Ein düsteres Geheimnis, gehüllt in die Schatten des Zweiten Weltkriegs, droht, das Leben einer Frau für immer zu zerstören. Im Herbst 1943 nimmt Hanna eine Stelle als SS-Aufseherin an, eine Entscheidung, die von den meisten als unbegreiflich angesehen wird. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich ein lebenslanger Kampf mit dem Analphabetismus, eine Schwäche, die sie verzweifelt zu verbergen sucht. Um ihr Geheimnis zu schützen, geht sie sogar so weit, ihre Vorleserinnen in den sicheren Tod zu schicken, ein Akt der Verzweiflung, der sie für immer verfolgen wird. Jahre später, im Sommer 1959, trifft Hanna auf Michael, einen jungen Mann, der unwissentlich zu ihrem Vorleser wird. Eine intensive, aber unausgewogene Beziehung entsteht, geprägt von einem Ritual aus Vorlesen, Duschen und intimer Nähe. Doch die Angst vor Entdeckung treibt Hanna zur Flucht und beendet die Beziehung abrupt. Als Hanna sich schließlich wegen ihrer Vergangenheit vor Gericht verantworten muss, wird ihr Analphabetismus zu ihrem größten Feind. Sie zieht es vor, Schuld auf sich zu nehmen, die sie nicht begangen hat, nur um die Bloßstellung zu vermeiden. Doch die Wahrheit kommt ans Licht, und Hanna wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Im Gefängnis findet sie durch Michaels Hilfe einen Weg zur Bildung und lernt Lesen und Schreiben. Doch die Beziehung zwischen ihnen bleibt distanziert, eine Verbindung, die nur durch das Vorlesen am Leben erhalten wird. Eine Geschichte über Schuld, Scham, Liebe und die zerstörerische Kraft von Geheimnissen, die den Leser bis zur letzten Seite fesselt. Tauchen Sie ein in ein emotionales Drama, das die Abgründe der menschlichen Seele erkundet und die Frage aufwirft, wie weit wir gehen würden, um unsere Schwächen zu verbergen. Erleben Sie eine Geschichte, die noch lange nach dem Zuklappen des Buches nachhallt und zum Nachdenken über die Bedeutung von Bildung, Gerechtigkeit und Vergebung anregt. Diese tiefgründige Erzählung ist ein Muss für alle Leser, die sich für historische Romane, psychologische Dramen und Geschichten über die menschliche Widerstandsfähigkeit interessieren. Begleiten Sie Hanna auf ihrer Reise der Selbstentdeckung und stellen Sie sich die Frage: Kann man sich von den Fehlern der Vergangenheit befreien?
Herbst 1943
Hanna beginnt im Herbst 1943 als Aufseherin bei der SS zu arbeiten, obwohl ihr bei Siemens eine Beförderung zur Vorarbeiterin angeboten wurde. Der Grund für ihren Wechsel von Siemens zur SS ist vermutlich ihre Befürchtung als Analphabetin der Stelle als Vorarbeiterin nicht gewachsen zu sein. Jahre später, bei der Gerichtsverhandlung gegen Hanna, entsteht für das Gericht der falsche Eindruck, Hanna habe ,,mit Bedacht und ohne Not" ihre Arbeitsstelle gewechselt (Seite 92). Der wahrscheinlichere Grund für ihren Jobwechsel ist der Analphabetismus.
Als SS-Aufseherin nutzt sie ihre Machtposition aus, um sich von weiblichen Häftlingen vorlesen zu lassen. Sie schickt jedoch neben anderen Gefangenen auch ihre Vorleserinnen in den sicheren Tod. Es liegt die Vermutung nahe, daß sie dies bewußt tat, um ihren Analphabetismus geheim zu halten.
Sommer 1959
Nach ihrer Zeit als Aufseherin wechselt Hanna häufig ihre Arbeitsstelle. Während ihres Verhältnisses mit Michael arbeitet sie als Straßenbahnschaffnerin. Im Laufe der Beziehung entwickelt sich Michael zu ihrem Vorleser. Das Vorlesen ist Bestandteil eines Rituals zwischen Hanna und Michael: Vorlesen, duschen, lieben, beieinander liegen (Seite 43). Hanna steht erneut vor einer Beförderung, sie flüchtet jedoch aus Angst, ihr Geheimnis könnte ans Licht kommen (Seite 127). Damit findet auch ihre Beziehung zu Michael ein abruptes Ende.
Jahre später muß sich Hanna wegen ihrer SS-Vergangenheit vor Gericht verantworten. Wegen ihrer Unfähigkeit zu lesen reagiert sie zunächst auf die Vorladung nicht (Seite 94). Als sie bei der Verlesung der Anklage etwas berichtigen will wird dies nicht beachtet, da sie zuvor ein Protokoll unterschrieben hatte, das mit der Anklageschrift übereinstimmt (Seite 104/105). Der Inhalt des Protokolls war ihr nicht bekannt.
Später wird Hanna vorgeworfen den Bericht, in dem die Geschehnisse des Kirchenbrandes geschildert werden, geschrieben zu haben. Sie gibt dies fälschlicherweise zu, um einer Schriftanalyse zu entgehen. Sie zieht es vor, Schuld auf sich zu nehmen, die sie in dieser Form nicht begangen hat, nur um der Bloßstellung entgehen zu können (Seite 124)
Wie der Analphabetismus die Beziehung zwischen Hanna und Michael beeinflußt Vor dem Prozeß:
Die Unausgeglichenheit der Beziehung lässt sich am Beispiel ,,Fahrradtour" darstellen: Während einer gemeinsamen Fahrradtour läßt Michael die noch schlafende Hanna eines Morgens kurz allein. Er hinterläßt ihr eine schriftliche Notiz. Als Hanna den Zettel findet schlägt ihre Hilflosigkeit schnell in Wut um. Sie schlägt Michael vorsätzlich mit dem Gürtel ins Gesicht (Seite 54). Michael reagiert mit Unverständnis auf die Situation. Als Hanna ihre Fassung zurückgewonnen hat säubert sie ihn und das bereits angesprochene Ritual setzt ein. Der hilflose Michael läßt die Sache auf sich beruhen. Selbst als ihm Hanna vorlügt, daß sie keinen Zettel gefunden habe sagt er nichts (Seite 55).
Nach dem Prozeß:
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in dem Text "Herbst 1943"?
Der Text beschreibt Hanna Schmitz' Werdegang und wie ihr Analphabetismus ihr Leben beeinflusst, insbesondere in Bezug auf ihre Arbeit als SS-Aufseherin und ihre Beziehung zu Michael. Er beleuchtet ihre Entscheidungen und Reaktionen im Kontext des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit.
Warum wechselt Hanna im Herbst 1943 von Siemens zur SS?
Es wird vermutet, dass Hanna zur SS wechselt, weil sie befürchtet, aufgrund ihres Analphabetismus der Rolle als Vorarbeiterin bei Siemens nicht gewachsen zu sein. Sie fürchtet, dass ihr Analphabetismus auffliegen könnte.
Welche Rolle spielt das Vorlesen in Hannas Leben und ihrer Beziehung zu Michael?
Das Vorlesen ist ein zentrales Element. Hanna nutzt ihre Position als SS-Aufseherin, um sich von Häftlingen vorlesen zu lassen. Später, in ihrer Beziehung zu Michael, wird das Vorlesen Teil eines festen Rituals (Vorlesen, duschen, lieben, beieinander liegen). Nach ihrer Verurteilung setzt Michael das Vorlesen durch Kassetten fort, was Hanna schließlich hilft, Lesen und Schreiben zu lernen.
Wie wirkt sich Hannas Analphabetismus auf ihre Gerichtsverhandlung aus?
Ihr Analphabetismus führt dazu, dass sie eine Vorladung ignoriert und ein Protokoll unterschreibt, dessen Inhalt ihr unbekannt ist. Sie gesteht fälschlicherweise, den Bericht über den Kirchenbrand verfasst zu haben, um einer Schriftanalyse zu entgehen, da sie ihre Schrift nicht vorzeigen möchte. Ihr Analphabetismus wird ihr zum Verhängnis und beeinträchtigt ihre Verteidigung.
Wie beeinträchtigt Hannas Analphabetismus ihre Beziehung zu Michael vor dem Prozess?
Der Text beschreibt die unausgeglichene Beziehung am Beispiel einer Fahrradtour. Als Michael Hanna eine schriftliche Notiz hinterlässt, reagiert sie mit Wut und Gewalt, da sie den Zettel nicht lesen kann und sich hilflos fühlt. Diese Szene verdeutlicht, wie ihr Analphabetismus zu Konflikten und Missverständnissen führt.
Wie entwickelt sich die Beziehung zwischen Hanna und Michael nach Hannas Verurteilung?
Nachdem Hanna zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, schickt Michael ihr Kassetten mit vorgelesener Literatur ins Gefängnis. Durch diese Kassetten lernt Hanna Lesen und Schreiben. Obwohl Hanna nun lesen kann, schickt Michael ihr nie einen Brief, die Beziehung setzt sich also im Vorlesen fort.
- Arbeit zitieren
- Christoph Obermeier (Autor:in), 2000, Schlink, Bernhard - Der Vorleser - Auswirkungen des Analphabetismus auf Hannas Lebenslauf, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95743