Selbstwirksamkeit als effizienter Regulator. Stresserleben im organisationalen Kontext


Bachelorarbeit, 2020

79 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Aufbau der Arb eit

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Stress
2.1.1 Definitionen und Abgrenzung
2.1.2 Merkmale von Stress und dessen zeitliche Verläufe
2.1.3 Transaktionales Stressmodell nach Richard Lazarus
2.1.4 Allostatic-Load-Modell nach Bruce McEwen
2.1.5 Auswirkungen von Stress
2.1.6 Stressmessung
2.1.7 Personale Ressourcen zur Stressbewältigung
2.2 Die Rolle der Selbstwirksamkeit
2.2.1 Definitionen und Abgrenzung
2.2.2 Entstehung und Beeinflussung von Selbstwirksamkeit
2.2.3 Sozial-kognitive Theorie nach Albert Bandura
2.2.4 Formen von Selbstwirksamkeit
2.3 Selbstwirksamkeit als Regulator gegen Stresserleben
2.4 Ableitung der Forschungsfrage und Hypothesenbildung

3 Methodik
3.1 Stichprobenkonstruktion und -beschreibung
3.2 Untersuchungsdesign und -durchführung
3.3 Erhebungsinstrumente und -material
3.4 Statistische Datenanalyse

4 Ergebnisse
4.1 Hypothesentests
4.2 Kritische Würdigung der Methodik und der Ergebnisse

5 Diskussion
5.1 Interpretation der thesenrelevanten Ergebnisse

6 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Die Thesis umfasst einen Umfang von 15.478 Wörtern.

Grundlage ist der Leitfaden zum wissenschaftlichen Arbeiten in der Wirtschaftspsycho­logie in der Version 1.1 vom 01.08.2019.

Abstract

Die vorliegende empirische Forschungsarbeit untersucht den Zusammenhang von Selbstwirksamkeitserwartungen und Stresserleben von Personen im organisationalen Kontext unter der Fragestellung, inwiefern eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung als effizienter Regulator gegen Stresserleben angesehen werden kann. Darüber hinaus wird geprüft, ob die Dauer der Betriebszugehörigkeit einen signifikanten Einfluss auf das Stresserleben von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat oder ob geschlechtsspezifische Unterschiede in der Höhe des Stresserleben und des Selbstwirksamkeitsempfingen vor­liegen. Der Stichprobenumfang umfasst 238 Versuchspersonen und setzt sich aus 164 weiblichen und 74 männlichen Probandinnen und Probanden überwiegend mittleren Al­ters zwischen 21 und 40 Jahren mit einem geringen bis mittleren Stressempfinden zusam­men. Die Datenerhebung erfolgte in Form einer Befragung zu einem Messezeitpunkt mit­tels eines teilstandardisierten Online-Fragebogens, welcher Messinstrumente aus den nor­mierten Testverfahren Skala zur Allgemeinen Selbstwirksamkeit (Jerusalem & Schwar­zer, 1999) und Trierer Inventar zum chronischen Stress (Schulz, Schlotz & Becker, 2004) beinhaltete. Die Grundlage der Untersuchung bildeten vier Forschungshypothesen, wel­che anhand von Rangkorrelationen nach Pearson, / -Tests für unabhängige Stichproben sowie multipler Regressionen deskriptiv statistisch ausgewertet wurden. Im Ergebnis wird deutlich, dass lediglich die Dimensionen Selbstwirksamkeitserwartung und Stress­erleben negative Zusammenhänge bei geringen bis mittleren Effekten zeigen. Darüber hinaus konnte nicht belegt werden, dass das Stresserleben von Personen mit einer länge­ren Betriebszugehörigkeit zunimmt. Außerdem konnte kein signifikanter geschlechtsspe­zifischer Unterschied zwischen der Höhe des Stresserlebens oder der Höhe der Selbst­wirksamkeitserwartung ermittelt werden. Die Höhe der Selbstwirksamkeitserwartung scheint also eine effiziente Ressource gegen Stresserleben im Allgemeinen zu sein. Wei­tere Untersuchungen zum Stresserleben unter Berücksichtigung möglicher Regulatoren und Einflussfaktoren sind zu empfehlen.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1. Transaktionales Stressmodell (Eigene Darstellung nach Schild & Heeren, 2003, S. 122)

Abbildung 2. Selbstwirksamkeits- und Ergebniserwartung (Eigene Darstellung nach Bandura, 1977, S. 193)

Abbildung 3. Verteilung der Variable wöchentliche Arbeitszeit laut Arbeitsvertrag (Eigene Darstellung)

Abbildung 4. Verteilung der Variable tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit (Eigene Darstellung)

Abbildung 5. Verteilung der Variable Betriebszugehörigkeit in Jahren (Eigene Darstellung)

Abbildung 6. Streudiagramm der Verteilung der Variablen Norm Selbstwirksamkeit und Norm Stress (Eigene Darstellung)

Abbildung 7. Streudiagramm der Verteilung der Variablen Betriebszugehörigkeit und Norm Stress (Eigene Darstellung)

Abbildung 8. Verteilung der Variable Norm Stress nach Geschlechtern (Eigene Darstellung)

Abbildung 9. Verteilung der Variable Norm Selbstwirksamkeit nach Geschlechtern (Eigene Darstellung)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1. Ausprägung der Stresskategorien

Tabelle 2. Ergebnisse der Berechnung einer multiplen Regression der Variablen Norm Stress sowie Arbeitszeit Vertrag, Arbeitszeit tatsächlich und Betriebszugehörigkeit

Tabelle 3. Ergebnisse der Berechnung einer multiplen Regression der Variablen Norm Selbstwirksamkeit sowie Arbeitszeit Vertrag, Arbeitszeit tatsächlich und Betriebszugehörigkeit

Tabelle 4. Häufigkeitsverteilung der soziodemografischen Daten der zugrundeliegenden Stichprobe

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

In der heutigen Welt stellt sich gerade im organisationalen Kontext oft die Frage: Stress als intrinsische Antriebskraft und täglicher Motivator oder niemals endender Spa­gat zwischen dem Wunsch nach beruflichem Erfolg und privater Selbstverwirklichung?

In einer in Deutschland durchgeführten Studie mit rund 35.000 Befragten be­richteten circa 46 Prozent der Probandinnen und Probanden von steigendem Stress und Leistungsdruck am Arbeitsplatz. Darüber hinaus schilderten 20 Prozent der Teilnehme­rinnen und Teilnehmer, dass sie bezogen auf die eigenen Aufgabengebiete immer öfter an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit stoßen und sich dem immer stärker wer­denden Leistungsdruck ausgesetzt fühlen (Jansen, 1999). Dabei wird das Stresserleben im Wesentlichen von den Ressourcen[I] beeinflusst und geleitet, die den Menschen täglich zur Verfügung stehen. Diese Ressourcen helfen in erster Linie dabei, Belastungen zu meistern oder zu verhindern. Sollten diese allerdings in bestimmten Fällen nicht ausrei­chen, leiden Menschen an Stress (Laux & Schütz, 1996). Kann dabei ein Faktor wie Selbstwirksamkeit als Regulator gegen alltägliche Stressfaktoren angesehen werden?

Tägliche Stressoren werden zunehmend als bedeutende Risikofaktoren für die psychische Gesundheit erkannt. In einer Erhebung mit rund 1.000 Probandinnen und Pro­banden wurden Mediationseffekte der Selbstwirksamkeit getrennt für die positive und negative psychische Gesundheit untersucht. Die Ergebnisse implizieren, dass Selbstwirk­samkeitserwartungen als Puffer gegen täglichen Stress wirken können. So korrelierte bei­spielsweise eine stärker wahrgenommene Selbstwirksamkeit eng mit einer geringeren ne­gativen psychischem Gesundheit und milderen Symptomen wie Depressionen, Angst und Stress (Schönfeld, Brailovskaia, Bieda, Zhang & Margraf, 2015). Während negativer Stress und Belastungen zu Anspannung und infolgedessen zu Kampf oder Flucht führen, resultiert aus positiven Stresserlebnissen Motivation als Antriebskraft (Stollreiter, Völ- gyfy & Jencius, 2000). Stress muss also nicht krank machen, sondern stellt Menschen beispielsweise nach einem fordernden Arbeitstag mit anspruchsvollen Tätigkeiten und dem Gefühl, sich mit ganzer Kraft für eine Aufgabe eingesetzt zu haben, zufrieden (Al­lensbach Archiv, 2002).

Ebner, Schulte, Soucek und Kauffeld (2017) konnten in einer Längsschnitterhe­bung über 10 Wochen untersuchen, wie Coaching zur Bewältigung von Stress beiträgt. Die Studie belegt, dass Coaching die Selbstmanagementfähigkeiten und Selbstwirksam­keitsüberzeugungen der Klientinnen und Klienten verändert und im Hinblick auf frühere Annahmen und Beziehungen zwischen diesen Variablen zeigt, dass eine Erhöhung der Selbstmanagementfähigkeiten die individuelle Bewältigung beeinflusst, die durch Selbst­wirksamkeit vermittelt wird. Die Ergebnisse hierarchischer Regressionsanalysen zu Längsschnittdaten über einen Zeitraum von 10 Wochen zeigen zusätzlich, dass Klientin­nen und Klienten einer kontrollierten Coachingintervention sowohl im Selbstmanage­ment als auch in der Selbstwirksamkeit, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Teil­nahme an Trainings, signifikant vorankommen.

Eine Studie von Füllemann, Jenny, Brauchli und Bauer (2015) untersucht den Wandel der beruflichen Selbstwirksamkeit durch individuelle und gemeinsame Teilnah­men an Stressmanagement-Kursen. Die Ergebnisse zeigen allerdings, dass die individu­elle Kursteilnahme allein nicht ausreicht, um die Selbstwirksamkeit zu verbessern. Um signifikante Verbesserungen festzustellen, wäre eine Kombination aus individueller und hoher gemeinsamer Beteiligung der Arbeitsgruppe erforderlich.

In der Fachliteratur werden Selbstwirksamskeitserwartungen einerseits als wich­tiger persönlicher Regulator gegen Stress angesehen (Schwarzer, 2000; Jerusalem, 2009), andererseits werden sie jedoch besonders durch chronische Belastungen beeinflusst (Schmitz & Schwarzer, 2002).

Verschiedene empirische Untersuchungen über den Zusammenhang von Selbst­wirksamkeit und Stresserleben deuten auf eine negativen Korrelation beider Faktoren hin. Demzufolge weisen Personen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung ein geringes subjektives Stresserleben auf und umgekehrt (Greenglass & Burke, 2000). Demzufolge ist anzunehmen, dass Selbstwirksamkeitserwartungen maßgeblich zu einem wirkungs­vollen Umgang mit Beanspruchungen und Stress beitragen und demnach einen bedeuten­den Bewältigungsansatz liefern. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird daher der For­schungsfrage nachgegangen, ob Selbstwirksamkeit, wie in der Fachliteratur beschrieben, eine wirkungsvolle Ressource gegen Stresserleben darstellen kann. Hierfür sollen ent­sprechende Zusammenhänge zwischen Selbstwirksamkeitserwartungen und Stress im Rahmen einer Replikationsstudie zahlreicher bestehender Studienergebnisse herausgear­beitet werden.

1.1 Aufbau der Arbeit

Im weiteren Verlauf der vorliegenden Forschungsarbeit folgt nach der Einlei­tung die Schilderung des theoretischen Hintergrunds in Kapitel 2, in welchem grundle­gende Begrifflichkeiten und Faktoren der Fragestellung „Inwiefern kann eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung als effizienter Regulator gegen Stresserleben im organisa- tionalen Kontext angesehen werden?“ definiert und erläutert werden. Neben der Defini­tion wichtiger Begriffe zum Stressverständnis, werden verschiedene Stresstheorien und die Entstehung von Stress voneinander abgegrenzt. Außerdem werden grundlegende Mo­delle zur Stressentstehung und -messung vorgestellt, sowie verschiedene Möglichkeiten zur Stressbewältigung auf Basis personeller Ressourcen geschildert. Anschließend wer­den neben der Definition und Abgrenzung des Begriffs Selbstwirksamkeit verschiedene Formen sowie die Entstehung und Beeinflussung von Selbstwirksamkeit geschildert. Die theoretischen Hintergründe sowie der aktuelle Forschungsstand begründen den Zusam­menhang von Selbstwirksamkeitserwartung und Stresserleben und bilden somit die Basis für die Ableitung der Forschungsfrage sowie den zu untersuchenden Forschungshypothe­sen. Nachfolgend gibt der Methodenteil Aufschluss über die Rahmenbedingungen der Untersuchung indem das methodische Vorgehen beschrieben wird. Die daraus resultie­renden Untersuchungsergebnisse werden in Kapitel 4 analysiert und erläutert. Im Diskus­sionsteil folgt anschließend eine Interpretation der thesenrelevanten Ergebnisse im Hin­blick auf die eingangs gebildete Forschungsfrage. Den Abschluss bildet ein Fazit für diese Arbeit sowie ein Ausblick für weitere Forschungsansätze.

2 Theoretischer Hintergrund

Der folgende Abschnitt beginnt mit der Definition für das Verständnis von Stress wichtiger Begriffe. Darüber hinaus wird die Entstehung und Beeinflussen von Stress so­wie das individuelle Stresserleben geschildert. Der theoretische Teil der Arbeit stützt sich maßgeblich auf bekannten Stressmodellen, wie dem transaktionalen Stressmodell nach Richard Lazarus oder dem Allostatic-Load-Modell nach Bruce McEwen. Zusätzlich dazu werden personelle Ressourcen zur Stressbewältigung aufgezeigt. Anschließend wird nä­her auf die Rolle der Selbstwirksamkeit eingegangen, indem der Begriff definiert und abgegrenzt wird. Darüber hinaus wird die Entstehung und Beeinflussung von Selbstwirk­samkeitserwartungen beschrieben sowie die sozial-kognitive Theorie nach Albert Band­ura geschildert. Abschließend wird die Kausalbeziehung von Selbstwirksamkeitserwar­tung als eine der wichtigen persönlichen Regulatoren von Stresserleben veranschaulicht.

2.1 Stress

Der Begriff Stress wird im alltäglichen Gebrauch meist mit einer negativen Kon­notation verwendet und wird als unnagenehmer Zustand als Reaktion auf einen Auslöser beschrieben (Semmer & Zapf, 2018). Der Forscher Hans Selye führte den Begriff Stress bereits in den 1940er Jahren in die Wissenschaft ein und beschrieb ihn als allgemeine Reaktion des Körpers auf Anforderungen. Schon damals erkannte er die negativen Folgen langwieriger Belastungen für Körper und Psyche (Kaluza, 2018). Häufig wird dabei zwi­schen dem positiven Begriff Eustress und dem negativen Begriff Distress unterschieden, bei welchem Eustress positive Aufregungen kennzeichnet, die sich durch Freude oder Enthusiasmus zeigen, und Distress unangenehme Zustände beschreibt (Semmer et al., 2018). Im nachfolgenden Teil der Arbeit wird in erster Linie vom unangenehmen Zustand Stress und nicht von positiven Aspekten ausgegangen.

2.1.1 Definitionen und Abgrenzung

Trotz eines recht beliebigen Umgangs mit dem Begriff Stress im alltäglichen Gebrauch (Schwarzer, 2004) lässt sich Stress definieren als „Reaktion auf unannehmbare oder bedrohlich erlebte, konflikthafte Fehlbeanspruchung, erwachsend aus starken Über­oder Unterforderungen der Leistungsvoraussetzungen, beziehungsweise dem infrage stel­len wesentlicher Ziele einschließlich sozialer Rollen“ (Richter & Hacker, 2017, S.125). Dabei versteht man unter dem lateinischen Verb stringere vor allem die Synonyme zusammendrücken oder zusammenziehen (Litzcke, Schuh & Pletke, 2013). Selye über­trug das Konstrukt Stress in die Forschungsbereiche der Psychologie und Medizin und stellte dabei fest, dass der menschliche Organismus bei starken Umweltbelastungen, wie beispielsweise einer Hitze- oder Kältewelle, unspezifische Alarmreaktionen hervorbringt. Dabei spricht er von Stress, sobald der Körper sowohl bei positiven als auch bei negativen Reizen mit einer Aktivierung reagiert (Selye, 1974). Richard Lazarus, einer der bekann­testen Stressforscher, betitelt Stress als Einschätzung, bei welcher man bis an das Limit des eigenen Leistungspotenzials gefordert wird, sodass das eigene Wohlbefinden bedroht wird. Unter psychologischem Stress versteht man dabei eine besondere Beziehung zwi­schen einer Person und der Umwelt, welche von der Person als Belastung oder Über­schreitung der eigenen Ressourcen und als Gefährdung ihres Wohlbefindens eingeschätzt wird (Lazarus & Folkman, 1984). Nach Schwarzer (2004) kann Stress drei weit verbrei­teten Ansätzen zufolge als „schädigender Umweltreiz, als eine Belastungsreaktion des Organismus oder als ein transaktionales Geschehen“ (S. 153) aufgefasst werden. Als Bei­spiele für schädigende Umweltreize werden kritische Ereignisse, Infektionen oder An­griffe angesehen, die einem das Leben erschweren. Mehr oder minder komplexe Situati­onen werden hingegen als Stressereignisse oder Stressoren bezeichnet. Stressoren gelten dabei als Ereignisse, die unspezifische Reaktionen auf Anforderungen oder Bedrohungen hervorrufen (Schwarzer, 2004). Hierbei kann zwischen verschiedenen Stressoren unter­schieden werden. Als physische Stressoren gelten beispielsweise Lärm, Hitze, Kälte oder Schmutz. Unter aufgabenbezogenen Stressoren versteht man unter anderem Zeitdruck, Arbeitsüberlastung, Aufgabenkomplexität oder häufige Unterbrechungen. Faktoren wie Schichtdienst, lange Arbeitszeiten oder Überstunden fallen beispielsweise unter arbeits­bezogene Stressoren. Als Rollenstressoren gelten Rollenunklarheiten oder -Konflikte. Soziale Stressoren stellen hingegen beispielsweise soziale Isolation oder Auseinanderset­zungen dar. Unter veränderungsbezogenen Stressoren versteht man Unternehmensfusio­nen oder Personalveränderungen. Schwere Unfälle oder Verletzungen gelten zu guter Letzt als traumatische Stressoren (Sonnentag & Frese, 2003; Hillert & Marwitz, 2006; Bernhardt & Wermuth, 2011). Ob ein Ereignis auf einen Menschen als Stressor wirkt, hängt allerdings von der jeweiligen Person und dessen Erfahrungen und Einstellungen ab. So wirken beispielsweise soziale Interaktionen mit sozialen Kontakten auf die eine Per­son positiv, da es ihr Freude bereitet, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Auf eine andere Person wirken diese sozialen Interaktionen aber wohlmöglich negativ und belastend und werden somit zu sozialen Stressoren (Holz, Zapf & Dormann, 2004).

Sofern sich eine Person von den gestellten Umweltanforderungen als Stressoren tatsäch­lich belastet fühlt, weil diese die zur Verfügung stehenden Ressourcen überschreiten, spricht man von einer Beanspruchung. Unter Belastungen hingegen versteht man sämtli­che Formen von Umweltanforderungen beziehungsweise potenzielle Stressoren (Van Dick & Stiegmann, 2007). Gerade im organisationalen Kontext üben exemplarisch be­sonders die Stressfaktoren der Bereiche Organisation (Daueraufmerksamkeit, häufige Unterbrechungen, Nichtvorhersehbarkeit von Abläufen u.a.), physische Belastungen (Be­leuchtung, Temperatur, Geräuschpegel u.a.), psychische Belastungen (Angst, Misserfolg, Arbeitsplatzunsicherheit u.a.) oder soziale Belastungen (unfaire Behandlung, soziale Dichte oder Isolation u.a.) im beruflichen Kontext Einfluss auf den Menschen aus (Al- lenspach & Brechbühler, 2005).

2.1.2 Merkmale von Stress und dessen zeitliche Verläufe

Nach dem transaktionalen Ansatz der Stressforschung entsteht Stress im Zusam­menspiel zwischen situativen Anforderungen und individuellen Einschätzungen der eige­nen Kompetenzen und Bewältigungsmöglichkeiten (Lazarus, 1966; Lazarus & Launier, 1981). Entscheidend ist die jeweils subjektive Bewertung der Beanspruchung und nicht ausschließlich die objektive Bedeutung eines Stressors. Dabei befasst dich die primäre Einschätzung damit, ob ein Ereignis bedrohlich ist und somit als relevant eingestuft wird. Sofern die Situation bedrohlich und relevant erscheint, erfolgt die sekundäre Einschät­zung, ob Bewältigungsressourcen zur Verfügung stehen oder nicht (Monat & Lazarus, 1991; Schwarzer, 2000). Sofern ein Ereignis als harmlos empfunden wird, wird kein Stress ausgelöst. Sofern ein Ereignis jedoch als bedrohlich und damit als relevant einge­stuft wird, entscheidet die sekundäre Einschätzung darüber, ob Stress ausgelöst wird (Schwarzer, 2000). Je nachdem, ob Bewältigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, wird sich der entstehende Stress in einem erträglichen Maße bemerkbar machen. Je we­niger Bewältigungsmöglichkeiten erkannt werden, desto mehr Belastungen und Stress empfindet man. Entscheidend ist dabei die Selbstwirksamkeitserwartung, also ob man sich selbst zutraut, ein anstehendes Problem durch vorhandene Fähigkeiten bewältigen zu können (Litzcke et al., 2013).

Emotionen, speziell negative Emotionen wie Ärger, Wut oder Angst, stellen we­sentliche Merkmale von Stress dar (Lazarus, 1999). Biologische Reaktionen auf Basis des Hypothalamus-Hypophysen-Systems und des Sympathikus-Nebennierenmark-Sys­tems stellen einen zweiten Aspekt von Stress dar (von Dawans & Heinrichs, 2017). Bedeutsam sind dabei in erster Linie die Stresshormone Kortisol und Adrenalin, es wer­den allerdings kontinuierlich weitere Parameter und neurophysiologische Prozesse hin­zugezogen (McEwen, 2013). Die dritte Merkmalsklasse bezieht sich auf die Verhaltens­änderung von Menschen, worunter beispielsweise gereizte oder gar aggressive Reaktio­nen, eine stärkere Aufmerksamkeitsfokussierung oder eine Aufwandsreduktionen im Sinne von Handlungsvereinfachung durch ein Umgehen von umständlichen Aufgaben­oder Problemstellungen fallen (Semmer, Grebner & Elfering, 2010).

Aus potenziellen Stresssituationen entsteht nicht nur Stress, sondern häufig auch Ansätze, den Stress zu verhindern, zu beenden oder dessen Folgen zu lindern. Der Begriff des Copings bezieht sich dabei auf den Versuch der Stressbewältigung, auch wenn dieser Versuch nicht zum Erfolg führt (Zapf & Semmer, 2004). Dabei beschreibt problembezo­genes Coping den Versuch, Probleme - sei es extern in Form von Beseitigung einer Lärm­quelle oder eines zu lösenden Konfliktes oder intern in Form einer Reduktion von Zielen oder einem zusätzlichen Erwerb von Kompetenzen - selbst anzugehen. Emotionsbezoge­nes Coping bezeichnet den Versuch, die eigenen mit Stress verbundenen Emotionen mit Hilfe von Ablenkungen durch Entspannungsübungen, Sport oder Gespräche zu regulieren (Semmer et al., 2018). Um neben Stress und Stressoren auch positive Aspekte wie Res­sourcen mit einzubeziehen, versteht Hobfoll (2001) unter Ressourcen Objekte, persönli­che Eigenschaften oder Energien, die es einem ermöglichen, weitere Ressourcen zu er­langen oder diese zu schützen.

Ressourcen können also sowohl direkt mit physischer und psychischer Gesund­heit zusammenhängen als auch indirekt, sofern Ressourcen Stressoren reduzieren indem einem beispielsweise die Last abgenommen wird oder die Wirkung von Stressoren durch Moderatoren gemildert wird (Zapf et al., 2004).

Betrachtet man die zeitlichen Verläufe von Stress, bezieht sich Stress als Zustand negativer Anspannung auf einen momentanen, eher kurzfristigen Zustand, bei welchem eine Reaktion auf eine Aktion folgt. Man ärgert sich und beruhigt sich nach einiger Zeit wieder. Sofern sich Stresszustände über eine längere Zeit hinziehen, beispielsweise wäh­rend einer Prüfungsperiode, einer Wettkampfvorbereitung oder der Bearbeitung eines aufwändigen Projekts, folgen daraufhin in der Regel ruhigere Perioden. Diese Stresszu­stände haben keine weitergehenden Folgen, sofern die Stressreaktionen nicht extrem sind (Semmer et al., 2018). Für sich genommen wenig bedeutsame Stressreaktionen können allerdings durchaus auch weitergehende Entwicklungen in Gang setzen, etwa wenn ein Ärgernis beispielsweise dazu führt, dass man sich provozierend verhält und dadurch soziale Beziehungen gefährdet werden. Resultierend daraus können sich langanhaltende Stresszustände ergeben. Sofern man nach einem langen Arbeitstag gestresst und frustriert von der Arbeit nach Hause kommt und es einem schwer fällt, runterzufahren und zu ent­spannen, können Stressereignisse empfindlich gegenüber zusätzlicher Belastungen ma­chen. Dieser Gedanke ist Kern von Konzepten, die nicht nur das Stresserleben, sondern ebenso die Erholungsphase thematisieren (Meijman & Mulder, 1998). Dabei ist zu be­achten, dass die Beruhigung oft nicht unmittelbar, sondern erst mit Verzögerung eintritt (Semmer et al., 2018). Wenn aber die Bewältigung zu oft nicht gelingt und die Erholung selbst nach bewältigten Situationen nicht ausreicht und die Erholungsphasen zu kurz sind, weil während oder zu kurz nach Erholungsphasen immer wieder neue Belastungssituati­onen auftreten, wird der Organismus überfordert und die Gefahr langfristiger, negativer Folgen steigt (McEwen & Seeman, 2003). Die Bewältigungsressourcen sinken und es entstehen strukturelle Veränderungen im Körper, sei es physiologisch in Form eines chro­nisch veränderten Hormonspiegels oder morphologisch durch ein Magengeschwür, im Hinblick auf Einstellungen, Appraisal- und Reaktionstendenzen in Form von Reizbarkeit oder Erschöpfung oder aber auch im Hinblick auf geringe Schwellen zur Auslösung von Stressreaktionen und herabgesetzter Erholungsfähigkeit (Semmer et al, 2005).

Als eines von vielen Stresstheorien und Rahmenmodellen gilt das transaktionale Stressmodell als einer der grundlegenden theoretischen Ansätze in der Stressforschung. Neben diesem und dem Allostatic-Load-Modell existiert durchaus zusätzlich eine Reihe weiterer Ansätze, deren detailliertere Betrachtung interessant gewesen wäre. Die Aus­wahl beider Modelle soll einen Auszug aus der Stressforschung darstellen.

Bei dem transaktionalen Stressmodell, welches von den Psychologen und Stress­forschern Lazarus et al. (1981) entwickelt wurde, handelt es sich um ein dreistufiges Rückkopplungsmodell, bei welchem subjektive Bewertungsprozesse des Stresserlebens und Handlungen zur Stressbewältigung einer Person im Mittelpunkt stehen. Es sieht vor, dass die Reaktion auf externe Stressoren maßgeblich von den Gedanken, Beurteilungen und Bewertungen einer Person in dem jeweiligen situativen Kontext bestimmt wird. Da­bei konzentriert sich das Modell im Wesentlichen auf die emotionale sowie kognitive Einschätzung einer Situation und den zur Verfügung stehenden Bewältigungsmöglich­keiten einer Person. Die Theorie besagt, dass sich bei der Stressentstehung ein Ungleich­gewicht zwischen den alltäglichen Ansprüchen, die an eine Person gestellt werden und den zur Verfügung stehenden persönlichen Ressourcen entwickelt, um die jeweiligen An­forderung bewältigen zu können (Lazarus, 1999). Dabei hängt das Stressempfinden einer Person hauptsächlich davon ab, wie die Person entsprechende Umweltsituationen bewer­tet und in welcher Weise die zur Verfügung stehenden Bewältigungsmöglichkeiten ein­gesetzt werden können (Lazarus et al., 1981). „Von Stress ist nach diesem Modell immer dann zu sprechen, wenn eine Person eine Situation als subjektiv bedeutsam und zugleich deren erfolgreiche Bewältigung als unsicher einschätzt“ (Renneberg, Erken & Kaluza, 2009, S. 139). Bei dem transaktionalen Stressmodell werden die primäre und die sekun­däre Bewertung als zwei Bewertungsarten unterschieden, welche sich einerseits gegen­seitig beeinflussen und andererseits gleichzeitig ablaufen können (Bartholdt & Schütz, 2010; Lazarus et al., 1981).

In der ersten Phase, die von Lazarus als Appraisal bezeichnet wird, setzt sich die Person mit dem konfrontierenden Reiz auseinander und überprüft, ob dieser ihr Wohlbe­finden gefährden könnte (Franke, 2012). Der Reiz oder die Situation kann dabei als irre­levant, günstig oder stressend bewertet werden. Wird das Ereignis vom Bewertenden als irrelevant oder günstig eingestuft, muss dieser nicht reagieren, da keine Beeinträchtigung oder Schädigung zu erwarten ist. Wird das Ereignis allerdings als stressend eingeschätzt, ist eine Anpassungsreaktion erforderlich (Lazarus et al., 1981). Eine stressende Situation kann sowohl als schädigend, bedrohlich oder heraufordernd bewertet werden. Eine 9 Schädigung liegt dann vor, sofern bei der Bewerterin oder dem Bewerter beispielsweise bereits ein Verlust eingetreten ist. Bei einer Bedrohung ist bislang weder eine Schädigung noch ein Verlust eingetreten, davon wird künftig jedoch ausgegangen. Sofern eine Situa­tion bewältigt werden kann, wenn auch unter großen Anstrengungen, liegt die Bewertung einer Herausforderung vor (Bartholdt et al., 2010; Lazarus et al., 1981). Ein Beispiel dafür wäre Erika Mustermann, die seit kurzem Angestellte im technischen Produktmanagement eines Technik-Großhändlers ist. Bereits nach ein paar Wochen Einarbeitungszeit wird sie von ihrem Vorgesetzten darum gebeten, einen kranken Kollegen zu vertreten, der in den nächsten vier Wochen Produktschulungen für Kunden hätte halten sollen. Trotz Vor­kenntnissen durch ein technisches Studium hat sie bisher noch nie ein Training in dem Bereich gehalten. Erika Mustermann kann dieses Ereignis nun unterschiedlich bewerten. Sofern sie es als irrelevant oder günstig bewertet, könnten ihre Gedanken beispielsweise lauten: „Kein Problem, jeder wächst mit seinen Aufgaben und ich kenne mich in dem Bereich eigentlich ziemlich gut aus“ (irrelevant) oder „Super, dass er mich als neue Mit­arbeiterin gefragt hat und mir das zutraut“ (günstig). Bewertet sie das Ereignis jedoch als stressend, lauten ihre Gedanken möglicherweise: „Die nächsten Abende verbringe ich dann wohl damit, die Präsentation vorzubereiten“ (Schädigung/Verlust), „Hoffentlich geht das gut und ich versage nicht vor der Gruppe“ (Bedrohung) oder „Jetzt kann ich endlich mal zeigen, was ich kann“ (Herausforderung).

Die sekundäre Bewertung bezieht sich auf die zur Verfügung stehenden Bewäl­tigungsressourcen. Dabei wird eingeschätzt, welche Bewältigungsmöglichkeiten und Be­wältigungsfähigkeiten vorhanden sind, um die Situation zu meisten (Lazarus et al., 1981). Sofern die Person zu der Erkenntnis kommt, dass die vorhandenen Bewältigungsressour­cen ausreichen, wird kein Stress entstehen. Befürchtet diese allerdings, dass ihre Mög­lichkeiten und Kompetenzen nicht ausreichend sind, wird Stress entstehen (Bartholdt et al., 2010; Lazarus et al., 1981; Renneberg et al., 2009). Außerdem kann es je nach Verlauf auch zu einer kompletten Neubewertung der Situation kommen. Beispielsweise kann sich eine als zunächst herausfordernd eingeschätzte Situation plötzlich als überfordernd her­ausstellen und zur Bedrohung werden. Das heißt in der sekundären Bewertung wird eine objektive Situation in die subjektive Realität umgewandelt und auf ihre individuelle, per­sönliche Bedeutung für die jeweilige Person überprüft (Franke, 2012). Erika Mustermann könnte in dieser Situation als sekundäre Bewertung Überlegungen, wie beispielsweise „Präsentationen während des Studiums sind damals auch immer positiv verlaufen“, „Was ich jetzt noch nicht kann, kann ich anschließend durch Feedback der Schulungsteilnehmer 10 verbessern“ oder „Wie soll ich das nur schaffen? Die Gruppe wird mich mit Fragen zer­reißen“ nachgehen.

In Abhängigkeit beider Bewertungsergebnisse wählen Menschen bestimme Be­wältigungsstrategien der Anforderung (Bartholdt et al., 2010; Lazarus et al., 1981). An­hand dieser Bewältigungs- und Copingstrategien sollen Ungleichgewichte in Person-Um­weltsituationen vermieden werden (Lazarus, 1991; Lazarus & Folkman, 1987). Nach Zapf et al. (2004) wird Coping als eine Bemühung beschrieben, Stresssituationen, unab­hängig von der Wirksamkeit dieser Bestrebungen, zu mildern, zu verändern oder zu be­enden. Auch im Bereich des Copings wird zwischen zwei Arten unterschieden, dem prob­lembezogenen, instrumentellen Coping und dem emotionsbezogenen Coping. Bei dem emotionsbezogenen Coping setzt sich eine Person mit den eigenen Gefühlen in der jewei­ligen Situation auseinander. Dem instrumentellen Coping werden nach Lazarus alle Ver­änderungen einer Situation zugeschrieben, die Anstrengungen mit sich bringen (Franke, 2012).

Sofern von einer Coping-Strategie Gebrauch gemacht wurde, erfolgt eine wei­tere Einschätzung der Situation, denn jeglicher Versuch der Stressbewältigung führt un­weigerlich zu einer Umweltbeeinflussung der jeweiligen Person und folglich auch zu ei­ner Neubewertung der vorherrschenden Situation. Es entsteht demnach ein transaktiona- ler Prozess (Bartholdt et al., 2010; Lazarus et al., 1981). In späteren Publikationen von Lazarus (1999, 2001) fasst er seine Forschungsergebnisse zum Prozess Coping in drei Prinzipien zusammen. Coping ist ein sich kontinuierlich verändernder Prozess. Eine Be­wertung des Copings muss immer unabhängig von seinem Ergebnis sein. Das Individuum entscheidet selbstständig durch sein Denken und Handeln wie es mit den Anforderungen umgeht und wie der individuelle Copingprozess gestaltet wird.

2.1.4 Allostatic-Load-Modell nach Bruce McEwen

Sterling und Eyer (1988) zeigen auf, dass Menschen ausschließlich dann gut adaptieren können, sofern sie die mit den inneren Gleichgewichtszuständen verbundenen Grenzen auch außer Kraft setzen können, wenn entsprechende Anforderungen gegeben sind. So müssen beispielsweise der Puls und Blutdruck während eines Wettkampfs höher sein als unter normalen Umständen, damit genügend Energie für den Wettkampf bereit­gestellt werden kann. Anstatt des Begriffs der Homöostase findet demnach der Begriff der Allostase Verwendung, welcher häufig als Stabilität durch Veränderung beschrieben wird.

Einerseits kann Stress und dessen Bewältigung nicht als lokales Phänomen ver­standen werden, bei welchem Feedbackmechanismen dafür sorgen, dass Funktionen des Organismus wie beispielsweise Bluthochdruck automatisch herunterreguliert werden. Vielmehr muss eine übergeordnete Instanz dafür sorgen, die nicht ausschließlich die Werte, in dem Fall ein erhöhter Blutdruck, eingestellt werden, sondern dass die angemes­senen Sollwerte in Abhängigkeit von den Anforderungen angepasst werden. Dem Gehirn wird somit eine zentrale Rolle im Stress- und Stressmanagementprozess zugesprochen (McEwen, 2013). Andererseits liegt der entscheidende Faktor für eine gute Stressverar­beitung in der Flexibilität, denn Menschen können dann adäquat mit Stressoren umgehen, sobald sie dazu fähig sind, die Sollwerte jeweils so anzupassen, dass sie den Anforderun­gen entsprechen (Semmer et al., 2018). Demnach gewinnt der zeitliche Aspekt stark an Bedeutung, denn der Organismus muss in der Lage sein, Prozesse sowohl zu initiieren, wenn sie benötigt werden als auch zu beenden, sobald Situationen beendet sind. Sofern diese Prozesse allerdings zu häufig in Anspruch genommen werden, können Abnutzungs­erscheinungen (wear and tear) sowie ineffiziente Stressregulationen hervorgerufen wer­den. Dies wird als allostatic load bezeichnet und führt auf Dauer zu allostatic overload (Semmer et al., 2018).

Das Konzept des allostatic load wurde von McEwen (McEwen et al., 2003) po­pularisiert und weiterentwickelt. Dabei legt er den Fokus auf das Zusammenspiel physi­ologischer und psychologischer Prozesse als zentrale Regulierung im Gehirn sowie auf die Adaptivität der beteiligten Prozesse, solange sie zeitlich begrenzt sind. Im Zentrum stehen die primären Mediatoren, insbesondere die Katecholamine (Adrenalin und Norad­renalin) und die Glucocortikoide (Kortisol), also das Hypothalamus-Hypophysen-Neben- nierenrinden- und das Sympathikus-Nebennierenrindenmark-System. Jedoch diskutieren sie eine ganze Reihe weiterer chemischer Substanzen, deren Ausschüttung vom Gehirn gesteuert wird, aber auch auf dieses zurückwirkt (von Dawans et al., 2017).

Allostatic load findet dann Bedeutung, sobald die Stressregulation nicht mehr einer guten Anpassung an Umweltanforderungen entspricht. Die jeweiligen Parameter können sich nicht mehr flexibel mit diesen Anforderungen anpassen, sondern sind per­manent verändert, wie etwa ein erhöhter Blutdruck, oder zeigen Reaktionen auf Stresso- ren, die überhöht, oder in manchen Fällen auch reduziert sind. Die Rückstellung derer erfolgt zudem meist verzögert oder gar unzureichend (Matthews, Gump & Owens, 2001).

McEwen (1998) postuliert verschiedene Arten von Dysregulation, also allosta­tischer Belastung, die er der normalen allostatischen Reaktion gegenüberstellt. Die 12 herkömmliche Reaktion ist dabei gekennzeichnet durch eine physiologische Reaktion, die einsetzt, sobald eine Stresssituation auftritt, über eine angemessene Dauer aufrecht­erhalten wird und endet, sobald die Situation vorüber ist. Es werden vier Arten dysfunk­tionaler Reaktionen beschrieben, die zu allostatic load führen. Repeated hits beziehen sich auf das Auftreten immer neuer Stresssituationen sodass eine Anpassung nicht mehr mög­lich ist. Unter lack of adaption wird eine mangelnde Gewöhnung auf denselben Stressor verstanden, wonach die Reaktionsstärke aufrechterhalten wird und nicht abschwächt. Der Organismus gewöhnt sich somit nicht an die Situation. Während prolonged response eine ungenügende oder zu langsame Rückstellung auf die Ausgangswerte bezeichnet, handelt es sich bei inadequate response um eine ausbleibende oder ungenügende Reaktion (Fries, Hesse, Hellhammer & Hellhammer, 2005).

Mit Hilfe des Konzepts der allostatic load werden bestehende Stressprozesse (Cannon (1914) & Selye (1974)) aufgegriffen und erweitert, sodass nicht mehr so sehr einzelne Parameter als vielmehr das gesamte Regulationssystem mit einer starken Beto­nung der Rolle des Gehirns im Fokus steht. Dabei wird die Funktionalität der beteiligten Prozesse hervorgehoben, aber auch das Risiko von zunehmend weniger reversiblen struk­turellen und funktionalen Veränderungen, die ihrerseits Krankheiten vorhersagen (Sem- mer et al., 2018). Im Konzept der allostatischen Belastung wird besonderer Wert auf eine Perspektive über den Lebenslauf hinweg gelegt. Dabei ist bedeutsam, dass bereits früh auftretender Stress zu Dysregulationen führen kann, die ungünstige Dispositionen wie beispielsweise Feinseligkeit oder Depressionen begünstigen und die Reaktivität auf spä­teren Stress beeinflussen können. Nicht zuletzt spielen dabei Interaktionen zwischen ge­netischen und Umweltprozessen eine wichtig Rolle (Juster, McEwen & Lupien, 2010; Repetti, Robles & Reynolds, 2011).

2.1.5 Auswirkungen von Stress

In Stresssituationen ist der Körper prompt zu physischen Höchstleistungen fähig, allerdings meist nicht zu psychischen. Da in heutigen Stresssituationen in der Regel eine Konfrontation mit der Situation sowie die Entwicklung einer Lösung notwendig wird und Flucht oder Kampf nur überaus selten eine angebrachte Reaktion darstellen, stellt dies ein Problem dar. Der menschliche Stressmechanismus ist also nicht optimal auf das heutige Leben eingerichtet (Litzcke et al., 2013). Die Reaktion und dessen Auswirkungen auf den Organismus in Folge einer Stressreaktion kann in die fünf Teilbereiche der Kognitionen und Emotionen, dem vegetativ-hormonellen System sowie den Muskeln und dem Ver­halten unterteilt werden.

Bei der kognitiven Ebene werden psychische Vorgänge beschrieben, bei wel­chen der Körper einer Stresssituation ausgesetzt ist. Dabei beschränkt sich die Wahrneh­mung auf Reize und Umwelteinflüsse und es ergeben sich Auswirkungen wie Denkblo­ckaden oder Grübeleien, die kreative Gedanken unbedeutsamer erscheinen lassen. Dem­nach kann eine Stresssituation verzerrt aufgenommen werden und so das jeweilige Han­deln und dessen Folgen nicht adäquat eingeschätzt werden. Stress setzt also die kognitive Leistungsfähigkeit herab, was besonders bei komplexeren Aufgaben, bei denen kreatives und analytisches Denken erforderlich ist, zu Leistungseinbußen führt (Litzcke et al., 2013). Menschen, die dazu neigen, häufig über Angstsituationen nachzudenken, schnell Angst bekommen oder rasch ins Grübeln geraten, haben ein erhöhtes Risiko zu Bluthoch­druck und demnach zu langfristigen Folgen oder Organschädigungen (Gerin, Davidson, Christenfeld, Goyal & Schwartz 2006). Zusätzlich dazu können kognitive Beeinträchti­gungen dazu führen, dass Menschen immer stärker in gewisse Verhaltensmuster verfal­len, da sie irgendwann nicht mehr in der Lage dazu sind, verschiedene Handlungsalter­nativen in Betracht zu ziehen. Demnach könnte ein ohnehin schon ängstlicher Mensch noch vorsichtiger werden oder ein aggressiver Mensch könnte Gefahr laufen, schneller die Kontrolle zu verlieren (Smith, Nolen-Hoeksema, Fredrickson & Loftus, 2007).

Die emotionale Ebene befasst sich mit dem Grundmuster von Kampf und Flucht, welches sich in der heutigen Zeit in Aggressivität und Angst abwandeln lässt. Daraus können emotionsgetriebene Reaktionen wie beispielsweise Panik, Nervosität, Ärger oder Gereiztheit resultieren und bei sehr emotionalen Menschen kann ein dauerhaft anhalten­der Stress eine generalisierte Aggressionsbereitschaft, Unsicherheit oder ständige Ge­fühlsschwankungen hervorrufen. Infolgedessen sinkt das Selbstwertgefühl dieser Perso­nen rasant und kann zu Hilflosigkeit oder in eine Depression führen (Litzcke et al., 2013).

Stress ruft eine Aktivierung des vegetativ-hormonellen Systems vor, da die Frei­setzung von Stresshormonen einige Auswirkungen auf den menschlichen Organismus mit sich bringt. Die Atmung beschleunigt sich, das Herz-Kreislauf-System arbeitet schneller, die Pupillen weiten sich und die Blutgefäße werden verengt. Das ausgeschüttete Kortisol sorgt dafür, dass im Falle einer eintretenden Verletzung die Gerinnungsfähigkeit des Blu­tes erhöht wird und das Schmerzempfinden sinkt. Zusätzlich dazu schüttet die Leber Glu­cose als Energielieferant aus, um die Muskulatur leistungsfähiger zu machen. Gleichzei­tig schwächt die Ausschüttung des Hormons Hydrocortison allerdings die Immunabwehr 14 und die Verdauungsorgane reduzieren ihre Aktivität. Eine Folge davon kann Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall sein. Langanhaltende Stresssituationen können folglich zu ei­ner Vielzahl von Beschwerden wie Herz-Kreislauf-Störungen, Bluthochdruck, Gastritis, Magen- und Darmgeschwüren, Verdauungsbeschwerden, Schlafstörungen, chronischer Müdigkeit, Verschiebung des Hormonhaushalts, Zyklusstörungen, Verringerung der Sa­menproduktion, sexuellen Funktionsstörungen, Hautveränderungen, Schwindelanfällen, Atembeschwerden oder Migräne führen (Litzcke et al., 2013).

Stresssituationen versetzen den Körper in eine Art Grundspannung, sodass der Mensch schnell handeln kann und für eine Flucht oder einen Angriff optimal eingestellt ist. Erkenntlich wird das durch eine starre Mimik, Zittern oder Spannungskopf- oder Rü­ckenschmerz. Durch langanhaltenden Stress ermüdet der Organismus schnell und chro­nische Verspannungen können entstehen (Litzcke et al., 2013).

Obgleich das physiologische Verhalten von Menschen in Stresssituationen weit­gehend ähnlich abläuft, variiert das physiologischen Verhalten von Menschen. Auswir­kungen im Sprachzentrum können sich beispielsweise in Form von Stottern oder Wort­findungsstörungen bemerkbar machen. Soziale Kontakte werden vernachlässigt und es fällt schwer, sich für Dinge zu interessieren oder gar zu begeistern. Häufig nimmt der Konsum von Alkohol, Koffein, Nikotin oder Medikamenten bei einer Belastung durch Dauerstress zu. Durch Schlafstörungen sinkt das Energieniveau und die Fehltage am Ar­beitsplatz häufen sich. Das Verhalten von Individuen kann durch eine dauerhafte Belas­tung nur noch mühsam reflektiert werden und oftmals wird die Schuld bei anderen Per­sonen gesucht. Neue, hilfreiche Informationen werden ignoriert oder gar nicht wahrge­nommen, weshalb nur noch schwer Lösungsansätze gefunden werden können (Litzcke et al., 2013).

Da Stress es dem Organismus ermöglicht, schnell zu handeln, können besonders in Gefahrensituationen auch positive Auswirkungen verzeichnet werden. Sofern Perso­nen den Signalen des Körpers folgen und beispielsweise bei Ermüdung Pausen eingelegt werden, kann Stress vor Überlastung schützen. Außerdem kann Stress durchaus auch Lernprozesse anregen (Stollreiter, Völgyfy & Jencius, 2000). Nach Stollreiter et al. (2000) gäbe es ohne Stress ausschließlich zufriedene Menschen und keinerlei Fortschritt.

Festzuhalten ist also, dass Stress besonders verheerende Folgen und Auswirkun­gen auf den Organismus haben kann, sofern Ermüdungssignale nicht erkannt werden oder sich punktueller Stress zu chronischem Stress entwickelt. Die negative Konnotation des Begriffs Stress ist aber keineswegs ausschließlich omnipräsent.

2.1.6 Stressmessung

Um den Umfang von Stress zu erheben, liegen unterschiedlichste Verfahren zur Stressmessung vor (Schwarzer, 2004). Nach Weber (2002) kann sich die Erfassung, ba­sierend auf dem relationalen Stresskonzept, auf die Aspekte der Messung von Stressoren, die Erhebung subjektiver Stresseinschätzungen, die Erhebung emotionaler Stressreaktio­nen sowie die Erhebung biologischer Stressreaktionen beziehen.

Bei der Messung von Stressoren wird zwischen kritischen beziehungsweise ein­schneidenden Lebensereignissen, chronisch stresshaften Lebensumständen oder kleine­ren, alltäglichen Stressereignissen unterschieden (Weber, 2002). Dabei zählen Situatio­nen, denen über einen längeren Zeitraum vermehrt Anpassungen oder Veränderungen bedürfen, zu kritischen Lebensereignissen. Sie können anhand von Ereignis-Checklisten, Fragebögen oder Interviews erfasst werden (Schwarzer, 2000; Weber, 2002). Unter chro­nischem Stress versteht man eine langanhaltende Belastung über einen längeren Zeit­raum, welcher ebenfalls anhand eines Fragebogenverfahrens gemessen werden kann (Weber, 2002). Ein geeignetes Verfahren zur Messung von chronischem Stress stellt bei­spielsweise das Trierer Inventar zum chronischen Stress (TICS) dar, welches im weiteren Verlauf der Arbeit näher erläutert wird (Schulz, Schlotz & Becker, 2004).

Im Gegensatz zu kritischen Lebensereignissen, stellen beispielsweise Arbeiten im Haushalt, das Verlegen oder Verlieren von Gegenständen sowie Wartezeiten kleinere, alltägliche Stressereignisse dar. Es wird angenommen, dass diese Belastungen aufgrund des häufigen Auftretens eine stärkere Gefährdung von Personen darstellen als seltenere, größere Lebensereignisse. Sie werden vorwiegend mit Hilfe von Ereignis-Checklisten er­fasst (Schwarzer, 2000; Weber, 2002).

Subjektive Stresseinschätzungen können nur anhand weniger existierender In­strumente gemessen werden. Das Stresslevel eines aktuell erlebten Umstands wird an­hand eines Fragebogens erfasst (Schwarzer, 2000; Weber, 2002).

Ängste, Zorn oder Kummer zählen zu emotionalen Stressreaktionen und werden vorwiegend durch Befragungen anhand einer Aufzählung von Adjektiven wie verärgert oder bekümmert ermittelt (Weber, 2002).

Zu biologischen Stressreaktionen zählen körperliche Veränderungen, die bei­spielsweise mittels Blut- oder Speichelproben bestimmt werden können. Anhand der ba­salen Kortisolwerte (Morgen- und Tagesprofil) wird die Konzentration von Steroidhor­monen, in erster Linie Kortisol, überprüft (Renneberg et al., 2009).

2.1.7 Personale Ressourcen zur Stressbewältigung

In Anlehnung an das eingangs beschriebene transaktionale Stressmodell entsteht Stress, sobald die zur Verfügung stehenden Mittel einer Person für die zu bewältigende Anforderung nicht genügen. Welche Bewältigungsressourcen allerdings zur Verfügung stehen und wie stark die Anforderung diese Ressourcen fordert, hängt vom subjektiven Empfingen jeweiliger Personen ab (Lazarus et al., 1984). Man nehme an, zwei Autos stehen an einer Kreuzung vor einer roten Ampel. Die Person im ersten Auto fährt im Berufsverkehr von der Arbeit nachhause, es besteht allerdings kein Zeitdruck und die Fahrerin oder der Fahrer ist durch den Feierabend entspannt. Die Person im zweiten Auto, welches sich hinter dem ersten befindet, ist auf dem Weg zu einem wichtigen beruflichen Termin und ist durch das hohe Verkehrsaufkommen bereits sehr spät dran. Die Person wird durch die Verzögerung der roten Ampel zunehmend nervöser. Der Ärger über die Situation nimmt zu, der Puls steigt und der Schweiß bricht aus. Beide Personen befinden sich theoretisch in derselben Situation und sind der roten Ampel ausgesetzt. Die Reakti­onen und das entstehende Stresserleben sind jedoch grundlegend verschieden. Es ist also nicht entscheidend, ob die Situation, in der wir uns befinden, von außen betrachtet eine Überforderung darstellt. Es kommt ausschließlich darauf an, wie wir die Situation erleben und bewerten (Kaluza, 2018). Dabei hängt die Ausprägung beziehungsweise die Intensi­tät des Stresserlebens davon ab, wie bedeutsam es für eine Person ist, die jeweilige An­forderung erfolgreich zu bewältigen. Für den Grad des Stresserlebens macht es einen er­heblichen Unterschied, ob es sich aktuell um das Bestehen der finalen Examensprüfung oder um einen Test zur monatlichen Lernfortschrittskontrolle handelt (Kaluza, 2018).

Aufgrund von Selbstwirksamkeitserwartungen entstehen unterschiedliche Be­wältigungsformen gegen Stress. Dysfunktionales Verhalten, in Form davon, dass Prob­leme nicht gelöst werden, sondern aufgeschoben und damit auf mittlere beziehungsweise lange Sicht vergrößert werden, wie beispielsweise der Verzicht auf eine aktive Auseinan­dersetzung mit ursprünglichen Problemen, erhöht dabei die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns (Litzcke et al., 2013). Die Literatur bietet eine Vielzahl von Klassifikations­vorschlägen für Bewältigungsstrategien. Besonders hilfreich ist dabei der Ansatz von Per- rez und Reicherts, dessen Taxonomie der Stressbewältigung in folgende Bereiche unter­teilt ist. Während sich die situationsbezogene Bewältigung mit einer aktiven Einfluss­nahme beziehungsweise einer Flucht oder einem Rückzug beschäftigt, befasst sich die repräsentationsorientierte Bewältigung vorwiegend entweder mit der Informationssuche oder dessen Unterdrückung. Die evaluationsorientierte Bewältigung beinhaltet die Sinn­gebung von Inhalten oder dessen Zieländerung (Perrez & Reicherts, 1992). Während in kontrollierbaren Situationen eine aktive Einflussnahme auf die Beanspruchung sinnvoll sein kann, kann gleichermaßen eine passive Haltung in Situationen, die sich im Umbruch befinden, geeignet sein. Eine Flucht vor Situationen oder Ereignissen kann dann förder­lich sein, sobald ein Stressor weder kontrolliert oder verändert werden kann und gleich­zeitig stark negativ behaftet ist. Während bei der repräsentationsorientierten Stressbewäl­tigung die Wahrnehmung eines Stressors durch eine Informationssuche oder -unterdrü­ckung verändert wird, ändert die Stressbewältigung die Einstellung zum eigentlichen Stressor. Hierbei zeigen die Ausführungen, dass ein spezieller Bewältigungsmechanis­mus nicht per se grundlegend gut oder schlecht ist (Perrez et al., 1992). Die Wirkung eines Bewältigungsmechanismus hängt vielmehr von dem Stressauslöser sowie von den individuellen Ressourcen von Menschen ab (Folkman & Moskowitz, 2003). Dabei ist vor allem Flexibilität als Reaktion in der Anwendung möglichst vieler, verschiedener Bewäl­tigungsmechanismen besonders hilfreich für eine erfolgreiche Stressbewältigung (Litz- cke et al., 2013). Da nur derjenige Stress erfolgreich bewältigen kann, der seine persön­lichen Belastungssituationen sowie die eignen Stärken kennt, setzt der wirksamen Stress­bewältigung eine Bewertung der eigenen Werte und des Verhaltens voraus. Dabei hilft es zu reflektieren, was die persönlichen Stressoren überhaupt sind, wie auf typische Belas­tungssituationen reagiert wird und welche Bewältigungsressourcen zur Verfügung stehen (Litzcke et al., 2013). Verschiedene Stresssituationen erfordern unterschiedliche Verfah­ren der Stressbewältigung (Van der Klink, Blonk, Schene & Dijk, 2001). Denn da eine im beruflichen Kontext bewährte Stressbewältigungsmethode im privaten Bereich schei­tern kann, wird ein breites Repertoire an Bewältigungsstrategien benötigt, damit auf un­terschiedlichste Belastungen reagiert werden kann (Bamberg, 2005). Eine Studie von Kaluza (1999) zeigt, dass ein koordiniertes Stressbewältigungscoaching, bei welchem verschiedene Bewältigungsmethoden erlernt werden, die Bewältigung von Stressoren und deren Folgen nachhaltig verbessert, indem die Fähigkeit zur Selbstorganisation ge­fördert wird. Infolgedessen, dass stabile und kontinuierliche Rahmenbedingungen abneh­men - beispielsweise dadurch, dass Lebensarbeitszeitverhältnisse seltener werden und prekäre Arbeitsverhältnisse zunehmen - gewinnt die Selbstorganisation an Bedeutung.

Die Außenorientierung, die ein fundiertes Arbeitsverhältnis bietet, muss in die­sen Fällen durch die Selbstorganisation ersetzt werden. Dabei gehörten zur Selbstorgani­sation sowohl einzelne Vorgehensweisen wie auch die Organisation und Koordinierung 18 verschiedener Tätigkeiten und Handlungsbereiche (Bamberg, Busch & Ducki, 2003). So kann beispielsweise eine dauerhafte Änderung oder das Ablegen von Gewohnheiten und vertrauten Verhaltensmustern nachhaltig Stress verringern. Während zu langfristigen Stressbewältigungsansätzen insbesondere Einstellungsänderungen, soziale Unterstüt­zung oder Zeitmanagement zählen, fallen Abreaktion, Ablenkung oder Gedankenstopps unter kurzfristige Strategien zur Stressbewältigung. Sofern gewisse Stresssituationen re­gelmäßig auftreten, kann es von Vorteil sein, die Bewertung der Situation in Frage zu stellen. Häufig sind veraltete Bewertungsmuster einer der entscheidenden Auslöser für Stresssituationen und erschweren somit den Bewältigungsvorgang (Litzcke et al., 2013).

Rückhalt im sozialen Umfeld kann zusätzlich dazu eine weitere Bekräftigung bei der Stressbewältigung darstellen. Auffällig wird dies meist erst dann, sobald dieser Rückhalt von Familie, Freundinnen oder Freunden, der Partnerin oder dem Partner oder sonstigen nahestehenden Personen nicht mehr gegeben ist. So wird es umso wichtiger, dass soziale Beziehungen gepflegt werden, auch wenn dies zeit- und kraftintensiv ist (Litzcke et al., 2013).

Durch eine enorm schnelllebige Umwelt - sowohl beruflich als auch privat - gewinnt ein geeignetes Zeitmanagement kontinuierlich an Bedeutung. Dennoch ist Zeit­planung dabei nur als Hilfsmittel anzusehen und nicht als Lösung des Problems. Ein schlechter Zeitplan oder unangepasste Strukturen, die vielleicht bei Mitmenschen oder Kolleginnen und Kollegen wirkungsvoll sind, können so nämlich beispielsweise genau das Gegenteil vom Gewünschten erzielen und in Hektik und Zeitdruck ausarten, da zu viele in der vorhandenen Zeit unausführbare Aufgaben anstehen (Litzcke et al., 2013).

[...]


1 Die Begriffe Ressource und Regulator werden im nachfolgenden Teil der Arbeit synonym verwendet.

Ende der Leseprobe aus 79 Seiten

Details

Titel
Selbstwirksamkeit als effizienter Regulator. Stresserleben im organisationalen Kontext
Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Köln
Autor
Jahr
2020
Seiten
79
Katalognummer
V957963
ISBN (eBook)
9783346299659
ISBN (Buch)
9783346299666
Sprache
Deutsch
Schlagworte
selbstwirksamkeit, regulator, stresserleben, kontext
Arbeit zitieren
Kira Franziska Haasbach (Autor:in), 2020, Selbstwirksamkeit als effizienter Regulator. Stresserleben im organisationalen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/957963

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