Die Sonderstellung des Menschen im Reiche des Lebendigen


Seminararbeit, 1997

14 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

Ein anatomisch einzigartiges Wesen

Die Wortsprache

Der Erfolg der Menschheit

Das Artgenossen tötende Wesen

Ein Gewissen habendes Wesen

Das zur Freiheit verurteilte Wesen

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Wenn man die Frage nach der Sonderstellung des Menschen, die er auf dieser Erde so gern in Anspruch nimmt, stellt, sollte man dann nicht auch danach fragen, welche Stellungen andere Lebewesen einnehmen? Die Wissenschaft postuliert immer, daß man nur unter Einhaltung verschiedener Kriterien, wie Objektivität (aber auch Zuverlässigkeit und Gültigkeit), zu relevanten Erkenntnissen gelangen kann. Doch wie kann man objektiv sein, wenn man sich selbst zum Untersuchungsgegenstand macht, wer soll die Ergebnisse auf ihre intersubjektive Gültigkeit überprüfen, die Tiere?

Zweifellos hat der Mensch auf dieser Welt, und seit einigen Jahren sogar auch darüber hinaus, so manches bewegt. Den Sinn oder Unsinn dieser Veränderungen zu erörtern würde an dieser Stelle zu weit führen und den Rahmen sprengen (wenn dies nicht ohnehin schon geschehen ist) außerdem ist es auch nicht Thema dieser Arbeit.

Woran könnte sich diese Sonderstellung erkennen lassen? Ist es die Tatsache, daß der Mensch imstande ist zum Mond zu fliegen, oder daß wir die ersten Wesen sind, die in das biologische Wirkungsgefüge soweit eingegriffen haben, daß es droht nicht mehr zu funktionieren? Wenn der Mensch die Kriterien bestimmt, die diese Sonderstellung ausmachen, wird er selbstverständlich auch diese einnehmen. Beschließt man jedoch, daß das Gehirnvolumen oder die Fähigkeit in den Tiefen der Meere zu tauchen das Ausschlaggebende wäre, werden andere Lebewesen diese Position einnehmen.

Es wird niemand bestreiten, daß sich der Mensch von den sogenannten Tieren unterscheidet, doch ein Hund unterscheidet sich, wenn auch nicht in gleicher Weise, aber doch erheblich von einem Fisch. Beide Arten besitzen Fähigkeiten, die die jeweils andere Art nicht besitzt, wie sie auch der Mensch nicht besitzt.

Natürlich kann man den Menschen mit Hilfe sogenannter Anthropina versuchen zu charakterisieren, dennoch könnte man solche Schlagworte für jedes beliebige andere Tier auch finden.

Alleine die Möglichkeit aufgrund unserer Intelligenz, die uns wahrscheinlich durch irgendwelche evolutionären Zufälle zu eigen geworden ist, Häuser und Atomkraftwerke zu bauen oder mit unserem angehäuften Destruktionsmaterial in kürzester Zeit alles zu vernichten, hebt uns noch nicht in die Position alles so hinzunehmen, als sei es der letzte Tag, oder gar anzunehmen der Mensch sei die ,,Krönung" der Schöpfung. Man sollte sich immer vor Augen halten, daß die Evolution auch beim Menschen nicht halt gemacht hat, sondern, sollten wir noch ein paar Millionen Jahre überleben, wird die Spezies Mensch wahrscheinlich anders aussehen und andere und/oder zusätzliche Fähigkeiten besitzen. Vielleicht entwickelt sich aus dem Menschen auch eine ganz neue Art Lebewesen.

Scheler spricht in bezug auf den Menschen sogar von einem ,,Druckfehler Gottes", Köstler schlägt in die selbe Kerbe und meint der Mensch sei ein ,,Irrläufer der Evolution".

Ein anatomisch einzigartiges Wesen

Der Übergang vom Affen zum Menschen vollzog sich wahrscheinlich in Afrika, im Gebiet des heutigen Äthiopiens1.

Man nimmt an, daß die Vorfahren der Menschen durch die Schrumpfung der Wälder, die möglicherweise durch eine Klimaänderung bedingt wurde, gezwungen waren in die Savannen auszuwandern, wo sie sich wahrscheinlich auch den aufrechten Gang aneigneten. Es gibt sicher viele Gründe, die für den aufrechten Gang sprechen, wie zum Beispiel Schnelligkeit, oder daß man beim sich Fortbewegen die Hände frei hat, und etwas transportieren kann. Andere mögliche Gründe wären der bessere Überblick und die Tatsache, daß die Hitze in Bodennähe größer ist als in einer gewissen Höhe (zur Kühlung des Gehirns).

Da unsere Vorfahren baumbewohnende Primaten (Herrentiere: Menschen, Affen, Halbaffen) waren, die sich als Hangler und Stemmkletterer fortbewegten, mußten diese einige Eigenschaften entwickeln, wie die Greifhand und die Entwicklung des Schultergelenks. Im Gegensatz zu den auf allen Vieren laufenden Affen, bei denen die Schulterblätter in einer Stützposition anliegen, hat sich das Schulterblatt beim Menschen zum Rücken hin verlagert und das Schultergelenk daher zur Seite gedrückt, was dem Arm eine größere Bewegungsfreiheit gibt. Außerdem mußte sich das binokulare Sehen, das Sehen des dreidimensionalen Raumes, Bewegungen in diesem Raum und das Einschätzen der Abstände von Gegenständen und Gegebenheiten mittels zwei Augen, entwickeln. Dadurch wanderten die Augen, die ursprünglich seitlich am Kopf lagen, nach vorne. Die Fähigkeit des binokularen Sehens besitzen jedoch auch sehr viele Tiere.

Aufgrund der Tatsache, daß unsere Vorfahren relativ große Primaten waren, konnten sie sich nicht in gleicher Weise auf den Bäumen fortbewegen, z.B. auf den Zweigen laufend wie Eichkätzchen oder kleinere Affen, sondern sie mußten sich an den Ästen festhalten können. Im Laufe der Anpassung an die Savanne und der Entwicklung des aufrechten Ganges erfolgte die weitere Aufrichtung durch eine Abbiegung der unteren Wirbelsäule, so daß diese nun eine S-Form ergibt.

Kortlandt (1972) erbrachte einen weiteren Hinweis dafür, daß die Savanne die Hominisation (Menschwerdung) begünstigte: Er konfrontierte Schimpansen mit ausgestopften Leoparden und beobachtete dabei, daß die Schimpansen mit allem Greifbaren und aller Kraft auf die vermeintliche Bedrohung einschlugen und nach ihr warfen. Dabei trafen die in den Savannen lebenden Schimpansen besser, als die, die in den Wäldern lebten. Daraus kann man schließen, daß die Savanne den Werkzeuggebrauch begünstige, möglicherweise aus dem Grund, weil in den Wäldern mehr Deckung vorhanden ist, und weil dadurch die Schimpansen nicht sooft gezwungen sind sich zu verteidigen.

Auf die frühzeitliche Gehirnstruktur des limbischen Systems, das Zentrum für Instinkte, triebmäßige und emotionale Verhaltenssteuerung, das der Mensch mit den Reptilien und anderen niederen Tieren immer noch gemein hat, wurde der Neocortex, das spezifisch menschliche Gehirn (die Zentrale für Sprache und Denken) ,,übergestülpt", ohne daß sich das limbische System weiterentwickelt hätte.

Mac Lean spricht von der Asymmetrie der Entwicklung der intellektuellen und emotionalen Sphäre. ,,Der Mensch hat aufgrund seiner Intelligenzleistung den Mond erobert; sitzt als emotionales Wesen noch immer auf den Bäumen."

Die Wortsprache

Das hochorganisierte soziale Zusammenleben unserer Vorfahren war die Voraussetzung für unser begriffliches Denken, das wiederum die Grundlage der syntaktischen Sprache darstellt.

Um nicht nur Irritation bei der Kommunikation hervorzurufen ist es notwendig, daß Sender

und Empfänger eine Übereinkunft über die Symbole, die sie zum Kommunizieren verwenden, treffen. Bemerkenswert dabei ist, daß mimische und gestische Signale weitgehend kulturübergreifende Gültigkeit besitzen. Das heißt sie werden sowohl von einer beispielsweise industrialisierten Kultur als auch von beliebigen Naturvölkern verstanden. Man kann also davon ausgehen, daß die nonverbale Kommunikation auf angeborene Dispositionen zurückzuführen ist.

Ein wenig anders ist das bei der Wortsprache, es gibt eine Vielzahl an verschiedenen Sprachen, die untereinander bestenfalls einige Gemeinsamkeiten besitzen.

Dennoch beruht das Erlernen der Wortsprache wahrscheinlich ebenfalls, zumindest zu einem Teil, auf angeborene Mechanismen. Auch hier gibt es zahlreiche zum Teil kontroverse Theorien, die die Ursachen des ontogenetischen Spracherwerbs zu erklären versuchen. Die Wissenschaft bleibt uns aber immer noch eine eindeutige Antwort schuldig.

Mit der Wortsprache besitzt der Mensch ein Ausdrucksmittel, über das kein anderes Lebewesen verfügt. Das soll nicht bedeuten, daß Tiere sich nicht untereinander mitteilen, doch dies geschieht im Normalfall mittels angeborener Kommunikationsweisen. Die Fähigkeit diese Signale kreativ zu kombinieren fehlt.

Erstaunlicherweise ist es unter experimentellen Bedingungen gelungen Schimpansen eine vereinfachte Form der amerikanischen Taubstummensprache beizubringen (B. T. und R. A. Gardner, 1975), die sie auch spontan verwendeten. Unterschiede bestehen jedoch in der Strukturiertheit des Ausgedrückten, Menschenaffen reihen lediglich die Wortzeichen in keiner festen Reihenfolge aneinander.

Auch diese Fähigkeit, das objektunabhängige tradieren von Wissen, leistete ihren Beitrag zu dieser explosionsartigen Entwicklung des Menschen.

Zwar wurde die Weitergabe von Wissen auch bei einigen höher entwickelten Tieren beobachtet, wie zum Beispiel lernte ein Makake (meerkatzenartiger Affe) das Waschen von Kartoffeln, zeigte es den Artgenossen, die es schließlich nachmachten. Hätten diese Affen über eine Wortsprache verfügt, hätte er nur sagen müssen, daß man eine Kartoffel wäscht bevor man sie ißt, d.h. das objektgebundene Vorführen der Aktion wäre entfallen (vgl. EiblEibesfeldt). Das vom Objekt abhängige Weitergeben von Wissen hat einen gravierenden Nachteil, denn wenn eine Generation lang das Objekt (in diesem Beispiel die Kartoffel), mit Hilfe dessen das Wissen weitergegeben werden sollte, fehlt, verfällt das Wissen wieder und muß somit neu erfunden werden. Das dürfte wohl der Grund dafür sein, daß eine Anhäufung von Wissen in größeren Ausmaßen bei Tieren nicht vorkommt.

Wir wären nie imstande gewesen einen Computer oder ein Flugzeug zu bauen, wenn wir unser individuelles Wissen über das objektgebundene Vorführen weitergeben müßten. Dabei fällt auf, daß auch die Fähigkeit Wissen niederschreiben zu können und somit Gedächtnisstützen zu schaffen die Stellung des Menschen begünstigt, ansonsten müßte sich jeder alles merken.

Die Wortsprache ist jedoch erheblich mehr als nur ein Kommunikationsmittel, beispielsweise hilft sie bei der Einordnung von Ereignissen in sprachliche Kategorien, sie steht in enger Verbindung mit kognitiven Vorgängen, hilft beim Denken und einiges mehr.

Über die stammesgeschichtlichen Ursachen der Entstehung der Wortsprache wurde viel diskutiert, trotzdem bleiben sie für uns bis dato unerschlossen.

Da Wissen Wissen erzeugt verschnellert sich die kulturelle Entwicklung und die Zunahme des kollektiven Wissens in exponentiellem Maße, so daß wir heutzutage nur noch einen winzigen und immer kleiner werdenden Teil des Menschheitswissen meistern können. Das Berufsleben erwartet von uns immer mehr zu wissen, über immer spezielleres Wissen zu verfügen damit wir konkurrenzfähig bleiben. Dadurch bleibt uns kaum noch Zeit und Kraft uns mit anderen Wissensgebieten zu beschäftigen, geschweige denn zum Nachdenken oder zur Selbstreflexion, wovon K. Lorenz in seinem Buch ,,Der Abbau des Menschlichen" (1983) meint es sei ein Menschenrecht. ,,Der Spezialist weiß mehr und mehr über weniger und weniger, und schließlich weiß er alles über ein Nichts."

Der Erfolg der Menschheit

Die Evolution beruht laut Charles Darwin auf zwei Mechanismen. Auf der einen Seite die Mutation, das unvollständige oder fehlerhafte Weitergeben der Erbsubstanz an die Nachkommen und auf der anderen Seite die Selektion (auch Auslese oder Zuchtwahl genannt).

Die Selektion setzt sich wiederum aus der natürlichen und der sexuellen Zuchtwahl zusammen. Die natürliche Selektion beruht auf der Konkurrenz der Lebewesen um natürliche Ressourcen. Im Kampf um Nahrung und Lebensraum setzen sich die Stärksten durch und überleben. Die geschlechtliche Zuchtwahl basiert auf dem Wettbewerb von Artgenossen um Geschlechtspartner. Der beste Reproduktionserfolg liegt bei den Individuen die am angepaßtesten sind, sie sind daher in der Lage ihre Angepaßtheit in Form ihrer Gene weiterzugeben. Der nicht oder weniger angepaßte Nachkommensüberschuß fällt der Selektion zum Opfer. Dadurch ist es möglich, daß sich die Lebewesen an ihre Umwelt immer besser anpassen, und daß sie auch mit einer Veränderung ihres Lebensraumes zurechtkommen. Die Evolutionstheorie wird heute kaum noch bestritten.

Der große Erfolg des Menschen - heutzutage gibt es nur noch wenige Winkel der Erde, die noch nicht erschlossen wurden - ist sicher auch darin zu suchen, daß er in der Lage war und ist die Selektion auszuschalten.

Die daraus resultierende Übermacht der Menschen auf dieser Erde versetzt ihn in die Lage sich ungestört in eine beliebige Richtung zu entwickeln. Er muß nur noch in den extremsten und seltensten Fällen mit Freßfeinden und Rivalen um Lebensraum und Nahrung rechnen.

Durch das Ausschalten fast aller Gefahren war er nicht mehr gezwungen täglich aufs Neue ums Überleben zu kämpfen, und konnte sich mit Fragen beschäftigen, die wiederum weitere Risiken im Leben der Menschen ausschließen. Er war imstande eine Wissenschaft zu entwickeln, die sich heute Medizin nennt, die es wiederum ermöglichte die Lebenserwartung in noch vor wenigen Jahren undenkbare Höhen zu treiben und die Kindersterblichkeit zu minimieren - zumindest in den Industriestaaten.

Bleibt die Frage offen (vielleicht auch nicht) ob nicht gerade dieser Umstand das Überleben Aller, nicht nur der Menschen, gefährdet. Statistisch gesehen liegt die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung bei ungefähr drei Menschen pro Sekunde, das sind rund 90 Millionen im Jahr. Man rechnet damit, daß die Weltbevölkerung im Jahr 2100 10,5 bis 15 Milliarden Menschen umfassen wird. Zum Vergleich heute sind es fünf Milliarden. Man muß kein Mathematikgenie sein um sich auszurechnen, daß das in ein wenig mehr als 100 Jahren eine Verdoppelung bis Verdreifachung der Menschen ergibt. Um das Jahr Null betrug die Weltbevölkerung ca. 250 Millionen, 1650 Jahre später 500 Millionen. Damals dauerte es über 1 ½ Jahrtausende bis sich die Weltbevölkerung verdoppelte, heute geschieht das, vorsichtigen Schätzungen zufolge, in 50 bis 100 Jahren.

Wenn man die Entwicklung der Bevölkerungszahlen betrachtet, wird man erkennen, daß die Zahl der Menschen in Abhängigkeit zur Zeit hohe Ähnlichkeit zu einer exponentiellen Funktion besitzt (x-Achse: Zeit, y-Achse: Anzahl der Weltbevölkerung). Nun ist eine der Eigenschaften einer exponentiellen Kurve die, daß sie sich einem bestimmten Punkt auf der x- Achse (Zeit) immer mehr annähert, aber im Endlichen nicht schneidet oder berührt, dieser Punkt wird erst im Unendlichen berührt. Daraus kann man schlußfolgern, daß - rein mathematisch - zu einem bestimmten Zeitpunkt die Weltbevölkerung unendlich viele Menschen umfassen wird, wenn die Tendenz anhält. Es erscheint logisch, daß wir diesen Zeitpunkt (sollte diese Entwicklung anhalten) nicht erleben werden, denn die Erde bietet nun einmal nicht Platz und Ressourcen für unendlich viele Menschen. Man kann natürlich zum Mars fliegen, um nachzusehen ob dort unendlich viel Platz, Energie und Nahrung zur Verfügung steht, doch das sollte eigentlich der gesunde Menschenverstand schon von vornherein ausschließen. Das Wahrscheinlichste wird wohl sein, daß wir uns in Zukunft wieder einmal bekriegen, und somit die Bevölkerungszahlen auf ein mehr oder weniger erträgliches Maß dezimieren, oder, mit Hilfe unserer Atombomben udgl., das Problem endgültig und für immer lösen werden.

Aldous Huxley glaubt: ,,Ungelöst, wird dieses Problem alle anderen Probleme unlösbar machen". Er will damit sagen, daß die Übervölkerung der Erde das einzig wirkliche Problem der Menschheit darstellt, wodurch alle anderen erst zustandekommen, z.B. Umweltzerstörung, Hungersnöte, Klimaveränderungen, die wiederum Ernteausfälle bedingen, das Leerfischen der Weltmeere usw. Jeder Mensch sollte eigentlich in der Lage sein den Teufelskreis erkennen zu können, in dem wir uns befinden.

Aus diesem Grunde ist es heute unverantwortlich und fast unverständlich auf das Recht auf Kinder zu pochen, auch wenn dadurch, wie Viele einwenden, ein ohnehin schon zum Scheitern verurteiltes Pensionssystem auf dem Spiel steht. Man sollte sich vor Augen führen, daß der Zusammenbruch eines Pensionssystems eine verhältnismäßig geringe Konsequenz eines Geburtenrückganges darstellt, wenn man bedenkt, daß ansonsten das Überleben der gesamten Menschheit nicht gesichert ist. Weiters kann man sich die Frage stellen, welche Lebensbedingungen unsere Kinder in der Zukunft vorfinden werden.

Das Artgenossen tötende Wesen

Das geplante und organisierte Töten von Artgenossen in derart großen Ausmaßen, wie es in diversen Kriegen der Fall war und zum Teil auch noch ist, ist eine spezifisch menschliche Eigenschaft2. Es gelang noch nicht solch verheerenden Auswirkungen der innerartlichen Aggression im Tierreich zu beobachten.

Aus welchen Gründen hat die Evolution ein Phänomen wie die intraspezifische Aggression hervorgezüchtet? Auf den ersten Blick erscheint dieser Umstand kontraproduktiv, denn er dient, so kann man glauben, nicht der Arterhaltung.

Doch wenn man Konrad Lorenz glauben schenken darf, trägt auch diese Art der Aggression zur Erhaltung der Art bei. Beispielsweise bei der geschlechtlichen Zuchtwahl: Der stärkere, der sich durchsetzt hat die Möglichkeit sich zu reproduzieren, und seine Stärke in Form der Gene weiterzugeben, das die Stärkung der ganzen Art zur Folge hat. Dabei ist es nicht unwahrscheinlich, daß auch die genetischen Bedingungen für aggressives Verhalten auf die Nachkommenschaft übertragen werden. In diesem Zusammenhang spricht v. Weizsäcker davon, daß wir die ,,Erben von Siegern" sind. Revieraufteilung, Gruppenstärkung durch eine gruppeninterne Rangordnung und Organisation sind weitere positive Auswirkungen der innerartlichen Aggression (,,Das sogenannt Böse").

Des weiteren rechnet K. Lorenz damit, daß diese angezüchtete Aggression in unserer heutigen Zeit und Gesellschaft kein adäquates Ventil mehr findet um sie abzureagieren, und daß man nun diesem Trieb auf andere Weise Rechnung tragen muß, zum Beispiel durch sogenannte Leerlaufhandlungen (vgl. psychohydraulisches Modell von K. Lorenz, 1950) oder auch Sport udgl.

Bei einem solch populärem Thema ist das Lorenz'sche Modell natürlich nicht das einzige: Die Frustrations-Aggressionstheorie (J. Dollard und Mitarbeiter, 1939) geht von einer angeborenen aggressiven Disposition aus, die als Reaktion auf Frustration zu Tage tritt. Möglicherweise erfuhr so mancher Massenmörder eine höheres Maß an Frustration als er verarbeiten konnte.

Die lernpsychologische Aggressionstheorie besagt, daß Aggression nicht angeboren, sondern erlernt ist. Wenn Menschen bei anderen sehen, daß man mit aggressivem Verhalten die individuelle oder kollektive Position verbessern kann, werden viele dies tun. In unserer westlichen Kultur wird solch ein Verhalten keineswegs immer nur als negativ bewertet. Wenn man im Berufsleben beispielsweise über ,,Leichen" geht um eine höhere Position zu erreichen, wird einem das Etikett der Einsatzfreude, Durchsetzungsvermögen und ähnliches mehr angeheftet.

Erik Erikson spricht von einer kulturellen Pseudospeziation. Er meint damit, daß sich die einzelnen Kulturen soweit auseinandergelebt haben, so daß diese scheinbar zu einer eigenen Spezies wurden, wodurch die angeborene Tötungshemmung gegenüber Artgenossen - die in allen Lebewesen vorhanden sein sollte - außer Kraft gesetzt wird. Das bedeutet, daß wir Menschen anderer Kulturen nicht mehr als Angehörige der Art Mensch wahrnehmen. (Ein mögliches Erklärungsmodell für Religionskriege.)

Die nativistische Aggressionstheorie (Thomas Hobbes) geht von einem aggressiven

Menschen aus, wobei der Krieg der ursprünglich normale, und der Friede ein gemachter

unnatürlicher Zustand ist. Die Raubgier der Wölfe, Bären, Schlangen usw. dauert nicht länger als ihr Hunger. Sie sind nur grausam, wenn sie gereizt sind, während den Menschen sogar der künftige Hunger hungrig macht.

Sigmund Freud meint, daß wegen der angeborenen Aggressionsneigung der Mensch eine wilde Bestie sei, der die Schonung der eigenen Art fremd ist.

Vielleicht hat der Mensch auch ,,nur" Freude an der Aggression und am Töten, andernfalls kann ich mir nicht erklären aus welchem Grunde es Hobbyjäger gibt. Es liegt mir fern die Berufsgruppe der Jäger anzugreifen, denn mittlerweile haben wir erreicht, daß das biologische Gleichgewicht in sehr vielen Fällen nicht mehr funktioniert, sodaß die Berufsjäger dadurch eine Existenzberechtigung erhalten. Inwieweit man dadurch die Ursachen bekämpft, kann sich jeder selbst ausmahlen.

Natürlich hat auch die Technik das Töten von Artgenossen um ein vielfaches vereinfacht.

Heutzutage ist es nur noch notwendig einen Schalter umzulegen, um eine Vielzahl von Menschen ums Leben zu bringen. Dennoch ließen sich auch manche Feldherren - die diesen Schalter noch nicht kannten - nicht davon abhalten, Menschen die ihnen gegenüberstanden, umzubringen.

In diesem Zusammenhang kann man davon ausgehen, daß sich der Mensch anders verhält als alle anderen Tiere, wenn man von gewissen Menschenaffen absieht. Es hat den Anschein, daß gewisse kognitive Fähigkeiten notwendig sind, um zu einer irrationalen Aggression fähig zu sein. Tiere bekämpfen sich auch, aber sie töten sich durch die oben genannte Tötungshemmung in den meisten Fällen nicht. Natürlich ist es möglich, daß durch unglückliche Umstände ein Tier zum Beispiel bei Rangordnungskämpfen so schwer verletzt wird, daß es stirbt, das aber in den seltensten Fällen beabsichtigt ist. Um diesen Fall so gut wie möglich auszuschließen bildeten sich in der Phylogenese Riten, wie Demutsgebärden des Unterlegenen, aus, die dem stärkeren Tier zeigen, daß er als Sieger aus dem Kampf hervorgegangen ist, und läßt dadurch sofort vom ,,Feind" ab.

Ich persönlich bin der Meinung, daß wir alle schwer Verhaltensgestört sind. Zu viele Menschen auf zu wenig Raum, zu wenig Freiräume, zu hoher Druck und Streß im Berufsleben, zu viel allgegenwärtige Gewalt, wie zum Beispiel im Fernsehen und vieles mehr könnten die Determinanten - die immer noch im Zunehmen begriffen sind - dieser Verhaltensstörung sein. Man bedenke, daß auch Hühner in Legebatterien zu einem Verhalten hingerissen werden, wie sie bringen sich selbst und/oder Artgenossen um, das keineswegs unter normalen Umständen auftaucht.

Auch wenn man geneigt ist über die Aggression Bücher zu füllen (das sicherlich kein größeres Problem darstellen dürfte) um zu versuchen damit den Ursachen auf die Spur zu kommen, werden immer und überall Widersprüche offenkundig werden. Die innerartliche Aggression gibt es seit es höhere Lebewesen gibt, seit es den Menschen gibt macht er sich Gedanken darüber und bis heute wurde noch keine schlüssige und umfassende Antwort gefunden, die die Ursachen von Kriegen und Massenausrottungen des Menschen gegenüber Artgenossen erklären könnten.

Es kann auch nicht sein, daß eine einzige Theorie alle Formen und Arten der Aggression wird erklären können. Vielmehr können wir nur darauf hoffen, daß eine Verbindung und Kombination aus allen vorhandenen und (noch) nicht vorhandenen Modellen vielleicht irgendwann eine Antwort auf ein aggressives Verhalten einzelner Personen liefern kann. Sogar in der Physik, eine Wissenschaft in der fast alles auf reinen allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten beruht, ist es noch nicht gelungen eine allumfassende Theorie zu entwickeln, die alles erklären kann. Daher begnügt man sich zur Zeit auch hier mit verschiedenen zum Teil widersprüchlichen Modellen. Da sich jeder Mensch anders verhält ist es in den Sozialwissenschaften unverhältnismäßig schwieriger, wenn nicht unmöglich, Erklärungen zu entwickeln, die sich auf die Allgemeinheit anwenden lassen.

Ein Gewissen habendes Wesen

Da die Tiere von ihren Instinkten angetrieben sind, tun sie das was sie tun müssen3. Sie töten um zu fressen und zu überleben, sie paaren sich um die Art zu erhalten usw. Daher war es bei den Tieren nicht notwendig etwas wie ein Gewissen oder Moralvorstellungen auszubilden. Weil der Mensch jedoch viel weniger von seinen Instinkten geleitet wird und ein viel größeres Verhaltensrepertoire besitzt, mußte sich ein Mechanismus entwickeln, der unserem Handeln Einhalt gebietet. Hätten wir kein Gewissen würde auf der Erde nur noch Mord und Totschlag herrschen und die Anarchie wäre perfekt (wenn das nicht ohnehin schon der Fall ist). Ob das Gewissen seine so wichtige Aufgabe in dem Maße erfüllt wie es notwendig wäre, getraue ich mich nicht zu beurteilen.

Das zur Freiheit verurteilte Wesen

Laut Konrad Lorenz sind wir Menschen unter den Primaten ,,Spezialisten auf Nicht- Spezialisiertsein". Er wies damit auf die Universalität des Menschen hin4. Beispielsweise kann der Mensch laufen, schwimmen, tauchen, klettern uvm. Es mag zwar Tiere geben, die schneller laufen oder besser schwimmen können, jedoch besitzt kein anderes Tier diese Vielfalt an Fähigkeiten. Er kann sich dadurch an nahezu alle Umweltbedingungen anpassen, er kann am Nordpol oder in der Wüste leben. Das Tier hat seine spezifische Umwelt, der Adler fühlt sich hoch über dem Boden ,,zu Hause" und der Fisch im Wasser. Dadurch daß der Mensch nicht so ausgezeichnet angepaßt ist, kann er fast überall leben und überleben. Damit sind wir vor ein paar Aufgaben gestellt, die gemeistert werden müssen. Da wir nicht so gut in unsere Umwelt integriert sind, und der Mensch relativ wenig Instinkte besitzt, müssen wir unser Leben planen, wir müssen die Zukunft antizipieren, die Konsequenzen unserer Handlungen vorwegnehmen, Verantwortung dafür übernehmen usw. Zudem kommt noch die Greifhand als universelles Werkzeug, mit der wir fähig sind verschieden Dinge zu ergreifen und zu benutzen oder Produktion zu betreiben.

Zusammenfassung

Es könnten sicher noch viele Eigenschaften gefunden werden, die die Tiere mit dem Menschen nicht teilen, ich nehme auch nicht in Anspruch hier die wichtigsten aufgeführt zu haben. Wie wir vielleicht alle wissen, ist der Mensch zu Taten fähig, die kein anderes Tier zu leisten vermag. Dennoch glaube ich, daß diese sogenannte Sonderstellung des Menschen aufgrund des Prinzips der kleinen Ursache und großen Wirkung entstanden ist, denn biologisch gesehen unterscheiden wir uns kaum von den Tieren.. Bsp.: Wenn man es schafft eine Rasierklinge genau auf die Schneide zu stellen, braucht es nur einen kleinen Luftstoß oder Ähnliches (Ursache) und sie wird in eine Richtung fallen (Wirkung). Wäre diese Ursache nicht, oder eine andere gewesen, wäre das Ergebnis ein ganz ein anderes.

Gestaltspsychologen prägten den Satz: ,,Das Ganze ist mehr als seine Teile". Das bedeutet, daß durch eine Verbindung und ein Zusammenwirken verschiedener Systemeinheiten zu einem Ganzen sich ganz neue, vorher nicht dagewesene Eigenschaften und Leistungen ergeben können.

Nach Konrad Lorenz unterscheidet sich jede neuauftretende Systemeinheit (z.B. der Mensch) nicht nur graduell, sondern in seinem Wesen von den Einheiten aus dem sie hervorgegangen ist (z.B. Primaten). Der Warmblüter mit seiner Fähigkeit die Bluttemperatur konstant zu halten ist darin wesensverschieden zu seinen wechselwarmen Vorfahren, der Vogelflügel ist wesensverschieden von dem Reptilienarm, aus dem er hervorging usf. Daraus geht hervor, daß sich jede Art von einer anderen in seinem Wesen unterscheidet (vgl. ,,Die Rückseite des Spiegels")

Das beharrliche Festhalten am Glauben der Zweckorientiertheit des Weltgeschehens hat durchaus seine Berechtigung. Man kann mit dieser Einstellung behaupten, daß die Dinge auch ihren Lauf nehmen, wenn man dagegen ankämpft, deshalb sei es sinnlos etwas zu unternehmen, und man kann den Dingen einfach ihren Lauf lassen. Somit sind wir von jeglicher Verantwortung entbunden (Konrad Lorenz). Die Meinung zu diesem Thema ist dennoch keineswegs eindeutig, denn wenn man sagt, der Mensch sei in seiner Handlungsfähigkeit, vielleicht durch biologische Determinanten oder der Zweckorientiertheit, eingeschränkt, werden viele entgegnen, sie können sehr wohl das tun was sie wollen. Es widerstrebt uns zu glauben, daß wir nur ,,Zigeuner am Rande des Universums" sind, daß wir nur durch einen einzigen unwahrscheinlichen Zufall entstanden sind, das uns dadurch der ,,Nestwärme" der Zweckorientiertheit entreißt und in eine ,,eisige verlorene Welt" verweist (Jacques Monod, 1971). Wenn wir diese Einsicht - das nicht Vorhandensein einer Zweckorientiertheit - irgendwann annehmen werden, was dringend notwendig wäre, dann werden wir auch zur Kenntnis nehmen müssen, daß wir dadurch eigentlich gezwungen wären endlich Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen, und nicht nur zu hoffen, irgendwie wird schon alles gut werden.

Manchmal plagt mich das Gefühl, daß wir ein wenig den Überblick über unsere Relationen verloren haben. Einerseits betreiben wir mit emsigem Eifer und Freude schändlichsten Raubbau an unseren Mitgeschöpfen und der, zu unserem eigenem Leben so unentbehrlichen Erde und man kann dafür auch noch mit großzügigen gesetzlichen Förderungen rechnen. Andererseits ist man gezwungen, wenn man einmal unangegurtet im Auto ertappt wird, empfindliche Strafen hinzunehmen.

Natürlich kenne auch ich die Gründe für diesen Umstand, es bringt nun einmal Geld, wenn man die Umwelt bzw. Tiere und sogar auch Vertreter der eigenen Art ausbeutet. Wobei sich ein weiteres Mal die Kurzsichtigkeit der Menschen erkennen läßt (für Geld tun wir Alles, egal wieviel es kostet).

Wir sehen nicht einmal soweit, daß wir erkennen, daß in der Welt, die wir heute schaffen, unsere Kinder morgen leben müssen, denn sonst müßten wir dafür Sorge tragen, daß wir sie so hinterlassen wie wir sie vorgefunden haben!

Literaturverzeichnis

Eibl-Eibesfeldt, I. (1995): Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Piper. München. Huxley, A. (1960): Wiedersehen mit der Schönen neuen Welt. Piper. München. Lorenz, K. (1963): Das sogenannte Böse. Borotha-Schoeler. Wien. Lorenz, K. (1973): Die Rückseite des Spiegels. Piper. München. Lorenz, K. (1983): Der Abbau des Menschlichen. Piper. München/Zürich. Monod, J. (1971): Zufall und Notwendigkeit. Piber. München/Zürich.

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1 Alsberg, Gehlen, Portmann

2 Hobbes, Freud, Anders u.a.

3 Christentum, Kant, Darwin, Scheler u.a.

4 Sartre

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Sonderstellung des Menschen im Reiche des Lebendigen
Autor
Jahr
1997
Seiten
14
Katalognummer
V95948
ISBN (eBook)
9783638086264
Dateigröße
420 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Biologische Grundlagen der Psychologie
Schlagworte
Sonderstellung, Menschen, Reiche, Lebendigen
Arbeit zitieren
S. Ascher (Autor:in), 1997, Die Sonderstellung des Menschen im Reiche des Lebendigen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95948

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