen, folge eine zu hohe Kapitalakkumulation, also einer zu hohen Menge in Produktionskapazität in Relation zur Nachfrage und somit eine Überproduktion. Folge sind einbrechende Profitraten und das Entstehen einer Krise.

Die Rolle des Staates bestehe laut Marx in der kapitalistischen Gesellschaft lediglich darin, als „Ausschuss […] [die] gemeinschaftlichen Geschäfte [der Bourgeoisie]“19 zu verwalten.

Folge dieser gesellschaftlichen Situation ist nach Marx der Klassenkampf.20 Dieser ergebe sich aus der Vereinigung der Arbeiter in Assoziationen, welche durch moderne Kommunikations- und Transportmittel ermöglicht würde. Die Arbeiter würden nun geschlossen als eine Partei gegen die Klasse der Bourgeoisie auftreten. Da die Arbeiter letztlich die Mehrheit der Bevölkerung darstellen, und ohne die Lohnarbeiter die Grundlage für eine Kapitalvermehrung, also die Grundlage des kapitalistischen Systems, fehlen würde, folge die Einführung der Demokratie, also einer Herrschaft der Mehrheit, ergo eine “Diktatur des Proletariates“21.

Nachdem die Bourgeoise nun also durch ihre Revolution enorme, bisher ungekannte Produktionskapazitäten geschaffen habe, folge die kommunistische Revolution. Die nun mächtigen Proletarier würden ihre Macht nutzen, um unter anderem folgende, von Marx skizzierten, jedoch je nach gesellschaftlichen Umständen variablen, Schritte durchzuführen22:

1. Enteignung von Grundeigentümern, Fabrikanten und Eisenbahnbesitzern
2. Einführung einer starken Progressivsteuer
3. Abschaffung des Erbrechtes
4. Zentralisierung des Kreditwesens durch eine staatliche Nationalbank mit Monopol
5. Zentralisierung des Transportwesens
6. Vermehrung der Nationalfabriken etc. die nach gesellschaftlichem Plan produzieren
7. Gleicher Arbeitszwang für alle, also jeder müsse alle ihm von der Gemeinschaft zugeteilten Arbeiten durchführen; niemand dürfe dauerhaft bessergestellt sein.

Nach Marx arbeitet die Wirtschaft in der postrevolutionären sozialistischen Gesellschaft ohne Privateigentum an Produktionsmitteln auf Basis eines gemeinschaftlichen Produktionsplanes. Der entstehende Mehrwert wird an alle Menschen gleich verteilt; die „Vorausplanung des gemeinsamen Bedarfs sowie Organisation und Aufteilung sollte […] ein gemeinschaftlicher Akt aller Gesellschaftsteilnehmer sein“23. Auch wird gemäß Marx die Wirtschaftsleistung dadurch erheblich verbessert (siehe Kapitel 2.2). Konsequenz all dessen ist, dass die Aufteilung der Gesellschaft in Klassen erstmals auflöst und so das ideale Endstadium der gesellschaftlichen Entwicklung erreicht ist.

2.2 Die Idee der Zentralverwaltungswirtschaft als überlegenes Wirtschaftsmodel

Die Theorie der sozialistischen Planwirtschaft wurde von Marx nur minimalistisch ausgearbeitet, was eine genaue marxistische Definition erschwert. Folgende Fakten sind jedoch unstrittig:24

Die Planwirtschaft oder auch Zentralverwaltungswirtschaft (ZVW) ist eine Wirtschaftsordnung, in der Entscheidungen über die Nutzung knapper Ressourcen wie Arbeit, Boden und Kapital, von einer zentralen Instanz getroffen werden. Dies steht im Gegensatz zur Marktwirtschaft, in der diese Entscheidungen dezentral in Eigenverantwortung von einzelner Unternehmen getroffen werden. Zu unterscheiden sind sozialistische und kapitalistische Zentralverwaltungswirtschaften. Erstere basieren auf einem kollektiven bzw. staatlichen Eigentum an Produktionsmitteln, welche durch einen zentralen Plan vorgegebene Produktionsergebnisse hervorbringen sollen, letztere auf privatem Eigentum an Produktionsmitteln, wobei auch deren Besitzer zentral gestellte Planvorgaben zu erfüllen haben. Im Marxismus sprechen wir von einer sozialistischen ZVW. Zentral gesteuert erfolgt also die Abstimmung zwischen Angebot und Nachfrage, die Verteilung von Ressourcen und Kapital auf zentral verwaltete Produktionsbetriebe, sowie die Produktion von Investitions- und Konsumgütern und deren Verteilung. Auch die Löhne und Arbeitsstellen der Arbeiter sind vorgegeben.

In Kapitel 2.1 ist dargelegt, dass laut Marx in einer sozialistischen Gesellschaft nach Plan produziert wird. Jetzt gilt es darzustellen, warum die Zentralverwaltungswirtschaft der Theorie nach nicht nur die gemäß Marx ungerechte Aufteilung der Gesellschaft in Klasen auflöst, sondern auch effizienter als die Marktwirtschaft ist.

Laut Marx25 führt eine marktwirtschaftliche Produktion zu Ineffizienz. Um dies zu verstehen, muss die Situation des einzelnen Unternehmens näher beleuchtet werden. Es steht nicht wie in der ZVW in enger Kooperation mit allen anderen Marktteilnehmern und ist daher nicht in der Lage, die gesamtgesellschaftliche Produktion und das Gesamteinkommen, also die Kaufkraft der Menschen, präzise einzuschätzen. Ebenfalls unbekannt sind ihm die nächsten Veränderungen der Produktionstechnik, Güter sowie der Preise durch andere Unternehmen. Das Zusammenspiel dieser Faktoren entscheidet jedoch letztlich über Angebot und Nachfrage. Logische Folge sind daher ungleiche Entwicklungen dieser beiden wirtschaftlichen Kerngrößen. Hat ein Unternehmen nun zu viel oder zu wenig produziert, also zu viel bzw. zu wenig Angebot für die gesellschaftliche Nachfrage geschaffen, ist seine einzige Korrekturmöglichkeit der Marktmechanismus, also die nachträgliche, auf die Produktion folgende Anpassung des Preises. Daraus resultiert einerseits eine nicht ausreichende Befriedigung der Bedürfnisse aller, da zum Teil zu wenig produziert und daraufhin der Preis erhöht wird, andererseits ergeben sich Überschüsse von Produkten, die in der produzierten Menge nicht benötigt und daraufhin vernichtet werden, sofern sie trotz sinkender Preise nicht gekauft werden. Dies ist eine Vergeudung von Arbeit und Kapital. Daraufhin wird erneut nachträglich die Produktion angepasst, nur um später wieder in Widerspruch mit der Nachfrage zu kommen.

Folglich sind - wie bereits dargestellt - wirtschaftlich ineffiziente Krisen und Konkurse in der Marktwirtschaft unausweichlich, welche zur Vernichtung von Produktionsgütern und Massenarbeitslosigkeit führen.

Der durch Marx beschriebene Effizienzvorteil der Planwirtschaft liegt somit auf der Hand. Bei einer gesamtgesellschaftlichen Planung der Produktion muss die Nachfrageänderung nicht mehr durch den „Umweg über den Markt“26 festgestellt werden, sondern kann bereits vor der Produktion kollektiv abgestimmt werden. Über- bzw. Unterproduktion würden daher nicht mehr auftreten. Auch gäbe es keine wirtschaftlichen Krisen mehr, da wie dargestellt keine massive Überproduktion mehr vorkommt. Somit werden Phasen der Schwächung der Wirtschaftsleistung sowie der Arbeitslosigkeit verhindert. Auch wird durch die perfekte Abstimmung der Produktionsteilnehmer untereinander und mit den Konsumenten Vollbeschäftigung und ein stetiges Wirtschaftswachstum, wobei hier Produktionssteigerung gemeint ist, erreicht.

Nicht nur Marx, auch andere Wirtschaftswissenschaftler beschrieben die Planwirtschaft als überlegen.27

So ist die theoretisch höhere Effizienz der Planwirtschaft nicht nur darin begründet, dass Über- und Unterproduktionen vermieden werden, sondern auch durch das Verhindern anderer Kapitalfehlleitungen. Das sind entweder Investitionen in Projekte und Produkte die letztlich nicht nachgefragt werden oder mehrfache Investitionen verschiedener Unternehmen in ein- und dasselbe bzw. äußerst ähnliche Produkte. Beides sind Verschwendungen von Arbeit und Produktivkraft, die in einer geplanten Wirtschaft nicht passieren würden, da die zentrale Planungsstelle über die gesamtgesellschaftliche Nachfrage und alle Produktentwicklungen informiert ist.

Durch die gerechtere Verteilung des Sozialprodukts und höhere Wirtschaftseffizienz in der Planwirtschaft wird somit gesamtgesellschaftlich mehr Reichtum erzeugt28. Zudem gibt es mehr Fortschritt, weil auch unrentable Produkte entwickelt werden können, die lediglich der Wissenschaft nützen. Auf Basis dieser Überlegungen wurde in der DDR eine sozialistische Planwirtschaft etabliert.

2.3 Die Umsetzung der Zentralverwaltungswirtschaft in der DDR

Wie dargestellt hat Marx den Kapitalismus zwar analysierte und dessen baldigen Zusammenbruch sowie den darauf folgenden Aufgang der Gesellschaft im Kommunismus vorhergesagt, die tatsächliche Funktionsweise der Planwirtschaft nach wirtschaftstheoretischen Ansätzen hat er hingegen kaum beschrieben29. Er erwartete, dass „Wegen der Einfachheit und Klarheit der ökonomischen Verhältnisse im Sozialismus“30 keine Wirtschaftstheorie - also die Analyse des Wirtschaftssystems und der Versuch dieses zu verstehen und zu verbessern - mehr erforderlich sein würde. Somit musste beim Aufbau des Wirtschaftssystems der Sowjetunion, auf welches sich die DDR gründete, die genaue Funktionsweise der Planwirtschaft erst ausgearbeitet werden. Dies passierte ab 1928 unter Joseph Stalin, welcher kaum Einwände gegen seine Wirtschaftspolitik zuließ31. Die damalige Wirtschaftstheorie und das entwickelte Wirtschaftssystem wurden somit von der Politik entscheidend beeinflusst.

Das Wirtschaftssystem der Sowjetunion basierte auf einem zentralen Plan, welcher durch die Planungsbehörde Gosplan ausgearbeitet wurde, Löhne und Preise festlegte und den Wirtschaftsprozess zentral steuerte. Alle Produktionsmittel und Firmen waren verstaatlicht, ein privater Besitz an ihnen war ausgeschlossen. Die Planung erfolgte in Form von Einjahresplänen, welche meist in Fünfjahrespläne eingebunden waren und den Betrieben genaue Mengen vorgaben, die sie zu produzieren hatten.

Planwirtschaft auf deutschem Gebiet gab es erstmals während des ersten, und in ähnlicher Form erneut während des zweiten Weltkrieges32. Es handelte sich um kapitalistische Planwirtschaften, welche der Militarisierung der Wirtschaft dienten. Ressourcen wurden zugeteilt und zu erbringende Produktionsresultate definiert. Somit wurde während diesen Zeiten intensiv an der Planungstheorie gearbeitet, was jeweils nach den Weltkriegen fortgeführt wurde. Hier zu nennende Ökonomen sind beispielsweise Schmied, Joffe oder Rathenau33, welche die Planungstheorie immer weiter entwickelten. Dies geschah sowohl in der Sowjetunion als auch in westlichen Staaten, in welchen sich überzeugte Sozialisten dies zur Aufgabe machten. Die Überlegungen dieser Zeit waren Basis sowohl des Sowjetischen als später auch des Wirtschaftssystems der DDR.

Nachdem der zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands endete, begann der Aufbau der sozialistischen Planwirtschaft in Ostdeutschland durch die Sowjetische Militäradministration Deutschland (SMAD) mit der Umgestaltung der Eigentumsordnung34:

Bereits 1945 kam es in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zur entschädigungslosen Enteignung von Großbetrieben, worauf in relativ kurzen Zeitabständen die Schließung privater Banken und die Gründung der ersten Staatsbetriebe folgte35. Diese entstanden in Form der Volkseigenen Güter (VEG) in der Landwirtschaft durch die Bodenreform im Jahr 1945, durch welche rund 7000 Großgrundbesitzer enteignet wurden36 und in der Industrie in Form der Volkseigenen Betriebe (VEB). Weiterhin möglich war die Bildung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) und Produktionsgenossenschaften des Hanwerks (PGH). Auch die staatliche Handelsorganisation HO, welche innerhalb kürzester Zeit ein quasi-Monopol im Einzelhandel schuf, wurde gegründet. Für noch nicht verstaatlichte Unternehmen wurden hohe Steuern eingeführt, weshalb sie meist entweder den Staat als Teilhaber aufnahmen oder mit dem Staat Kommissionshandelsverträge 37 abschlossen. Somit entstanden drei Eigentumsformen an Produktionsmitteln:38 Staatliches und genossenschaftliches Eigentum, halbstaatliches Eigentum, also mit dem Staat als Teilhaber oder als Kommanditisten, sowie kleine Restbestände privaten Eigentumes. Das sozialistische Eigentum in der DDR bestand somit aus gesamtgesellschaftlichem Volkseigentum wobei die Eigentumsrechte vom Staat ausgeübt wurden, aus genossenschaftlichem Gemeineigentum werktätiger Kollektive, also Unternehmen die von sozialistischen Genossenschaften besessen wurden, und aus Eigentum gesellschaftlicher Organisationen der Bürger. Bei Letzteren waren politische Parteien und sozialistische Massenorganisationen Eigentümer39. Der Prozess der Zentralisierung und Verstaatlichung wurde bis zum Ende der DDR fortgeführt.

[...]


1 https://www.ueberseeclub.de/resources/Server/pdf-Dateien/1985-1989/vortrag-1989-1116Werner%20Obst.pdf, zuletzt aufgerufen am 04.11.2019.

2 Marx, Karl & Engels, Friedrich: Das Manifest der kommunistischen Partei; Hamburg 2008, S.95“.

3 (Marx & Engels, 2018, S. 42f).

4 Bei der Beschreibung des Entstehens der sozialistischen Gesellschaft stütze ich mich mit Ausnahme weiterer Fußnoten vollständig auf (Marx & Engels, 2018, S.41-95).

5 https://de.wikipedia.org/wiki/Zentralverwaltungswirtschaft, zuletzt aufgerufen am 28.10.2019.

6 [Siehe Anhang: Begriffe 1].

7 [Siehe Anhang: Begriffe 2].

8 (Marx & Engels, 2018, S. 46).

9 (vgl. Marx & Engels 2018, S.95).

10 (Marx & Engels, 2018, S. 48).

11 [Siehe Anhang: Begriffe 3].

12 (Marx & Engels, 2018, S. 67).

13 (Marx & Engels, 2018, S. 52).

14 Definition entnommen von: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Pauperismus, zuletzt aufgerufen am 28.10.2019.

15 (Marx & Engels, 2018, S. 54).

16 Details zum Mehrwert von: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kapitalismus,_Sozialismus_und_Demokratie, zuletzt aufgerufen am 28.10.2019.

17 (Marx & Engels, 2018, S. S.46).

18 Beschreibung des Zustandekommens einer Krise: https://de.wikipedia.org/wiki/Marxistische_Wirtschaftstheorie, zuletzt aufgerufen am 28.10.2019.

19 (Marx & Engels, 2018, S. 45).

20 (Marx & Engels, 2018, S. 56).

21 Zitiert nach https://de.m.wikipedia.org/wiki/Sozialismus, zuletzt aufgerufen am 28.10.2019.

22 (Marx & Engels, 2018, S. 75f).

23 https://de.wikipedia.org/wiki/Zentralverwaltungswirtschaft, zuletzt aufgerufen am 28.10.2019.

24 Folgende Definition auf Basis von: https://de.wikipedia.org/wiki/Zentralverwaltungswirtschaft, zuletzt aufgerufen am 28.10.2019.

25 Bei der Darstellung der wirtschaftlichen Vorzüge der Planwirtschaft nach Marx beziehe ich mich auf „Prof. Dr. Šik, Ota: Wirtschaftssysteme: Vergleiche – Theorie – Kritik; Berlin 1987, S. 52-65“.

26 (Šik, 1987, S. 61; zitiert nach Marx, das Kapital III, 1894, S. 197).

27 Bei der Darstellung der weiteren Punkte zur Überlegenheit stütze ich mich auf „Dr. Obst, Werner: DDR-Wirt- schaft: Modell und Wirklichkeit; Hamburg 1973, S. 10f & 66“.

28 (Obst, 1973, S. 11).

29 Bei der Skizzierung der wirtschaftlichen Situation der UdSSR & dem Kommentar zu Marx beziehe ich mich auf: „Lösch, Dieter: Sozialistische Wirtschaftswissenschaft; Hamburg 1987, S. 29-32“.

30 (Lösch, 1987, S. 30; zitiert nach „Adirim, I.: Stand und Zukunftsaussichten der IWrtschaftsreform der UdSSR, in: Osteuropa, 1985, S. 894-907“).

31 (Lösch, 1987, S. 32).

32 Zur Beschreibung der Kriegswirtschaft & der theoretischen Ausarbeitung der Planwirtschaft habe ich (Šik, 1987, S.62f) zu Rate gezogen.

33 (Šik, 1987, S. 63) [Die Vornamen werden nicht genannt].

34 Bei Folgenden Beschreibung der Umgestaltung der Eigentumsordnung in der DDR beziehe ich mich auf „Haase, E. Herwig: Das Wirtschaftssystem der DDR – Eine Einführung; Berlin 1990, S.57ff“.

35 (Haase, 1990, S. 57).

36 „Bundeszentrale für Politische Aufklärung: Information zur Politischen Bildung 312: Geschichte der DDR; Ber- lin 2011, S. 11f“.

37 [Siehe Anhang: Begriffe 4].

38 (Haase, 1990, S. 58)

39 Die sozialistischen Eigentumsformen wurden von Haase zusammengefasst: (Haase, 1990, S. 58).

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Das Scheitern der Planwirtschaft in der DDR
Note
1,0
Jahr
2019
Seiten
38
Katalognummer
V955991
ISBN (eBook)
9783346295521
ISBN (Buch)
9783346295538
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
15 Punkte - also eigentlich 0,67. Auszeichnung als eine der beiden besten Arbeiten des Seminars. Ausgezeichnet als Universitätstauglich.
Schlagworte
scheitern, planwirtschaft
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Das Scheitern der Planwirtschaft in der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/955991

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