Die Weltpolitik unter Betrachtung von Samuel P. Huntingtons "The Clash of Civilisations"


Hausarbeit, 2000

13 Seiten


Leseprobe


0 Einleitung

Samuel P. Huntington, Professor für Politikwissenschaft, ehemaliger Berater des USAußenministeriums und Leiter des John-M.-Olin-Institutes für strategische Studien an der Universität Harvard, beschreibt in seinem Bestseller The Clash of Civilisations (dt. Kampf der Kulturen), daß die Weltpolitik des 21. Jahrhunderts nicht mehr von Auseinandersetzungen politischer, ökonomischer oder ideologischer Natur bestimmt sein wird, sondern vom Aufeinanderprallen von sieben großen Zivilisationen, denen sich kleinere Kulturen im weltweiten Wettstreit unterordnen werden.

Im 3. Teil seines Werkes: Die kommende Ordnung der Zivilisationen umreißt Huntington, nach welchen Mustern sich globale Politik und Wirtschaft nach dem Zusammenbruch des Zwei-Fronten-Weltbildes entwickeln kann. Im Mittelpunkt steht hier die kulturelle Neugestaltung der globalen Politik, d.h. die dramatisch steigende Wichtigkeit kultureller bzw. zivilisationsbedingter Gemeinsamkeiten.

Bei der Rezeption des Werkes, so auch dieser Arbeit, muß berücksichtigt werden, daß Huntington mögliche Entwicklungen bzw. Konsequenzen der aktuellen globalen Umbruchssituation beschreibt, die zwar aus heutiger Sicht wahrscheinlich, jedoch nicht notwendig sind.

Gewisse Informationen Huntingtons sind unter Vorbehalt zu betrachten, da er offen- sichtlich über die afrikanische und teilweise über die islamische Zivilisation weniger gut informiert ist, als über andere. Zudem generalisiert er, wozu er natürlich auch aufgrund eines solchen weltweiten Vergleichs von Zerfall und Neuzuordnung gezwungen ist; en détail sähe die Entwicklung von intern nicht so homogenen Zivilisationen wie China oder dem Islam jedoch vielleicht anders aus, obwohl ich seinem globalen Verständnis der Dinge durchaus Vertrauen schenke. Seine Darstellung erhält somit den Charakter eines globalen, relativ übersichtlichen und strukturierten Szenarios.

1. Die neuen Strukturen globaler Politik

Im Rahmen der weltweiten ökonomischen und politischen Umstrukturierung von Zugehörigkeiten nähern sich politische Grenzen immer näher an kulturelle, zivilisationsbedingte, ethnische und religiöse Bruch- bzw. Kampflinien an.

Die mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion einhergehende Auflösung des an Intention, Politik und Verhalten der Hegemonialmächte orientierten Weltbildes der Nationalstaaten weicht nun einer Neuzuordnung - von Individuen bis zu Nationalstaaten, oder gar internationale kulturelle Gemeinschaften - in der Weltpolitik, die sich grundlegend von bisherigen Mustern unterscheidet:

1. Die Neuzuordnung in den eigenen Kulturkreis findet - laut Huntington - analog fol- gender Identitätskriterien statt: Blut (d.h. Familie, Verwandtschaft und evtl. Wahl- verwandtschaften), Sprache, Herkunft, Ü berzeugung und vor allem Religion; ich würde dem noch die Tradition hinzufügen.

2. Die Neuzuordnung aufgrund kultureller Gemeinsamkeiten ist nicht mehr auf freiwilli- ger Basis zu treffen; konnte sich ein Land - oder genauer die herrschende Elite eines Landes - im Spiel der Supermächte der Position enthalten, d.h. bündnisfrei oder neutral bleiben, so ist jetzt seine kulturelle Identität das zentrale Kriterium, welches über Zugehörigkeit, Verbündete und Feinde entscheidet, und diese unterliegt nicht der freien Wahl des einzelnen. Die entscheidende Frage, auf die es zu antworten gilt, lautet also nicht mehr ²Auf welcher Seite stehst du?² sondern ²Wer bist du?² (Vgl. Huntington 1997, S. 193)

3. Durch jene lebenswichtige kulturelle Zuordnung zu einem Kulturkreis findet gleichzei- tig eine Abgrenzung von den anderen Zivilisationen statt. Die Folge ist eine weltweite Regionalisierung [1] der Kulturen was wiederum die globalen Strukturen von Wirt- schaft, Politik und militärischem Kräftegleichgewicht in erheblichem Maße beeinflus- sen wird.

4. Politische Blöcke, wie etwa der Warschauer Pakt - ein laut Huntington unnatürli- ches Bündnis, da Länder verschiedener Kulturen (Polen und Rumänien der katholi- schen, Sowjetunion, ... der orthodoxen Kirche angehörend) unter der Hegemonie der UdSSR dazu gezwungen wurden, politisch und ökonomisch zu kooperieren - brechen zusammen; die somit entbundenen Nationalstaaten streben automatisch zu anderen Ländern mit gleicher oder ähnlicher kultureller Basis, um neue Bündnisse zu formen: Kulturelle Gemeinschaften.

Diese Neuzuordnung ist im Prinzip nichts anderes als eine Renaissance traditioneller, historischer Feindbilder und Zugehörigkeiten, die durch die globale wirtschaftliche, ideo- logische und militärische Vormachtstellung der Hegemonialmächte und den Zwang, im Kalten Krieg auf irgendeine Art Stellung zu beziehen, unterdrückt, bzw. abgeschwächt wurden.

Die von Huntington eher negativ dargestellte oben beschriebene Transformation des Zwei-Fronten-Weltbildes wäre zu ergänzen durch positiven Ausblick, daß das so ent- stehende, sehr viel differenziertere Weltbild reich ist an neuen Systemen, Formen und Sichtweisen, die, durch den Eurozentrismus verdrängt, nun wiederbelebt werden.

Trotzdem werden politische und ökonomische Orientierungen nicht immer mit zivilisatio- nalen Gemeinsamkeiten zusammenfallen; es werden auch Reste alter Bündnisse erhalten bleiben und interkulturelle Allianzen entstehen, die allerdings an Stärke verlieren - wie es

bei den ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten der Fall war - während multinationale in- terzivilisationale Organisationen wie die Association of South East Asian Nations (A- SEAN) Schwierigkeiten haben können, den Zusammenhalt zu wahren. Auf der anderen Seite garantiert auch ein gemeinsamer Kulturkreis weder Homogenität noch Harmonie; trotz seinen Verallgemeinerungen differenziert Huntington doch genug um zu zeigen, daß der Kampf sich der Kulturen ²nicht zuletzt auch innerhalb der Kulturen vollzieht.² (Hempel 1997, S. 2)

2. Kulturelle Identität

Jeder Mensch hat viele, teilweise sich widersprechende Identitäten: Man identifiziert sich (neben den oben genannten Kriterien) mit Beruf, Territorium, Partei, Bildung, Ideologie, Mode und Neigungen bis hin zur sexuellen Ausrichtung. Die entscheidende Frage lautet, welches Identitätskriterium im Falle eines Widerspruchs oder einer Konfrontation dominiert. Laut Huntington ist es die kulturelle Identität, die Religion und Ideologie mit einbezieht, welche gegenüber den anderen Dimensionen dramatisch an Bedeutung gewinnt. Bedauerlich ist die Tatsache, daß der Mensch seine ²Identität [in] der Abgrenzung und Feindschaft zum jeweils anderen² sucht. (Hempel 1997, S. 2)

So leuchtet es ein, daß Zusammenschlüsse von Ländern gleicher Kultur weit stabiler sind und effizienter arbeiten als erzwungene Bündnisse, deren interne kulturelle Differen- zen politische und wirtschaftliche, ggf. auch militärische Spannungen begünstigen. Das beste Beispiel dafür in der jüngeren Geschichte ist das ehemalige Jugoslawien, wobei hier gegensätzliche Großmachtinteressen eine friedliche Lösung von Anfang an verhin- dert haben.

Huntington geht davon aus, daß die so entstandenen kulturellen Gemeinschaften sich festigen werden. Der Ausbau einer solchen zivilisationalen Gemeinschaft kann in unter- schiedlichem Maße stattfinden; in einem kulturell relativ homogenen Zusammenschluß wie der Europäischen Union (EU), die - mit Ausnahme der USA - mit ihrem gemein samen Markt im Verhältnis zu anderen Gruppen auf dem Weg zur wirtschaftlichen Integration am weitesten vorangekommen ist, wird nicht nur der Binnenmarkt ausgebaut, sondern auch die polizeiliche, justizielle, politische und militärische Kooperation. Dies hat u.a. zur Folge, daß sich die Gruppe nach außen abgrenzt. So tut sich die Gemeinschaft schwer, Mitglieder aus anderen Zivilisationen - wie z.B. die multizivilisationale, aber gegenwärtig vom Islam dominierte Türkei - aufzunehmen.

Der ASEAN, ein Verband von Ländern aus sechs unterschiedlichen Zivilisationen, mußte weit mehr Mühe investieren, um nur eine Freihandelszone zu errichten und ob- wohl die Mitgliedsstaaten gelegentlich militärisch auf bilateraler Basis zusammenarbeiten, erstaunt doch das allseitige Aufrüsten und die Präsenz militärischer Macht. Dies zeigt deutlich die ²Grenzen einer derartigen Organisation. [Der ASEAN] ist kein Militärbünd- nis.² (Huntington 1997, S. 205)

Ein Kritikpunkt, der hier anzubringen wäre, ist, daß Huntington die Pluralität mancher Kulturen und Zivilisationen, die er als relativ homogen charakterisiert, unterschätzt, obwohl es durchaus vorstellbar wäre, daß zivilisationsinterne Konflikte zugunsten von Zusammenhalt gegen externe wirtschaftliche, politische oder militärische Bedrohung zumindest temporal beigelegt werden.

Er geht auch nicht auf die strukturelle und historische Ähnlichkeit von verschiedenen Zivilisationen, bzw. deren gemeinsame Basis ein. So vermutet er, daß eine Allianz zwi- schen China und dem Islam möglich wäre, um das Vordringen des Eurozentrismus zu bremsen, was Scheich Mohammed Hussein Fadlallah [2], Gelehrter, Politiker und geistiger Führer der Schiiten im Libanon als ²lächerlich² bezeichnet. ²Den Islam und den atheisti- schen Kommunismus unter eine Decke zu stecken ist², so der Scheich, ²genauso unmöglich, wie Feuer und Wasser zusammenzubringen.² (Fadlallah 1998. In: Spiegel special 1/1998, S. 20)

Währenddessen läßt Huntington außer Acht, daß Islam und Christentum auf der gleichen Grundlage entstanden und eine darauf basierende Allianz möglicherweise weit effizienter wäre. Dem wäre die Theorie entgegenzuhalten, daß beide Religionen einen stark missionarisch geprägten Charakterzug haben, der, oberflächlich gesehen, eine Zusammenarbeit von vornherein ausschließt, da beiderseits die Verbindung geleugnet wird. So gesehen kann die Ähnlichkeit das Konfliktpotential auch steigern.

Fadlallah beurteilt seinerseits die Differenzen zwischen dem westlichen und dem islami- schen Kulturkreis als ²wirtschaftliche Interessen²; es gebe, so der Scheich, ²keine Kul- tur, deren vorrangiges Bestreben es ist, andere Kulturen zu vernichten. Kulturen ermög- lichen es den Menschen zusammenzuleben.² (Fadlallah 1998. In: Spiegel special 1/1998, S. 20)

Mit seiner offensichtlich anti-islamischen Einstellung vertieft Huntington - in Hinsicht auf das breite Spektrum derer, die dieses Buch erreicht und anregt - die Kluft zwischen Kulturen, die sonst möglicherweise die Chance hätten, auf Toleranz und Gemeinsamkeiten eine friedliche Politik aufzubauen.

3. Die Struktur von Zivilisationen

Jedes Land ist - vor allem wirtschaftlich - auf die Kooperation und die Unterstützung der anderen Mitglieder des jeweiligen Bündnisses angewiesen; in der globalen, von Konkurrenz geprägten Lage ist ein Einzelgänger kaum lebensfähig.

War ein Land im ²Kalten Krieg [...] im Verhältnis zu den Supermächten verbündet, Satellit, Klient, neutral oder bündnisfrei, [so ist es jetzt] im Verhältnis zu einer Zivilisation

[...] Mitgliedsstaat, Kernstaat, einsames Land, gespaltenes Land oder zerrissenes Land.² (Huntington 1997, S. 210 f.)

Während ein Mitgliedsstaat als ein relativ homogenes Land, was sich vollständig mit einer Zivilisation identifiziert, leicht zu definieren ist, bedarf es bei den anderen Abstufungen kultureller Integration einer Erklärung:

Jede Zivilisation hat ein oder mehrere Zentren, wo die Quelle der jeweiligen Zivilisation vermutet wird: Der/die Kernstaat (en). Dieser bildet normalerweise den mächtigsten und politisch wie wirtschaftlich stabilsten Staat eines Kulturkreises, wie z.B. China für die si- nische Zivilisation oder der die USA und eine französisch-deutscher Kern für die westli- che Zivilisation mit England als dazwischen treibenden Machtzentrum. (Vgl. Huntington 1997, S. 211)

Die Existenz eines Kernstaates oder mehrerer Kernstaaten bündelt und kanalisiert nicht nur die politischen, ökonomischen und militärischen Kräfte einer kulturellen Ge- meinschaft, sie schafft auch eine gewisse Transparenz von Intention und Politik der be- troffenen Zivilisation, da das politische Handeln einer solchen Gruppe leichter zu be- rechnen ist.

Hier liegt das Mißtrauen Huntingtons begründet, der den islamischen Kulturkreis ohne einen solchen Kernstaat sieht - es existieren potentielle Mitgliedsstaaten, die diese Rolle einmal übernehmen könnten, jedoch sind sie entweder aufgrund religiöser Uneinigkeiten ausgegrenzt, wie der schiitische Irak in einem sonst überwiegend sunitischen Islam, oder ihnen fehlt politische und ökonomische Stabilität -, sein Handeln also schwer einschätzen kann. Der Autor, hier geprägt vom eurozentristischen Denkmuster, daß die Organisation eines Kernstaates notwendig sei, übersieht, daß die Stärke des Islam aus historischer Sicht gerade darin lag, daß die Kräfte nicht gebündelt wurden, sondern unberechenbar in alle Richtungen züngelten. Ich bezweifle, daß man der islamischen Zivilisation genüge täte, wenn man ihr diese Schablone aufzwänge.

Ein einsames Lan d ist zugleich Kernstaat und einziger Mitgliedsstaat der eigenen Zivi- lisation, wie es bei Japan der Fall ist. Die wirtschaftliche Zuordnung zu einem anderen Kulturkreis im nun an kulturelle Kriterien gebundenen globalen Gleichgewicht der Kräfte ist dementsprechend schwierig. Das Problem liegt auf der Hand, kann doch ein solches, zugewandertes Land nicht Kernstaat seiner neuen kulturellen Gemeinschaft werden, in- dem er den Nationalstaaten seine Zivilisation aufzwingt. Auf der anderen Seite wird es, solange es seine kulturelle Identität nicht aufgibt (s.u. zerrissenes Land) auch kein voll- wertiger Mitgliedsstaat der anderen Zivilisation sein, da es eine andere kulturelle Tradi- tion hat.

Die einzige Lösung wäre dementsprechend ein einsames Land, welches offiziellen Mitgliedsstatus in einer anderen Zivilisation hat - mit allen dazugehörenden Rechten und Pflichten. Trotzdem kann dieser Status niemals die Identität einer homogenen kulturellen Gemeinschaft ersetzen

Japan hat gegenwärtig dieses Problem, da es weder seine Märkte nach China öffnen will, um den Westen nicht zu verärgern, noch sich zum Westen zuordnen will, um die vor allem von China dominierten asiatischen Anliegerstaaten als potentielle Geschäftspartner nicht zu verlieren. (Vgl. Huntington 1997, S. 213 f.)

Gespaltene Länder haben besondere Probleme, ihre Einheit aufrechtzuerhalten. Es handelt sich hier um Länder, in denen mindestens zwei große Bevölkerungsgruppen ver- schiedener Zivilisationen leben, was vor allem dann zu Spannungen und evtl. zu einer Spaltung führen kann, wenn eine Gruppe an Stärke gewinnt und versucht, den anderen Gruppen ihre Zivilisation aufzuzwingen, wie es z.B. im Sudan der Fall ist, wo der Bür- gerkrieg zwischen dem muslimischen Norden und dem größtenteils christlichen Süden seit Jahrzehnten andauert, oder im ehemaligen Jugoslawien, wo drei seit Generationen friedlich zusammenlebende Kulturkreise plötzlich einen Krieg unter dem Deckmantel der religiösen Überzeugung angefangen haben.

Die größten Schwierigkeiten hat ein zerrissenes Land, das gegenüber dem gespalte- nen Land eine vorherrschende Kultur hat, deren politische Führung aber die Identität des Landes zu einer anderen Zivilisation wechseln will und in der Regel eine kemalisti- sche Strategie verfolgt, d.h. eine Veränderung hin zum westlichen Kulturkreis anstrebt. Dies ist besonders gut ersichtlich am Beispiel Mexikos, das gegenwärtig den Versuch unternimmt, sich von der lateinamerikanischen Kultur loszusagen und zu den USA, also zur westlichen Zivilisation zu wechseln.

Will ein zerrissenes Land seine zivilisationale Identität zugunsten einer anderen aufgeben, müssen drei elementare Kriterien erfüllt sein:

1. Die politische und wirtschaftliche Elite des betroffenen Landes muß den Wechsel unterstützen.
2. Die Öffentlichkeit muß die Neudefinition der Identität zumindest stillschweigend hin- nehmen.
3. Die dominierenden Länder der Zielzivilisation müssen bereit sein, den Überläufer zu akzeptieren.

Der Wechsel der kulturellen Identität ist ein langer und äußerst schmerzvoller Vorgang, der zudem in der Geschichte noch nie gelungen ist.

Huntingtons erste These, daß die Mitglieder einer politischen oder wirtschaftlichen Ge- meinschaft sich gegenseitig unterstützen, solange sich der Zusammenschluß mit kulturel- len Gemeinsamkeiten deckt - während kulturelle Unterschiede Spannungen und Kon- flikte in der Gruppe begünstigen - steht in der gegenwärtigen politischen Lage auf einem wackeligen Fundament, wirbt doch die amerikanische Außenministerin in arabischen Ländern um militärische Hilfe gegen deren Glaubensbrüder. Diese Tatsache läßt darauf schließen, daß die gemeinsame Kultur als traditionelles Bindungsglied der islamischen Staaten nicht mehr ausreicht, daß die weltweiten wirtschaftlichen und politischen Ver- strickungen - unterstützt durch die hochtechnologisierte Kommunikation und Kriegsma- schinerie - zu komplex sind, um eine solche klassische Schablone noch anlegen zu kön- nen.

Andererseits könnte dieses Faktum auch als Weg zu einer möglichen Kooperation von Teilen des islamischen Kulturkreises mit der westlichen Zivilisation interpretiert werden. Im Koran fordert Mohammed die Gläubigen auf, ²mit den Christen zusammenzuleben, weil sie bescheiden und von Nächstenliebe beseelt seien.² (Fadlallah 1998. In: Spiegel special 1/1998, S. 20)

4. Schluß

Obwohl Huntington wichtige derzeitige Tendenzen der globalen ökonomischen und politischen Entwicklung überzeugend und anhand von gut gewählten Beispielen ausführt, bezieht er doch Stellung für die westlichen Industriestaaten und bestärkt Feindbilder in A- sien - vor allem gegen die äußerst heterogene islamische Zivilisation und den chinesischen Kulturkreis, der aufgrund seiner immensen Ausmaße und wirtschaftlich bedingter Ungleichheiten gespalten werden kann.

Es fällt auf, daß der Autor den Begriff Fundamentalismus - also religiöser Extremismus

-, der seine Wurzeln im Christentum hat, vornehmlich auf den Islam bezieht, wobei sich hier die Frage stellt, inwiefern die unter dem Deckmantel der islamischen Religion begangenen Gewalttaten in Algerien, Afghanistan und Ägypten noch etwas mit der Botschaft des Islam zu tun haben, und ob sie nicht eher Ausdruck sind von Kämpfen um politische und wirtschaftliche Vormachtstellungen. Die historischen Strukturen von Beziehungen unter Menschen, Ländern und Kulturen - der Grundtenor war immer die Sicherung von Vormachtstellungen - scheinen sich also nicht geändert zu haben, außer der Tatsache, daß sich die Konfliktlinien verschoben haben.

Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits ist Huntingtons wiederholtes Zuspitzen der inter- kulturellen Beziehungen, die nach seinen Beschreibungen in eine militärische Auseinan- dersetzung - welcher Dimension auch immer - gipfeln müssen, während in seinem umfassenden Werk nicht ein einziges Kapitel der Friedenspolitik gewidmet ist.

In meiner Sicht gibt es zwei grundlegende, sich gewissermaßen widersprechende Grundzüge in Huntingtons Werk: Auf der einen Seite spricht der Autor davon, daß der Westen seinen weltweiten Einfluß unbedingt einschränken muß, um eine Eskalation in Form von Emanzipation der anderen Kulturkreise an dem Unsrigen zu vermeiden, auf der anderen Seite stigmatisiert er die anderen Zivilisationen - vor allem diejenigen, die konträr zu westlichen Denkmustern agieren - zugunsten des Westens, dessen fortschrei- tender Verlust der globalen ‘Führungsrolle’ ihm in meinen Augen ein Dorn im Auge ist.

Bibliographie

· Fadlallah, Scheich Mohammed Hussein: Denken ist nützlicher als beten. In: Adel

S. Elias: Interview mit dem schiitische Scheich Fadlallahüber Kultur, Sexu almoral und westliche Dominanz. In: Spiegel special 1/1998, Spiegel Verlag, Berlin 1998, S. 20 f.

· Hempel, Hans-Peter : Notizen zu S. P. Huntington: Derr Kampf der Kulturen:

8. Stunde (ff) = Notizen während des Streiks. Institut für Politikwissenschaften der TU Berlin, Berlin 1997.

· Huntington, Samuel P.: Kampf der Kulturen. Europa Verlag, 5. Aufl., Wien 1997.

[...]


[1] Huntington wehrt sich gegen den Begriff Regionalisierung, weil dies ein geographisch Terminus ist. Da sich aber die Ballung der Zivilisationen um den/die jeweiligen Kernstaaten zentriert und sich dies durchaus in der Geographie niederschlägt, habe ich bewußt diesen Begriff gewählt.

[2] Scheich Mohammed Hussein Fadlallah, Autor mehrerer Bücher, mußte 1976 vor den ChristenMilizen in den Süd-Libanon fliehen. Nach seiner Rückkehr und der Gründung einer Wohlfahrtsorganisation wurde er zu einer führenden Persönlichkeit der Widerstandsbewegung und wandelte sich im Laufe der Jahre vom Islamisten zum Anhänger eines toleranten Islam.

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Details

Titel
Die Weltpolitik unter Betrachtung von Samuel P. Huntingtons "The Clash of Civilisations"
Hochschule
Technische Universität Berlin
Autor
Jahr
2000
Seiten
13
Katalognummer
V95732
ISBN (eBook)
9783638084109
Dateigröße
361 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Weltpolitik
Arbeit zitieren
Johannes Mory (Autor:in), 2000, Die Weltpolitik unter Betrachtung von Samuel P. Huntingtons "The Clash of Civilisations", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95732

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