Analyse von Kants Gewissensbegriff
Kant nannte das Gewissen ”Innerer Gerichtshof”. Was meint er damit? Arbeiten Sie wesentliche Aspekte der Kant‘ schen Definition heraus und erklären sie diese. Ziehen Sie zu dem Zitat Position.
”Vor Gericht wird darüber entschieden, was bei bestimmten Sachverhalten rechtens ist.” So steht es im Lexikon. Kant vergleicht genau diese Eigenschaft des Gerichts mit dem Gewissen. Man beurteilt, ob sein Verhalten richtig oder falsch war, wie es auch der Richter macht. Man kann sich zwar dieser Beurteilung kurzzeitig entziehen und sein ”schlechtes Gewissen” unterdrücken und verdrängen, doch muss man sich zu irgendeinem Zeitpunkt damit auseinandersetzen. Dies ist auch in der Gesellschaft nicht anders: Hat man eine Straftat begangen, kann man zwar fliehen, meist wird man aber doch ”geschnappt” und kommt vor Gericht. Der Innere Gerichtshof kann nicht mit Freiheitsentzug oder Geldbußen strafen, seine Strafen, wie Scham, Reue oder Schuldempfinden sind internalisiert. Jeder Mensch achtet und fürchtet sowohl Richter, als auch Gewissen.
Ein wesentlicher Aspekt Kants Theorie ist, dass jeder Mensch ein Gewissen hat
(”...Jeder Mensch hat Gewissen...”) und eine Verdrängung dessen nicht auf Dauer möglich ist. Nur durch Lüste, Zerstreuung oder Schlaf kann man etwas davon abgelenkt werden, wobei man auch im Schlaf durch Albträume wieder an sein Gewissen erinnert werden kann.
Desweiteren sagt Kant, dass das Gewissen angeboren ist. (”...sondern jeder Mensch, als sittliches Wesen, hat ein solches ursprünglich in sich...”) Es ist aber bei jedem Menschen anders entwickelt. Je nach gesellschaftlichen und umweltbedingten Einflüssen kann die Intensität der Entwicklung variieren. So zum Beispiel findet es ein ”wohlerzogenes Kind” schlimm, wenn jemand etwas stiehlt, ein Dieb, der vom Stehlen lebt, hat bei der Ausübung seines ”Berufes” keine Gewissensbisse.
Auch eine Schattenhaftigkeit des Gewissens lässt sich aus der Theorie entnehmen. Man wird von seinem Gewissen ständig verfolgt - überall hin. Auch wenn man völlig allein etwas Unrechtes macht und sich durch niemanden beobachtet fühlt, ist das Gewissen da. Man kann sich vor ihm nicht verstecken und ihm nicht entfliehen. Man ist der ständigen Kontrolle durch das Gewissen immer und überall ausgeliefert, denn ”es ist seinem Wesen einverleibt”.
Die Aussage, jemand habe kein Gewissen, ist in jedem Falle falsch, denn wie oben schon angedeutet, existiert das Gewissen in jedem Menschen. Einige handeln aber nicht nach diesem und lassen sich von ihm nicht leiten. So kann der Anschein entstehen, ein Mensch habe kein Gewissen.
Letztendlich soll man sich zur Pflicht machen, ”sein Gewissen zu kultivieren, die Aufmerksamkeit auf die Stimme des inneren Richters zu schärfen und alle Mittel anzuwenden..., um ihm Gehör zu verschaffen.” Denn die Nützlichkeit und Notwendigkeit des Gewissens ist nicht zu leugnen. Seine Funktion der Kontrolle und Orientierung ist dringend nötig. Wenn man sich also immer an sein Gewissen hält und nach seinen Grundsätzen handelt, ist man fürs Leben gut gewappnet.