Strauß, Botho- Die Widmung - Eine Erzählung


Referat / Aufsatz (Schule), 2000

2 Seiten


Leseprobe


Botho Strauß: Die Widmung, Eine Erzählung

Aufgabenstellung: Interpretieren Sie die Begegnung mit Fritz vor dem Hintergrund der gesamten Erz ä hlung. (Kap. 4, S. 36-48)

Die Begegnung mit Fritz, einem guten Freund von Hannah, ereignet sich sehr plötzlich und unangekündigt. Richard und er teilen das gleiche Schicksal: Hannah hat sie beide verlassen, ohne einen für die beiden ersichtlichen Grund dafür zu haben. Aus diesem Grund sucht Fritz Richards Wohnung auf. Er hofft, dort entweder seine Freundin oder wenigstens eine Erklärung für ihr Verschwinden zu finden.

Trotz, oder vielleicht gerade wegen der ähnlichen Situation, in der sich die beiden Männer befinden, misslingt die ganze Begegnung.

Die zwischenmenschliche Kommunikation schlägt fehl: „Natürlich war er [Richard] sehr begierig, von ihm etwas über H. zu hören, zugleich aber fest entschlossen, keine interessierte Frage an den Eindringling zu richten. Denn man kann jemanden nur so lange ignorieren, wie man ihn nichts fragt.“ (S. 37, Z. 16-19) [Fritz:] „’Wie war sie denn, als Sie sie kennenlernten, hm?’ ‘Ich weiß es nicht mehr’, sagte Richard, und diesmal traf er den gewünschten unzugänglichen Ton.“ (S. 39, Z. 3-6) Weitere Hinweise findet man in dem Gespräch auf Seite 40, das zeitweilig mehr wie eine Aneinanderreihung von zusammenhanglosen Monologen scheint. Auf Fritz’ Bemühen, ein Gespräch über ihr Verlassensein und Hannah anzufangen, erwidert Richard nur: „Rauchen Sie bitte nicht so viel in meiner Wohnung.“ (Z. 13) Fritz folgt dieser Aufforderung jedoch nicht, spricht nur kurz über diese Ersatzhandlung („Das bringt diese Art von Tätigkeit in Form von Untätigkeit mit sich...“ Z. 15-16), um daraufhin wieder damit fortzufahren, über sein Hobby, die freie Architektur, zu berichten. Mit Fritz’ Worten: „Ein missglücktes Gespräch... Wie sollte es auch anders sein?“ (S. 42, Z. 23-24)

Ein weiterer Aspekt der Begegnung ist die Einsamkeit: Seit Hannah Richard verlassen hat, ist dieser von der Gesellschaft völlig isoliert. Er geht nicht mehr arbeiten, seine Telefonleitung ist gesperrt, weil er die Gebühren länger nicht bezahlt hat, die Putzfrau kommt nicht mehr. Auch Fritz ist von Hannah verlassen. „Was willst du schon tun? Die Tage der Verlassenheit sind alle umsonst. Und alle Verlassenen sind faul, stumpfsinnig, verstopft -“, sagt Fritz. (S. 43, Z.15-17) Man würde meinen, wenn man das gleiche Schicksal teilt, könnte man sich gegenseitig helfen, damit fertig zu werden. Aber statt dessen, in einem Moment, in dem man zusammen sein könnte, isoliert sich Richard auch noch von Fritz, indem er in Hannahs Zimmer flüchtet und die Tür zuschließt. („’Nun’, fragte Fritz, (...) ‘wird’s ein Gespräch oder wird es keins? Was meinst du?’ ‘Keins!’ rief Richard (...) Er schlug die Tür hinter sich zu und sperrte ab.“ S. 45, Z. 9-13) Es findet nun kein Gespräch zwischen den beiden mehr statt, wobei man auch die Wortwechsel vorher nur schwerlich als Gespräche bezeichnen kann. Sie sind jetzt sogar räumlich voneinander getrennt, zuvor waren sie es nur auf der geistigen Ebene.

In dieser Hinsicht könnte man auch Fritz’ Hobby interpretieren. Bevor er Hannah kennen lernte, beschäftigte er sich mit „kreuzungsfreier Straßenführung in der Innenstadt“, erzählt er dem desinteressierten Richard. (S. 45) Kreuzungsfreier Verkehr hätte die Folge, dass man sich kaum mehr auf andere Verkehrsteilnehmer konzentrieren müsste, kein anderes Auto würde mehr die eigene Fahrbahn kreuzen. Es kämen keine richtigen Begegnungen mehr zustande, man hätte eine Richtung für sich und könnte dieser ungestört (ohne Ampeln, Fußgänger, etc.) folgen.

Sowohl Richard als auch Fritz versuchen der Einsamkeit jedoch zu entrinnen. Das Rauchen schafft Fritz „eine behagliche Vorstellung von Geselligkeit -“ (S. 41, Z. 4-5) und seit er Hannah kennt, kann er es sich nicht mehr vorstellen, sich mit kreuzungsfreier Straßenführung zu beschäftigen. (s. obigen Erklärungsversuch) („...selbst auf die Idee käme ich nicht mehr...!“ S. 45, Z. 5-6). Er sagt, seine freie Architektur schaffe ihm keine Befriedigung mehr. „Lauter Kinkerlitzchen.“ (S. 44, Z. 22) Was Fritz jedoch als sehr schön, sehr fein bezeichnet, ist ein „heliotropes Naturhaus für Mensch, Pflanze, Tier “ (S. 44, Z. 25-27). Darin spiegelt sich die Sehnsucht nach Geselligkeit wider, nach einem gesunden Miteinander mit anderen Lebewesen.

Bei Richard äußert sich diese Sehnsucht, als er in Hannahs Zimmer eingeschlossen sitzt und an seinen Briefen an Hannah weiter schreiben will. „Unterbrechung und Aufschub des Schreibens bedrängten ihn, und er merkte zum ersten Mal, wie normal und unentbehrlich ihm seine täglichen Äußerungen geworden waren.“ (S. 46, Z. 10-13) Auch Richard sehnt sich nach Gemeinschaft, nach Kommunikation, Gedankenaustausch. Am liebsten wäre ihm eine Rückkehr Hannahs, aber schon das Mitteilen seiner eigenen Gedanken bedeutet ihm viel.

Die Männer wünschen sich einen Lebensinhalt. Für Fritz schien dies lange Zeit sein Hobby zu sein, doch seit er Hannah kennt, ist es ihm nicht mehr viel wert. An einer Stelle erkennt Richard, dass Fritz „nicht wirklich ein leidenschaftlicher Mensch war, sondern ein Wichtigtuer vor sich selber, nur ein Halb-Irrer, noch als Irrer ein Stümper.“ (S. 41, Z. 10-13) Er möchte gerne etwas darstellen, von Bedeutung sein, etwas Bedeutsames mitteilen können. Doch sein Leben ist, wie das Richards, inhaltslos. Sogar mit sich selbst wird Fritz nicht fertig. Er verdrängt die Wirklichkeit mit Medikamenten: „Die Pillen hatten offenbar eine ziemlich prompte Wirkung. Fritz war deutlich gleichgültiger geworden, seine Schwärmerei wich einer leiseren, beschaulicheren Emphase.“ (S. 39, Z. 6-9)

Alles, was Richard noch geblieben ist, ist jeden Tag auf die Rückkehr, oder doch wenigstens auf eine Nachricht von Hannah zu hoffen. Die Ironie der Situation, als Hannah sich nach langer Zeit endlich per Telefon meldet, sogar seine Rechnung bezahlt hat, um ihn zu erreichen, und Fritz an den Apparat geht, zeigt wieder einmal die Sinnlosigkeit und Schicksalhaftigkeit des Lebens.

Ende der Leseprobe aus 2 Seiten

Details

Titel
Strauß, Botho- Die Widmung - Eine Erzählung
Autor
Jahr
2000
Seiten
2
Katalognummer
V95680
ISBN (eBook)
9783638083584
Dateigröße
362 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strauß, Botho-, Widmung, Eine, Erzählung
Arbeit zitieren
Sarah Baumgarten (Autor:in), 2000, Strauß, Botho- Die Widmung - Eine Erzählung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95680

Kommentare

  • Gast am 19.11.2000

    Die Widmung.

    Glueckwunsch Sarah,
    du hast voll ins Schwarze getroffen.

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Titel: Strauß, Botho- Die Widmung - Eine Erzählung



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