Abstract
Die vorliegende Arbeit enthält eine Zusammenfassung eines Artikels von H.
Moosmann (1977). Der Artikel, Kontextspezifische Anwendung und Interpretation des thematischen Apperzeptionstests: Die TAT Befunde bei Elternrechtsfragen; schlägt ein Verfahren vor, mit dem man Streitfragen um das Sorgerecht mit Hilfe des TAT lösen kann. Im Folgenden wird die Methode des kontextspezifischen TAT beschrieben.
Es soll hier vorweg genommen werden, daß es immer das Ziel sein sollte, die beiden Parteien zu einem Kompromiß zu bewegen, mit dem alle Beteiligten weitgehend zufrieden sind.
1 Einleitung
Bei Sorgerechtsfragen vor Gericht tritt häufig das Problem auf, das beide Elternteile das Sorgerecht für sich beanspruchen. Beide Parteien sind darum bemüht, sich ins beste Licht zu stellen und unter Umständen auch, das Kind in ihre Richtung zu beeinflussen. Um Klarheit zu schaffen, empfiehlt es sich, die Wünsche des Kindes selbst zu filtern, was durch die Beeinflussungsversuche der Eltern manchmal sehr schwierig ist. Da die Kinder oft Angst haben, offen ihre Vorlieben auszusprechen, oder einfach keinen der beiden Elternteile verletzen wollen, bietet sich ein projektives Verfahren, in unserem Fall der TAT, an.
Während seiner Arbeit konnte H. Moosmann drei Formen von Befunden unterscheiden. Zum ersten kann das Kind problembezogene Geschichten liefern (Typ 1). Eine zweite Möglichkeit ist die, daß das Kind zwar signifikante, aber nicht problembezogene Geschichten liefert (Typ 2). Zuletzt bleiben die Kinder, die mit Ausweichen reagieren und harmlose und aussagslose Geschichten erzählen (Typ 3).
2 Kontextspezifische Anweisungen
Um bei Geschichten von Typ 3 einen verwertbaren Befund extrahieren zu können, schlägt Moosmann eine Methode vor, in der dem Kind spezifische Anweisungen gegeben werden. Wenn zum Beispiel ein Kind, von dem man weiß, daß es sich weigert zum Vater zu gehen, beim ersten, unspezifischen TAT-Durchgang nicht problembezogene Geschichten liefert, könnte die Anweisung bei einem erneuten Durchgang lauten: "Erzähle jetzt eine Geschichte von einem Jungen, der nicht zu seinem Vater will."
Die Vermutungen, nach denen man die Fragen formuliert, können zum einen aus dem Vorgespräch mit dem Kind entnommen werden, zum anderen aber auch aus dem, was man von und über die Eltern in Erfahrung bringen konnte.
3 Formulierung der spezifischen Anweisung
Die Anweisung sollte so formuliert werden, daß das Kind ermuntert wird, die zuvor angeklungenen Tendenzen deutlicher zu äußern. Diese Tendenzen können zum Beispiel sein, die Beziehung zur Gegenpartei zu verweigern, sie gegen den Willen der anderen Partei aufrecht zu erhalten oder zur Gegenpartei zu wechseln.
Durch den zweiten, spezifischen, Durchgang können diese Tendenzen möglicherweise aufgedeckt werden. Zudem werden die Strategien der Parteien sichtbar, mit denen diese versuchen, das Kind zu beeinflussen.
Wenn das Kind im ersten Durchlauf nun zum Beispiel gar keine Tendenzen zur Gegenpartei zeigt, wird man fragen: "Mache jetzt eine Geschichte, in der das Kind nicht zum Vater (Mutter) will!" Wenn es aber Tendenzen zur Gegenpartei zeigt, fragt man: "Erzähle eine Geschichte über ein Kind, das zum Vater (Mutter) will."
4 Interpretationen
Wenn der Test beendet ist, haben wir zwei Ergebnisse, von denen wir uns erhoffen, daß sie uns mehr Interpretationsmöglichkeiten bieten, als das Ergebnis von nur einem Testdurchlauf.
Um vergleichbare Interpretationen zu liefern, liefert Moosmann einige Interpretationsschemata, nach denen die Ergebnisse erfaßt werden können.
1. Kontextbezogene Kategorien
Moosmann hat vier Kategorien entwickelt. Sie dienen dazu, Handlungsweisen und Äußerungen der Akteure in den Geschichten zu ordnen und die Rollen den Partei (P), der Gegenpartei (G) und des Kindes selbst (K) zu identifizieren. Die Kategorien sind:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3. Qualitative Interpretation
Bei der qualitativen Interpretation der Ergebnisse lassen sich schon viele Hinweise auf Wünsche und Tendenzen des Kindes erkennen. Moosmann gibt als Beispiel ein Kind, von dem die Mutter behauptet, daß es gar nicht gerne beim Vater sei, der Vater aber wiederum sagt, daß der Junge sich ihm gegenüber immer freundlich verhielte. Bei der qualitativen Auswertung des kontextspezifischen Durchgangs reflektiert der Junge sein eigenes Verhalten. Er möchte lieber bei seiner Mutter bleiben, will den Vater aber nicht verletzen. Der Vater interpretierte das Verhalten des Kindes also falsch und verzichtete auf das Sorgerecht.
2. Die quantitative Auszählung der Kategorien
Es gilt auch, den Unterschied zwischen den beiden Durchgängen zu erfassen. Hier schlägt Moosmann ein quantitatives Verfahren vor, in denen die zwei Kategorienhäufigkeiten miteinander verglichen werden.
Das Vorgehen sieht so aus, daß man ersteinmal beide Durchgänge in die eben aufgezählten Kategorien sortiert. Jeder Satz, der sich in eine oder mehrere der Kategorien einordnen läßt, wird tabellarisch erfaßt. Dann wird die Quantität der einzelnen Kategorien durch einfaches Auszählen ermittelt.
Durch den Vergleich der beiden Geschichten ergibt sich die Möglichkeit, Tendenzen zu deuten. Gibt das Kind in der ersten Geschichte zum Beispiel den Satz vor: "Das Kind haßt den Papa", in der zweiten allerdings: "Die Mama sagt, das Kind soll nicht zum Papa, weil er soviel Böses gemacht hat", läßt sich die Manipulationsstrategie der Mutter ableiten, und man wird sich fragen, ob die Abneigung des Kindes aus sich heraus besteht oder, ob es nur die Mutter deckt, um sie nicht zu verletzen, wenn es den Wunsch hat, den Vater zu sehen.
Ein Beispiel von Moosmann zeigt, daß in der quantitativen Auswertung große Diskrepanzen zwischen der ersten und der zweiten Geschichte auftreten können. Die erste Geschichte in seinem Beispiel schildert das provokative Verhalten des Kindes gegenüber der Mutter und deren gereizte Reaktion. Bei der Auszählung fallen relativ viele Elemente in die Kategorien Provokation der Mutter und negative Repression der Mutter. Nach der Anweisung, eine Geschichte zu machen, in der ein Kind Streit mit seiner Mutter hat, liefert das Kind aber relativ viele Elemente der Kategorien Tendenz zur Mutter und positive emotionale Repression der Mutter und weicht gänzlich von der ersten Geschichte ab. Nach einem Gespräch mit der Mutter konnte Moosmann diese Abweichung so erklären, daß sich die erste Geschichte auf einen schon länger zurückliegenden Streit bezog, der aber schon lange ausgestanden war.
Das Problem wurde folgendermaßen gelöst: Das Kind blieb bei der Mutter. Der Gutachter konnte das Kind aber motivieren, Besuche bei seinem Vater vorzunehmen.
5 Literatur
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in diesem Text?
Dieser Text ist eine Zusammenfassung eines Artikels von H. Moosmann (1977) über die kontextspezifische Anwendung und Interpretation des Thematischen Apperzeptionstests (TAT) bei Sorgerechtsfragen.
Was ist der Thematische Apperzeptionstest (TAT)?
Der TAT ist ein projektives Verfahren, das verwendet wird, um die Wünsche, Ängste und Motive einer Person aufzudecken, indem sie Geschichten zu mehrdeutigen Bildern erzählt.
Was ist die kontextspezifische Anwendung des TAT?
Die kontextspezifische Anwendung des TAT ist eine Methode, die von Moosmann vorgeschlagen wurde, um Streitfragen um das Sorgerecht mit Hilfe des TAT zu lösen. Sie beinhaltet die Verwendung spezifischer Anweisungen, um verwertbare Befunde aus Geschichten von Kindern zu extrahieren, insbesondere wenn diese ausweichend reagieren oder harmlose Geschichten erzählen.
Wie funktioniert die kontextspezifische Anweisung?
Wenn ein Kind beim ersten, unspezifischen TAT-Durchgang keine problembezogenen Geschichten liefert, wird ihm bei einem erneuten Durchgang eine spezifische Anweisung gegeben. Diese Anweisung wird auf Basis von Vorgesprächen mit dem Kind und Informationen über die Eltern formuliert. Zum Beispiel: "Erzähle jetzt eine Geschichte von einem Jungen, der nicht zu seinem Vater will."
Was sind die Ziele der kontextspezifischen Anweisung?
Die Ziele sind, das Kind zu ermutigen, zuvor angeklungene Tendenzen deutlicher zu äußern (z.B. die Beziehung zur Gegenpartei zu verweigern, sie aufrechtzuerhalten oder zur Gegenpartei zu wechseln), Strategien der Eltern zur Beeinflussung des Kindes aufzudecken und zusätzliche Interpretationsmöglichkeiten zu gewinnen.
Welche Interpretationsschemata werden verwendet?
Moosmann liefert Interpretationsschemata, darunter kontextbezogene Kategorien (zur Ordnung von Handlungsweisen und Äußerungen der Akteure in den Geschichten), die quantitative Auszählung der Kategorien (zum Vergleich der Häufigkeiten in den Durchgängen) und die qualitative Interpretation der Ergebnisse (zur Erkennung von Wünschen und Tendenzen des Kindes).
Was sind die kontextbezogenen Kategorien?
Die kontextbezogenen Kategorien dienen dazu, Handlungsweisen und Äußerungen der Akteure (Partei, Gegenpartei, Kind) in den Geschichten zu ordnen und die Rollen der Beteiligten zu identifizieren.
Wie funktioniert die quantitative Auszählung der Kategorien?
Beide TAT-Durchgänge werden in die Kategorien sortiert. Jeder Satz, der sich einer oder mehreren Kategorien zuordnen lässt, wird tabellarisch erfasst. Dann wird die Quantität der einzelnen Kategorien durch Auszählen ermittelt.
Was ist das Ziel der qualitativen Interpretation?
Die qualitative Interpretation der Ergebnisse gibt Hinweise auf Wünsche und Tendenzen des Kindes.
Wie werden die Ergebnisse der beiden Durchgänge interpretiert?
Der Vergleich der beiden Geschichten ermöglicht die Deutung von Tendenzen und Manipulationsstrategien der Eltern. Beispielsweise kann erkannt werden, ob die Abneigung des Kindes aus sich heraus besteht oder ob es nur die Mutter deckt, um sie nicht zu verletzen.
Welche Literatur wird zitiert?
Moosmann, H. (1977); Schweizerische Zeitung für Psychologie: Kontextspezifische Anwendung und Interpretation des thematischen Apperzeptionstestes: Die TAT-Befunde bei Elternrechtsfrage
- Arbeit zitieren
- Katharina Wöhrmann (Autor:in), 1998, Kontextspezifische Anwendung und Interpretation des thematischen Apperzeptionstestes: Die TAT-Befunde bei Elternrechtsfragen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95902