Aktuelle Probleme im Bürgschaftsrecht


Hausarbeit, 1998

15 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel
Allgemeiner Teil
Die Bürgschaft
1. Begriff
2. Der Bürgschaftsanspruch
1. Bürgschaftsvertrag
2. Bestehen der Hauptschuld
3. Gegenrechte des Bürgen
1. Gegenrechte aus dem Verhältnis des Bürgen zum Gläubiger
a. Allgemeine Einwendungen und Einreden
b. Einrede der Vorausklage
3.2 Gegenrechte des Bürgen aus dem Verhältnis des Schuldners zum Gläubiger
a. Einrede nach § 768
b. Einrede nach § 770 I
c. Einrede nach § 770 II
3.3 Keine Gegenrechte aus dem Verhältnis des Bürgen zum Schuldner
3.4 Ansprüche des Bürgen gegen den Schuldner
a) Ersatzansprüche
1. Erlöschen der Bürgschaft
1. Allgemeine Erlöschungsgründe
2. Besondere Erlöschungsgründe

2. Kapitel
Besonderer Teil
Aktuelle Problemstellungen im Bürgschaftsrecht
1. Bürgschaften von einkommens- und vermögenslosen Familienangehörigen
2. Höchstbetragsbürgschaften für zukünftige Ansprüche
3. Haftung des Blankobürgen
3.1 Gültigkeit einer Blankobürgschaft gegenüber gutglaubigen
Dritten
Abschließend
1. Ein Vergleich zur Mietbürgschaft
2. Höchstrichterliche Urteile
3. Anmerkung des Verfassers

1. Kapitel Die Bürgschaft

1.Begriff:

Die Bürgschaft ist ein Schuldvertrag, in dem sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten verpflichtet, für die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Dritten einzustehen ( §765 1).

Vertragspartner sind also der Bürge und der Gläubiger, nicht aber der Dritte. Da aus dem Vertrag nur der Bürge verpflichtet wird, handelt es sich um einen einseitig verpflichtenden Vertrag.

Der Bürge verpflichtet sich also, als Nebenschuldner für eine fremde Schuld einzustehen. Aus diesem Grund setzt die Bürgschaft notwendigerweise eine Verbindlichkeit des Schuldners voraus. Der Gläubiger der Hauptforderung und der Bürgschaftsgläubiger müssen ein und dieselbe Person sein. Deshalb ist eine Abtretung der Rechte aus der Bürgschaft ohne die Hauptforderung unwirksam. Die Abtretung der Hauptforderung ohne die Rechte aus der Bürgschaft führt zum Erlöschen der Bürgschaft (BGH 115,177).

2.Der Bürgschaftsanspruch:

Die Inanspruchnahme des Bürgen durch den Gläubiger setzt einen gültigen Bürgschaftsvertrag und des Bestehen einer Hauptforderung voraus.

2.1 Der Bürgschaftsvertrag

Für den Abschluß eines Bürgschaftsvertrages gelten die allgemeinen Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit (§ 104 ff.).

Die Bürgschaftserklärung bedarf der Schriftform (§ 766,1). Der Bürge soll vor Übereilungen gewarnt werden, da eine Bürgschaft für ihn gefährlich werden kann.

Dem Zweck der Formvorschrift entsprechend ist nicht für den ganzen Vertrag, sondern für die Erklärung des Bürgen die Schriftform erforderlich.

Damit die Schriftform gewahrt wird, ist es erforderlich, alle wesentlichen Teile der Bürgschaftserklärung schriftlich niederzulegen.

Die Urkunde muß den Gläubiger, den Hauptschuldner und die zu sichernde Forderung bezeichnen sowie den Verbürgungswillen erkennen lassen (BGH NJWRR 1991, 757; ZIP 1993, 102) Damit der Vertrag Gültigkeit erlangt, muß die schriftliche Erklärung "erteilt" sein.

Dazu genügt nicht die Unterzeichnung des Schriftstücks; vielmehr ist es erforderlich, daß dieses dem Gläubiger zur Verfügung gestellt wird.

2.2 Bestehen der Hauptschuld

Da die Bürgschaft zu Sicherungszwecken benötigt wird, ist sie vom jeweiligen Bestand der Hauptforderung abhängig (Akzessorietät der Bürgschaft; §767 I 1; dazu BGH WM 1991,1869) Ist die Hauptforderung nicht entstanden, so besteht auch keine Forderung des Gläubigers gegen den Bürgen. Zwar kann die Bürgschaft auch für eine künftige oder eine bedingte Verbindlichkeit übernommen werden (§ 765 II); solange aber diese Hauptschuld noch nicht entstanden ist, bleibt die Bürgschaft schwebend unwirksam. Ist die Hauptschuld entstanden und sie vermindert sich oder sie erlischt, so ermäßigt sich oder erlischt auch die Bürgschaft. Die Bürgschaft ist durch die Akzessorietät unmittelbar an die Hauptschuld geknüpft. Sollte sich die Hauptschuld erhöhen, ist zu unterscheiden, ob die Erhöhung aufgrund eines Gesetzes oder auf ein Rechtsgeschäft beruht. Eine gesetzliche Erweiterung der Hauptschuld (z.B. Schadensersatz wegen Schuldnerverzugs) führt zu einer Erweiterung der Bürgschaftsschuld (§ 767 I 2). Der Bürge haftet auch für die vom Schuldner dem Gläubiger zu ersetzenden Kosten der Kündigung und Rechtsverfolgung (767 II). Gegen solche Erhöhungen seiner Verpflichtung kann sich der Bürge nur schützen, indem er eine Höchstbetragsbürgschaft abschließt. Mit der Höchstbetragsbürgschaft vereinbart er mit dem Gläubiger nur bis zu einem bestimmten Betrag einzustehen.

Eine rechtsgeschäftliche Erweiterung der Hauptschuld (durch Vereinbarungen zwischen Gläubiger und Schuldner nach Übernahme der Bürgschaft) führt nicht zu einer Erweiterung der Bürgschaftsschuld (§ 767 I 3). Das schützt den Bürgen davor, daß Gläubiger und Schuldner ihm eine Verpflichtung auferlegen, die er nicht übernehmen wollte. Sollte der Bürge jedoch damit einverstanden sein, daß seine Bürgschaft erhöht wird und er diese Erklärung schriftlich abgibt, ist er nicht schutzwürdig (§ 766).

3.Gegenrechte des Bürgen

3.1 Gegenrechte aus dem Verhältnis des Bürgen zum Gläubiger

a. Allgemeine Einwendungen und Einreden

Einwendungen und Einreden gegenüber dem Gläubiger können dem Bürgen aus dem Bürgschaftsvertrag oder aus einem anderen Grund (z.B. Aufrechnung mit einer Gegenforderung des Bürgen gegen den Gläubiger) zustehen. Das ergibt sich zwar nicht aus den Regeln der §§ 765 ff., wohl aber aus allgemeinen Grundsätzen. So kann der Bürge z.B. die Formrichtigkeit des Bürgschaftsvertrages (§§ 125, 766) geltend machen. Er hat die Möglichkeit, seine Willenserklärung aufgrund der §§ 119 ff. (Irrtum) anzufechten. Allerdings scheidet eine Anfechtung nach § 119 II wegen Irrtums über die Kreditwürdigkeit des Schuldners aus, da es gerade der Sinn der Bürgschaft ist, dem Gläubiger gegenüber für die Schuld des Schuldners einzustehen, wenn dieser nicht leisten kann.

b. Einrede der Vorausklage

Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner ohne Erfolg versucht hat (§ 771). Er hat auch die verzögerliche Einrede der Vorausklage. Sie ergibt sich aus der Subsidiarität der Bürgschaftsverpflichtung; der Bürge will normalerweise erst nach dem Schuldner haften und nur für den Fall einstehen, daß Rechtshilfe gegen den Schuldner fruchtlos versucht worden ist.

In der heutigen Praxis verzichtet der Bürge auf die Einrede der Vorausklage. Er verbürgt sich als Selbstschuldner (§ 773 I Nr.1) und tritt damit sofort bei Fälligkeit der Forderung für den Schuldner ein. Die selbstschuldnerische Bürgschaft schließt nur die Einrede der Vorausklage, nicht aber andere Gegenrechte des Bürgen aus. Der Verzicht auf die Einrede bedarf der Form des § 766 (BGH NJW 1968, 2332)

3.2. Gegenrechte des Bürgen aus dem Verhältnis des Schuldners zum Gläubiger.

a. Einrede nach § 768

Die Einreden des Schuldners kann auch der Bürge geltend machen (§ 768 I 1). Aus dem Grundgedanken der Akzessorität folgt, daß der Bürge nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn der Schuldner dem Gläubiger nicht zur Leistung verpflichtet ist. Durch ein Verzicht der Einrede gegenüber dem Gläubiger von Seiten des Schuldners wird die Situation des Bürgen nicht verschlechtert (§ 768 II).

b. Einrede nach § 770 I

Ist es dem Schuldner möglich, das seiner Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft nach §§ 119 ff. anzufechten, so wird dadurch der Bestand der Hauptschuld und damit der Bürgschaft nicht berührt. Der Bestand wird erst dann berührt, wenn er sein Anfechtungsrecht ausübt.

Wird die Anfechtung wirksam erklärt, so erlischt die Hauptschuld (§ 142 I) und folglich durch die Akzessorität auch die Schuld des Bürgen (§ 767 I).

Es wäre nicht rechtens wenn der Bürge in der Schwebezeit bis zur Anfechtungserklärung schon aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werden könnte. Aus diesem Grund gibt § 770 I ihm eine verzögerliche Einrede. Der Bürge kann das Rechtsgeschäft zwischen Schuldner und Gläubiger nicht anfechten. Deshalb darf er die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange dem Schuldner das Anfechtungsrecht zusteht.

c. Einrede nach § 770 II

Der Bürge kann auch dann seine Leistung verweigern, wenn und solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des Schuldners befriedigen kann (§ 770 II).

Wenn der Bürge in Unkenntnis der Aufrechnungsmöglichkeit zahlt, kann er das Geleistete nicht zurückfordern.

3.3 Keine Gegenrechte aus dem Verhältnis des Bürgen zum Schuldner

Einwendungen und Einreden, die der Bürge z.B. aus dem der Bürgschaft zugrunde liegenden Rechtsverhältnis gegen den Schuldner hat, spielen im Verhältnis des Bürgen zum Gläubiger keine Rolle. Der Bürge kann sie also nicht gegenüber dem Gläubiger geltend machen.

3.4. Ansprüche des Bürgen gegen den Schuldner

Hat der Bürge den Gläubiger befriedigt, kann er vom Schuldner Ersatz verlangen. Aber schon vor der Befriedigung des Gläubigers hat der Bürge unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Befreiung.

a. Ersatzansprüche

Aus einem der Bürgschaft zugrunde liegendem Rechtsverhältnis zwischen dem Bürgen und dem Schuldner kann sich ein Ersatzanspruch des Bürgen ergeben, wenn dieser den Gläubiger befriedigt hat.

Erfüllt der Bürge seine Leistung gegenüber dem Gläubiger, so geht der Forderungsanspruch gegen den Schuldner auf den Bürgen über. Es handelt sich hierbei um einen gesetzlichen Gläubigerwechsel. Der Schuldner soll durch die Leistung des Bürgen nicht von seiner Verbindlichkeit befreit werden. Mit der Forderung gehen auch die Rechte, die der Sicherung dieses Anspruchs dienen (z.B. Pfandrechte) auf den Bürgen über. Da durch den Forderungsübergang die Rechtsstellung des Schuldners nicht verschlechtert werden soll, hat er nun gegenüber dem Bürgen alle Einreden, die er auch gegen den Gläubiger hatte. Außerdem stehen ihm auch die Einreden zu, die er aus dem Verhältnis zum Bürgen hatte.

4. Erlöschen der Bürgschaft

4.1 Allgemeine Erlöschungsgründe

Wie jede Schuld erlischt auch die Bürgschaft durch Erfüllung.

4.3 Besondere Erlöschungsgründe

- Die Bürgschaft erlischt, wenn die Hauptschuld erlischt (Akzessorietät).
- Wenn der Gläubiger vorsätzlich und ohne Zustimmung des Bürgen ein die Forderung sicherndes Recht aufgibt (§ 776; z.B. Hypothek, Pfandrecht). · Wenn ein neuer Schuldner die Hauptschuld übernimmt. Der Grund ist hier, daß der Bürge geschützt werden soll wenn der neue Hauptschuldner weniger solvent ist.
- Bei einer Zeitbürgschaft nach Ablauf der Frist.

2. Kapitel Aktuelle Problemstellungen im Bürgschaftsrecht

1. Bürgschaften von einkommens- und vermögenslosen Familienangehörigen

Laut Bundesverfassungsgericht müssen die Zivilgerichte insbesondere bei der Konkretisierung und Anwendung von Generalklauseln wie § 138 (Sittenwidrigkeit) und § 242 die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie in Art. 2 I GG beachten. Sie haben die Pflicht zur Inhaltskontrolle von Verträgen, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und aus ungleich starken Verhandlungsstärken resultieren.

Es geht hierbei um die Frage, inwieweit die Zivilgerichte von verfassungs wegen verpflichtet sind, Bürgschaftsverträge mit Banken einer Inhaltskontrolle zu unterziehen, wenn einkommens- und vermögenslose Familienangehörige für hohe Summen bürgen. Die aktuelle Problemstellung hat sich dadurch entwickelt, daß in der heutigen Bankpraxis häufig Bürgschaftsverträge mit Familienangehörigen geschlossen werden. Die Bürgen verpflichten sich dann für Verbindlichkeiten aus Konsumentenkrediten oder Geschäftskrediten einzustehen. Die Einkommens- verhältnisse der Bürgen bleiben dabei oft unberücksichtigt. Nach einer Stellungnahme des Bundesverbandes der deutschen Banken geht es in diesen Verträgen nicht primär darum, die Haftungsmasse zu erhöhen, sondern auch darum, Vermögensverschiebungen zu mindern. Die Schuldner sollen zum sorgfältigeren Wirtschaften veranlaßt werden.

Mehrere Instanzgerichte unterzogen diese Vertragspraxis zunächst einer Inhaltskontrolle und kamen abschließend zu dem Urteil sie als sittenwidrig im Sinne des § 138 zu bewerten. Das LG Lübeck (NJW 1987,959) hat sogar Verpflichtungen als sittenwiedrig beanstandet, die von vorneherein und erkennbar die monatliche Pfändungsfreigrenze des Schuldners übersteigten. Andere Landgerichte beriefen sich auf den § 310, indem erklärt wird, daß Verträge die sich auf künftiges Vermögen beziehen, als nichtig anzusehen sind. Diese Vorschrift habe über ihren Wortlaut hinaus die Bedeutung, das Individuum gegen den Verlust des "unveräußerlichen Menschenrechts auf Hoffnung und auf das Streben nach Glück" zu schützen. Die Mithaftung wurde als nichtig erklärt, wenn der Gläubiger von vornherein erkennen konnte, daß es zu auswegloser Überschuldung führen müsse. Verschiedene Gerichte knüpften vor allem an die Aufklärungs- und Rücksichtspflichten an, die sich aus § 242 ergeben. Zahlungsklagen wurden abgewiesen und Banken zu Schadensersatz verurteilt, weil sie Mißverständnisse nicht in der gebotenen Weise ausgeräumt hatten und daher ihre Hinweispflichten verletzten. Doch wurde andererseits die Inhaltskontrolle der Verträge durch die Instanzgerichte vom Zivilsenat des BGH weitgehend verworfen.

Laut BGH wurden nun aber die Freiheit der Vertragsgestaltung angesprochen. Die Bürgschaftsverträge könnten nicht deshalb als sittenwidrig angesehen werden, weil sie voraussichtlich zu einer Überschuldung führen. Die Unerfahrenheit des Bürgen sei kein Grund, die Kreditinstitute mit Aufklärungspflichten zu belasten, denn ein Volljähriger wisse im allgemeinen von der Bedeutung einer Bürgschaft. Die Banken könnten danach davon ausgehen, daß der Bürge sich seiner Verpflichtung bewußt ist.

Inzwischen hat der XI. Zivilrechtsrat die Rechtsprechung modifiziert. Unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht vertritt er die Auffassung, bei gestörter Vertragsparität sei der Richter zu einer Inhaltskontrolle von Bürgschaftsverträgen mit Hilfe der Generalklauseln des BGB verpflichtet. Die Mithaftung von Familienangehörigen kann sich also unter bestimmten Voraussetzungen als sittenwidrig darstellen.

Ein Beispiel dazu:

Der einundzwanzigjährige Sohn eines Immobilienmaklers verbürgt sich für einen Kredit über 100 TDM der Bank an seinen Vater. Der Sohn unterzeichnet ein bankübliches Formular mit dem Verzicht auf eine Einrede der Vorausklage und tritt selbstschuldnerich in die Haftung ein. Der Sohn erhielt für das Kreditkonto des Vaters ein Zeichnungsrecht, verfügte aber über kein Vermögen. Er hatte keine Berufsausbildung, war überwiegend arbeitslos und verdiente zur Zeit der Bürgschaftserklärung in einer Fabrik 1150 DM monatlich. Als der Vater zahlungsunfähig wurde, wollte die Bank den Bürgen in Anspruch nehmen. Da die Bank den Bürgen nicht richtig aufgeklärt und den Umfang der Bürgschaft bagatellisiert hatte, wurden von Seiten der Bank die ihr obliegenden Aufklärungspflichten verletzt. Das Gericht entschied, daß der Bürge aus seiner Verpflichtung entlassen werden müsse.

Dieses Urteil des OLG wurde vom BGH aufgehoben. Der BGH argumentierte Damit, daß die Bürgschaft ein einseitig verpflichtendes Rechtsgeschäft sei, bei dem den Gläubigern in der Regel weder eine Aufklärungspflicht noch die Pflicht treffe, sich über den Wissensstand des Bürgen zu unterrichten. Eine über 18 jährige Person wisse im allgemeinen von den Risiken der Bürgschaft. Es könnte bei Abschluß der Bürgschaft nicht davon ausgegangen werden, daß der Bürge nicht in Anspruch genommen wird. Auch wäre zur Zeit des Vertragsabschlusses die Bonität des Hauptschuldners gut und der Bürge hätte sich selber über die Entwicklung der Geschäfte des Hauptschuldners informieren müssen.

Anhand dieses Beispiels wird verdeutlicht welche Problematik diese Konstellationen beinhalten. Die verschiedenen Gerichte bewerten oft gegensätzlich und es ist schwer, eine einheitliche Lösung in dieser Problematik zu finden.

2. Höchstbetragsbürgschaften für zukünftige Ansprüche

Auch zukünftige Ansprüche können den Anlaß für eine wirksame formularmäßige Höchstbetragsbürgschaft geben, sofern der Bürge bei Übernahme der Haftung weiß, aus welchem Grund und bis zu welcher Höhe diese Forderungen entstehen werden.

Eine Beispiel dazu:

Ein Geschäftsmann betreibt ein Werbestudio als Einzelkaufmann. Er verhandelt mit einer Bank über die Ablösung eines Kredites von einer weiteren Bank. Schließlich gründet der Geschäftsmann ein weiteres Unternehmen, es ist die C-Werbungs GmbH. Die Bank tritt als Gesamtfinanzierer ein. Um die Verbindlichkeiten abzusichern, verbürgt sich der Geschäftsmann und seine Frau. Die Ehefrau unterzeichnet eine formularmäßige Bürgschaftsurkunde, mit der sie alle bestehenden und künftigen Forderungen aus der Geschäftsbeziehung mit der C-Werbungs GmbH absichert. Für Ansprüche, die aus dem einzelkaufmännischen Betrieb entstehen, unterzeichnet sie eine formularmäßige Höchstbetragsbürgschaft bis 150 TDM zuzgl. Zinsen und Kosten. Im Laufe der Geschäftsbeziehung zwischen Bank und den beiden Unternehmen werden noch einige Kredite vergeben.

Als das Konkursverfahren gegen die C-Werbungs GmbH eingeleitet wird, bemißt sich die Forderung der Bank gegen die Eheleute auf 650 TDM.

In diesem Fall geht es nun darum, inwieweit Bürgschaften für zukünftige Ansprüche geltend gemacht werden können. Der BGH argumentierte folgendermaßen:

Die formularmäßige Ausdehnung der Haftung auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten aus der Geschäftsbeziehung zum Hauptschuldner benachteiligt, trotz der Begrenzung auf einen Höchstbetrag den Bürgen entgegen den Grundsätzen von Treu und Glaube unangemessen (§ 9 I AGBG). Des weiteren hat der Senat die weite Zweckerklärung der Haftung in den AGB beanstandet, weil sie mit der gesetzlichen Bestimmung des § 767 I 3 (Umfang der Bürgschaftsschuld) nicht zu vereinbaren ist. Diese schützt den Bürgen davor, für neue Schulden einzustehen, deren Entstehung und ordnungsgemäße Tilgung er nicht beeinflussen kann. Die Vorschrift soll verhindern, daß der Bürge durch Maßnahmen des Hauptschuldners und des Gläubigers, an denen er nicht mitwirkt, in eine für ihn unabsehbare Haftung gerät. Wegen dieses Verbots der Fremddisposition über die Bürgschaftsschuld ist eine formularmäßige Ausdehnung der Verpflichtung auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung grundsätzlich nach § 9 ARBG unwirksam, soweit sie Forderungen aus künftigen Verträgen und nachträglichen Vertragsänderungen betrifft. Wäre die umfassende Haftungsklausel bei Höchstbetrags-bürgschaften zulässig, könnten Gläubiger und Hauptschuldner nach Erteilung der Bürgschaft in unbeschränktem Umfang neue Verbindlichkeiten begründen, die alle in Höhe der vereinbarten Haftungssumme von der Bürgschaft gedeckt wären.

Bei einer solchen Konstellation wäre das Risiko für den Bürgen, anstelle des Hauptschuldners leisten zu müssen, im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme nicht abschätzbar. Eine solche Regelung ist mit dem § 767 (Umfang der Bürgschaft) nicht zu vereinbaren. Der Bürge hat laut BGB eine Erhöhung der Hauptforderung nur hinzunehmen, soweit sie auf einem Verschulden des Hauptschuldners gegenüber dem Gläubiger beruht oder bestimmte Kosten der Rechtsverfolgung betrifft (§ 767 I 2, II). Darüber hinaus kann eine Erweiterung der Bürgschaftsverpflichtung ohne Zustimmung des Bürgen nicht erfolgen. Auf diese Weise wird der Schutz seiner Privatautonomie sichergestellt. Eine Bestimmung, die es dem Gläubiger gestattet, innerhalb eines Haftungshöchstbetrages unbeschränkt zukünftige Forderungen der Haftung des Bürgen zu unterliegen, entfernt sich von dem gesetzlichen Leitbild so weit, daß sie mit dem Grundgedanken der im BGB getroffenen Regelung nicht mehr vereinbar ist (§ 9 II Nr. 1 AGBG).

Aus diesen Gründen ist - wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 7.3.96 NJW 1996, 1470) - die formularmäßige Erstreckung der Bürgschaftshaftung über diejenigen Forderungen hinaus, die Anlaß zur Verbürgung gaben, auf zukünftige Ansprüche des Gläubigers unwirksam.

Für unser Beispiel bedeutet dies, daß die Ehefrau für die Kreditforderungen, die der Klage zugrunde liegen, nicht einzustehen hat. Abschließend zum Thema Höchstbetragsbürgschaften bleibt noch zu erwähnen, daß mit dieser Rechtsprechung das berechtigte Intresse des Bürgen, nicht für Forderungen einstehen zu müssen, deren Inhalt und Umfang er bei Erteilung seiner Willenserklärung nicht absehen kann gewahrt bleibt. Dieses ist bei zukünftigen Ansprüchen dann gewahrt, wenn der Kreis der Hauptschuldner, auf die sich seine Verpflichtung bezieht, nach Grund und Umfang von Anfang an klar und übersichtlich abgegrenzt ist.

3. Haftung des Blankobürgen BGH Urteil:

a. Eine formbedürftige Bürgschaft kann nicht in der Weise wirksam erteilt werden, daß der Bürge eine Blankounterschrift leistet und einen anderen mündlich ermächtigt, die Urkunde zu ergänzen.
b. Wer nicht Kaufmann ist, kann einen anderen zur Erteilung einer Bürgschaft wirksam nur schriftlich bevollmächtigen.
c. Gibt der Bürge eine Blankounterschrift ohne formgerechte Vollmacht oder Ermächtigung aus der Hand, haftet er gegenüber dem Gläubiger, der eine vollständige Urkunde erhält und ihr nicht ansehen kann, daß sie durch einen anderen ergänzt wurde.
d. Die Änderung einer lange geltenden höchstrichterlichen Rechtssprechung wirkt grundsätzlich auf den Vertragsschluß zurück, soweit dem die Grundsätze von Treu und Glaube nicht entgegenstehen.

Bei einer Blankobürgschaft wird oft ihre Wirksamkeit in Frage gestellt. So bedarf die Bürgschaft nach § 766 der Schriftform. Eine Blankounterschrift wird nicht durch eine aufgrund mündlicher Ermächtigung vorgenommene Ergänzung der Urkunde zu einer nach § 766 S.1 formwirksamen Bürgschaft.

Die Bestimmungen des § 766 sollen ausschließlich dem Schutzbedürfnis des Bürgen dienen. Dieser soll damit zur größerer Vorsicht angehalten werden und vor nicht ausreichend überlegten Erklärungen gesichert werden. Diese Vorschrift soll den Bürgen vor der mit seiner Erklärung verbundenen Haftung warnen. So ist die Schriftform nur gewahrt, wenn die Urkunde außer dem Willen, für fremde Schuld einzustehen, auch die Bezeichnung des Gläubigers, des Hauptschuldners und der verbürgten Forderung enthält. Dieser Warnfunktion wird demnach nicht schon dadurch genügt, daß der Bürge ein Schriftstück unterzeichnet, aus dem sich sein Verbürgungswille ergibt. Die Urkunde soll vielmehr zugleich das übernommene Risiko eingrenzen und es dem Bürgen bei Abgabe seiner Erklärung vor Augen führen (BGH, NJW 1989, 1484).

Das Gesetz schreibt für eine Bürgschaftserklärung die Schriftform vor. § 126 (Gesetzliche Schriftform) verlangt aber lediglich, daß die Urkunde von dem Aussteller durch Namensunterschrift eingenhändig unterzeichnet ist. Danach braucht der Text nicht fertiggestellt zu sein, wenn die Unterschrift geleistet wird. Der Erklärende kann das Papier also auch Blanko zeichnen, die Schriftform bleibt in diesem Fall bei Vervollständigung der Urkunde gewahrt. Auf diese Erwartungen hatte sich die bisherige Rechtssprechung gestützt. Sie vermag jedoch nicht zu überzeugen, weil dabei Sinn und Zweck der Formenstrenge im Bürgschaftsrecht nicht hinreichend beachtet wird. Dem § 766 läßt sich allerdings nicht entnehmen, daß die Bürgschaft mit den zwingend gebotenen Angaben zur Person des Gläubigers und des Hauptschuldners sowie zum Inhalt der Verbindlichkeit eingenhändig geleistet werden muß. Der § 766 stellt dadurch, daß die inhaltlichen Merkmale dem Bürgen schon vor der Unterschriftsleistung "schwarz auf weiß" bewußt gemacht werden sollen, besondere Anforderungen an die Schriftform, die allein dem Ziel dient, den Bürgen vor übereilten Übernahmen der Verpflichtung zu schützen.

Die Formvorschrift des § 766 S. 1 entspricht auch der Auslegung vergleichbarer, dem Schutz des Schwächeren dienender Formvorschriften in Verbraucherschutzgesetzen. Fehlen z.B. bei einem Kreditvertrag wesentliche Bestandteile, so ist der Vertrag nichtig. Diese Rechtsfolge ist zur Sicherung der zutreffenden Information über die wesentlichen Kreditkonditionen und zur Warnung des Verbrauchers vor unüberlegtem finanziellem Engagement angeordnet. So bedarf es laut § 4 Verbraucherkreditgesetz weitaus höheren inhaltlichen Anforderungen an die Erklärung als in § 766, denn die Blankourkunde ist nicht wegen der Zahl der zu beachtenden Punkte ungeeignet, der Schriftform zu genügen, sondern allein deshalb, weil damit der vom Gesetzgeber beabsichtigte Zweck verfehlt würde, den im Gesetz bezeichnete Personenkreis davor zu schützen sich unüberlegt oder ohne ausreichende Informationen über Inhalt und Wirkung seiner Willenserklärung zu verpflichten. Eine vergleichbare Warnung beabsichtigt § 766 für Bürgschaften von Personen, die keine Kaufleute sind, ganz allgemein.

1. Gültigkeit einer Blankobürgschaft gegenüber gutglaubigen Dritten

Nach der Rechtssprechung des BGH muß in entsprechender Anwendung des § 172 II derjenige, der ein Blankett mit seiner Unterschrift aus der Hand gibt, den durch dessen Ausfüllung geschaffenen Inhalt einem gutgläubigen Dritten gegenüber als seine Erklärung gegen sich gelten lassen, unabhängig davon, ob der vollständige Text seinem Willen entspricht oder nicht (BGHZ 40,65 = NJW 1963). Diese Rechtsfolge trifft zu Recht auch einen Bürgen, der die Blanketturkunde einem anderen ohne formgerechte Ermächtigung überläßt. Zwar entsteht in diesem Falle dadurch, daß die Urkunde ergänzt wird, keine formgerechte Verpflichtung; jedoch hat der Bürge durch sein Verhalten zurechenbar einen Rechtsschein gesetzt, auf den sich der redliche Geschäftspartner verlassen und kraft dessen er den Unterzeichnenden in Anspruch nehmen kann. Schutzbedürftig ist indessen nur derjenige, der eine vollständige Urkunde erhält und annehmen darf, die Erklärung stamme vom Bürgen selbst, der Urkunde also die Ergänzung durch den nicht wirksam ermächtigten Dritten nicht ansehen kann.

Abschließend:

1. Ein Vergleich Die Mietbürgschaft

Nicht nur für Kredite sondern auch für Mietverträge wird oft eine Bürgschaft gefordert. Diese "Notlage" nutzen manche Vermieter aus und verlangen zum Beispiel von den Eltern eine Bürgschaft über die Jahresmiete der Studentenbude ihrer Tochter. Das müssen die Eltern jedoch nicht akzeptieren, denn solch eine Vereinbarung ist sittenwidrig. Nach einem BGH-Urteil darf der Vermieter nur eine Bürgschaft über maximal drei Monatskaltmieten einfordern (IX ZR 16/90). Bietet der Bürge von sich aus höhere Sicherheiten an, zum Beispiel über die gesamte Jahresmiete, darf der Vermieter auch höhere Beträge annehmen.

Die Bürgschaft sollte niemals eine Gefälligkeitsleistung sein, auch nicht für

Familienmitglieder, Verwandte oder gute Freunde. Eine Unterschrift ist schnell geleistet - doch die kann den Bürgen genauso schnell in den Ruin treiben.

2. Höchstrichterliche Urteile

Höchstrichterliche Urteile sind Gesetzen nicht gleichzustellen und erzielen auch keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Durch das Abweichen von einer früher vertretenen Rechtsansicht verstößt der Richter grundsätzlich nicht gegen Art. 20 III GG. Er bedarf dazu insbesondere nicht des Nachweises, daß sich tatsächliche Verhältnisse oder allgemeine Anschauungen in einer bestimmten Hinsicht geändert haben (NJW 1991, 2549). Gerichtliche Entscheidungen, die die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts betreffen, wirken als Akt wertender Erkenntnis schon ihrer Natur nach auf einen in der Vergangenheit liegenden, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt ein.

3. Anmerkung des Verfassers

Diese Darstellung der Bürgschaft und der neuen Urteile im Bürgschaftsrecht wurde bewußt simplifiziert. Die Beispiele sollen einen Einblick geben und können die ganze Komplexität der Rechtsmaterie nicht darstellen. Eine ausführlichere Darstellung würde das Ziel der Arbeit überschreiten. Auch wurde nicht auf alle neuen Rechtssprechungen eingegangen, vielmehr soll durch den Einbezug des 1. Kapitels der Bezug zur ursprünglichen Gesetzgebung des BGB gewahrt bleiben. Das 2. Kapitel soll nur einführend wirken und einen Denkanstoß geben.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Aktuelle Probleme im Bürgschaftsrecht
Note
2
Autor
Jahr
1998
Seiten
15
Katalognummer
V96053
ISBN (eBook)
9783638087308
Dateigröße
359 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aktuelle, Probleme, Bürgschaftsrecht
Arbeit zitieren
Michael Engelberth (Autor:in), 1998, Aktuelle Probleme im Bürgschaftsrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96053

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