Die Entwicklung von Religiosität - Einblick in die religionspsychologische Theoriediskussion und Grundlinien religionspädagogischer und pastoraltheologischer Relevanz


Magisterarbeit, 1998

110 Seiten


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINFÜHRUNG UND ÜBERBLICK

2. DER STANDORT DER RELIGIOSITÄT IN GESELLSCHAFT UND PSYCHOLOGIE
2.1 ZUR GEGENWÄRTIGEN RELIGIÖSEN LANDSCHAFT IN UNSERER GESELLSCHAFT
2.2 DIE AUFGABE DER RELIGIONSPSYCHOLOGIE
2.3 ZUM VERHÄLTNIS VON RELIGIONSPSYCHOLOGIE UND THEOLOGIE

3. DEFINITORISCHE ASPEKTE VONRELIGIOSITÄTUNDENTWICKLUNG
3.1 DIE DEFINITIONSPROBLEMATIK VON RELIGION UND RELIGIOSITÄT
3.1.1 Zur Etymologie
3.1.2 Der Zusammenhang von Religiosität und Religion
3.1.3 Substantielles und funktionales Religionskonzept
3.1.3.1 Das substantielle Religionskonzept
3.1.3.2 Das funktionale Religionskonzept
3.1.3.3 Substantielles vs. funktionales Religionskonzept?
3.1.4 Zur Dimensionalität von Religiosität
3.1.4.1 Allports Ansatz extrinsisch bzw. intrinsisch motivierter Religiosität
3.1.4.2 Die fünf Dimensionen der Religiosität von Glock
3.1.5 Fazit
3.2 THEORIEN DER ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE
3.2.1 Einführende Bemerkungen
3.2.2 Der traditionelle Entwicklungsbegriff
3.2.2.1 Merkmale
3.2.2.2 Die Stufenkonzeption in der Kritik aktueller entwicklungspsychologischer Forschung
3.2.3 Die Theoriebildung im Kontext des Anlage- bzw. Umwelteinflusses
3.2.3.1 Die endogenistischen Theorien
3.2.3.2 Die exogenistischen Theorien
3.2.3.3 Die Selbstgestaltungstheorien
3.2.3.4 Die interaktionistischen Theorien
3.2.4 Entwicklung als Erziehung und Sozialisation
3.2.5 Fazit

4. RELIGIÖSE ENTWICKLUNG IM ANLAGE-UMWELT-KONTEXT
4.1 BEOBACHTUNGEN UND ERFAHRUNGEN
4.1.1 Piagets Untersuchungen zum kindlichen Weltbild
4.1.2 Veränderungen im finalistischen und verdienstorientierten Denken
4.1.3 Veränderungen in derÜbernahme von Glaubensüberzeugungen
4.1.4 Gottesvergiftung - biographisches Zeugnis einer religiösen Neurose
4.2 ENDOGENISTISCHE THEORIEN UND DIE FRAGE NACH DER RELIGIÖSEN ANLAGE
4.2.1 Zur Relevanz endogenistischer Theorien
4.2.2 Zur religiösen Anlage
4.2.2.1 Tertullian und seine philosophisch-theologische Sichtweise
4.2.2.2 Pawlow und seine biologistische Sichtweise
4.2.2.3 Jung und seine psychologische Sichtweise
4.2.2.4 Oerter und seine anthropologische Sichtweise
4.2.2.5 Rahner und seine transzendental-anthropologischen Sichtweise
4.2.2.6 Die Relevanz der Anlage-Diskussion in der Religionspsychologie
4.3 EXOGENISTISCHE THEORIEN
4.4 SELBSTGESTALTUNGSTHEORIEN
4.4.1 Überblick
4.4.2 Tiefenpsychologisch orientierte Ansätze
4.4.2.1 Sigmund Freud
4.4.2.1.1 Religion im Zusammenhang von Zwang und Schuld
4.4.2.1.2 Religiosität als regressiver Wunsch nach dem Schutz eines allmächtigen Vaters
4.4.2.1.3 Kritische Würdigung
4.4.2.2 Erik H. Erikson
4.4.2.2.1 Der Hauptgegenstand der Religion
4.4.2.2.2 Die Bedeutung des Säuglingsalters
4.4.2.2.3 Die Bedeutung des Jugendalters
4.4.2.2.4 Die Suche nach Integrität als lebenslange Aufgabe des religiösen Menschen
4.4.2.2.5 Kritische Würdigung
4.4.2.3 Ana-Maria Rizzuto
4.4.2.3.1 Beschreibung der Gottesvorstellung
4.4.2.3.2 Die normale, idealtypische religiöse Entwicklung
4.4.2.3.3 Kritische Würdigung
4.4.3 Strukturgenetische Ansätze
4.4.3.1 Vorbemerkungen
4.4.3.2 Ronald Goldman
4.4.3.2.1 Zum Untersuchungs-Setting
4.4.3.2.2 Die Stufenkonzeption
4.4.3.2.3 Kritische Würdigung
4.4.3.3 James Fowler
4.4.3.3.1 Fowlers Glaubensbegriff
4.4.3.3.2 Zum Untersuchungs-Setting
4.4.3.3.3 Die Stufenkonzeption
4.4.3.3.4 Kritische Würdigung
4.4.3.4 Fritz Oser & Paul Gmünder
4.4.3.4.1 Grundannahmen der Theorie
4.4.3.4.1.1 Zur Religiosität
4.4.3.4.1.2 Zum Begriff des ‚religiösen Urteils‘
4.4.3.4.2 Zum Untersuchungs-Setting
4.4.3.4.3 Die Stufenkonzeption
4.4.3.4.4 Kritische Würdigung
4.4.4 Fazit
4.5 INTERAKTIONISTISCHE THEORIEN
4.5.1 Die Interaktionszusammenhänge religiöser Theoriebildung
4.5.2 Der Ansatz Groms
4.5.2.1 Die Entwicklung der begrifflich-logischen Kompetenz
4.5.2.2 Der Einfluß religiöser Kultur und Sozialisation
4.5.2.3 Verwurzelung in nicht-kognitiven Motiven
4.5.2.4 Würdigung und Kritik
4.6 FAZIT

5. RELIGIONSPÄDAGOGISCHE UND PASTORALTHEOLOGISCHE RELEVANZ
5.1 DIE ENTWICKLUNGSBEZOGENHEIT RELIGIÖSER ERZIEHUNG
5.1.1 Den Entwicklungsstand von Kindern und Jugendlichen ernstnehmen und anerkennen
5.1.2 Vermeiden von Fehlentwicklungen
5.2 BEGLEITUNG ALS ERZIEHUNGSSTIL
5.2.1 Schaffung von Erfahrungsräumen
5.2.2 Elementarisierung im Religionsunterricht
5.2.3 Der tiefenpsychologische Kontext begleitender Erziehung
5.3 DER KAIROS RELIGIÖSER LERN- BZW. BILDUNGSANGEBOTE
5.4 DIE REVISION KIRCHLICHER PRAXIS
5.4.1 Zur Kerygmatik
5.4.2 Zur Jugendarbeit und Erwachsenenbildung
5.4.3 Zur Entwicklungsnotwendigkeit kirchlicher Praxis

6. NEUN THESEN ZUM ABSCHLUSS

ANHANG
A) SIGMUND FREUDS MODELL DER PSYCHOSEXUELLEN ENTWICKLUNG
B) ERIK H. ERIKSONS MODELL DER PSYCHOSOZIALEN ENTWICKLUNG
C) JEAN PIAGETS THEORIE DER KOGNITIVEN ENTWICKLUNG
D) LAWRENCE KOHLBERGS ENTWICKLUNGSMODELL DER MORAL

1. EINFÜHRUNG UND ÜBERBLICK

Ist Religion und Religiosität lediglich ein Gegenstand der Philosophie oder der Theolo- gie?

Um diese Frage zu erhellen, kommt die Äußerung eines 20jährigen Elektromaschinenbauers zu Religion bzw. Religiosität zur Sprache:

„Früher als Kind, oder besser gesagt bis zu meinem 13. Lebensjahr glaubte ich noch an Gott wie halt Kinder an Gott glauben. Je älter ich wurde und je mehr ich darüber nach- dachte verschwand mehr und mehr dieser Glaube. Wahrscheinlich machte ich einen Fehler. Ich wägte das Für und Wider ganz genau ab und zwar realistisch. Da gab es Wunder die nicht zu erklären waren, wiederum gab es Widersprüchliches gegen die Kirche. Wie ich schon gesagt habe, dieses Thema ist nicht realistisch zu bearbeiten. An Gott zu glauben muß von innen her miteinander abgemacht werden. Sie [die Religion] ist ein guter Rück- halt, ein Nichtaufgeben, ein Glauben an das Bessere, für Menschen denen es schlecht geht, und die dann Gott ansprechen. Wenn jemand in Gefahr ist, Hilfe braucht, jemandem helfen will und nicht kann, er bittet Gott darum. Viele hätten schon den Mut verloren wenn es ihn nicht gäbe.

Komisch ist, daß, obwohl viele Menschen Gott um etwas gebeten haben es aber doch nicht geklappt hat, und doch wenn es wieder Schwierigkeiten gibt, wieder sich Gott anvertrauen wenn sie in einer sehr schwierigen Lage sind.

Zum Schluß noch bemerkt.

Wenn die Menschen in einer schwierigen Lage sind, Gott um Hilfe bitten, und sie durch irgendeine Weise Hilfe bekommen, egal welcher Art werden sich die wenigsten bei Gott auch mal bedanken.“1

Aus vielerlei Sichtweise läßt sich diese Äußerung analysieren. Einen Theologen werden die verschiedenen Aussagen über Religion hinsichtlich ihres Inhaltes interessieren, und er wird überlegen, welches Gottesbild den Bemerkungen zugrunde liegen könnte. Der Pädagoge wird danach suchen, wie die Glaubensvermittlung stattfand. Der Soziologe wird sein Augenmerk auf Aussagen richten, die die kirchliche bzw. religiöse Sozialisa- tion betreffen. Der Psychologe wird sich mit zweierlei Aspekten befassen: einerseits ist die Relevanz der Religion für die Persönlichkeit des Lehrlings ein Thema, andererseits ist die Entwicklung der Religiosität innerhalb seiner Lebensgeschichte von Interesse.

Es zeigt sich, daß das Thema Religionund Religiositätnicht mehr nur ein aus- schließlich der Philosophie oder Theologie vorbehaltener Gegenstand ist, sondern auch im Kontext der Sozial- und Verhaltenswissenschaften von Forschungsinteresse ist. In dieser Magisterarbeit geht es um psychologische Aspekte der Religiosität, genauer gesagt, um die Frage nach der Entwicklung der Religiosität innerhalb der Ontogenese des Menschen: „Verändert sich die Religiosität in einer lebensgeschichtlichen Logikmit einem bestimmten Zuvor und Danach und wenn ja, in welcher Weise?“2Gibt es entwicklungspsychologische Theorien der Religiosität?

Bevor diese Fragen beantwortet werden, kommen imzweitenKapitel wichtige Grundli- nien der religiösen Situation unserer Gesellschaft bzw. Kultur überblickartig zur Spra- che, und die Religionspsychologie, die für die Fragestellung dieser Arbeit zuständig ist, wird hinsichtlich ihrer Aufgabenstellung und in ihrem Verhältnis zur Theologie erklärt. Ziel dieses Kapitels ist eine Standortbestimmung der Religiosität in Gesellschaft und Wissenschaft.

ImdrittenKapitel werden die BegriffeReligion,ReligiositätundEntwicklungnäher er- klärt. Gerade hinsichtlich des Religionsbegriffs zeigt sich eine große Vielfalt und Un- einheitlichkeit der Vorstellungen. Um einer inhaltlichen und interdisziplinär verursach- ten terminologischen Unübersichtlichkeit zu entgehen, werden nur die Konzeptualisie- rungen des Religionsbegriffs vorgestellt, die innerhalb der Religionspsychologie be- deutsam sind.

Die Vorstellung, was menschliche Entwicklung ist, hat sich im Laufe dieses Jahrhun- derts geändert. Dennoch spielen traditionelle Modelle, wie die Stufenkonzeption, eine nicht unwichtige Rolle. Da sie hinsichtlich ihrer strukturellen Bedeutung für die religiö- se Theorienbildung wichtig sind, werden sie in ihren Grundannahmen erörtert und mit der Forschungslage gegenwärtiger moderner Entwicklungspsychologie konfrontiert. Davon ausgehend werden die Kernannahmen der Anlage-Umwelt-Theorien themati- siert. Die Zusammenhänge zwischen Anlage und Umwelt verweisen auf den Einfluß von Sozialisation und Erziehung. Dieser wird nur kurz erklärt, da der Bereich derreli-giösenSozialisation und Erziehung aufgrund seines Umfangs vor dem Hintergrund des unten noch näher skizzierten Anliegens der Magisterarbeit nicht eigens behandelt wird.

ImviertenKapitel werden die Anlage-Umwelt-Theorien auf ihre Relevanz hin- sichtlich der Beschreibung religiöser Entwicklung überprüft. Dabei bilden verschiedene Beobachtungen und Erfahrungen, die Rückschlüsse auf die Entwicklungsbedingtheit von Religiosität erlauben, den Ausgangspunkt. Es wird sich zeigen, daß den Selbstge- staltungstheorien eine besondere Bedeutung zukommt. Einige Ansätze werden in ihren Kernannahmen dargestellt und kritisch hinterfragt. Abschließend werden innerhalb der interaktionistischen Theoriebildung die Zusammenhänge der die Religiosität bestimmenden Einflußgrößen dargestellt und der Ansatz Groms erläutert. Einen anderen weiteren Akzent bietet dieses Kapitel aber auch noch hinsichtlich der Frage, ob es eine religiöse Anlage gibt. Verschiedene Sichtweisen kommen zur Sprache und werden wissenschaftstheoretisch bewertet.

Im letzten Kapitel werden grundsätzliche religionspädagogische und pastoraltheologische Linien vor dem Hintergrund der dargestellten Theorien zur Sprache kommen, die die praktische Relevanz der Ansätze verdeutlichen.

Ein Schlußwort, in dem die wichtigsten Ergebnisse thesenhaft dargestellt werden, rundet die Arbeit ab.

Der Arbeit ist einAnhangbeigefügt. Er erläutert bedeutsame, an der Theoriebildung im selbstgestalterischen Kontext beteiligten entwicklungspsychologischen Ansätze.

Kritisch mag an der Magisterarbeit anzumerken sein, daß sie unvollständig st bzw. ver- schiedene Bereiche nicht berücksichtigt sind. Dazu ist folgendes zu sagen: Bereits eingangs hat sich gezeigt, daß die Religiosität als Forschungsgegenstand vor dem Hintergrund der Sozial- und Verhaltenswissenschaften sowie der Geisteswissen- schaften einen interdisziplinären Charakter hat, die eine Eingrenzung des Themas, in dieser Arbeit zugunsten der Religionspsychologie, erforderlich macht. Innerhalb dieser Disziplin erscheint es sinnvoll, wiederum eine Auswahl in bezug auf den Untersu- chungsgegenstand vorzunehmen, um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen. Zweierlei Anliegen haben dabei die Abfassung der vorliegenden Darstellung bestimmt: Zum einen ist es eininhaltlichesAnliegen, das Thema Religiositätin ihrer ontogeneti- schen Entwicklungsdynamik ausschließlich vor dem Hintergrund der Entwicklungspsy- chologie darzustellen, ohne die damit verbundenen philosophisch-theologischen, religi- onssoziologischen und religionspädagogischen Aspekte aus dem Auge zu verlieren. Der Grund für diese Auswahl liegt in dem zweiten Anliegen der Arbeit.

MethodischesAnliegen ist es, aus der verwirrenden Literatur-Vielfalt eine systematisierendeÜbersichtder religiösen Entwicklung darzustellen. Deshalb wurden z. B. empirische Ergebnisse der einzelnen Entwicklungstheorien nicht berücksichtigt. Die zahlreichen Verweise in den Fußnoten bieten jedoch die Möglichkeit, sich intensiver mit Teilaspekten der Thematik zu befassen.

Wenn trotz der Offenheit mancher Fragen und Themen die folgenden Darstellungen einen gezielten und aktuellen Einblick in die religionspsychologische Entwicklungsproblematik von Religiosität sowie ihre religionspädagogische und pastoraltheologische Relevanz geben, ist dem Ziel dieser Magisterarbeit Genüge getan.

2. DER STANDORT DER RELIGIOSITÄT IN GESELL- SCHAFT UND PSYCHOLOGIE

2.1 Zur gegenwärtigen religiösen Landschaft in unserer Gesellschaft

- ‚Abschied von Gott3

Eine SPIEGEL-Umfrage4aus dem Jahre 1992 über den Glauben der Deutschen.

- ‚Meine Religion mach ich mir selbst.‘

Thema eines Beitrages 1995 in PSYCHOLOGIE HEUTE.5

- ‚Glaube ohne Kirche!‘

Titel eines Artikels des Nachrichtenmagazins FOCUS aus dem Jahre 1996.6

- ‚Religion ja - Kirche nein.‘

Ein Slogan - der seit Jahren in religionskritischen Diskussionen die Runde macht.

- ‚Religion light‘.

Der Titel einer im ZDF ausgestrahlten Reportage7, die die Einstellung einiger junger Erwachsener in Ost- und Westdeutschland zu Kirche und Religion darstellte.

Die Titel dieser Beiträge allein schon zeigen, daß es - und dies seit Jahren - zu einem Wandel in der religiösen und kirchlichen Landschaft unserer Gesellschaft gekommen ist. „Die Entwicklung ist gekennzeichnet durch eine Erosion des traditionell-kirchlichen Milieus einerseits und durch eine - auch kirchenintern - wachsende Angebotsvielfalt des ‚religiösen Marktes‘ andererseits. Stärker als bisher werden dadurch Menschen, für die Religion im Leben wichtig ist, zur Stellungnahme zu religiösen Glaubensvorstellungen und zur Reflexion ihrer religiösen Praxis herausgefordert.“8 Traditionelle Glaubensin- halte, Werte und Normen werden immer häufiger hinterfragt und verlieren ihre subjek- tive Verbindlichkeit.9

Die Gründe sind vielfältig. Sicherlich wirkt sich zum einen der Prozeß der Individuali- sierung im Sinne von Becks Entwurf einer Risikogesellschaft auch auf die ursprüngli- che Homogenität von Gesellschaft und christlicher Tradition aus.10 Dazu kommt die Technisierung unserer Lebenswelt, deren vernunftgeleitete Steuerungstechniken auch den persönlichen Lebensraum bestimmen. Ferner ist unsere Gesellschaft seit dem Zwei- ten Weltkrieg vor dem Hintergrund mehrerer Zuwandererwellen durch Flüchtlinge, A- sylsuchende, ausländische Arbeitskräfte und durch Zuwanderer aus dem Osten multi- kulturell geworden. Das Christentum mit seinen konfessionellen Ausformungen hat sei- ne Monopolstellung verloren und steht in Konkurrenz zu anderen Religionen bzw. Kul- turen. Allerdings gilt in der „... religionstheoretischen Diskussion [...] das Säkulari- sierungstheorem (Religion verschwinde zusehends) als überholt.“11Das Phänomen Re- ligion bzw. Religiosität ist - wenngleich, wie es scheint, in den privaten persönlichen Bereich gedrängt - nicht überholt. „Bigotte Frömmelei ist bei Jugendlichen ebensowe- nig ‚in‘ wie die platte Abqualifizierung von Religion als ‚Opium fürs Volk‘. Sie basteln sich stattdessen individuelle Glaubensformen und experimentieren mit unterschiedli- chen religiösen Praktiken, um ihre psychischen und spirituellen Bedürfnisse zu befrie- digen.“12Moosbrugger et al. weisen anhand von Zahlenmaterial vor allem bei Jugendli- chen und jungen Erwachsenen „... eine relativ hohe Verbreitung diffuser und alternati- ver Religiosität ...“13nach, deren Quellen u. a. in Esoterik, New-Age-Bewegungen und Okkultismus zu finden sind - Phänomene, die seit den achtziger Jahren immer mehr an- zutreffen sind.14

Oerter geht angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen von einer „Transformation des Religiösen ins Materiell-Räumliche“15 aus. Arbeit, Konsum- und Freizeitverhalten sind für ihn zu den sinnstiftenden Tätigkeiten unserer Kultur geworden, die jedoch die Religiosität als eigentliche sinnstiftende Tätigkeit der menschlichen Existenz nicht er- setzen können. So bildet sich eine tiefe Unzufriedenheit heraus, die nach Oerter zwei kompensatorische Bewegungen hervorbringt. Die eine ist der neue religiöse Funda- mentalismus, „... der die materialistische Orientierung der Industrienationen verurteilt und religiösen Fanatismus an deren Stelle anbietet“.16Das enorme Angebot an Esoterik und das astrologische Interesse ist die andere ‚harmlosere‘ Kompensationsbewegung. Jedoch sieht Oerter das Hauptproblem nicht so sehr in den kompensatorischen Bewe- gungen, sondern in einer kaum vorhandenen Bewußtheit einseitiger Sinnorientierung im Materiell-Räumlichen.17

Ohne eine weitere eingehendere Analyse vorzunehmen, läßt sich folgendes zusammen- fassend sagen: Es ist zwar zu einer Marginalisierung der traditionellen religiösen Struk- turen in unserer heutigen Gesellschaft gekommen. Aber Religiosität in seinen viel- fältigen und auch individualisierten Ausdrucksweisen ist weiterhin „... ein bedeutender Faktor oder Bereich, ohne den man das Leben eines Großteils der Bevölkerung nicht be- friedigend verstehen kann.“18

2.2 Die Aufgabe der Religionspsychologie

Der Untersuchung der Religiosität widmen sich, wie bereits erwähnt, je nach Zielset- zung und Forschungsgegenstand die verschiedenen Geistes- und Sozialwissenschaften, wie die Theologie und Philosophie, aber auch die Soziologie, Pädagogik und die Eth- nologie.

Auch die Psychologie, besonders die Religionspsychologie, beschäftigt sich mit dem Phänomen des Religiösen. Ihre Aufgabe besteht nach Vergote darin, „... das Psycholo-gische in der Religion zu erforschen, geeignete Instrumente für diesen Zweck zu entwic??

keln, theoretische Konzepte zu entwerfen, die es erlauben, die beobachteten Sachver-halte zu sammeln und zu interpretieren und möglicherweise Gesetze zu formulieren.“19 Konkreter formuliert Grom die Aufgabe der Religionspsychologie: Ihr Beitrag an der Erforschung der Religiosität besteht darin, unter Hinzunahme ihrer theoretischen An- sätze und Untersuchungsmethoden, „... die subjektiven - psychosozialen und intrapsy- chischen - Bedingungen faktischen religiösen Erlebens, Denkens und Verhaltens erfah- rungswissenschaftlich zu erforschen.“20

Vor diesem Hintergrund läßt sich die Religionspsychologie folgendermaßen differen- zieren:

- In einemallgemeinenSinne untersucht sie die o. g. Bedingungen „... von faktisch vorhandenen Beziehungen zum Übermenschlichen“.21

So verstanden ist sie je nach Forschungsgegenstand ein Teilfach der angewandten Psychologie, das sich in enger Beziehung zu den Grundlagenfächern, wie die allgemeine Psychologie, die Differentielle - bzw. Persönlichkeitspsychologie, die Sozialoder die physiologische Psychologie, befindet.

- Im speziellen und praktischenSinne steht die Religionspsychologie in Verbindung mit der klinischen und pädagogischen Psychologie und gleichzeitig auch - als Teil der Praktischen Theologie - im Auftrag einer bestimmten Glaubensgemeinschaft.22 Es geht um die Frage der Anwendung gewonnener Erkenntnisse im Bereich der Erziehung, Bildung, Beratung und Psychotherapie. Synonyme Begriffe für eine auf diese Weise verstandene Religionspsychologie sindPastoralpsychologie23oder auchReligionspädagogische Psychologie24. Letztere hat besonders die Aufgabe, „...psychologische Erkenntnisse anzuwenden und zu gewinnen, durch die sich ethisch-religiöse Sozialisations-, Erziehungs- und Unterrichtsvorgänge beschreiben, erklä-ren(wenigstens so, daß eine wahrscheinliche Voraussage in neuen Situationen mög-lich ist)und optimieren lassen.25

Bei der Behandlung des Themas dieser Magisterarbeit geht es um Inhalte, die der Reli- gionspsychologie im allgemeinen Sinne zuzuordnen sind. Bevor es jedoch um eine Beschreibung darüber geht, wasReligiositätund wasEntwicklungist, soll noch auf die Bedeutung des interdisziplinären Zusammenhangs zwischen Religionspsychologie und Theologie hingewiesen werden.

2.3 Zum Verhältnis von Religionspsychologie und Theologie

Die wissenschaftstheoretischen Zugänge dieser beiden Disziplinen sind zwar unter- schiedlich, eine interdisziplinäre Zusammenschau ist aber für das Verständnis des Reli- giösen von großem Vorteil. Während der Psychologie der empirische Zugang zu eigen ist, geht die Theologie den hermeneutischen Weg. Die Theologie hat unter den Ge- sichtspunkten und mit den Mitteln ihrer Reflexion und Interpretation über den objekti- ven, intentionalen Inhalt und Anspruch der Religiosität kritisch normativ nachzuden- ken.26Ihr muß es um die Frage nach der Wahrheit religiöser Vorstellungen gehen, die der Religionspsychologie vorenthalten ist.27

Im Sinne dieser Interdisziplinarität gilt es, zwei Extrempositionen entgegenzutreten: · Einem antipsychologischen Theologismus Er hält das Religiöse für etwas absolut ‚Eigenartiges‘, das sich einem wissenschaftlich-psychologischen Verstehen entzieht.28

- Einem antireligiösen Reduktionismus

Er reduziert in seiner bedürfnistheoretischenForm die Erklärung religiöser Über- zeugungen und Verhaltensweisen auf soziale und individuelle Phänomene. In der psychologistischenForm versucht der Reduktionismus „... die Frage nach der ob- jektiven Geltung und die Richtigkeit von Überzeugungen ...“29 ausschließlich vor dem Hintergrund psychosozialer oder intrapsychischer Bedingungen zu beantwor- ten.

Die gegenseitige Anerkennung der unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Herangehensweisen und die Bereitschaft zu einem konstruktiven interdisziplinären Dialog, besonders im Hinblick auf (religions)pädagogische, psychotherapeutische und pastoralpsychologische Konsequenzen, würde in jedem Fall für ein umfassenderes und fundierteres Verständnis des Religiösen sorgen.

Ferner würde sich auch das gespannte Verhältnis zwischen Psychologie und Theologie weiterhin entschärfen, das seinen geschichtlichen Ursprung im Aufeinandertreffen der beiden o. g. Extrempositionen hatte.

Seitens der Psychologie war es die Religionskritik Freuds30und das Aufkommen des Behaviorismus, der religiöses Bewußtsein leugnete. Seitens der Theologie war es auf katholischer Seite Papst Pius X., der mit seiner Enzyklika ‚Pascendi‘ aus dem Jahre 1907 gegen den Psychologismus der Religion eintrat, und auf evangelischer Seite die Dialektische Theologie Karl Barths. Das gespannte Verhältnis führte in den zwanziger Jahren zu einem Niedergang religionspsychologischer Forschung in Deutschland, der im Gegensatz zu anderen Ländern, wie z. B. den USA, bis heute noch nicht ganz über- wunden ist.31

Im Zuge einer interdisziplinär betriebenen Religionspsychologie betont Grom vor dem Hintergrund des bisher Gesagten: „Wenn sich Psychologen streng nach den Fragestellungen und Methoden ihres Faches [...] um ein besseres Verständnis von Religiosität bemühen, können sie auch der Zustimmung der Kirchen sicher sein: Für diese versteht es sich seit langem von selbst, daß sie von den Mitarbeitern ihrer Beratungsstellen eine psychologische Qualifikation verlangen. Wenn diese auch noch religionspsychologische Kenntnisse umfassen sollte - um so besser.“32

3. DEFINITORISCHE ASPEKTE VON RELIGIOSITÄT UND ENTWICKLUNG

In diesem Kapitel geht es zum einen um die Frage, wie sichReligionundReligiositätbeschreiben lassen. Dabei beschränken sich die folgenden Darstellungen auf die Definitionsproblematik in der Religionspsychologie33.

Zum anderen wird der Begriff derEntwicklungnäher erklärt. Diese Ausführungen orientieren sich schwerpunktmäßig an den Merkmalen religiöser Entwicklungstheorien.34

3.1 Die Definitionsproblematik von Religion und Religiosität

Innerhalb der Religionspsychologie herrscht Übereinstimmung darüber, daß es schwierig ist, eine allgemeingültige und hinreichende Definition von Religiosität bzw. Religion zu formulieren.35 Die Schwierigkeit, sich auf einen einheitlichen Religionsbegriff festzulegen, ist aber nicht erst ein Problem der letzten Jahre. Bereits James hat 1902 in seinem Werk ‚Die Vielfalt der religiösen Erfahrung‘ darauf hingewiesen, daß es die Religiosität als solche nicht gibt, sondern sie sich in der Vielfalt religiöser Einstellungen, Erlebnis- und Verhaltensweisen zeigt.36

Dies läßt sich schon allein hinsichtlich der Etymologie des BegriffesReligionbelegen. Sie läßt im Hinblick auf eine eindeutige Definition einen großen Interpretationsspiel- raum zu.

3.1.1 Zur Etymologie

Folgende lateinische Wurzeln lassen sich für den BegriffReligionfinden:37

- relegere: berücksichtigen, beachten; überdenken
- religare: zurück-, an-, emporbinden
- religio: frommes Gedenken; Gottesfurcht; religiöse Handlung, Kult.

Anhand dieser Begriffserklärung zeigen sich zwei Aspekte der Religion, die für unseren Kulturraum in allgemeinster Weise typisch sind:

- Die Bindung an etwas Göttliches und die damit verbundene Gottesfurcht
- Die Ausübung einer Kulthandlung

Wenn jedoch Konkretisierungen dieser Aspekte vorgenommen werden, so zeigt sich, daß, „... die Inhalte von Religion entsprechend dem unterschiedlichen kulturellen Hin- tergrund variieren und das Wesen der Religion nicht allgemein bestimmt werden kann.“38 Somit läßt sich eine universale, inhaltlich erschöpfende Definition von Reli- gion nicht erstellen.

3.1.2 Der Zusammenhang von Religiosität und Religion

Bevor es um die Religionskonzepte geht, deren sich die religionspsychologischen Forschungen bedienen, muß der Zusammenhang zwischen Religion und Religiosität geklärt werden. Beile verweist auf die Tatsache, daß die beiden Termini öfters gleichgesetzt werden.39Dennoch ist eine Unterscheidung nötig und möglich.

Religiosität wird von Oser & Reich als persönliche Religionbezeichnet.40Beile formu- liert es ähnlich, wenn auch ein wenig genauer: Unter dem Überbegriff des Religiösenist Religiosität die persönliche Ausprägung von Religion, wobei Religion „... die allge- meine geschichtliche und kulturelle Ausprägung des Religiösen“41 ist. Flammer kon- kretisiert in seiner Differenzierung das Beziehungsmoment im Religiösen: „Unter Reli-giositätverstehe ich das Gesamt der Lebenspraktiken und der entsprechenden Einstel- lungen, sofern sie explizit auf einer Beziehung zu übernatürlichen Mächten beruhen. Ich nenne diese Beziehung, die sich in Einstellungen, Überzeugungen und Praktiken äußert, Religion.“42

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Religiosität der subjektive und konkreti- sierte Ausdruck einer bestimmten Religion ist. Dabei spielen kognitive, emotionale und soziale Prozesse mit,43 die Gegenstand unterschiedlicher psychologischer Fragestellun- gen sind.

3.1.3 Substantielles und funktionales Religionskonzept

Da eine einheitliche Definition der BegriffeReligionundReligiositätnicht möglich ist, wird eine Systematisierung vorgenommen, damit die Grundlage für eine Operationisie- rung des Konstruktes Religion geschaffen ist und Ergebnisse verschiedener Studien vergleichbar sind. Hinsichtlich der Forschung existieren zwei Perspektiven: eine sub- stantielle Perspektive, die sich mehr auf den Inhalt einer Religion bezieht, und eine funktionalePerspektive, die untersucht, was die Religiosität für das Individuum leistet.44

3.1.3.1 Das substantielle Religionskonzept

Dieses Konzept umfaßt die charakteristischen Glaubensinhalte einer Religion, wozu be- sonders die Beziehung „... zu etwas Übermenschlichem oder Überweltlichem ge- hört...“45. Vergote sieht darin das Wesentliche der Religion, wenngleich die Bedeutung der Beziehung nicht in jeder Religion gleich ist.46 Denn Religion ist in ihrem gesell- schaftlichen und kulturellen Kontext zu sehen. „Je stärker ‚Religiosität/Religion‘ defini- torisch in bestimmten Glaubensinhalten und institutionellen Gestalten konkretisiert wird, ...“47desto mehr fördert die substantielle Perspektive die Fähigkeit zur Identifika- tion religiöser Aussagen und Verhaltensweisen, was für die Validität der Meßinstrumente eines so operationalisierten Religionskonstruktes von großem Vorteil Tisamminen,48 der seinen Untersuchungen zur religiösen und moralischen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eine substantielle Konzeption zugrunde legt, hat folgende Arbeitsdefinition formuliert: „Religiosität ist die mehr oder weniger bewußte Abhängigkeit von einer Gottheit/ von Gott und dem Transzendenten. Diese Abhängigkeitoder Bindung ist in der Persönlichkeit eines jeden evident - in seinen Erfahrungen, seinem Glauben und Denken - und motiviert seine religiöse Praxis, sein ethisches Verhalten und sein sonstiges Handeln.“49

Der Nachteil des Konzeptes besteht darin, daß fließende Übergänge von institutionalisierter zu diffuser bzw. privater Religiosität unter Umständen nicht von dem Meßinstrumentarium erfaßt werden kann, wenn die Religion einem gesellschaftlichen Wandel unterworfen ist.50Ferner vernachlässigt es die Funktionalität, die die Religion im Leben der Gesellschaft bzw. im Leben eines einzelnen hat.

3.1.3.2 Das funktionale Religionskonzept

Das funktionale Konzept versucht, die Nachteile des substantiellen Konzeptes aufzuheben, indem es die spezifischen Religionsinhalte und ihre Institutionalität weitgehend hinter sich läßt und „... "Religiosität/Religion" theoriegeleitet von ihrer Aufgabe her bestimmt.“51Es geht um die Funktion, die die Religiosität hat, und das im Blick auf exientielle Grundsituationen des Menschen. Dies kann z. B. Identitätsstiftung, Kompensation, Sinnstiftung oder Kontingenzbewältigung sein.52

Der Vorteil liegt darin, daß vor dem Hintergrund der Transzendenzbezogenheit53auch „... verschiedene funktionale Äquivalente - etwa humanistische, [...] diffus- oder alter- nativ-religiöse Lebensansichten - ausdrücklich mitberücksichtigt und dadurch größere Untersuchungsspielräume jenseits institutionalisierter Religion eröffnet werden.“54 Die Problematik dieses Konzeptes liegt in der Frage, ob der BegriffReligionauch auf solche Phänomene in der Gesellschaft ausgedehnt werden kann, die eine religionsähnli- che Funktion haben können.55

Barz ist ein Befürworter dieser Ausweitung. Vor dem Hintergrund seiner Untersuchun- gen zur Religiosität Jugendlicher faßt er Phänomene, wie z. B. Wissenschaft, Konsum, Körperkult, Sport, Nationalismus, Marxismus unter dem Begriff funktionale Äquiva-lente von Religion zusammen, weil sie ähnliche Funktionen wie die Religion erfüllen können.56Diese Anwendung des Religionsbegriffes lehnt Beile ab. Er hält es für aus- gewogener, eine andere Terminologie für solche Phänomene zu benutzen, um sie vom eigentlich Religiösen abzugrenzen, dessen qualitatives Hauptmerkmal für ihn die Be- ziehung zu etwas Transzendentem ist. Denn so könne nach seiner Ansicht verhindert werden, daß die Begriffe Religiositätund Religionbeliebig und damit substanzlos wer- den.57

In ähnlicher Weise wie Barz entwirft Fromm eine sehr breit gefaßte funktionalistische Sichtweise, die hinsichtlich einer inhaltlichen Abgrenzung zu nichtreligiösen Phänome- nen Schwierigkeiten evoziert. Er versteht unter Religion jedes System des Denkens und Tuns, „das von einer Gruppe geteilt wird und dem Individuum einen Rahmen der Ori- entierung und ein Objekt der Hingabe bietet.“58Fromm führt dazu weiter aus: „Der Mensch mag sein Orientierungssystem als ein religiöses ansehen, [...] oder er mag glau- ben, er habe keine Religion, und seine Hingabe an gewisse, angeblich säkulare Ziele wie Macht, Geld oder Erfolg, für nichts weiter halten als eine Angelegenheit von etwas Nützlichem und Praktischem. Die Frage lautet nicht:ob Religion oder ob nicht?, son- dern: welche Art von Religion?59Vergote warnt vor einer solchen simplifizierenden Sichtweise, weil damit jeder Mensch religiös sei und nach Fromms Definition auch rein immanente Objekte „... immer noch unter die Bezeichnung Religion fallen.“60Auch hier wird der Religionsbegriff beliebig und reduziert sich ausschließlich auf einen funktionalistischen Charakter.

Vergote zieht deshalb eine substantielle Sichtweise vor: „Religion ist für mich eine Ge- samtheit bestehend aus Sprache, Gefühlen, Verhaltensweisen und Zeichen, die sich auf ein übernatürliches Wesen - oder mehrere bezieht. "Übernatürlich" steht hier für all das, was weder natürlichen Kräften noch menschlichem Handeln zugeschrieben wird son- dern diese transzendiert.“61

3.1.3.3 Substantielles vs. funktionales Religionskonzept?

Welches Religionskonzept hat nun den Vorrang?

Diese Frage läßt sich nicht ohne den Forschungsgegenstand entscheiden. Denn er ist es, der bestimmt, welches Religionskonzept geeigneter ist. Aber eine Entscheidung zugun- sten eines Konzeptes ist nicht unbedingt die Antwort. Auch die Verbindung beider Konzepte wäre denkbar, wenn es z. B. darum geht, Konsequenzen gesellschaftlicher Wandlungsprozesse für den Bereich des Religiösen zu analysieren.62Im übrigen ist es denkbar, innerhalb eines substantiellen Religionskonzeptes funktionale Dimensionen zu beleuchten.63

Dies alles gilt natürlich auch für die Fragestellung nach der Entwicklung der Religiosität innerhalb der menschlichen Biographie. Oser & Bucher schlagen deshalb vor, „... die entwicklungspsychologischen Ansätze eigens darauf zu befragen, wie sie das Religiöse konzeptualisiert haben.“64

3.1.4 Zur Dimensionalität von Religiosität

Innerhalb der religionspsychologischen Forschungen gibt es eine Reihe von Untersuchungen, denen Ansätze zugrunde liegen, die Dimensionen von Religiosität beschreiben. Diese haben den Vorteil, daß sie als Untersuchungsmatrix konkreter als die eben dargestellten Religionskonzepte sind, lassen sich in ihren Inhalten aber auf die substantielle bzw. funktionelle Perspektive zurückführen.

Auf zwei bedeutende Ansätze soll näher eingegangen werden.

3.1.4.1 Allports Ansatz extrinsisch bzw. intrinsisch motivierter Religiosität

Ausgangspunkt von Allports Überlegungen war die Befundlage bei einer Untersuchung, welche Typen von religiösen Menschen zu Vorurteilen neigen:65

Diejenigen, die öfter den Gottesdienst besuchten, zeigten dabei häufiger rassistische Vorurteile als diejenigen, die seltener zur Kirche gingen.

Allport erklärte diesen Sachverhalt mit zwei unterschiedlichen religiös motivierten Ein- stellungen:

- Dieextrinsischmotivierte Religiosität

Sie besteht aus einer von Äußerlichkeiten geprägten Religiosität und richtet sich an religiösen Institutionen, Traditionen und Pflichten aus.

„Extrinsic religion is a self-serving, utilitarism, self-protective form of religious outlook, which provides the believer with comfort and salvation at the expense of outgroups.“66

Extrinsisch Motivierte wären demnach „... überwiegend an Sozialprestige, gesell- schaftlichen Beziehungen, Sicherheit und Trost interessiert, hätten also ein letztlich selbstsüchtiges, zweckbestimmtes, instrumentelles Verhältnis zur Religion.“67

- Dieintrinsischmotivierte Religiosität

Intrinsisch religiös orientierte Menschen haben sich mit den Idealen des Christen- tums auseinandergesetzt. Sie sind prosozial eingestellt und haben sich von religiösen

Äußerlichkeiten emanzipiert.

„Intrinsic religion marks the life that has interiorized the total creed of his faith without reservation, including the commandment to love one’s neighbor.“68

Die Religion hat einen unbedingten persönlichen Wert.69

Kurzgefaßt läßt sich sagen: „Der extrinsisch Motiviertegebrauchtseine Religion, während der intrinsisch Motivierte seine Religionlebt.“70

Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit das von Allports entwickelte Konzept auch auf außerchristliche Religionen anwendbar ist. Ferner ist die Bipolarität nicht in dieser Eindeutigkeit aufrechtzuerhalten. Es ist gut vorstellbar, daß religiöse Menschen beide Motivationen in sich vereinen.

Eine umfangreichere Dimensionierung der Religiosität hat Glock vorgenommen. Sein Ansatz soll im folgenden dargestellt werden.

3.1.4.2 Die fünf Dimensionen der Religiosität von Glock71

Glock hat 1962 ein Modell der Religiosität zur Diskussion gestellt, das zum ersten Mal fünf Dimensionen enthielt. Er unterschied:

- Ideologicaldimension

Es geht hier um ein reflektiertes Verständnis von Glaubensinhalten, die für das eigene Leben relevant sind.

- Experientialdimension

Religiöse Erfahrungen und Gefühle stehen im Mittelpunkt. Es ist die individuellste Dimension.

- Intellectualdimension

Diese Dimension bezieht sich auf das reine Wissen über religiöse Glaubensinhalte, ungeachtet dessen, ob die betreffende Person diesen zustimmt oder nicht. · Ritualisticdimension

Die ritualistische Dimension fragt nach dem Vollzug von Riten, wobei zwischen privater religiöser und öffentlicher religiöser Praxis unterschieden wird. · Consequentialdimension

Die Folgen für die Lebenspraxis sind hier Gegenstand. Es geht um die Frage, inwiefern aus Überzeugungen und Erlebnissen Konsequenzen für das alltägliche Leben gezogen werden.

Glock betonte, daß die einzelnen Dimensionen eng zusammenhängen und deshalb jede vor dem Hintergrund der anderen Dimensionen betrachtet werden müsse. Zwei Schwierigkeiten treten jedoch auf. Zum einen korrelieren nur vier Dimensionen eng miteinander. Die intellektuelle Dimension als reine Wissensdimension muß nicht unbedingt in einem Zusammenhang mit den anderen stehen, sondern kann auch auf ei- nen nichtreligiösen Menschen bezogen werden. Zum anderen stellt sich die Frage, ob aufgrund der engen Korrelation die Religiosität in den einzelnen Dimensionen trenn- scharf beschrieben werden kann. Empirische Belege dafür stehen noch aus.72 Trotz der Einwände aber dient Glocks Modell weiterhin in der Psychologie und Sozio- logie als Orientierung.73

3.1.5 Fazit

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es keine einheitliche Definition für den BegriffReligiongibt.

Ferner ist zwischen Religion und Religiosität zu unterscheiden: Religiosität ist die im Individuum durch Kognition, Emotion und Verhalten konkretisierte Religion Die Trennlinie zwischen Religion und pseudoreligiösen Phänomenen läßt sich durch ein qualitatives Kriterium, nämlich die Beziehung des Menschen zu etwas Transzendentem, ziehen.

Eine Einordnung von Religiosität in ein substantielles oder funktionales Religionskonzept ist sicherlich möglich, wobei es zu bedenken gilt, daß Definitionen des Religiösen beide Aspekte in sich vereinigen können.

Eine weitere Möglichkeit, Religiosität zu beschreiben, besteht darin, ihre Dimensionen zu bestimmen.

3.2 Theorien der Entwicklungspsychologie

3.2.1 Einführende Bemerkungen

Gegenstand der Entwicklungspsychologie ist die Beschreibung und Erklärung der „... in einem inneren Zusammenhang stehenden psychischen Veränderungen im Verlauf des individuellen Lebens“74.

Fast hundert Jahre wird nun empirische Entwicklungspsychologie betrieben, und es ha- ben sich je nach Fragestellung, Menschenbildern und Konzepten unterschiedliche For- schungstraditionen herausgebildet. Hinsichtlich der dieser Arbeit zugrundeliegenden Thematik soll auf folgende zwei Aspekte der Entwicklungspsychologie näher eingegan- gen werden:75

- Der traditionelle Entwicklungsbegriff im Sinne der Stufentheorien.76· Die Theorierichtungen im Anlage-Umwelt-Kontext.

Abschließend soll der Vollständigkeit wegen auf den Zusammenhang von Entwicklung als Erziehung und Sozialisation kurz hingewiesen werden.

3.2.2 Der traditionelle Entwicklungsbegriff

3.2.2.1 Merkmale

Die Vorstellung von der menschlichen Entwicklung in Stufen77 bildet den Mittelpunkt der traditionellen Konzeption, die bis in die fünfziger und sechziger Jahre vorherrschte. Sie versteht Entwicklung als eine Veränderung ...

- ... nicht darin, daß ein vorhandener menschlicher Funktionsbereich lediglich für eine gewisse Zeit variiert oder nur vorübergehend auftritt, sondern als „... eine geordnete Transformation, dienachhaltigist, als sie weitere Transformationen ermöglicht oder einen Zustand der Stabilität erreicht.“78
- Diese Transformation besteht ferner in einer naturgegebenen Entfaltung eines inne- ren Bauplans.

Folgende Charakteristika kennzeichnen im einzelnen diesen Entwicklungsbegriff: · Eine Veränderungsreihe verläuft in mehreren Schritten oder Stufen. · Die Abfolge der Schritte ist unumkehrbar.

- Die früheren Schritte sind Voraussetzung für die späteren.
- Die Entwicklung zielt auf einen Endzustand, der gegenüber dem Ausgangszustand höherwertig ist.
- Die Veränderungen sind im Gegensatz zu reinem quantitativen Wachstum qualitativ strukturelle Transformationen.
- Die Veränderungen stehen im Zusammenhang mit dem Lebensalter.
- Die Veränderungsfolge ist universell, also natürlich und nicht kulturabhängig.

Insgesamt „... entspricht der beschriebene traditionelle Entwicklungsbegriff dem ‚orga-

nismischen Entwicklungsmodell‘ einer allgemeinen Entwicklungspsychologie ...“79, die Veränderung als Funktion des Alters beschreibt.

Es gibt eine Reihe von Veränderungen innerhalb der ontogenetischen Entwicklung, die mehrere dieser charakteristischen Merkmale aufweisen. Sie sind vor allem in der Kindheit und Jugend zu finden, wenn es um die Entwicklung sensumotorischer80, sprachlicher oder kognitiver Strukturen geht. Dennoch ist diese Entwicklungskonzeption zu eng, „... um alle Fragestellungen und Erkenntnisse dermodernen Entwicklungspsychologie aufzunehmen.“81In diesem Sinne soll nun auf die wichtigsten Einwände gegenüber der Stufenkonzeption eingegangen werden.

3.2.2.2 Die Stufenkonzeption in der Kritik aktueller entwicklungspsychologischer Forschung

Im wesentlichen geht es um folgende Punkte:

- DieAnnahme einer Veränderungsreihein mehreren Schritten und Stufen ist empi- risch nicht eindeutig beweisbar. Mittlerweile konnte nachgewiesen werden, daß vie- le Veränderungen auch lediglich als Wandel eines Ausgangszustandes zu sehen sind. Zwar ist die derzeitige entwicklungspsychologische Forschung auch an der Er- forschung von Kontinuität vor dem Hintergrund von Veränderungsdispositionen und -voraussetzungen interessiert, beschränkt sich aber nicht lediglich auf Stufenabfol- gen.
- Was dieEntwicklung zu höheren Niveausbetrifft, stellt sich das Problem, objektive Wertkriterien zur Charakterisierung der qualitativen Veränderung zu finden. Für Fertigkeiten, Wissen und Kompetenzen mag dies noch möglich sein. Aber hinsicht- lich von Persönlichkeitsmerkmalen, Wertvorstellungen, Einstellungen und Weltbil- dern ist dies schon schwieriger, zumal diese kulturspezifisch sind. Im übrigen blei ben Fehlentwicklungen sowie Abbauprozesse im Alter nach dem traditionellen Konzept außen vor.
- DasPrinzip des erreichten Endzustandesist schwerlich haltbar. Es bedeutet, daß
damit jede weitere Veränderung ausgeschlossen und eine lebenslange Stabilität und Stagnation impliziert ist. Die altersbedingten Abbauprozesse blieben wiederum unberücksichtigt. Ferner ist es heute unumstritten, daß „... Entwicklung grundsätzlich als ein Zusammenspiel von Anlagen und Entwicklungskontexten anzusehen ist ...“82, die während des ganzen Lebens möglich ist.
- DerUniversalitätsanspruchwirft definitorische Probleme auf. Er postuliert, daß die

Stufenabfolgen in allen normalen Entwicklungsumwelten und Kulturen bei allen normalen Individuen beobachtbar sind. Diese Umwelten müssen sich demnach so definieren, damit sie die Universalität der Entwicklungsabfolgen ermöglichen. Das aber ist ein Zirkelschluß. Abgesehen davon würde durch der Gegenstand der Entwicklungspsychologie sehr eingeschränkt. Vielmehr sind kulturspezifische Aspekte im Blick auf die Entwicklung von Bedeutung. Die Universalität von Entwicklung mag vielleicht in der Abfolge der Schritte liegen, das Entwicklungstempo jedoch und das Niveau können interkulturell und -individuell variieren.

Vom heutigen Kenntnisstand der Entwicklungspsychologie aus läßt sich systematisie- rend sagen, „... daß je umfangreicher die Kenntnis von Einzeltatsachen der Entwicklung ist, um so seltener zusammenfassende, in sich widerspruchsfreie Gliederungen und Stu- fenfolgen der Gesamtentwicklung des Kindes und Jugendlichen entworfen werden kön- nen.“83 Längsschnittuntersuchungen lassen nämlich eine „... Asynchronie der Entwick- lung in verschiedenen physischen und psychischen Merkmalen und Dimensionen er- kennen, die nicht mehr als bloße Abweichungen von der zu erwartenden Norm angese- hen werden können, sondern eher schon die Regel selbst darstellen.“84Um die Wider- sprüchlichkeit der Empirie zur Theorie auszugleichen, sind Stufenmodelle darum in ih- rer Darstellung z.T. sehr allgemein gehalten.

Den inter- und intraindividuellen Unterschieden innerhalb des Entwicklungsgeschehens widmet sich die differentielleEntwicklungspsychologie. Sie sucht nach externen und in- ternen Bedingungen der Entwicklung und deren Zusammenhänge. Dies hat die Theo- rienbildung der weiteren Entwicklungspsychologie beeinflußt, die im folgenden skiz- ziert wird.

3.2.3 Die Theoriebildung im Kontext des Anlage- bzw. Umwelteinflusses

Die Anlage-Umwelt-Kontroverse85 führte zu der Fragestellung: „Ist das Subjekt Gestalter seiner Entwicklung oder wird seine Entwicklung von inneren undäußeren Kräften gelenkt?86Die Antwort darauf ist eine entwicklungspsychologische Herangehensweise, die vier prototypische Theoriefamilien unterscheidet:87

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.2.3.1 Die endogenistischen Theorien

Im Mittelpunkt steht der Begriff der Reifung. Sie „... wird als anlagemäßig und einem inneren Programm notwendigerweise folgend angesehen.“88 Die Entwicklung als eine

Entfaltung dieses Planes bedarf nicht der Mitwirkung des Menschen. Und die Umwelteinflüsse haben nur dann eine gewisse Bedeutung, wenn das Programm für solche in bestimmten Perioden offen ist.

3.2.3.2 Die exogenistischen Theorien

Ausgehend vom behavioristischen Menschenbild erklären diese Theorien die Entwick- lung des Menschen als vollkommen von außen bzw. durch Umweltreize determiniert. Der Mensch, gewissermaßen als ‚tabula rasa‘ auf die Welt gekommen, ist dabei „... Spielball und Rezepetionsorgan einer aktiven Umwelt zugleich.“89 Die Vertreter dieser Theorierichtung halten sowohl beliebige als auch gezielte Einflüsse in der Ent- wicklung für möglich.90

3.2.3.3 Die Selbstgestaltungstheorien

Bereits die Begrifflichkeit dieser Theoriegruppe weist darauf hin, daß der Mensch nicht mehr passiv seiner Entwicklung gegenübersteht. Er „... wird als erkennendes und selbstreflektierendes Wesen aufgefaßt (z. B. Hurrelmann, 1983), das ein Bild von sich und seiner Umwelt hat und beides im Zuge der Auswertung neuer und vorausgehender Erfahrungen modifiziert.“91Er handelt zielorientiert und gestaltet selbst seine Entwicklung mit. Damit stellen sich die Selbstgestaltungstheorien sowohl gegen eine mechanistische Sichtweise der exogenistischen Theorien als auch gegen die rein biologisch determinierte Reifung gemäß der endogenistischen Sichtweise.92

3.2.3.4 Die interaktionistischen Theorien

Bereits die Selbstgestaltungstheorien beinhalten eine systemische Sichtweise im Hin- blick auf den Zusammenhang von Subjekt und Umwelt, wenngleich lediglich das Sub- jekt eine aktiv gestaltende Rolle hat. Bei den interaktionistischen Modellen haben beide, Subjekt und Umwelt, eine für den Entwicklungskontext gestaltende Rolle und beein- flussen sich gegenseitig. Bedingung ist, „... daß der Mensch und seine Umwelt ein Ge- samtsystem bilden, und daß Mensch und Umwelt aktiv und in Veränderung begriffen sind. Die Aktivitäten und die Veränderung beider Systemteile sind verschränkt. Die Veränderungen eines Teils führen zu Veränderungen auch anderer Teile und/oder des Gesamtsystems und wirken wieder zurück, was Transaktion genannt wird.“9394 Der Mensch sucht, wählt und modifiziert die Umweltbedingungen nach subjektiven Beweg- gründen in dem Maße, wie er von diesen wiederum geformt wird.95

3.2.4 Entwicklung als Erziehung und Sozialisation

Die Sozialisationsforschung mit ihren Deutungen für den Sozialisationsprozeß ist eher ein Gegenstand der Soziologie als der Entwicklungspsychologie. Allerdings erhält sie dann eine entwicklungspsychologische Perspektive, wenn die Sozialisationseinflüsse hinsichtlich ihrer Auswirkungen in verschiedenen Altersgruppen und in ihrer Langfristigkeit zum Forschungsgegenstand werden. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit die Vermittlungsprozesse9697in den Altersstufen variieren.

Aber auch aufgrund des Perspektivenwechsels98innerhalb der Geschichte der Soziali- sationsforschung hat die Entwicklungspsychologie ihren Standort erhalten. Sozialisati- onstheoretischer Ansatzpunkt ist nicht mehr die bloße Anpassung des Individuums an die gesellschaftlichen Gegebenheiten. Mittlerweile haben sich interaktionistische Mo- delle99entwickelt, die die Sozialisation als einen Prozeß des Hineinwachsens von Men- schen in soziale Zusammenhänge ansehen, welcher immer zwei Aspekte zugleich um- faßt, nämlich „... die Herausbildung einer besonderen Persönlichkeit, die Identitätsent- wicklung oder Individuationauf der einen Seite und auf der anderen Seite die Verge-sellschaftung.100Erziehung und Sozialisation sind damit u. a. nicht nur auf die Ver- mittlung von Wissensbeständen, Kulturgütern, Werten, Normen und Schemata für das Verstehen und Handeln reduziert. Vielmehr sollte die Erziehungs- und Sozialisations- aufgabe die Entwicklung einer persönlichen Identität in einer konstruktiven Spannung zur Gesellschaft sein. Die Entwicklungspsychologie wird sich also mehr mit der indivi- duellen und innerpsychischen Seite beschäftigen, „... während bei der Sozialisationsfor- schung ‚die gesellschaftliche Bedingtheit von individuellen Entwicklungsprozessen‘ im Vordergrund steht.“101

3.2.5 Fazit

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die entwicklungspsychologische Theoriegeschichte aufgrund der immer differenzierter werdenden methodischen Möglichkeiten mit einem rein endogenistisch orientierten Stufenbegriff von Entwicklung nicht mehr auskommt, um die Komplexität der menschlichen Ontogenese zu beschreiben. Zwei entscheidende Punkte, nämlich der Einfluß der Umwelt in bezug auf die anlagemäßig bedingte Entwicklung und deren innere Zusammenhänge sowie die Tatsache, daß Entwicklung nicht mit dem Erwachsenenalter abgeschlossen ist, zeichnet die derzeitige entwicklungspsychologische Forschungslage aus.

Durch die Hinzunahme des Umweltaspekts hat die Entwicklungspsychologie zudem einen festen Zugang zur Sozialisationsforschung erhalten.

Das ursprüngliche Anliegen der traditionellen Entwicklungskonzepte jedoch, die Ent-

wicklung eines Menschen in einfacher Weise strukturierend und systematisierend darzustellen, muß angesichts der hochkomplexen interaktionistischen Sichtweise von Entwicklung über die gesamte Biographie aufgegeben werden. Inwieweit eine umfassende interaktionistische Theorie menschlicher Entwicklung in erschöpfender Weise dargestellt werden kann, bleibt die Frage.

Bezüglich der religiösen Entwicklungstheorien, um die es im nächsten Kapitel geht, wird sich u. a. zeigen, daß die traditionelle Stufenabfolge zwar eine wichtige Rolle spielt, aber einige Modifikationen bzw. Erweiterungen erfährt.

4. RELIGIÖSE ENTWICKLUNG IM ANLAGE-UMWELT- KONTEXT

In diesem Kapitel steht die Entwicklung der Religiosität im Mittelpunkt. Dazu werden verschiedene Ansätze bzw. Sichtweisen vor dem Hintergrund der Theoriebildung im Anlage-Umwelt-Kontext vorgestellt und kritisch hinterfragt.

Einleitend geht es um einige Beobachtungen und Erfahrungen, die Rückschlüsse auf die Entwicklungsbedingheit der Religiosität zulassen.

4.1 Beobachtungen und Erfahrungen

4.1.1 Piagets Untersuchungen zum kindlichen Weltbild

Piaget befragte Kinder nach der Herkunft der Sterne und Bäume, nach dem Wesen der Gedanken und Träume usw. und stellte bei Jungen und Mädchen bis zu einem Alter von sechs bis sieben Jahren folgendes fest:

- Kinder neigen zu einem ausgeprägtenArtifizialismusundAnthropomorphismus.102103

„Das Kind hat in dieser Phase nicht den Eindruck, daß die Welt entstanden ist, sondern daß sie gemacht ist.“104Gott erhält anthropomorphe Züge. Ferner gibt es die Tendenz, die Eltern zu vergöttlichen.105

- Ferner herrschtanimistischesDenken vor.
Diese Art des Denkens läßt unbelebte Dinge belebt erscheinen. Bücher können z. B. plötzlich fliegen oder Gartenzwerge werden lebendig.
- Eine dritte Beobachtung ist derAdualismusdes kindlichen Realismus.106

Dieser Adualismus zeichnet sich zum einen dadurch aus, daß es keine klare Trennung zwischen dem Zeichen und dem Bezeichneten gibt. Die Bezeichnung wird dem Gegenstand als Eigenschaft zugeordnet. Ferner ist keine klare Trennung zwischen Innen- und Außenwelt vorhanden. Das Denken wird von dem Kind noch nicht als ein in ihm stattfindender Vorgang wahrgenommen. Ebenso besteht eine unscharfe Trennung zwischen Materiellem und Psychischem. Träume und Gedanken z. B. werden als wahrnehmbare Realitäten in der Umwelt erlebt.

Zurückzuführen sind diese Feststellungen auf die noch vorherrschende Egozentrik des Kindes, die ihre Grundlage in der noch fehlenden Perspektivenübernahme107hat. Diese sog. magisch-animistische Phase108ist der präoperationalen Stufe der Piagetschen Denkentwicklung zuzuordnen.109

4.1.2 Veränderungen im finalistischen und verdienstorientierten Denken

Grom erwähnt in diesem Zusammenhang folgende Beobachtung: „Die Neigung, finalistisch und verdienstorientiert an eine im materiellen und sozialen Sinn gerechte Welt und göttliche Vorsehung mit physischen Strafen und Belohnungen zu glauben, nimmtmit den Jahren ab.“110Sehr deutlich wird dies ab dem zwölften Lebensjahr.111Diese Entwicklung kann z. B. durch autoritären Erziehungsstil im Zusammenhang mit einem strafenden Gottesbild verzögert werden.

4.1.3 Veränderungen in derÜbernahme von Glaubensüberzeugungen

Grom verweist auf Alltagsbeobachtungen, die deutlich vermuten lassen, daß im Gegensatz zu Jugendlichen und Erwachsenen Kinder Glaubenseinstellungen und -verhalten unmittelbarer und unkritischer übernehmen.112

4.1.4 Gottesvergiftung- biographisches Zeugnis einer religiösen Neurose

„Lieber Gott, ich möchte mit einem Fluch beginnen, oder mit einer Beschimpfung, die mir bald Erleichterung brächte. Eine Art innere Explosion müßte es werden, die dich zerfetz- te.“113114

Mit diesen ersten Worten kehrt der Psychoanalytiker Tilmann Moser115nach einer lan- gen und schweren Depression wieder zu dem Gott seiner Kindheit zurück und setzt sich mit ihm auf eine offene und schonungslose Weise auseinander. Bei dieser Konfrontati- on religiös-elterlich-kirchlicher Vergiftung empfindet er Haß, Aggression, Ohnmacht, Resignation und Trauer.116Das Gottesbild, das ihm vermittelt wurde, hatte keine schüt- zende Funktion, sondern trug den Charakter einer übermächtigen Kontrollinstanz. Dazu kamen die Erwartungen und Forderungen der ‚frommen‘ Eltern. So bleibt ihm nur zu sagen:

„Aber weißt du, was das Schlimmste ist, das sie mir über dich erzählt haben? Es ist die tüc??kisch ausgestreute Überzeugung, daß du alles hörst und alles siehst und auch die geheimen Gedanken erkennen kannst. Hier hakte es sehr früh aus mit der Menschenwürde; doch dies ist ein Begriff der Erwachsenenwelt. In der Kinderwelt sieht das dann so aus, daß man sich elend fühlt, weilDueinem lauernd und ohne Pausen des Erbarmens zusiehst und zuhörst und mit Gedankenlesen beschäftigt bist.“117

Diese dauernde Überforderung hat seine Entwicklung negativ beeinflußt. Moser war von tiefem Selbsthaß erfüllt.118Darunter litt nicht nur er selbst, sondern auch seine Beziehungen119, was durch seine Kommunikationsunfähigkeit noch verstärkt wurde. „Gott war lange Zeit sein einziger Gesprächspartner, der ihm zur Überkompensation seines Elends verhalf. Er war erfüllt von Urmißtrauen gegen sich und andere, er war weithin unselbständig und in seiner Initiative gebrochen, daher von Scham und Selbstzweifel und von tiefen Minderwertigkeitsgefühlen geplagt.“120Moser schreibt am Ende, daß die Auseinandersetzung mit seiner Kindheit, die er in seinem Buch geführt hat, ihm etwas geholfen habe. Wohl differenziert Moser bei der Schuldfrage:

„Aber deine Geschichte ist ja nichts anderes als die Geschichte deines Mißbrauchs. Du bist ein Geschöpf des Mißbrauchs menschlicher Gefühle.“121

Nicht Gott hat ihn mißbraucht. Gott ist vielmehr das Werkzeug seiner Eltern gewesen. Dennoch bleibt trotz einer solche Erkenntnis die Gottesbeziehung problematisch; „... im besten Falle ambivalent.“122

Es geht nun darum, diese Beobachtungen und Erfahrungen entwicklungspsychologisch zu systematisieren und zu erklären.

4.2 Endogenistische Theorien und die Frage nach der religiösen An- lage

4.2.1 Zur Relevanz endogenistischer Theorien

Religiosität als ein rein anlagebedingter Reifungsvorgang wird aus heutiger wissen- schaftlicher Sicht ausgeschlossen.123 Denn die Ausdrucksvielfalt unterschiedlicher Reli-

gionen in den verschiedenen Kulturen spricht für einen Einfluß der Umwelt bzw. der Sozialisation.

Unabhängig davon stellt sich aber die Frage: „Wieso haben sich Menschen seit Anbe- ginn mit religiösen Problemen auseinandergesetzt?“124Gibt es so etwas wie einereli-giöse Anlage?

4.2.2 Zur religiösen Anlage

Die Diskussion darüber hatte eine wechselhafte wissenschaftstheoretische Geschichte. Ursprünglich verweist sie auf einen philosophischen Kontext und wurde als Gegenstand der Metaphysik betrachtet.125In neuerer Zeit wurden auch biologistische und psychologische Therorienbildungen zur religiösen Anlage unternommen.126 Ebenfalls sind anthropologische Sichtweisen zu finden.

Im folgenden sollen fünf Ansätze kurz dargestellt werden.

4.2.2.1 Tertullian und seine philosophisch-theologische Sichtweise

Nach neuplatonischer Sichtweise ist „... in allem Seienden der Zusammenhang mit dem Sein selbst, mit dem Seinsgrund wesensmäßig angelegt.127Davon ausgehend formuliert Tertullian128 das Wesen der Seele: ‚anima naturaliter christiana‘. Zum einen bedeutet dies die Verbundenheit der Seele mit Gott, zum anderen, daß dies bei allen Menschen naturgemäß gleich ist.129Die biblische Begründung hierfür sieht Tertullian in der Ebenbildlichkeit, die Gott dem Menschen im Schöpfungsakt verliehen hat.130

4.2.2.2 Pawlow und seine biologistische Sichtweise

Im Sinne einer religiösen Anlage als eine Art genetischer Mitgifthielt Pawlow die Reli- gion „... für eine tief im Menschen verwurzelte und darum in der ganzen Menschheit verbreitete Neigung der höheren Nerventätigkeit. [...] Sie ist für ihn ein Instinkt, das heißt ein unkonditionierter Reflex (Reaktion), der aus dem Daseinskampf der menschli- chen Spezies entstand.“131Die Religion hatte dabei die Funktion zu helfen, um in der unbarmherzigen Natur zu überleben. Die Tendenz zur Religion wird seither phylogene- tisch weitervererbt, jedoch nur bei Menschen mit einem schwachen Nervensystem aus- gelöst, wenn sie mit den Anforderungen ihres Lebens nicht mehr zurechtkommen.132

Pawlows Ansatz geht von einer funktionalen Komponente des Religiösen aus, deren Richtigkeit nicht von der Hand zu weisen ist. Der Schutzcharakter des Religiösen spielt sicherlich eine Rolle, aber er erklärt nicht weitere funktionale Formen der Reli- giosität. Ferner ist nach Grom die Folgerung Pawlows, daß kulturell erworbene Verhal- tensweisen der frühen Menschheit genetisch weitergegeben werden, aufgrund biologi- scher Erkenntnisse nicht aufrechtzuerhalten. Abgesehen davon bleiben bei einer solchen Sicht kulturelle und sozialisationsbedingte Einflußgrößen außen vor.133 Und die An- sicht, daß nur nervenschwache Menschen religiös seien, entbehrt ebenfalls einer wissen- schaftlichen Grundlage.

4.2.2.3 Jung und seine psychologische Sichtweise

C.G. Jung versucht eine psychologische Verankerung des Religiösen in Archetypen134. Die Psyche hat eine innewohnende Zentrierungstendenz. Diese ist im kollektiven Un- bewußten verwurzelt „... und zeigt sich als Tendenz des Ich, sich auf seine Ganzheit hin zu entfalten. Diese Ganzheit (das Selbst) bleibt dem Ich jenseitig und wird von Jung ge- legentlich mit Gott identifiziert.“135

Jungs Archetypenlehre eröffnete - im Gegensatz zu Freuds Psychoanalyse - vielen Men- schen eine positivere Einstellung zum Unbewußten und zum Symbolischen und Reli- giösen. Dennoch gibt es Einwände.136Grom begründet die wissenschaftliche Unbrauch- barkeit vor allem darin, daß sich die archetypischen Strukturen eines kollektiven Unbe- wußten weder beweisen noch widerlegen lassen.137Schweitzer läßt in seiner Abhand- lung Jungs Ansatz aufgrund der eigentümlichen Begrifflichkeit und der damit verbun- denen Schwierigkeit, ihn mit anderen Therorien zu vergleichen, außen vor.138

4.2.2.4 Oerter und seine anthropologische Sichtweise

Oerter bietet aus anthropologischer Sicht einen handlungstheoretischen Ansatz.139

Mit dem Aufkommen des Selbstbewußtseins in der Phylogenese steht der Mensch zwei Erkenntnissen gegenüber: erstens der Abgrenzung gegenüber der Umwelt und zweitens der Auseinandersetzung mit der Endlichkeit seines Lebens. „Aufgrund seiner Ausstat- tung mit Bewußtsein sucht der Mensch immer nach einer tieferen Begründung für seine Verhaltensweisen und Zielsetzungen.“140 Dieses Suchen als Tätigkeit ist eine wenig bewußte oder nicht bewußte Aktivität, die nicht von biologischen Trieben bestimmt ist, „... sondern von dem, was man umgangssprachlich, aber auch philosophisch und religi- ös als Sinnsuche bezeichnet.“141Sie ist deshalb nicht oder nur wenig bewußt, weil der sinnstiftende Rahmen der menschlichen Aktivität alles Wissen, Wollen und Wünschen menschlicher Existenz einschließt. „Aber sie mündet immer mehr oder minder in be- wußte Begründungen dessen, was man tut, in bewußtseinsfähige Inhalte und Erklärun- gen. Solche bewußtseinsfähigen Inhalte sind dann beispielsweise religiöse Deutun- gen ...“142Kultur und Individuum wirken dabei bei der Bildung solcher Deutungsmuster zusammen. Denn die Kultur bietet Erklärungen an, die vom Menschen mehr oder weni- ger - im Sinne Piagets - assimiliert werden. Diese Aktivität ist nicht nur kognitiv zu verstehen, sondern ist auch in eine emotionale Befindlichkeit eingebettet, wobei es dabei nicht um Lust oder Unlust und biologische Grundbedürfnisse geht, sondern um „... die durch unser Bewußtsein gegebene emotionale Befindlichkeit unserer Existenz.“143

4.2.2.5 Rahner und seine transzendental-anthropologischen Sichtweise

Zum Abschluß soll der in der theologischen Tradition stehende transzendental-anthro- pologische Ansatz Karl Rahners kurz dargestellt werden.144

Nach Rahner ist der Mensch „... trotz der Endlichkeit seines Systems immer schon als ganzer vor sich gebracht.“145Der Mensch kann alles in Frage stellen. Indem er seine Endlichkeit radikal erfährt, greift er durch das Fragen „... über diese Endlichkeit hinaus, erfährt er sich als Wesen der Transzendenz ...“.146In der theologischen Kurzformel des Glaubens drückt sich das Ziel der Transzendenz aus. „Das unumfaßbare Woraufhin der menschlichen Transzendenz, die existenziell und ursprünglich - nicht nur theoretisch oder bloßbegrifflich - vollzogen wird, heißt Gott und teilt sich selbst existenziell und geschichtlich dem Menschen als dessen eigene Vollendung in vergebender Liebe mit.“147

4.2.2.6 Die Relevanz der Anlage-Diskussion in der Religionspsychologie

Die oben gestellte Frage verweist auf das Anliegen, die Existenz einer religiösen Anlage zu beweisen. Während Pawlows und Jungs Sichtweise einer empirischen Beweisfüh- rung nur schwerlich standhalten können, sind die Ansätze Tertullians, Oerters und Rah- ners einer naturwissenschaftlicher Sicht erst gar nicht zugänglich. Denn bei diesen An- sätzen handelt es sich um geisteswissenschaftliche Betrachtungsweisen, die innerhalb der hermeneutischen Sichtweise gründen. Will man also abenteuerlich anmutenden na- turwissenschaftlichen Spekulationen aus dem Weg gehen, muß konsequenterweise die Frage nach der Existenz einer religiösen Anlage in den geisteswissenschaftlichen Hori- zont gestellt werden. Deshalb wird eine empirische Religionspsychologie von dem Phä- nomenReligiositätals gegeben und gleichzeitig ihren Ursprung auch mitgedacht ausge- hen und ihre Untersuchungen im Blick auf die damit verbundenen psychischen Prozesse anstellen. „Grundsätzlich stehen [...] für religionspsychologische Untersuchungen alle heute bekannten humanwissenschaftlichen Methoden zur Verfügung. Zur empirischen bzw. experimentellen Forschung gehört die a priori formulierte Hypothese oder theore- tische Konzeption, die sich selbstverständlich auch an Methoden der Geisteswissen- schaften orientiert.“148

4.3 Exogenistische Theorien

Übereinstimmend mit Grom und Schweitzer wird eine Entwicklung der Religiosität von rein umweltbedingten Faktoren ausgehend ausgeschlossen, da eine solche Sichtweise zu einseitig ist. Denn „sie berücksichtigt zu wenig, daß religiöse Veränderungen immer auch an die individuelle Bereitschaft und Eigenaktivität gebunden sind.“149 Schweitzer verdeutlicht diesen Einwand, indem er auf die Selbständigkeit hinweist, mit der Kinder und Jugendliche die ihnen vermittelten Traditionen aufnehmen, sich aneignen oder auch zurückweisen.150

4.4 Selbstgestaltungstheorien

4.4.1 Überblick

Selbstgestaltungstheorien haben in der Religionspsychologie einen besonderen Stellen- wert.

Zum einen sind es tiefenpsychologische Ansätze und Sichtweisen, die in der Lage sind, Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsstrukturen und Religiosität und damit auch Fehlformen religiöser Entwicklung, wie z. B. die von Tilmann Moser, zu erklären.

Zum anderen verweisen die Veränderungen im Weltbild, im finalistisch-ver- dienstorientierten Denken und in der Übernahme von Glaubensüberzeugungen auf Zusammenhänge mit der kognitiven Entwicklung. Eine Reihe Autoren legen deshalb ihren Ansätzen das strukturgenetische Prinzip im Sinne Piagets151zugrunde.

Die wichtigsten tiefenpsychologischen und strukturgenetischen Ansätze werden nun vorgestellt. Sie sind allesamt Stufenmodelle, die sich an den im letzten Kapitel beschriebenen Charakteristika orientieren.152Allerdings wird die ursprünglich rein endogenistische Sichtweise durch die Hinzunahme des Umweltaspektes modifiziert. Ferner wird bei einigen Ansätzen das Prinzip eines erreichten Endzustandes durch eine die gesamte Biographie einschließende Sichtweise ersetzt. Hinsichtlich einer bewertenden qualitativen Unterschiedlichkeit der Stufen und des Universalitätspostulats werden sich die Ansätze jedoch einer kritischen Anfrage unterziehen müssen.

4.4.2 Tiefenpsychologisch orientierte Ansätze

Drei Theorien bzw. entwicklungsrelevante Aspekte werden kurz dargestellt.

Einleitend kommt die Freuds Sicht der Religionsentwicklung im Kontext der ödipalen Phase zur Sprache.153

Anschließend geht es um die Ausführungen Eriksons, der vor allem die Bedeutung des Ur-Vertrauen für den Glauben hervorhob.

Schließlich wird Rizuttos Ansatz erläutert. Sie stellt eine Synthese der tiefenpsychologischen Ansätze von Freud, Erikson, Kohut und Winnicott her und verbindet das Selbstwertstreben mit der Entwicklung der Gottesvorstellung.

4.4.2.1 Sigmund Freud

Freud hat sich zwar in mehreren Schriften mit der Religion auseinandergesetzt154155, jedoch keine eigenständige lebensgeschichtliche Entwicklungstheorie der Religiosität entworfen. Dennoch macht es Sinn, seine Kerngedanken wiederzugeben. Denn hinsichtlich der Entwicklung der Religiosität spielt die ödipale Phase eine wichtige Rolle. Zwei Grundlinien lassen sich in Freuds Religionsverständnis herausarbeiten:

- Zum einen ist es die Vorstellung eines bedrohlichen Gottes, der den Menschen mit Schuldgefühlen belastet.
- Zum anderen die Vorstellung eines väterlichen Gottes, der Schutz und Trost bietet.

Diese ambivalenten Vorstellungen haben sich aus der Vatersehnsucht des hilflosen Kindes im Zuge der ödipalen Entwicklung herausgebildet.

4.4.2.1.1 Religion im Zusammenhang von Zwang und Schuld

Nach Freud sind Schuldgefühle, die von einem Über-Ich ausgelöst wurden, bzw. die se- xuelle Triebunterdrückung Auslöser für die Neurose. Er konstatiert dabei eine Parallele zur Religion:

„Auch der Religionsbildung scheint die Unterdrückung, der Verzicht auf gewisse Triebre- gungen zugrunde zu liegen; es sind aber nicht wie bei der Neurose ausschließlich sexuelle Komponenten, sondern eigensüchtige Triebe, denen übrigens ein sexueller Beitrag nicht versagt ist“.156

Ferner sieht Freud in den religiösen Handlungen große Ähnlichkeiten mit Handlungen eines Zwangsneurotikers157, so daß er zum Schluß kommt:

„Nach diesen Übereinstimmungen und Analogien könnte man sich getrauen, die Zwangs- neurose als pathologisches Gegenstück zur Religionsbildung aufzufassen, die Neurose als die individuelle Religiosität, die Religion als eine universelle Zwangsneurose zu bezeich- nen.“158

Hinsichtlich der Entstehung der Religion geht Freud schließlich davon aus, daß ihr ein universeller Ödipuskomplex zugrundeliegt.159

„So möchte ich [...] das Ergebnis aussprechen, daß im Ödipus-Komplex die Anfänge von Religion, Sittlichkeit, Gesellschaft und Kunst zusammentreffen, in voller Übereinstimmung mit der Feststellung der Psychoanalyse, daß dieser Komplex den Kern aller Neurosen bildet, so weit sie bis jetzt unserem Verständnis nachgegeben haben.“160

4.4.2.1.2 Religiosität als regressiver Wunsch nach dem Schutz eines allmächtigen Va- ters

In seinen späteren Schriften161tritt das Thema der Religiosität als Zwangshandlung zurück. Freud hält zwar an seiner Ableitung der Religion aus dem Ödipus-Konflikt fest, „... sieht die alles bestimmende »Vatersehnsucht« aber weniger im Gleichseinwollen mit dem gehaßten und geliebten bewunderten Verbieter, sondern vor allem im Behütetseinwollen vom idealisiertenBeschützer.“162

Ausgangspunkt seiner Betrachtungen ist die Objektwahl nach dem Anlehnungstyp.163 Die Mutter ist dabei das erste Liebesobjekt, weil sie den Hunger stillt und Schutz in Angst und Gefahr bietet. Diese Schutzfunktion wird später vom Vater übernommen, zu dem das Kind ein ambivalentes Verhältnis unterhält. Es fürchtet und bewundert ihn. Daraus „... baut es die Vorstellung von einem allmächtigen Vater auf, der ihm in aller Ohnmacht hilft“164, wenn es gehorcht und vermeidet, Verbote zu übertreten.

„Wenn nun der Heranwachsende merkt, daß es ihm bestimmt ist, immer ein Kind zu bleiben, daß er des Schutzes gegen fremde Übermächte nie entbehren kann, verleiht er diesen die Züge der Vatergestalt, er schafft sich die Götter, vor denen er sich fürchtet, die er zu gewinnen sucht und denen er doch seinen Schutz überträgt. So ist das Motiv der Vatersehnsucht identisch mit dem Bedürfnis nach Schutz gegen die Folgen der menschlichen Ohnmacht“.165

Der erwachsene Mensch hat zwar erkannt, daß sein Vater dem Idealbild nicht gerecht wird, das er als Kind hatte. Aber wenn er sich angesichts von Natur und Schicksal elementar bedroht fühlt und ohnmächtig ist, „... greift er auf das Erinnerungsbild des von ihm so überschätzten Vaters der Kindheit zurück, erhebt es zur Gottheit und rückt es in die Gegenwart und die Realität. Die affektive Stärke dieses Erinnerungsbildes und die Fortdauer seiner Schutzbedürftigkeit tragen einander seinen Glauben an Gott.“166

„In diesem Prozeß entwickelt der Mensch das, was Freud eine »Illusion« nennt, deren Inhalt aus den eigenen Kindheitserfahrungen stammt.“167Religion ist also eine Wiederholung der Kindheitserfahrung und - als illusionär betrachtet - an der Wirklichkeit nicht überprüfbar, „... insofern »unbeweisbar« und »unwiderlegbar«.“168 Religion und Erwachsenwerden schließen einander aus. Demzufolge müsse sich der Mensch von diesem Infantilismus befreien. Er müsse sich der Hilflosigkeit bewußt werden und sich von der Vorstellung lösen, das Objekt einer fürsorglichen göttlichen Vorsehung zu sein. Die Religion müsse durch eine Erziehung zur Realität weichen.169

4.4.2.1.3 Kritische Würdigung

Freuds Analyse pathologischer Religiosität ist gerade im Hinblick auf die Psychotherapie von großer Bedeutung. Darin liegt sein Verdienst.170

Allerdings sind seine Reduktion auf zwei Grundlinien und die Verallgemeinerungsten- denzen bzw. grundsätzliche Pathologisierung der Religion sehr fragwürdig. Es ist sicherlich richtig, daß Religion auch mit Angst, Zwang und Schuld zu tun haben kann und daß eine zwanghafte Religiosität innerhalb allgemeiner Zwanghaftigkeit und Über-Ich-Bildung entsteht. Die Behauptung jedoch, daß sich die Religiosität eines Men- schen nach dem Modell einer Zwangsneurose erklären lasse, ist schwerlich aufrecht zu erhalten. Der Blick in das ganze Spektrum der religiöser Phänomene zeigt nämlich, daß es „...nicht nur zwanghafte, imÜber-Ich wurzelnde, sondern auch erfüllungsmotivierte, im Ich verankerte Religiosität171gibt.

Die große Ähnlichkeit zwischen Zwangshandlungen und religiösen Handlungen läßt sich in der dargestellten Verallgemeinerung nicht bestätigen. Ungeachtet einer eingehenderen Analyse besteht ein qualitativer Unterschied zwischen den Tätigkeiten. Zwangshandlungen werden vom Individuum als unangenehm und quälend empfunden und sind durch Willensbeeinflussung nicht abstellbar. Ferner haben sie keinen erkennbaren Sinn. Religiöse Riten dagegen sind in der Regel für den Gläubigen mit Sinn belegt und werden freiwillig und zu bestimmten Anlässen vollzogen.172

Die Aufgabe der Religiosität hinsichtlich ihrer Schutzfunktion ist grundsätzlich nicht abzustreiten. Allerdings ist die Verallgemeinerung, daß die Religiosität lediglich auf kindlichen Erfahrungs- und Verhaltensmustern beruht, unzulässig. Es gibt sicherlich solche Formen. Viele erwachsene Menschen haben jedoch eine Religiosität, die sich an den Erfordernissen des Lebens orientiert und nicht an infantilen Wunschvorstellungen. Abgesehen davon weist Grom auf die kognitive Komponente der Religiosität hin, näm- lich „daß religiöse Überzeugungen nicht nur aus unbewußten Primärvorgängen wie Ide- alisierungen, Wunsch- und Angstübertragungen oder Abwehr entstehen müssen [...], sondern auch »Ergebnis des Denkens«, das heißt Resultat einer Ich-Funktion und eines Sekundärvorgangs mit weltanschaulicher Realitätsprüfung sein können.“173

4.4.2.2 Erik H. Erikson

Auch Erikson hat keine explizite Religionspsychologie verfaßt. Das Buch ‚Der junge Mann Luther‘ wäre am ehesten als eine religionspsychologische Studie zu bezeichnen, wobei sie sich lediglich auf das Jugendalter Luthers bezieht. In den über seine Werke verstreuten Anmerkungen sind aber alle Elemente der heutigen psychoanalytischen Religionspsychologie vorhanden:174175

- Die Bedeutung des Säuglingsalters für die religiöse Entwicklung
- Die Aufnahme des Jugendalters in die Betrachtungen
- Die Vorstellung einer das ganze Leben übergreifenden (religiösen) Entwicklung.

Seine Ausführungen darüber orientieren an seinem Religionsverständnis, das im folgenden kurz skizziert wird.

4.4.2.2.1 Der Hauptgegenstand der Religion

Erikson geht von drei ‚Sehnsüchten‘ oder ‚Bildern‘ aus, in denen er den Hauptgegenstand der Religion sieht und die die religiöse Entwicklung bestimmen:

- die mütterliche Sorge
- das väterliche Gebot
- die Suche nach dem Selbst:

„Eine dieser Sehnsüchte ist das einfache, inbrünstige Verlangen, mit wohltuenden Substan- zen versorgt zu werden, - eins zu sein mit dem mütterlichen Urgrund. [...] Ziel der zweiten Sehnsucht ist die väterliche Stimme des lenkenden Gewissens, die dem einfachen Paradies der Kindheit ein Ende setzt und tatkräftiges Handeln gutheißt und be- stätigt. [...]

Schließlich zeigt der Spiegel das reine Selbst, den ungeborenen Kern der Schöpfung, in dem Gott >ein lauter Nichts< ist, wie Angelius Silesius sagt. Die östliche Mystik kennzeichnet Gott vielfach auf diese Weise.“176

4.4.2.2.2 Die Bedeutung des Säuglingsalters

Hinsichtlich der religiösen Entwicklung stellt Erikson zunächst die orale Phase mit den PolenUr-Vertrauen vs. Ur-Mißtrauen177heraus. Sie ist nicht nur für die Ernährung und

die ersten Lusterfahrungen des Menschen wichtig, sondern auch die Interaktion mit ei- ner mehr oder weniger fürsorglichen Mutter spielt eine besondere Rolle. Innerhalb einer gesunden Entwicklung lernt „... das Kind hier auf einer ersten Stufe, »Grundmißtrauen« zu überwinden, das heißt das Gefühl, verlassen zu werden und zu nichts gut zu sein, ein Gefühl, das es für Unsicherheiten und Mangel an Selbstwertgefühl sowie für depressive und schizoide Entwicklungen anfällig machen würde.“178 Auf dieser Stufe kann das Kind Ur-Vertrauen aufbauen, das Erikson in folgender Weise charakterisiert:

„Unter "Vertrauen" verstehe ich dasselbe, was man so im allgemeinen als ein Gefühl des Sich-Verlassen-Dürfens bezeichnet, und zwar in bezug auf die Glaubwürdigkeit anderer und die Zuverlässigkeit seiner selbst.“179

Dieses Ur-Vertrauen, das durch die Mutter ermöglicht wurde, muß auch vom Vater und anderen Bezugspersonen gefördert „... und vom Heranwachsenden über weitere Entwicklungsphasen zu einem realistischen Optimismus und Selbstwertgefühl innerhalb einer tragfähigen Erwachsenenidentität weitergestaltet werden.“180 Für Erikson ist die Herausbildung des Ur-Vertrauens auch die Voraussetzung für den religiösen Glauben, das auch gleichzeitig von diesem gestützt werde.

„Das Vertrauen wird [...] zur Fähigkeit zu glauben - ein vitales Bedürfnis, für das der Mensch irgendeine institutionelle Bestätigung finden muß. Es scheint, daß die Religion die älteste und die dauerhafteste Institution ist, um der rituellen Wiederherstellung eines Ver- trauensgefühls in der Form des Glaubens zu dienen, während sie eine greifbare Formel für das Gefühl des Schlechten bietet, gegen das den Menschen zu wappnen und zu verteidigen sie verspricht.“181

Die Religion ist als solche aber nicht infantil. Hinsichtlich der weiteren Entwicklung geht Erikson davon aus, daß das begonnene kindliche Ur-Vertrauen zu einer Kombination von Glaube und Realismus heranreift und damit der oben erwähnten kindlichen Paradiesvorstellung konsequenterweise ein Ende bereitet.

4.4.2.2.3 Die Bedeutung des Jugendalters

Thema des Jugendalters ist die Identitätsbildung. Sie „setzt nach Erikson für ihr Gelin- gen ein orientierendes, sinnstiftendes Bezugssystem oder Weltbild voraus“, das er [...] als »Ideologie« bezeichnet. Diese Bezeichnung soll auf den vereinfachenden Charakter solcher Weltbilder hinweisen, den Erikson besonders in der Adoleszenz für unvermeid- lich ansieht.“182Auf der Suche nach Orientierung und Sinn spielt die Religion als eine solche Ideologie eine wichtige Rolle. Allerdings ist die adoleszente Entwicklung nicht von ihr abhängig. Zwar vermag die Religion „... an das frühe Gefühl der Zuwendung eines anderen anzuknüpfen ...“183, aber als sinnstiftende Ideologie können auch andere Weltanschauungen dienen.

4.4.2.2.4 Die Suche nach Integrität als lebenslange Aufgabe des religiösen Menschen

Die Identitätssuche im Jugendalter ist zunächst selbst-zentriert. Es geht dabei um die Sicherung des eigenen Selbst und seiner Stellung in der Welt. Erst die weitere Entwicklung führt zu einer Distanz zu sich selbst. Dabei wird „... ein Weg »jenseits der Identität« eröffnet, den zu gehen Erikson angesichts der Endlichkeit des menschlichen Lebens für erforderlich hält.“184 Die Auseinandersetzung mit diesem Faktum ist eigentlich Thema der letzten StufeIntegrität vs. Verzweiflung. Aber hinsichtlich der Religiosität ist die Integritätssuche nicht auf diese letzte Stufe beschränkt.

„Die Integritätskrise, in einem normalen Leben die letzte, ist bei einem Homo religiosus chronisch und begleitet ihn sein ganzes Leben hindurch. [...]

Durch den kurzen Abstand zwischen der Identitätskrise des Jugendlichen und der Integritätskrise des Erwachsenen beim Homo religiosus fällt für ihn das Problem individueller I- dentität mit dem der existenziellen Identität zusammen.“185

Denn in der adoleszenten Identitätsbildung spielt die Frage nach dem Sinn des Lebens angesichts der Endlichkeit des menschlichen Lebens eine große Rolle.

4.4.2.2.5 Kritische Würdigung

Im Gegensatz zu Freud steht Erikson der Religion positiv gegenüber. Dies hängt zum einen daran, daß seine psychoanalytische Ich-Psychologie die „... Kräfte, Fähigkeiten und Entwicklungsprozesse des Ich in den Vordergrund rückt und in diesem Ich nicht mehr nur den hilflosen Reiter auf einem unbezähmbaren Es der Triebe sieht.“186Was Erikson ferner von Freud unterscheidet, ist seine Notwendigkeit, kindliche Paradiesvor- stellungen im Rahmen der religiösen Entwicklung abzulegen. Damit tritt Erikson einer Infantilisierung der Religiosität entgegen. Vor diesem Hintergrund geht es ihm auch nicht um die Ablösung der Religion durch die Wissenschaft, sondern um eine Entwicklung des Welt- und Wirklichkeitsverständnisses zugunsten eines höheren Maßes an Humanität, die durch wechselseitige Anerkennung und Toleranz gekennzeichnet ist.187

Schließlich setzt Erikson den Einfluß der primären Bezugspersonen für die reli- giöse Entwicklung nicht erst in der ödipalen Phase an, sondern die frühkindlichen Er- fahrungen in der oralen Phase spielen eine wesentliche Rolle. Er erkennt wohl den ödi- palen Zusammenhang Freuds von Über-Ich und Gottesvorstellung an, aber die Be- schränkung der Vaterproblematik reicht ihm nicht für die Beschreibung der religiöser Entwicklung. Schweitzer kritisiert hier Erikson, daß er sich in diesem Punkt nicht ein- deutig äußert: „Neben der entwicklungsbezogenen Deutung von Religion finden sich auch Formulierungen, die eher der Position Freuds entsprechen und die der Religion ei- ne Ausbeutung der »menschlichen Neigung zum Schuldgefühl« vorwerfen“.188

Ansonsten wird auf die Kritik an Eriksons Entwicklungsmodell verwiesen.189

4.4.2.3 Ana-Maria Rizzuto

Einer der modernsten Ansätze einer psychoanalytischen Selbstpsychologie und Objekt- beziehungstheorie des Religiösen hat Ana-Maria Rizzuto in Anlehnung an Winnicott190191, Freud, Erikson und Kohut192unternommen. Sie hat vier Personen anhand eines Frage- bogens, einer Zeichnung und eines Interviews über deren Beziehung zu Gott und den Eltern untersucht und eine tiefenpsychologische Entwicklung der Gottesvorstellung im Kontext des Selbstwertstrebens193herausgearbeitet.

4.4.2.3.1 Beschreibung der Gottesvorstellung

Rizzuto hat folgende Hypothese entwickelt: Mit Abschluß der ödipalen Phase entwic??kelt jedes Kind in der westlichen Kultur noch vor einer religiösen Unterweisung

„...an idiosyncratic and highly personalized representation of God derived from his object relations, his eveloving self-representations, and his environmental system of beliefs. Once formed, that complex representation cannot be made to disappear; it can only be repressed, transformed, or used.“194

Die Gottesvorstellung hat einen funktionalen Charakter. Sie kann trösten und Hoffnung geben und dient auch dazu, „... Ärger und Ambivalenzgefühle auszugleichen.“195Hinsichtlich des Beziehungscharakters kann der hinter der Vorstellung stehende Gott geliebt und gehaßt werden.

Verändert wird die Gottesvorstellung dann, wenn es darum geht, das narzißtische Gleichgewicht des Selbstgefühls herzustellen.

4.4.2.3.2 Die normale, idealtypische religiöse Entwicklung

In der oralen Phase erfährt sich das Kind noch in einer undifferenzierten und symbiotischen Einheit mit der Mutter. Dabei macht es die Kernerfahrungen von Sicherheit, Größe und Selbstgefühl, die zusammen mit dem idealisierten Mutterbild in das Gottesbild einfließen. „Verläuft dieses Stadium unbefriedigend, so bleibt es später auf grandiose (Bestätigungs-)Bedürfnisse fixiert und will sich mit Gott identifizieren, um seine Wertlosigkeitsgefühle zu kompensieren.“196

In der analen Phasenimmt sich das Kind einerseits als von den Eltern stärker getrennt und andererseits als eigenständiges Wesen wahr. Im Sinne Winnicotts entwickelt das Kind Übergangsobjekte, in die es seine Wünsche und Ängste legt. Auch Gott ist für das Kind zunächst ein Übergangsobjekt. Das Kind bildet eine unbewußte Gottesvorstellung aus dem Vorstellungsmaterial, das den Repräsentanzen der primären Objekte entnommen ist. Während die anderen Übergangsobjekte allmählich an Bedeutung verlieren, bleibt die Gottesvorstellung bestehen. Denn durch die Umgebung erfährt es, daß Gott eine reale Person ist, die die Schöpfung gemacht hat. Die kindliche Gottesvorstellung trägt damit anthropomorphe Züge.

In derödipalen Phase„... idealisiert das Kind die Eltern, mit denen es gleich sein möchte, und erhebt Gott zum Großen und Allmächtigen.“197Dadurch, daß das Kind seine sexuellen Wünsche sublimiert, erhebt es ein nichtsexualisiertes Elternbild zu einem gutartigen Beschützer, insofern es sich unterwirft und damit die Kastrationsangst überwindet. Dies fließt in die Gottesvorstellung ein. Die in dieser Phase gestaltete rudimentäre Gottesvorstellung „... bleibt als Übergangsobjekt bedeutsam, wenn sie durch alle Entwicklungsstufen und Lebensereignisse hindurchentsprechend den Bedürfnissen des Selbstbildesumgestaltet wird und mit ihnen übereinstimmt.“198Es gewährleistet einen Bezug zu den primären Objekten sowie Selbstachtung und Hoffnung.

In der Latenzphase gliedert das Kind Gott entsprechend seiner intellektuellen Reife nüchterner in seine Erfahrungen ein. Es sieht ihn nun als den, der immer da ist, auch in seinen Gedanken, die den Eltern verborgen sind.

In dergenitalen Phasemit dem Einsetzen des formaloperationalen Denkens entwickelt der Heranwachsende einen Gottesbegriff. Er ist im Gegensatz zur emotional gefärbten Gottesvorstellungkognitiver Natur und wird durch das vorherrschende religiöse Umfeld vermittelt. Beide Begriffe müssen aus analytischen Gründen auseinandergehalten wer- den.199„In der Identitätsfindung während der Adoleszenz, [...] kann Gott als Schöpfer aller Dinge und - mystisch - als Geliebter gefaßt, aber auch als der, der Leid zuläßt, ab- gelehnt werden.“200

4.4.2.3.3 Kritische Würdigung

Rizzutos Verdienst liegt in der Darstellung der Zusammenhänge zwischen dem Selbstwertstreben und der Religiosität. Dennoch sind Anfragen zu stellen.

Grom kritisiert, daß der Ansatz lediglich den Zusammenhang zwischen kindlichen

Kompensationsbedürfnissen und Gottesvorstellungen vor dem Hintergrund einer Selbstund Elternidealisierung erklären kann. Offen jedoch bleibt „... wie solche Gottesvorstellungen zu einem realitätsgerechten Übergangsobjekt werden können“201. Ferner erklärt die Theorie zwar die Einflußnahme narzißtischer Störungen auf religiöse Vorstellungen202, aber er sagt wenig über normales Selbstwertstreben und seine Zusammenhänge mit dem religiösen Erleben aus.

Außerdem sieht Grom die Entwicklung der kognitiven Kompetenz und die Einflüsse einer religiösen Sozialisation zu wenig in Rizzutos Theorie berücksichtigt.203 Auf den ersten Blick erscheint die Entwicklung der Gottesvorstellung mit Ende der genitalen Phase abgeschlossen. Man muß jedoch bedenken, daß sich die Gottesvorstellung im Kontext der Herstellung des narzißtischen Gleichgewichtes verändern kann. Dies schließt die gesamte Biographie ein, so daß von einem erreichten Endzustand nicht in direkter Weise gesprochen werden kann.

4.4.3 Strukturgenetische Ansätze

4.4.3.1 Vorbemerkungen

Strukturgenetische Ansätze204 zur Beschreibung religiöser Entwicklung haben in der Religionspsychologie eine lange Tradition. Baldwin hat bereits um die Jahrhundertwen- de eine vierstufige Theorie vorgestellt, die religiöse Entwicklung als Teil einer Gesamt- entwicklung versteht, „die insbesondere auch diejenigen der sozialen Kognition und Moralität einschließt.“205 Als Entwicklungsschema legte er ein Assimilations- und Ak- komodationsprinzip zugrunde, was Piaget unabhängig von Baldwin ebenfalls als Erklä- rung vorgeschlagen hat.206

Mittlerweile wurden eine Reihe strukturgenetisch orientierter Theorien in der Religions- psychologie entwickelt, wobei folgende Unterscheidung vorgenommen werden muß. Es gibt Ansätze, die hinsichtlich ihres Untersuchungsgegenstandes lediglich eine struktur- genetische Theorie zugrundelegen. Dies ist z. B. bei Goldman und Elkind der Fall. Bei ihnen wird die religiöse Entwicklung vor dem Hintergrund der kognitiven Entwicklung Piagets betrachtet. Fowler und Oser & Gmünder dagegen untersuchen eine strukturge- netische Entwicklung eigentlicher Religiosität, die als interaktive Beziehung zwischen dem Individuum und einem Letztgültigen in einer bestimmten Lebenssituation bestimmt wird.207 Oser & Reich postulieren hinsichtlich dieses unterschiedlichen Gebrauchs des strukturgenetischen Prinzips: „Es genügt nicht, die [...] Theoreme von ERIKSON, PIA- GET, KOHLBERG u. a. anzuwenden; man muß berücksichtigen, was den Kern einer strukturgenetischen Religionspsychologie ausmacht, nämlich, daß das Individum seine Religiosität interaktiv hervorbringt, so wie es Erkenntnis hervorbringt und daß zu be- schreiben und zu analysieren wäre wie die Struktur wird (ihre Genese) und wie sie sich transformiert.“208

Im folgenden werden die Ansätze Goldmans, Fowlers und Oser & Gmünders vorge- stellt.

4.4.3.2 Ronald Goldman

Goldman hat 1964 sein Stufenmodell der religiösen Kognition in seinem Werk ‚Religous Thinking from Childhood to Adolescence‘ veröffentlicht.209

Er ging davon aus, daß es in Modus und Methode zwischen religiösem und nicht-reli- giösem Denken keinen Unterschied gibt:

„Religious thinking is a shortened form of expressing the activity of thinking directed towards religion, not a term meaning seperate rationality.“210

4.4.3.2.1 Zum Untersuchungs-Setting

Auf der Grundlage der von Piaget entwickelten semiklinischen Befragungstechnik interviewte Goldman zweihundert Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis fünfzehn Jahren zu ihrem Verständnis biblischer Geschichten, zu ihren Vorstellungen von Gott und dem Bösen in der Welt, von der Person Christi usw.211Die gewonnenen Daten interpretierte er vor dem Hintergrund von Piagets Stufenkonzeption und postulierte sein Stufenmodell der religiösen Kognition.

4.4.3.2.2 Die Stufenkonzeption

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten212

4.4.3.2.3 Kritische Würdigung

Goldmans Verdienst besteht darin, daß er „... eine konsequente Aufhellung der Begrenzung des kindlichen religiösen Denkens“213erbringt. Allerdings hat er damit keine Entwicklung eigentlicher Religiosität entworfen.214

Kritische Anfragen bezüglich der Stufenkonzeption orientieren an den Punkten, die Pia- gets Entwicklungstheorie betreffen, da sie dem Ansatz Goldmans zugrundeliegt.215 Ferner ist die negativ gefärbte Darstellung kindlicher Religiosität in der Stufe des intui- tiven religiösen Denkens zu kritisieren. Es bleibt die Frage, ob eine solche Bewertung vor dem Hintergrund der Eigenständigkeit der Kinderwelt gerechtfertigt ist.

Goldmans Schlußfolgerung, daß die Bibel für Kinder ungeeignet sei, weil sie den Sinn der Geschichten noch nicht verstehen bzw. mißverstehen und sie dadurch „... in ihrer Religiosität durch den Bibelunterricht gefährdet würden ...“216, ist zu kurzschlüssig. Si- cherlich ist es richtig, daß das Verstehen biblisch-symbolischer Texte von der kogniti- ven Entwicklung abhängig ist. Aber das Verstehen ergibt sich mit Erreichen der forma- loperationalen Stufe nicht von selbst. Zwar bietet diese Stufe die kognitive Vorausset- zung für das Verständnis, aber der hermeneutische Zugang mit der Darbietung exegeti- scher Befunde zu den Texten eröffnet erst den inhaltlichen Zugang. Ohne diese Ver- mittlung relevanter Information werden selbst Erwachsene biblische Geschichten nicht richtig verstehen und als Märchen abtun.

Die Bibel aus dem Religionsunterricht zu verbannen, ist auch deshalb kurzschlüssig, weil Goldman innerhalb der einzelnen Textgattungen offenbar keine Unterscheidungen vornahm. Bei seinen Untersuchungen legte er den Probanden ausschließlich Wunder- geschichten vor.217Es gibt aber eine ganze Reihe von Geschichten, vor allem im Neuen Testament, die Kinder verstehen und für ihre Religiosität verwerten können, z. B. wenn es um zwischenmenschliche Umgangsweisen und die Zuwendung Gottes in der Person Jesu zu den Menschen geht.

4.4.3.3 James Fowler

Fowler verbindet in seiner Theorie des Wachstums im Glauben die psychologischen Konzeptionen von Piaget, Kohlberg und Erikson mit den theologischen Konzeptionen218von Tillich und H. Richard Niebuhr. Dadurch wird in breiter Weise Fowlers Stufentheorie konzeptualisiert.219

4.4.3.3.1 Fowlers Glaubensbegriff

Fowler beschreibt Glauben in allgemeinster Weise folgendermaßen.

„Glauben [...] ist ein universales menschliches Verlangen. Bevor wir religiös oder nicht-re- ligiös sind, bevor wir dazu gelangen, uns als Katholiken, Protestanten, Juden oder Moslems zu sehen, sind wir schon mit Glaubensfragen beschäftigt. Ob wir Nichtgläubige, Agnostiker oder Atheisten werden, wir sind mit dem Problem beschäftigt, wie wir unser Leben einrichten und womit unser Leben lebenswert werden kann.“220

Er unterscheidet dabei zwei Begrifflichkeiten:

- Faith

Dieser Glaubensbegriff hat mit dem Menschen in seiner Ganzheit zu tun. Fowler un- terscheidet dabei zwischen dem Beziehungs- und dem Erkenntnisaspekt von ‚faith‘. „Faith as relational - faith as knowing. Glaube entstehe von Geburt an aus Bezie- hungen und sei im wesentlichen Beziehung - sowohl zu seinen Mitmenschen und zur sozialen Umwelt als auch zur Transzendenz. Zudem sei er eine bestimmte Sicht- und Deutungsweise der Welt. Insofern umfaßt Glaube die gesamte Persönlichkeit; denn sowohl ihre Moralität und ihr soziales Bewußtsein als auch ihre geistigen Fä- higkeiten, ihr Selbstkonzept und ihre unbewußten Schichten sind in ihn in- volviert“221.

- Beliefs

Darunter vesteht Fowler die konfessionellen Glaubensinhalte. Sie sind jedoch zweitrangig, da es ihm um den Anspruch einer überkonfessionellen Theorie geht.222

4.4.3.3.2 Zum Untersuchungs-Setting

Von seinem Faith-Begriff ausgehend formuliert Fowler sieben Dimensionen, deren Veränderungen in sechs beobachtbaren Stufen und einer empirisch kaum abgesicherten Stufe zum Ausdruck kommen:223

- Form des logischen Denkens · Rollenübernahme
- Form des moralischen Urteils
- Grenzen des sozialen Bewußtseins · Verortung von Autorität
- Form des Weltzusammenhangs
- Symbolfunktion

Um der Verbindung des Glaubens mit der Lebensgeschichte gerecht zu werden, ging Fowler nicht von der Erhebung einzelner Dimensionen aus, sondern verwendete biogra- phisch orientierte Tiefeninterviews, „... die oft stundenlang dauerten, und in denen die Probanden manchmal erschütternd von ihren Lebens- und Glaubenskrisen berichte- ten“224.

4.4.3.3.3 Die Stufenkonzeption

Fowler hat seine Ergebnisse in einer invarianten Abfolge von maximal sieben in ihrer Qualität sich unterscheidenden hierarchischen Stufen systematisiert.225

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten226227228

4.4.3.3.4 Kritische Würdigung

Fowlers Stufenmodell zeichnet sich dadurch aus, daß es den Glauben sehr breit konzeptualisiert. Es versucht, möglichst allen Dimensionen gerecht zu werden. Dabei strebt Fowler eine Synthese strukturgenetischer und tiefenpsychologischer Theorien an und betont die Bedeutung der Affekte.

Trotz dieser integrativen Absicht liegt jedoch hinsichtlich der sieben Dimensionen, die die Stufen beschreiben, eine Überbetonung der kognitiven Anteile vor. Insofern bleibt Fowler hinter der postulierten Ganzheitlichkeit zurück.229

Eine andere Schwierigkeit stellt sich hinsichtlich der normativen Bewertung der höhe- ren gegenüber der tieferen Stufen. Fowler gibt sich hier widersprüchlich. Einerseits ist er sich bewußt, „daß Sinnorientierungen nicht einfach gegeneinander abgewogen wer- den können. [...] Anderseits liegt schon in der Art, wie Fowler die Stufen nach ihrer Dif- ferenziertheit untersucht, die Annahme einer Höherentwicklung beschlossen. Insofern ist es nicht überraschend, wenn Fowler dann auch eine Höherwertigkeit [...] be- hauptet“230

Eine weitere Schwierigkeit stellt sich hinsichtlich des den Stufen innewohnenden Ent- wicklungsmechanismus. Während die ersten vier Stufen sich mehr an Piagets Entwick- lungstheorie orientieren, sind die späteren Stufen viel stärker abhängig von bestimmter Lebenserfahrung bzw. theologischer Argumentation.231 Oser & Reich zweifeln deshalb die Validität in der empirischen Erfassung der Stufen an, „weil sie theologisch-norma- tiv, sozial-affektiv und zugleich in einer Weise inhaltlich umfassend sind, daß sie nicht mehr präzise greifbar werden und zu vielen Spekulationen Anlaß bieten.“232

Trotz aller Kritik verweist Fowlers Theorie auf die Notwendigkeit, eine integrative, die gesamte Persönlichkeit umfassende Darstellung der religiösen Entwicklung zu beschrei- ben.

4.4.3.4 Fritz Oser & Paul Gmünder

Oser & Gmünder versuchen mit ihrem Ansatz der ‚Stufen des religiösen Urteils‘233die Kritik einer Überfrachtung des operationalisierten Glaubenskonzepts Fowlers zu über- winden und Religiosität so zu konzeptualisieren, „... daß sie der Empirie zugänglicher ist und einen relativ eigenständigen Bereich in der menschlichen Entwicklung präsen- tiert.“234

4.4.3.4.1 Grundannahmen der Theorie

4.4.3.4.1.1 Zur Religiosität

Ausgangspunkt ist eine funktional orientierte Religiosität, die von der Beziehung zwischen Mensch und einem ‚Letztgültigen‘ oder ‚Ultimaten‘ gekennzeichnet ist.235Vor allem in der „... Auseinandersetzung mit Kontingenzsituationen wird das Verhältnis des Menschen zu einem Letztgültigen aktiviert.“236

Das Erkenntnisinteresse richtet sich bei Oser & Gmünder auf die Deutung solcher Er- fahrungen bzw. die Frage, wie Menschen verschiedenen Alters Gott bei der Bewälti- gung konkreter Kontingenzsituationen einbringen. Es geht also nicht lediglich um Got- tesvorstellungen.

4.4.3.4.1.2 Zum Begriff des‚religiösen Urteils‘

Hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Kontingenzsituationen führen Oser & Gmün- der den Begriff desreligiösen Urteilsein. „Im religiösen Urteil bezieht sich der Mensch auf solche subjektiven Lebenssituationen, gibt ihnen Sinn und versucht sie zu bewälti- gen.“237

„Anders formuliert ist das religiöse Urteil Ausdruck jenes Regelsystems einer Person, wel- ches in bestimmten Situationen das Verhältnis des Individuums zum Ultimaten überprüft. [...] Dabei sei nochmals betont, daß es hier nicht explizit um eine inhaltliche oder gar theo- logische Bestimmung dessen geht, was mit »religiös« charakterisiert wurde. Vielmehr wird das Konstrukt »religiöses Urteil« streng unter entwicklungspsychologischem Gesichtspunkt analysiert und in diesem Sinn funktional als Beziehungsstruktur aufgefaßt, welche sich als Relation zwischen Mensch und handlungsentzogenem Unbedingtem darstellt und sich als Modus dieses Denkprozesses dann in den jeweiligen Stadien ausdrückt.“238

Das religiöse Urteil gehört für Oser & Gmünder zum Menschen konstitutiv dazu. Sie gehen deshalb von einer sog. religiösenMutter-Strukturaus239:

„Der von Piaget eingeführte Begriff der Mutter-Struktur kann auch im eigenständigen und ursprünglichen Bereich des Religiösen angewandt werden. Sinnschaffung, Hoffnung, Transzendenz, Freiheit, Überzeitlichkeit usw. sind Elemente dieser Struktur. Die religiöse Mutterstruktur ist nicht mehr reduzierbar und wird vom Menschen als umfassende Tiefen- dimension erfahren.“240

Um das religiöse Urteil inhaltlich genauer zu rekonstruieren, verwenden Oser & Gmünder folgende Dimensionen bzw. Pole:241

- Heiliges vs. Profanes
- Transzendenz vs. Immanenz
- Freiheit vs. Abhängigkeit
- Hoffnung (Sinn) vs. Absurdität
- Vertrauen vs. Angst
- Dauer (Ewigkeit) vs. Vergänglichkeit
- Unerklärlich Geheimnishaftes vs. funkional Durchschaubares · (Bestimmung vs. Zufall).242

4.4.3.4.2 Zum Untersuchungs-Setting

Die Operationalisierung des religiösen Urteils erfolgte über semiklinische Interviews vor dem Hintergrund von sog. religiösen Dilemmasituationen, einer Methode, die auch schon Kohlberg anwendete.243Die Probanden erhielten dazu Fragen, die die o. g. fundamentalen Dimensionen zur Sprache bringen sollten.244

„Wenn eine Person nun eine Dilemmasituation bewältigen soll, so muß sie ein für sie gültiges Gleichgewicht zwischen diesen Polen erstellen [...]. Das ist dann der Ort, wo klare Stufenunterschiede zutage treten.“245

4.4.3.4.3 Die Stufenkonzeption

Oser & Gmünder legen ihrem Stufenkonzept den strukturgenetischen Ansatz Piagets und Kohlbergs mit folgenden vier Merkmalen zugrunde:

- Qualitative Verschiedenheit der Stufen · Unumkehrbare Sequentialität · Strukturierte Ganzheit
- Hierarchische Differenzierung und (Re)Integration.246

„Auf jeder Stufe werden die [...] Pole von der Person unter einer vorherrschenden Perspektive strukturiert und bilden eine strukturierte Ganzheit.“247Diese Ganzheit ist von Stufe zu Stufe qualitativ unterschiedlich und wird im Sinne eines kontinuierlichen Voranschreitens der Stufenentwicklung in die nächst höhere integriert. Dadurch wird von Stufe zu Stufe das religiöse Urteil differenzierter und integrierter.

Die Auswertung der Untersuchungsergebnisse248ergab, daß auf den tieferen Stufen die Pole kaum miteinander in Beziehung gesetzt werden.249Auf den höheren Stufen durch- dringen sich die Pole und werden „... schließlich dialektisch miteinander ver- schränkt.“250 Hinsichtlich der Altersverteilung zeigten die Ergebnisse, daß mit zuneh-

mendem Alter die höheren Stufen häufiger auftreten.251

Aus ihren Grundannahmen und ihren Forschungsergebnissen haben Oser & Gmünder fünf Entwicklungsstufen des religiösen Urteils entwickelt.252

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten253254255

4.4.3.4.4 Kritische Würdigung

Oser & Gmünders Stufenkonzept des religiösen Urteils darf als der derzeit bedeutendste strukturgenetische Ansatz bezeichnet werden. Er gab Anregungen zu einer Fülle an Nachfolgeuntersuchungen und forschungsrelevanten Auseinandersetzungen, die sich u. a. mit den Schwachstellen des Ansatzes beschäftigt haben.256

Im folgenden soll auf wesentliche Kritikpunkte eingegangen werden.257

Zum einen wurde der Einfluß der Sozialisation, besonders der familialen und kirchlichen, kaum berücksichtigt. Religiöse Gemeinschaften sind in den o. g. Dimensionen nicht vorgesehen. Zwar taucht bei den Interviewfragen das ThemaKircheauf258, aber es wird nicht aus einer struktuellen Sichtweise heraus betrachtet, sondern von Oser & Gmünder nur als Institutionalisierungs- und Sozialisierungsproblematik angesehen.259Vor dem Hintergrund der Struktur der Theorie und ihres Universalitätsanspruches mag diese Vernachlässigung zwar logisch sein, aber Faktum ist, daß die Religiosität auch durch sozialisatorische Einflüsse mitgeprägt wird.

Hinsichtlich des Paul-Dilemmas stellen sich Probleme bei der Operationalisierung. Der dargestellte Konflikt von Paul, ob er sein Versprechen halten soll oder nicht, ist eigent- lich ein moralisches Dilemma und erhält erst seine religiöse Dimension durch die Inbe- zugsetzung zu Gott. Ferner verweist Beile darauf, daß dieses Dilemma vom Inhalt her eine sog. Vor-Strukturbesitzt, die letztlich darin besteht, „... daß eine Stufe-2-Argu- mentation [...] vorgegeben wird.“260, die eine objektive Verwendung für die anderen Stufen erschweren kann. Beile schlägt deshalb vor, für zukünftige Forschungen auf das Paul-Dilemma zu verzichten und mit ausschließlich nur einem Dilemma, und zwar ei- nem Theodizee-Dilemma, zu arbeiten. „In seiner Komplexität spricht es verschiedene Personengruppen an, reizt zur Auseinandersetzung und hat keine »Vor-Struktur«.“261

Ungelöst ist bis heute die Frage, wie es zu den Stufentransformationen kommt bzw. was die religiöse Entwicklung vorantreibt. Eine fundierte Untersuchung würde u. a. erklären, warum im Erwachsenenalter die religiöse Entwicklung stagniert bzw. Erwachsene sich noch auf der zweiten oder dritten Stufe bewegen.262

Eine Reihe von Autoren kritisieren die grundsätzliche Überbetonung des Kognitiven in Osers Ansatz.263Oser & Gmünder weisen jedoch darauf hin, daß das religiöse Urteil re- ligiöses Denken und religiöse Gefühle beinhaltet, wobei in der empirischen Umsetzung die kognitive Argumentation im Vordergrund steht.264„Das Problem scheint also nicht zu sein, daß im religiösen Urteil nur die kognitive Seite angesprochen und die emotio- nale Seite nicht berührt wird, sondern daß bisher die enge Beziehung zwischen Kogniti- on und Emotionen nicht genügend herausgearbeitet und methodisch erfaßt wurde.“265 Hier besteht noch Forschungsbedarf.266

Eine letzte Frage ist, ob atheistische oder agnostische Einstellungen in das Theoriekon- zept miteinbezogen werden können. Ursprünglich haben Oser et al. vor dem Hinter- grund der anthropologisch verankerten religiösen Mutterstruktur dies bejaht. „Seit den 90er Jahren rückt die Gruppe um Oser von ihrer ursprünglichen Auffassung ab. Es wird anerkannt, daß dem Selbstverständnis von Personen, die sich selbst als Atheisten be- zeichnen, Rechnung zu tragen ist, und diese nichtreligiösen Personen nicht in eine reli- giöse Entwicklungstheorie eingeordnet werden sollten [...]. Eine Weiterentwicklung im weltanschaulichen Bereich über Stufe 3 hinaus ist [...] auch ohne Rückbezug auf ein Letztgültiges möglich.“267Auch hier gibt es noch Ansatzpunkte für die Forschung.

4.4.4 Fazit

Die Bedeutung der hier dargestellten religiösen Entwicklungtheorien ist unbestritten.

Die tiefenpsychologischen Ansätze und Aspekte vermögen innerpsychische Di- mensionen zu erfassen und können affektive Komponenten des religiösen Erlebens her- ausstellen. Die strukturgenetischen Theorien betonen den kognitiven Aspekt der Reli- giosität, nämlich das religiöse Denken und dessen Argumentationstrukturen.

Die eingangs skizzierten Beobachtungen268 lassen sich in die einzelnen Stufenmodelle einordnen. Die Beobachtungen Piagets zum Weltbild finden sich vor allem in den An- sätzen von Goldman und Fowler bestätigt. Aber auch Rizzuto weist im Zusammenhang der Übergangsobjekte auf den Anthropomorphismus hin. Die Veränderungen im finali- stischen und verdienstorientierten Denken lassen sich durch die Sichtweise von Fowler und Oser & Gmünder verdeutlichen. Für die Veränderungen in der Übernahme von Glaubensüberzeugungen bieten vor allem Oser & Gmünder im Blick auf der ihrem An- satz innewohnenden Richtung von der Heteronomie zur Autonomie269eine Erklärungs- möglichkeit an. Eine Analyse der religiösen Neurose Tilmann Mosers jedoch bleibt den strukturgenetischen Ansätzen vorenthalten. Sie läßt sich - wie bereits an verschiedenen Stellen verdeutlicht270- durch die tiefenpsychologischen Theorien erhellen.

Dennoch bleiben die dargestellten Theorien hinsichtlich einer umfassenden Darstellung religiöser Entwicklung einiges schuldig.

Zum einen erhellen die einzelnen Ansätze nur Ausschnitte dessen, was Religiosität ausmacht. Diese läßt sich jedoch nicht ausschließlich als religiöses Erleben oder Denken beschreiben.271 Zum anderen werden zugunsten des Universalitätsanspruches der Stufenmodelle die Einflüsse der religiösen Sozialisation vernachlässigt. Religiosität ist jedoch auch kultur- und sozialisationsabhängig.272

Diese Probleme verweisen in ihren Lösungsmöglichkeiten auf die interaktionistische Theoriebildung.

4.5 Interaktionistische Theorien

4.5.1 Die Interaktionszusammenhänge religiöser Theoriebildung

Eine interaktionistische Theoriebildung macht es erforderlich, die o. g. Ansätze mitein- ander zu verbinden. Allerdings kann dies nicht in additiver Weise geschehen. Der innere Zusammenhang von Emotion und Kognition erfordert die Verschränkung bzw. die In- teraktion der theoretischen Konzepte zusammen mit sozialisationstheoretischen Kon- texten.

Für Oser & Reich konstruiert sich in diesen Zusammenhängen das geistige und religiöse Leben in „... Wechselwirkung zwischen diesen drei Bereichen: der kontingenten Außenwelt, der mentalen Welt der eigenen Vorstellungen und Sinnbilder (Relevanzsystem) und schließlich der (unbewußten) Innenwelt, die religiöse Erlebnisse, Träume, Traumata, Verkapselungen usw. einschließt.“273

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine interaktionistische Theorie religiöser Entwicklung müßte diese Beziehungen erhellen. Im einzelnen wäre es

- Die Interaktion zwischen Individuum und Umwelt

Es geht hier um die Dynamik von Sozialisations- und Erziehungsprozessen für die Entwicklung der inneren psychischen Strukturen, besonders in Abhängigkeit religiös vermittelter Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen. Diese Prozesse laufen in der Regel unbewußt ab, können aber reflektiert werden.

- Die Interaktion zwischen Individuum und Religion

Hier geht es um die Auseinandersetzung mit religiösen Inhalten und die Frage nach der persönlichen Relevanz für das Leben. Dies geschieht bewußt, wenn- gleich die Auseinandersetzung auf dem u.U. unbewußten Vorverständnis, das

den psychischen Strukturen innewohnt, stattfindet. Diese religiöse Meinungs- oder Urteilsbildung kann zur Annahme oder Ablehnung religiöser Inhalte füh- ren. Es kann sich aber auch eine persönlich durchreflektierte Religiosität vor dem Hintergrund von Lebenserfahrung und kognitiver Kompetenz entwickeln. Eine solche reflektierte Religiosität wiederum kann sich innovativ auf eine geis- tige Auseinandersetzung mit traditionell religiösem Gedankengut auswirken. Bei genauerem Hinsehen stellt sich angesichts der Komplexität dieser Strukturen auch hier das Problem, eine interaktionistische entwicklungspsychologische Theorie der Re- ligiosität zu entwerfen.

4.5.2 Der Ansatz Groms

Grom hat eine Systematik der erforderlichen Zusammenhänge entworfen.274Er geht in seiner Darstellung dabei von drei Bedingungen aus, die für eine persönlich erlebte und verstandene Religiosität von Bedeutung sind:275

- Die Entwicklung der begrifflich-logischen Kompetenz · Der Einfluß religiöser Kultur und Sozialisation · Verwurzelung in nicht-kognitiven Motiven.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.5.2.1 Die Entwicklung der begrifflich-logischen Kompetenz

Mit der Entwicklung des formalen Denkens gehen Artifizialismus und andere frühkindliche Weltbildvorstellungen zurück.

„Während ein Kind entsprechend der voroperatorischen Intelligenzstufe [...] das Über- menschliche nur als globale Intuition und noch sehr elternähnlich auffassen wird, kann es dieses entsprechend der konkret-operatorischen Stufe [...] bereits kausalanalytischer in ein- fachen Begründungen und danach, entsprechend der formal-operatorischen Stufe, in einem logischen Schluß vom Bedingten auf das Unbedingte denken und damit auch zunehmend deutlich als von der Welt und Mensch unterschieden, transzendent und transsozial erfas- sen.“276

Grom weist darauf hin, daß sich bei dieser Entwicklung

„... beachtliche individuelle und sozialisationsspezifische Unterschiede ...“277

zeigen. Allerdings sei das u. a. nicht nur eine Frage des Lebensalters, sondern auch der Intelligenz.278

Mit wachsender Fähigkeit, Gesetzmäßigkeiten physikalischer wie auch psychologischer und sozialer Zusammenhänge zu verstehen, wird der Heranwachsende finalistische und verdienstorientierte Glaubensvorstellungen kritisch hinterfragen und realitätsorientiert korrigieren können.

„Mit der Fähigkeit, abstraktere und exaktere Begriffe wie »Gerechtigkeit«, »Wert« usw. zu bilden, gewinnt der Heranwachsene grundsätzlich die Möglichkeit, über die situationsspezifischen Intuitionen und einfachen Begründungen der Kindheit hinaus umfassendere Überzeugungen und Ideale aufzubauen, das heißt universalere ethisch-religiöse Denk-, Erlebnisund Verhaltensmuster zu entwickeln.“279

4.5.2.2 Der Einfluß religiöser Kultur und Sozialisation

Untersuchungen haben gezeigt, daß durch religiöse Erziehung die Entwicklung der logisch-begrifflichen Kompetenz gefördert oder gehemmt bzw. in eine bestimmte Richtung gelenkt werden kann. Im übrigen bleibt das religiöse Denken ohne einen Anregungsgehalt der Umgebung, wie z. B. Lösungsangebote, Denkanstöße, Symbole, Vorbilder, Bestätigungen und Verstärkungen

„... rudimentär und vieler Lösungsmöglichkeiten unkundig - und bleibt religiöses Erleben und Verhalten eine Reaktionsbereitschaft, die auf einzelne Situationen ein- geschränkt und wenig konstant ist.“280

Allports Aussage „Hence, in probably no region of personality do we find so many residues of childhood as in the religious attitudes of adults“281legt die Vermutung nahe, daß die Auseinandersetzung mit dem Religiösen - allgemein gesprochen - nur eine Episode innerhalb der Kindheit war.

4.5.2.3 Verwurzelung in nicht-kognitiven Motiven

Nicht-kognitive, d.h. die intrinsischen Motive282 machen die individuelle Vielfalt der Religiosität und ihrer Entwicklung aus. Sie erklären somit auch, warum die Religiosität sich in reifer Weise ausdifferenzieren, in rudimentäre kindliche Formen regredieren o- der aber plötzlich (als Bekehrung oder Entbekehrung) verlaufen kann.

Demnach wäre es sinnvoll, Untersuchungen anzustellen, „... unter welchen Bedingungen sich die einzelnen Motive, die sie bestimmen, entwickeln. [...] Religiosität entwickelt und verändert sich vermutlich in einzelnen Motiv-Schwerpunk- ten.“283

Deren Veränderungen stehen zum einen in der Interaktion mit den Sozialisationseinflüssen, zum anderen in der Abhängigkeit von situativen Faktoren, wie den Entwicklungsaufgaben284und Life-events285, und schließlich im Zusammenhang mit den „... emotional bedeutsamen Überzeugungen, Wertmaßstäben und Bewältigungsstrategien, die der einzelne internalisiert und aufbaut und in denen sich seine Emotionen und Motive artikulieren und mit den situativen Faktoren auseinandersetzen.“286

4.5.2.4 Würdigung und Kritik

Grom versucht, alle internen und externen Einflußgrößen in seinem Ansatz einzubinden. Dabei zeigt sich, welche Theorien in der Psychologie bzw. Soziologie innerhalb der religiösen Entwicklung zum Tragen kommen können.

Kritisch anzumerken ist seine Grundannahme, daß sich persönlich erlebte und verstan- dene Religiosität erst dann entwickelt, wenn die nötigen kognitiven Voraussetzungen für die Auffassung von etwas Transzendentem gegeben sind. Den Beginn der Entwick- lung setzt er bei einem Alter zwischen 3½ und 4½ Jahren an.287Dies ist in kognitiver Hinsicht korrekt. Aber für die Entwicklung einer reifen Religiosität gehört in affektiver Hinsicht das Ur-Vertrauen, das sich nach Erikson im ersten Lebensjahr ausbilden muß. Dieses Vertrauen ist die Voraussetzung für den Aufbau des Gottvertrauens. Deshalb ist die religiöse Entwicklung, wenn man von ihren notwendigen Voraussetzungen ausgeht, vom Beginn des Lebens an zu betrachten.

4.6 Fazit

Die Ausführungen haben gezeigt, daß Extrempositionen endogenistischer und exogenistischer Ansätze in der Religionspsychologie keine Bedeutung besitzen. Die vor dem Hintergrund endogenistischer Theoriebildung gestellte Frage nach der religiösen Anlage entzieht sich einer naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise und kann nur aus geisteswissenschaftlicher Sicht erörtert werden.

Die Selbstgestaltungstheorien haben für die Darstellung religiöser Entwicklung eine große Bedeutung. Bei der Theoriebildung ist jedoch zu unterscheiden zwischen solchen Darstellungen, denen allgemeine entwicklungspsychologische Konzeptionen zugrundeliegen (z. B. Freud, Erikson, Rizzuto und Goldman) und solchen Ansätzen, die aufgrund anthropologischer Grundannahmen die Ontogenese des spezifisch Religiösen systematisieren (z. B. Fowler und Oser & Gmünder).

Eine Erhellung aller innerpsychischen und sozialisationstheoretischen Zusammenhänge sowie deren Wechselwirkung, vermag jedoch nur eine interaktionistische Theoriebildung zu erhellen. Allerdings stellt sie, wie dies am Ansatz Groms deutlich wird, eine sehr komplexe Sichtweise dar.

Nun stellt sich die Frage nach dem praktischen Relevanz der Theorien.

5. RELIGIONSPÄDAGOGISCHE UND PASTORALTHEOLO- GISCHE RELEVANZ

Abschließend geht es um die Relevanz, die die dargestellten Theorien für die praktische Theologie haben. Dabei handelt es sich lediglich um Grundlinien hinsichtlich der Reli- gionspädagogik und Pastoraltheologie, die sich aus den religionspsychologischen An- sätzen ergeben.288

Folgende Punkte sollen dazu kurz erläutert werden: · Die Entwicklungsbezogenheit religiöser Erziehung · Die Begleitung als Erziehungsstil

- Der Kairos religiöser Lern- bzw. Bildungsangebote · Die Revision kirchlicher Praxis

5.1 Die Entwicklungsbezogenheit religiöser Erziehung

Aus den Ausführungen des vorherigen Kapitels ist deutlich geworden, daß die Religio- sität Entwicklungsbedingungen unterworfen ist und daß diese Bedingungen auch von der Umwelt abhängig sind. So ergibt sich als praktische Konsequenz der theoretischen Betrachtungen, daß die religiöse Erziehung diesen Bedingungen gerecht wird und sich an dem aktuellen Entwicklungsstand der Kinder und Jugendlichen orientiert.289

Dies impliziert, daß Kinder und Jugendliche nicht alsunfertigeErwachsene betrachtet werden.

5.1.1 Den Entwicklungsstand von Kindern und Jugendlichen ernstnehmen und anerkennen

Die dargestellten Theorien postulieren, daß die Stufenfolge eine qualitative Änderung darstellt. Dies wird jedoch fragwürdig, „wenn sie normativ - im Sinne einer Höherwer- tigkeit bestimmter Stufen - gedeutet wird“290und die Religiosität eines Kindes bzw. ei- nes Jugendlichen im Vergleich zu der von Erwachsenen als noch unreif betrachtet wird. Vor allem Kinder denken (auch) in religiöser Hinsichtandersals Erwachsene, so daß ein qualitativer Vergleich der Eigenständigkeit der Kinderwelt nicht gerecht wird. Des- halb erwächst für die Religionspädagogik eine doppelte Aufgabe: nämlich einerseits die Religiosität des Heranwachsenden als die ihm angemessene Form anzuerkennen und zuzulassen, andererseits aber auf seinem Weg zu einer alters- und entwicklungsgemä- ßen Religiosität zu begleiten und voran zu bringen.291

5.1.2 Vermeiden von Fehlentwicklungen

Durch eine entwicklungsbedingte religiöse Erziehung können Fehlentwicklungen vermieden werden.

Zum einen treten ungünstige Verläufe dort auf, „wo auf kindliche Vorstellungen und Verstehensweisen nicht eingegangen wird.“292, wo gewissermaßen dem Heranwachsen- den eine Erwachsenenreligion ‚übergestülpt‘ wird. Er wird dadurch überfordert, und es kommt nicht zu einer reflektierten Integration der Religiosität. Auch dies kann neben dem Ausfall religiöser Erziehung dazu führen, daß die religiöse Entwicklung gegenüber der übrigen Entwicklung zurückbleibt.293

Zum anderen verweisen die tiefenpsychologischen Sichtweisen auf Fehlentwicklungen, die - abgesehen von einer Entwicklung zum Atheismus - zu einer gestörten Religiosität294und bzw. oder zu einer psychopathologischen Symptomatik, wie das Beispiel Mosers unschwer zeigt, führen kann.

Entwicklungsbezogene religiöse Erziehung setzt also auch an den die Persönlichkeit be- stimmenden tiefenpsychologischen Prozessen an. Dazu gehört u.a. die Schaffung einer zwischenmenschlichen Atmosphäre, in der das Kleinkind ein gesundes Ur-Vertrauen aufbauen kann. Hinsichtlich der Bedeutung des Elternbildes für das Gottesbild ist eine positive Eltern-Kind-Beziehung295nötig. Was Erikson vor dem Hintergrund seiner psy- chosozialen Entwicklung postuliert, gilt auch für die religiöse Entwicklung: „Um ein Kind zu einer gesunden Persönlichkeit zu entwickeln, müssen die Eltern auch echte Per- sönlichkeiten in einem echten Milieu sein oder sein wollen. Dies ist heutzutage schwer“.296

5.2 Begleitung als Erziehungsstil

Der einer religiösen Entwicklung förderliche Erziehungsstil ist dieBegleitung. Sie verbürgt die Eigenständigkeit der Entwicklung gegenüber der Erziehung.

5.2.1 Schaffung von Erfahrungsräumen

In der religiösen Erziehung geht es um Erfahrungsverarbeitung. Deshalb gehört es zur Aufgabe eines begleitenden Erziehungsstils, daß Erfahrungsmöglichkeiten und -räume geschaffen bzw. bereitgestellt werden, in denen der Heranwachsende seine religiösen Strukturen weiterentwickeln kann.297Zum anderen erlaubt der begleitende Charakter „... gleichsam mit den Kindern und Jugendlichen auf ihrem Entwicklungsstand und bei ihren Fragen und Bedürfnissen zu verweilen.“298

5.2.2 Elementarisierung im Religionsunterricht

Im Religionsunterricht sollte es nicht nur um Informationsverarbeitung, sondern auch um Erfahrungsverarbeitung gehen.299Schweitzer et al. verweisen auf die Elementarisie- rung als geeignetes didaktisches Modell entwicklungsorientierter Erziehung: „Elemen-tarisierung hat mit Prozessen zu tun,aus zwei Perspektiven. Von seiten der Lehrenden soll ein elementarisierendes pädagogischesSehenundHandelngefördert werden, hin- sichtlich der Lernenden interessieren die Formen elementarerAuseinandersetzungund Aneignung.“300Die Kinder und Jugendlichen kommen mit ihren individuellen Voraus- setzungen zum Unterricht und werden von ihm herausgefordert. „Ein guter Unterricht beachtet beides: Er versucht wahrzunehmen, wie die Kinderreagieren, und er bemüht sich, falls die Kinder lediglich immer wieder das Neue an ihre alten Strukturen assimi- lieren, sie ohne Überforderung zuprovozieren.301

5.2.3 Der tiefenpsychologische Kontext begleitender Erziehung

Aus tiefenpsychologischer Sicht betont Erikson die Notwendigkeit des begleitenden Er- ziehungsstils, indem er die Schattenseiten mißbrauchender Erziehung verweist: Die lan- ge Kindheit „... führt die Erwachsenen in die Versuchung, gedankenlos und oft grausam die Abhängigkeit des Kindes auszubeuten, indem sie es für die psychologischen Schulden bezahlen lassen, die andere bei ihnen hinterlassen haben. [...] Wir haben gelernt, das Wachstum des kindlichen Körpers nicht durch Kinderarbeit zu hemmen; wir müssen nun lernen, den wachsenden Geist des Kindes nicht zu gefährden, indem wir ihn zum Opfer unserer Ängste machen.“302 Hier tritt eine Schwierigkeit begleitender Erziehung zutage, die nicht einfach zu bewältigen ist. Hier wird vom Erziehenden ein hohes Maß an ehrlicher Selbstreflexion bzw. Introspektion verlangt.

5.3 Der Kairos religiöser Lern- bzw. Bildungsangebote

DiePünktlichkeit religiöser Lernangebote303 - Mit dieser Forderung weist Schweitzer auf die Wichtigkeit hin, zwischen den lebensgeschichtlichen Erfahrungen und den religiösen Lernprozessen eine konstruktive und produktive Verbindung herzustellen.

Die religiöse Entwicklung kann durch die Umgebung gefördert oder auch gehemmt werden.304 Dieser Umstand wird durch den Anregungsgehalt der Lern- bzw. Bildungsangebote beeinflußt. Zu früh angebotene Inhalte können Desinteresse und Ü- berforderung bewirken. Umgekehrt führen zu spät präsentierte Materialien zu Unterforderung und zur Bedeutungslosigkeit für den einzelnen. Es ist also der Kairos, der günstigste Zeitpunkt für die Darbietung religiöser Lern- und Bildungsinhalte zu finden. Die Stufenmodelle können dabei einerseits als Instrument dazu dienen, um zum besseren Verständnis des religiösen Entwicklungsstandes von Personen lediglichen Alters zu gelangen. Andererseits stellen sie „... für den Unterrichtenden selbst ein Instrument dar, sich seines eigenen Standortes [...] kritisch zu vergewissern ...“305.

5.4 Die Revision kirchlicher Praxis

Freuds Zusammenschau von Neurose und Religiosität verlangt nach einer empirisch- kritischen Überprüfung kirchlicher Praxis. Es stellt sich die Frage, inwieweit immer noch autoritär-zwanghafte Strukturen vorhanden sind, von denen eine neurotisierende Wirkung ausgeht und damit den Auftrag, dem Menschen und seiner Suche nach Gott zu helfen, aufgeben.306307

5.4.1 Zur Kerygmatik

Vor dem Hintergrund von Mosers Schilderungen seiner Religiosität stellt sich die Fra- ge, inwieweit immer noch Gottesvorstellungen vermittelt werden, die einen bedroh- lichen und angstmachenden Charakter in sich bergen.308309Vielmehr sollte es der Keryg- matik darum gehen, das Evangelium als das zu verkündigen, was es im wörtlichen Sin- ne ist: eineFrohbotschaft und keineDrohbotschaft. Dabei gilt es, einem Dogmatismus entgegen zu treten. Glaube ist nicht ein widerspruchsloses Für-wahr-halten theolo- gischer Aussagen. Fowler hat in seinem Ansatz gezeigt, daß der Glaube eine den ganzen Menschen treffende Dimension besitzt und der Entwicklung unterworfen ist. Die kirch- liche Verkündigungspraxis kommt deshalb nicht umhin, sowohl kognitive als auch af- fektive Lernziele religiöser Erziehung und Glaubensvermittlung zu formulieren und umzusetzen. Die Orientierung an den religionspsychologischen Erkenntnissen der dar- gestellten Stufentheorien erscheint dabei angebracht.

5.4.2 Zur Jugendarbeit und Erwachsenenbildung

Die Tatsache, daß die Religiosität entwicklungsbedingt ist, verlangt nach einer Pastoral in den Gemeinden, in denen Kinder- und Jugendarbeit einen ernstzunehmenden Stel- lenwert erhält. Es darf nicht darum gehen, daß dieser Bereich der Gemeindearbeit le- diglich ein Vorzeigeschild einer sog. ‚lebendigen‘ Kirchengemeinde darstellt. In der Kinder- und Jugendpastoral müssen die Freiräume eröffnet sein, in denen die allgemei- ne wie religiöse Entwicklung der Kinder und Jugendlichen gefördert werden kann.

Aber auch die kirchliche Erwachsenenbildung sollte ihre Orientierung an den re- ligionspsychologischen Erkenntnissen ausrichten. So bestände die Chance, in einer kri- tischen Auseinandersetzung mit theologischen Inhalten und einer Reflexion der eigenen Glaubensinhalte Defizite in der religiösen Entwicklung zu erkennen und eine dem Alter entsprechende eigenverantwortliche Religiosität herauszubilden. Es wäre ferner wün- schenswert, entwicklungsorientierte Aspekte religiöser Erziehung in der Familie als weiteren Schwerpunkt fest in die Programme aufzunehmen, um den psychosozial ori- entierten Befunden Rechnung zu tragen.

Das Prinzip der Begleitung wäre auch in der kirchlichen Praxis der pastorale und zwischenmenschliche Umgangsstil zwischen den hauptamtlichen MitarbeiterInnen und den Gemeindemitgliedern.

5.4.3 Zur Entwicklungsnotwendigkeit kirchlicher Praxis

Abschließend soll noch die Frage erörtert werden, wie die Kirchen den gesellschaftli- chen Veränderungen und ihrem Plausibilitätsverlust begegnen. Angesichts der Säkulari- sierungs- und Individualisierungstendenzen in unserer Gesellschaft zeigen sich nämlich Bestrebungen, die eine gewisse Parallele zu Freuds Religionskritik evozieren. In Freuds Darstellungen ist die Religion u. a. ein regressiver Wunsch nach dem Schutz eines all- mächtigen Vaters.310Die Analogie besteht darin, daß es angesichts der Wertepluralität innerkirchliche Tendenzen gibt, die auf frühere Zeiten rekurrieren wollen und funda- mentalistische Perspektiven postulieren311. Hier wäre es wünschenswert, wenn die Kir- chen nicht mehr in einer regressiven Weise restaurative kerygmatische und pastorale Zielsetzungen verfolgen, sondern sich selbst, gemäß dem altkirchlichen Grundsatz ec-clesia semper reformanda312, in einen Entwicklungsprozeß hinein begeben würden. Dieser bestände darin, das Ungleichgewicht zwischen der Präsentation bisheriger kirch- licher Praxis und den veränderten Zeitverhältnissen durch eine ‚ekklesiologische Äqui- libration‘ immer wieder auszugleichen, wobei in diesem Prozeß der gestalterische Ein- fluß auf die Umwelt mitbedacht werden müßte. Allerdings erfordert dies Mut. Denn es gilt, im gewissen Sinne ‚Trauerarbeit‘ zu leisten, um sich von der Verhaftung an ü- berkommenen Vorstellungen und Prinzipien zu lösen. Aber es ist notwendig, um den derzeitigen (und zukünftigen) Anforderungen ihres Auftrages, der Verkündigung des Evangeliums, gerecht zu werden und den Menschen, die auf der Suche nach einer exis- tentiell verankerten Religiosität sind, qualifizierte Anregungen und Lösungsmöglichkei- ten anbieten zu können.

6. NEUN THESEN ZUM ABSCHLUSS

Zusammenfassend läßt hinsichtlich der Entwicklung der Religiosität folgendes sagen.

(1) Trotz der Marginalisierung traditioneller religiöser Strukturen spielt die Religiosität - wenngleich in individualisierten Formen - weiterhin eine wichtige Rolle.
(2) Im Kontext religionspsychologischer Forschung zeigt sich der interdisziplinäre Cha- rakter der Religiosität. Während die Psychologie auf empirischen Wege deren psy- chischen Prozesse untersucht, fragt die Theologie bzw. Philosophie auf hermeneuti- schem Wege nach der Gültigkeit der religiösen Inhalte.
(3) Religiosität ist die subjektive Ausdrucksweise von Religion, die sich im Individuum widerspiegelt.
(4) Neben inhaltlichen Anteilen einer konkreten Religion wohnt der Religiosität auch eine funktionale Dimension inne.
(5) Die Frage, ob der Mensch eine religiöse Anlage besitzt, entzieht sich einer naturwis- senschaftlichen Betrachtungsweise. Sie ist Gegenstand philosophisch-theologischer Betrachtungsweisen.
(6) Innerhalb der entwicklungspsychologischen Theoriediskussion spielen endogenisti- sche und exogenistische Ansätze keine Rolle. Tiefenpsychologische und strukturge- netische Ansätze im Kontext der Selbstgestaltungstheorien verweisen dagegen auf eine vielfältige Forschungslage. Allerdings vermag erst eine interaktionistische Theoriebildung, die Defizite der selbstgestalterischen Ansätze zu beheben und alle Bedingungszusammenhänge der Religiosität zu erhellen.
(7) Religiosität ist nicht das Ergebnis der Vermittlung religiöser Inhalte. Neben den kognitiven Strukturen des religiösen Denkens gehören auch affektive Strukturen re- ligiösen Erlebens dazu, die in Wechselwirkung miteinander stehen. Diese Innenseite des Bedingungsgefüges religiöser Entwicklung steht wiederum in Interaktion mit der Außenseite, die den Kontext von Erziehung und Sozialisation enthält.
(8) Die Formung der Religiosität, ob Entwicklung oder Veränderung, ist ein lebenslan- ger Prozeß.
(9) Die religionspsychologischen Forschungsergebnisse haben praktische Relevanz für die Religionspädagogik und die kirchliche Praxis, vor allem im Hinblick auf eine entwicklungsorientierte religiöse Erziehung und eine der religiösen Entwicklung ge- recht werdenden Pastoral.

Wenn man von dem eingangs zitierten Grundsatz Goethes ausgeht, daß Glaube und Wissen sich einander ergänzen, und man das Faktum respektiert, daß Religiosität zum Menschen konstitutiv dazugehört, dann kommt die Psychologie als Humanwissenschaft nicht umhin, auch weiterhin Religionspsychologie zu betreiben, um ihre Erkenntnisse denen zur Verfügung zu stellen, die sich darum bemühen, die Religiosität zu einem besonderen Ausdruck existentieller Lebensqualität zu machen.

Darin liegt der Auftrag religionspsychologischer Forschung.

ANHANG

A) Sigmund Freuds Modell der psychosexuellen Entwicklung

Bevor auf das Modell der psychosexuellen Entwicklung eingangen wird, soll das Menschenbild Freuds skizziert werden.

Freud hat den Menschen als ein System angesehen, das über eine bestimmte psychische Energiemenge verfügt, die sich in unterschiedlichen Aktivitäten niederschlagen kann.313Die Quelle dieser Energie sind angeborene Triebe314, die jedes Verhalten determinieren, wobei für Freud die Sexualität den entscheidenden Trieb darstellt.315

Ferner ist das Lustprinzip bedeutsam. Denn „die Triebreduktion [...] wird als lustvoll erlebt.“316 Allerdings kann dieses Prinzip in seiner Durchführung durch zuviel Verwöhnung oder zuviel Frustration, vor allem innerhalb der frühen Entwicklungsphasen, zur Fixierung führen, die sich auf die weitere Entwicklung negativ auswirkt.317 „Freuds [...] Stufen der psychosexuellen Entwicklung umfassen aufeinanderfolgende Arten der Befriedigung instinktbezogener biologischer Bedürfnisse durch die Stimulation unterschiedlicher Körperzonen: Mund, Anus und Genitalien.“318

In der folgenden Tabelle wird Freuds Entwicklungsmodell skizziert:319

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten320321322

Im Hinblick auf die Bedeutung für die Religiosität soll der ödipale Konflikt und die Ü- ber-Ich-Ausbildung genauer erklärt werden.323

In der ödipalen Phase befindet sich der Sohn in einer ambivalenten Lage. Einerseits möchte er den Platz seines Vater an der Seite der Mutter einnehmen, andererseits hat er Angst vor der Vergeltung des Vaters. Diese Angst bezeichnet Freud als Kastrati- onsangst. Die Lösung des Konfliktes besteht nun darin, daß der Sohn seine Triebwün- sche gegenüber der Mutter aufgibt, indem er die väterlichen Drohungen internalisiert und damit das Über-Ich324ausbildet. Im Über-Ich werden aber nicht nur einzelne Ge- bote und Verbote, sondern auch das ihm selbst unbewußte Über-Ich der Eltern mit de- ren Normen aufgenommen.

Zur Kritik:

In methodischer Hinsicht hat Freud seine Theorie aufgrund analytischer Introspektion und Interviews an Erwachsenen entwickelt und nicht durch Beobachtung an Kindern in den einzelnen Stufen.325 Eine experimentelle Bestätigung seiner Annahmen haben bisher widersprüchliche Ergebnisse gebracht.

Der Stellenwert des ödipalen Konflikts für die Beziehungsbildung zu den Eltern ist nach heutigen Erkentnisstand überholt. Bereits Erikson hat bereits auf den wichtigen Stellenwert der vorödipalen Zeit hingewiesen.

Freuds Ansatz einer rein triebgesteuerten Entwicklung ist nach moderner Entwick- lungspsychologie nur schwerlich aufrechtzuerhalten.326 Ferner ist das dahinterstehende Menschenbild negativistisch. Der Mensch ist seinen Trieben bzw. seiner Triebunter- drückung ausgeliefert. Die Kindheit erhält einenschicksalenhaftenCharakter.327 Vor diesem Hintergrund der Anlage-Umwelt-Problematik stellt sich die Frage, ob sich Freuds Theorie der psychosexuellen Entwicklung unter die Selbstgestaltungstheorien einordnen läßt.328Die Triebproblematik spricht für einen endogenistischen Ansatz. An- dererseits bietet die Art und Weise, wie der Mensch mit der Triebbefriedigung umgeht, eine Möglichkeit der Selbstgestaltung, die sich auf die Entwicklung auswirkt. Dahinge- stellt bleibt, ob man von einem zielorientierten Handeln oder lediglich von einem Rea- gieren auf die Triebe sprechen kann. Da die Umwelt hinsichtlich der Triebreduktion von Bedeutung ist, ist eine rein endogenistische Sichtweise auszuschließen. Das Bild, das das Individuum von sich und der Umwelt hat, wird durch seine Erfahrungen verändert und bestimmt seine Entwicklung mit. So gesehen gehört die psychosexuelle Entwick- lungstheorie in gewisser Hinsicht zu den Selbstgestaltungstheorien, wenngleich der konstruktive und positive Charakter dieser Ansätze bei Freuds negativistischer Sicht- weise nicht zum Tragen kommt.

B) Erik H. Eriksons Modell der psychosozialen Entwicklung

Eriksons Theorie der Persönlichkeitsentwicklung stellt eine Weiterentwicklung des Freudschen psychosexuellen Phasenmodells dar. Er hat zum einen den sozialen Aspekt in seine Konzeption aufgenommen und ferner die Entwicklung auf die gesamte Lebensspanne ausgedehnt. Die Identitätsbildung ist der zentrale Begriff der Entwicklung.329„Eriksons Modell stellt von daher einen wesentlichen Schritt von der Triebpsychologie Freuds hin zur integrativen Ichpsychologie dar.“330

Das Prinzip des epigenetischen Wachstums, das Erikson seiner Theorie zugrundelegt, steht in der Tradition organismischer Modelle331:

„Dieses Prinzip läßt sich dahin verallgemeinern, daß alles, was wächst, einen Grundplan hat, dem die einzelnen Teile folgen, wobei jeder Teil eine Zeit des Übergewichts durchmacht, bis alle Teile zu einem funktionierenden Ganzen herangewachsen sind.“332

Demzufolge gibt es zu bestimmten Zeiten jeweils einen vorherrschenden Wachstums- prozeß. Diese Wachstumsprozesse charakterisiert Erikson als spezifische Konflikte oder Krisen, die er durch zwei Pole kennzeichnet, in deren Spannungsfeld sich die Entwick- lung vollzieht.333 Erikson geht dabei von acht psychosozialen Entwicklungsstufen aus. Sie „bezeichnen die Haltungen sich selbst und anderen gegenüber, die man nacheinan- der im Lauf des Lebens einnimmt. Jede Stufe setzt ein neues Niveau sozialer Interaktion voraus. Ob das Individuum dabei erfolgreich war oder nicht, beeinflußt den Verlauf der weiteren Entwicklung auf positive oder negative Art.“334Das erfolgreiche Durchlaufen jeder Stufe besteht nicht darin, jeweils den positiven Pol anzustreben, sondern Ziel ist vielmehr, eine dynamische Balance zwischen den Polen zu erreichen.335Da es für das Individuum möglich ist, Einfluß auf die Entwicklung zu nehmen, gehört sie vor dem Hintergrund des Anlage-Umwelt-Kontextes zu den Selbstgestaltungstheorien.

Folgende Tabelle gibt nun einen Überblick über die Stufenabfolge und ihre Inhalte336

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten337

Zur Kritik:

Kritisch einzuwenden ist, daß die von Erikson postulierte Universalität der Stufen empirisch nicht belegt ist.338

Resch betont zwar den Wert des Eriksonschen Entwicklungsmodells hinsichtlich der in ihm formulierten Entwicklungsaufgaben, allerdings muß diese Entwicklung nicht im- mer in einer Krisenhaftigkeit ablaufen. Es gibt „... heute die übereinstimmende Mei- nung, daß die Entwicklungsaufgabe ohne dramatische Überspitzung gelingen kann.“339

C) Jean Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung

Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung liegt ein sog. strukturgenetisches Prinzip zugrunde. Diesem Prinzip zufolge zeichnet sich der Mensch durch Eigenaktivität aus, indem er seine Sicht der Welt in der Auseindersetzung mit der Umgebung konstru- iert.340

Er verfügt dabei am Anfang seines Lebens „... nur über Handlungsstrukturen, die sen- somotorische Intelligenz, aus denen dann später verinnerlichte Strukturen [...] entste- hen.“341

Der Aufbau kognitiver Strukturen erfolgt über zwei grundlegende Prozesse: derAssi-milationund der Akkomodation, die für die Anpassung des Individuums an seine Um- welt sorgen:342

- Bei der Assimilationwerden Information aus der Umwelt bzw. Umgebung vom In- dividuum in die bereits vorhandenden Schemata bzw. Strukturen aufgenommen und so verändert, daß sie integriert werden können. Die Assimilation bewahrt und er- weitert Bestehendes und setzt Gegenwart und Vergangenheit in einen logischen Zu- sammenhang.
- Bei derAkkomodationhingegen werden die vorhandenen Strukturen selbst verän- dert, um den Umweltgegebenheiten angepaßt zu sein. Sie entsteht aus Problemen, „... die die Umwelt aufgibt, aus Wahrnehmungen, die nicht zu dem passen, was man weiß und denkt.“343

Assimiliation und Akkomodation unterliegen einem allgemeinen Entwicklungsprinzip, das Piaget alsmajorisierendeÄquilibrationbezeichnet. Der Impuls zur Differenzierung und zum Aufbau bestehender Strukturen erfolgt aus der Erfahrung eines Ungleichge- wichtes, das durch eine fehlgeschlagene Assimilation hervorgerufen wird.344 Das Un- gleichgewicht wird vom Gleichgewicht auf einem höheren Niveau abgelöst. Dieses Entwicklungsprinzip hat Piaget seinem Stufenmodell der kognitiven Entwick- lung zugrundegelegt, das alle Charakteristika der traditionellen Stufenkonzeption auf- weist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten345

Zur Kritik:346

In methodischer Hinsicht ist Piaget seitens der experimentellen Psychologie hinsichtlich seiner deskriptiven Vorgehensweise kritisiert worden. Dieses methodische Procedere mag auch der Grund sein, daß Piaget die kognitiven Fähigkeiten bei Kindern gelegent- lich unterschätzt hat. Eine weitere Gefahr der Unterschätzung lag darin begründet, daß sich Piaget auf die Darstellungen berief, die er als Ausdruck der Denkprozesse betrach- tete. „Kinder können aber durchaus etwas verstehen, ohne daß sie in der Lage sind, es auch zu erklären.“347

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Theoriebildung. Piaget bewegt sich in seiner Theorie von fundamentalsten Lebensäußerungen bis zu den höchsten kognitiven Leistungen des Menschen. Dabei hat er seine Darlegungen auf eine entsprechend hohe Abstraktionse- bene gebracht und damit mit Unverbindlichkeit und Uneindeutigkeit348belegt, was im Sinne der experimentellen Psychologie mit ihrer Hypothesenbildung kritische Anfragen evoziert.

Ansonsten wird auf die allgemeinen Kritikpunkte an der Stufenkonzeption verwiesen.349

D) Lawrence Kohlbergs Entwicklungsmodell der Moral

Der bekannteste Zugang zur moralischen Entwicklung stammt vom Lawrence Kohl- berg, der im Jahre 1964350351seine Entwicklungsstufen zum ersten Mal veröffentlichte. Anhand moralischer Dilemma-Geschichten sollten die Probanden moralische Prinzipien gegeneinander abwägen und begründen. Von den Ergebnissen ausgehend konziperte Kohlberg ein Modell das ursprünglich aus sechs Stufen bestand, später aber um eine siebte Stufe erweitert wurde:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Folgende Annahmen legte Kohlberg seiner Stufenkonzeption zugrunde:

- Die Stufen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Qualität. Jede Stufe ist umfassender und komplexer als die vorherige.
- Das Stufenmodell besitzt universelle Gültigkeit.
- Jede Person kann sich zu einer bestimmten Zeit nur auf einer Stufen befinden.
- Jede Person durchläuft die Stufen in der vorgegebenen Folge.

Die ersten drei Stufen werden von allen Menschen im Kontext der normalen kognitiven Entwicklung durchlaufen und lassen sich in Analogie zu Piagets Entwicklungtheorie setzen. Für die Stufen vier bis sieben läßt sich dagegen kein altersbedingter oder kogni- tionsbedingter Zusammenhang eruieren. „Viele Erwachsene gelangen nie bis zur Stufe 4 und nur wenige darüber hinaus. [...] Manchmal fallen Erwachsene, die eine höhere Stufe erreicht haben, wieder um eine oder zwei zurück.“352

Zur Kritik:

Im Mittelpunkt der Kritik steht der Universalitätsanspruch, besonders für die höheren Stufen. Diese erfordern z. B. ein großes Abstraktionsvermögen, was nicht in allen Kulturen verlangt wird.

Ferner ist Kohlbergs Schluß, daß Frauen hinsichtlich ihrer moralischen Entwicklung gegenüber den Männern zurückbleiben, bis heute heftig umstritten und läßt sich in dieser Simplizität nicht aufrechterhalten.353

Des weiteren wurde die Entscheidung kritisiert, moralisches Urteilen anstatt Handeln zu analysieren. „Das, was Menschen sagen und das, was sie dann tun, hänge nicht notwen- digerweise eng zusammen, und Kohlberg habe eine bestimmte Form des Redens über- bewertet.“354

Ansonsten gelten die Kritikpunkte an der Stufenkonzeption als solcher.355

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[...]


1 Schuster: Was sie glauben, 55 (Orthographische Fehler im Original).

2 Grom: Religionspsychologie, 229 (Hervorhebung im Original).

3Wie sich noch zeigen wird, ist die Religiosität kein von der Umwelt und deren Einflüssen unabhängiges Phä- nomen. Aus diesem Grund wird der Standort der Religion bzw. Religiosität vor dem gesellschaftlichen Hin- tergrund kurz dargestellt. Eine detaillierte Analyse findet sich bei Wiegand: Religiöse Erziehung in der Le- benswelt der Moderne.

4Vgl. DER SPIEGEL: 25/1992, 36-57.

5Vgl. Barz: Meine Religion mach ich mir selbst!, 20-27.

6Vgl. FOCUS: 15/1996, 52-62.

7TV-Sendung von 11.6.1998 - 23.15 Uhr im ZDF mit dem Titel: ‚Religion light. Glaube und Lebensgefühl heute‘. Eine Dokumentation von Jochen Bank & Rita Döbbe. Das Spektrum der Stellungnahmen junger Menschen zu den christlichen Kirchen reichte dabei von verschiedenen Facetten der Identifikation über Neugier, Desinteresse bis hin zu Ablehnung der tradierten Glaubensformen. Ferner kam in einzelnen Äußerungen auch Interesse am Okkultismus zur Sprache.

8Moosbrugger/Zwingmann/Frank: Psychologische Aspekte von Religiosität, 3.

9Vgl. Zwingmann/Moosbrugger/Frank: Der gemeinsame Glaube der Christen: Empirische Analysen zum Apostolischen Glaubensbekenntnis, 37.

10Vgl. Beck: Risikogesellschaft, 205ff.; ferner Kecskes/Wolf: Konfession, Religion und soziale Netzwerke, 9- 26.

11Oser/Bucher: Religion - Entwicklung - Jugend, 1045.

12Barz: Meine Religion mach ich mir selbst, 20.

13Moosbrugger/Zwingmann/Frank: Psychologische Aspekte von Religiosität, 4.

14Vgl. dazu: DER SPIEGEL 52/1994: Sehnsucht nach Sinn. Die Flucht ins Spirituelle.

15 Oerter: Was ist Religiosität, und warum entwickelt sie sich?, 32.

16Oerter: Was ist Religiosität, und warum entwickelt sie sich?, 33. Oerter verweist dazu vor allem auf den is - lamistischen Fundamentalismus. Aber fundamentalistische Tendenzen zeigen sich auch innerhalb des Chri- stentums, z. B. innerhalb der katholischen Kirche. Vgl. dazu das Interview mit dem Bischof von Fulda, Jo- hannes Dyba. In: Der Spiegel: Jesus, allein zu Haus, 69-73.

17 Vgl. Oerter: Was ist Religiosität, und warum entwickelt sie sich?, 35.

18Grom: Religionspsychologie, 11.

19Vergote: Religion und Psychologie, 9 (Hervorhebung im Original).

20Grom: Religionspsychologie, 14. Vgl. dazu auch Moosbrugger/Zwingmann/Frank: Psychologische Aspekte von Religiosität, 4. Vgl. ebenso Flammer: Mit Risiko und Ungewißheit leben, 20.

21Grom: Religionspsychologie, 369.

22Grom: Religionspsychologie, 369.

23S. Baumgartner: Pastoralpsychologie.

24 S. Grom: Religionspädagogische Psychologie des Kleinkind-, Schul- und Jugendalters.

25Grom: Religionspädagogische Psychologie des Kleinkind-, Schul- und Jugendalters, 11 (Hervorhebung im Original).

26Vgl. Grom: Religionspsychologie, 14.

27Vgl. Moosbrugger/Zwingmann/Frank: Psychologische Aspekte von Religiosität, 5. In diesem Zusammenhang s. auch Vergote: Religion und Psychologie, 8f.

28Vgl. Grom: Religionspsychologie, 372f.

29 Grom: Religionspsychologie, 373.

30Zu den Inhalten von Freuds Religionskritik sei auf Punkt 4.4.2.1 verwiesen.

31Erst seit der Neubelebung derGesellschaft für Religionspsychologieund desArchivs für Religionspsycholo- giein den Jahren 1960/1962 setzte die religionspsychologische Forschung in Deutschland allmählich wieder ein. Das Augenmerk galt bzw. gilt vor allem den neueren tiefenpsychologischen Ansätzen von Jung, Fromm, Erikson, Frankl und Rizzuto, aber auch den auf Piaget und Kohlberg aufbauenden strukturgenetischen Ansätzen von Fowler und Oser & Gmünder. Vgl. Zwingmann/Frank/Moosbrugger: Religionspsychologie in fachhistorischer Sicht, 9-13. Auf eine eingehende Darstellung der Religionspsychologie besonders im Hinblick auf geschichtliche Ent- wicklung, Quellen, Theoriebildung und Methoden sei neben Zwingmann et al. auch auf das Werk von Fraas verwiesen: Die Religiosität des Menschen, 13-25. Des weiteren s. Holm: Einführung in die Religionspsy- chologie, 11-18. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Äußerungen von Grom zur Frage der Abstinenz der deutschen Psychologie gegenüber der Religionspsychologie im Vergleich zu anderen Ländern zu richten, die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21.9.1992 erschienen sind: Grom: Religiosität - von der Ps y- chologie verdrängt?, 11.

32 Grom: Religiosität - von der Psychologie verdrängt?, 11.

33Es steht außer Frage, daß es u. a. philosophische, theologische, soziologische, ethnologische und religions- pädagogische Definitionen gibt, wobei auch innerhalb dieser Wissenschaften beträchtliche Unterschiede festgestellt werden können. Hinsichtlich der bereits erwähnten Übersichtsproblematik werden diese Defini- tionsversuche nicht berücksichtigt. Eine systematische und ausführliche Erörterung der BegriffeReligionundReligiositätbietet Wiegand: Religiöse Erziehung in der Lebenswelt der Moderne, 23-272; sowie Schmidt: Religionspädagogik, 87-126.

34Eine umfassende entwicklungspsychologische Darstellung bietet das gleichnamige Werk von Oerter/Mon- tada: Entwicklungspsychologie.

35Vgl. Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 24.

36 S. James: Die Vielfalt der religiösen Erfahrung.

37Vgl. Deusinger/Deusinger: Untersuchungen zur Religionspsychologie, 755; ferner Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 25; sowie Petschenig: Der kleine Stowasser.

38Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 25.

39Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 25.

40Vgl. Oser/Reich: Zur Einführung: Sinnfindung als roter Faden religiöser Bemühungen?, 13.

41 Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 25.

42Flammer: Mit Risiko und Ungewißheit leben, 21 (Hervorhebung im Original).

43Vgl. Flammer: Mit Risiko und Ungewißheit leben. Dieser Differenzierung folgen auch andere Autoren. Vgl. dazu Grom: Religionspsychologie, 234; ferner Deusinger/Deusinger: Untersuchungen zur Religionspsy- chologie, 754.

44Vgl. Moosbrugger/Zwingmann/Frank: Psychologische Aspekte von Religiosität, 5ff.; ferner Barz: Religion ohne Institution?, 118-121. Barz weist darauf hin, daß auch die Religionssoziologie mit diesen Konzepten arbeitet.

45Moosbrugger/Zwingmann/Frank: Psychologische Aspekte von Religiosität, 5f.

46 Vgl. Vergote: Religion und Psychologie, 16; ferner Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 28.

47Moosbrugger/Zwingmann/Frank: Psychologische Aspekte von Religiosität, 6.

48S. dazu z. B. die Untersuchung von Zwingmann/Moosbrugger/Frank: Der gemeinsame Glaube der Christen, 37-57.

49Tamminen: Religiöse Entwicklung in Kindheit und Jugend, 16 (Hervorhebung im Original). Zu einer ähnlichen Definition kommt auch Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 27.

50Vgl. Moosbrugger/Zwingmann/Frank: Psychologische Aspekte von Religiosität, 6.

51Moosbrugger/Zwingmann/Frank: Psychologische Aspekte von Religiosität, 6.

52Schmidt unterscheidet in seinem Buch zwei Bereiche: nämlichpsychische(wie die oben beispielhaft aufge- führten) undgesellschaftlicheFunktionen (z. B. gesellschaftsintegrierende Funktion), die hier nicht extra be- rücksichtigt werden, da sie eher Gegenstand der Religionssoziologie sind. Vgl. Schmidt: Religionspädago- gik, 117-121.

53Zu dem BegriffTranszendenzsei bemerkt, daß die meisten philosophischen, theologischen und psychologi- schen Autoren diesen Begriff synonym dazu benutzen, um etwas Göttliches, Letztgültiges, Ultimates oder Überweltliches zu beschreiben, etwas, was die faktisch erfahrbare Realität übersteigt. Vgl. Beile: Religiöse

Emotionen und religiöses Urteil, 28. Eine systematische Darstellung des Transzendenz-Begriffes bietet Holzhey: Transzendenz, 7-24; sowie Lehmann: Transzendenz, 992-1005.

54Moosbrugger/Zwingmann/Frank: Psychologische Aspekte von Religiosität, 6.

55Vgl. Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 29.

56Vgl. Barz: Religion ohne Institution, 128-140.

57Vgl. Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 27 u. 29.

58Fromm: Psychoanalyse und Religion, 241.

59 Fromm: Psychoanalyse und Religion, 243 (Hervorhebung im Original).

60Vergote: Religion und Psychologie, 2.

61Vergote: Religion und Psychologie, 3 (Orthographischer Fehler im Original).

62S. dazu die Ausführungen von Grabner/Pollack: Zwischen Sinnfrage und Gottesgewißheit.

63S. z. B. die Untersuchung von Frank/Moosbrugger/Zwingmann: Einstellungen zu Tod und Sterben und ihr Bezug zu Glaubensinhalten und religiöser Orientierung, 165-177.

64 Oser/Bucher: Religion - Entwicklung - Jugend, 1046.

65Vgl. Allport: Prejudice: Is it societal or personal?, 120-134; sowie: The religious context of prejudice, 447- 457; ferner Von Belzen/Popp-Baier: Die Verbindung von Religionspsychologie und Persönlichkeitspsychologie bei Gordon W. Allport, 65-76.

66Allport: Personality and social encounter, 257.

67 Grom: Religionspsychologie, 375.

68Allport: Personality and social encounter, 257.

69Vgl. Bucher/Oser: Hauptströmungen in der Religionspsychologie, 473.

70Grom: Religionspsychologie, 375 (Hervorhebung im Original). Kahoe & Meadow haben Allports Dimensionierung der religiösen Motivation als Ausgangspunkt für ihr Entwicklungsmodell persönlicher Religiosität genommen. S. dazu Kahoe & Meadow: Psychology of religi- on. Sie stellen sich die Entwicklung alsWanderungvon einer rein extrinsischen Religiosität im Kindesalter zu einer heteronomen, kirchlich-traditionellen, weiter zu einer intrinsischen und (vielleicht) darüber hinaus zu einer autonomen Religiosität vor. Die Autonomie als Ziel drückt sich in der Unabhängigkeit des Denkens und Handelns sowie in einer engen Beziehung zu humanistischen Ideen aus, wonach der Mensch von Grund auf gut ist und auf die Hilfe Gottes nicht mehr angewiesen ist. Vgl. Plaum: Religion aus persönlichkeitspsy- chologischer Sicht, 43-48; sowie Oser/Reich: Entwicklung und Religiosität, 77f., die sich kritisch mit dem Ansatz auseinandergesetzt haben. Der Gedanke der Entwicklungslinie von der Heteronomie zur Autonomie findet sich auch in den Ansätzen von Fowler (s. Punkt 4.4.3.3.) sowie Oser & Gmünder (s. Punkt 4.4.3.4).

71 S. Glock: On the study of religious commitment, 4; 98-110.

72Eine eingehendere Diskussion des Modells bietet Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 26f. Ferner Grom: Religionspsychologie, 379-381.

73 Tamminen hat z. B. bei seinen o. g. Untersuchungen vor dem Hintergrund seines substantiellen Religions- konzeptes u. a. Glocks Dimensionen angewandt. Vgl. Tamminen: Religiöse Entwicklung in Kindheit und Ju- gend, 16-20.

74Nickel: Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters. Bd. I, 17.

75Die folgenden Ausführungen stützen sich, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf den Beitrag von Montada: Fragen, Konzepte, Perspektiven, 1-20.

76 Die ausführliche Darstellung gründet in der Tatsache, daß in vielen religiösen Entwicklungstheorien der Stu- fencharakter eine wichtige Rolle spielt und Komponenten der nachfolgenden Kritik für diese Ansätze von Bedeutung sind.

77Die Verwendung des Stufen-Begriffs ist keineswegs eindeutig. Nickel verweist auf die Tatsache, daßStufe,PhaseundStadiumvon verschiedenen Autoren in recht unterschiedlicher Weise gebraucht werden. Vgl. Nickel: Entwicklungspsychologie des Kindes - und Jugendalters. Bd. 1, 45. Zimbardo weist darauf hin, daß bei ähnlicher BedeutungPhase,StadiumundPeriodeals Synonyme für den Stufen-Begriff gebraucht werden können. Vgl. Zimbardo: Psychologie, 59f.

78 Montada: Fragen, Konzepte, Perspektiven, 2 (Hervorhebung im Original).

79Montada: Fragen, Konzepte, Perspektiven, 6 (Hervorhebung im Original).

In organismischen Modellen wird angenommen, daß die Krisen bzw. Ungleichgewichte in den Übergängen „... aus universellen Reifungs- und Entwicklungsveränderungen des Organismus resultieren, die neue Erfahrungsmöglichkeiten, neue Interaktionen und damit neue Probleme erzeugen.“ Montada: Fragen, Konzepte, Perspektiven, 64. Klassische Beispiele sind Freuds psychosexuelles und Eriksons psychosoziales Entwicklungsmodell sowie Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung.

80Z. B. Wahrnehmung und Psychomotorik.

81 Montada: Fragen, Konzepte, Perspektiven, 2 (Hervorhebung im Original).

82Montada: Fragen, Konzepte, Perspektiven, 3.

83Nickel: Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters. Bd. 1, 49.

84 Nickel: Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters. Bd. 1, 52.

85Der Begriff derAnlage-Umwelt-Kontroversehat sich in der Psychologie eingebürgert. Jedoch ist diese Di- chotomisierung nach heutigem Forschungsstand nicht mehr zeitgemäß. Es geht nämlich mittlerweile weniger um die Frage, ob Reifung oder Prägung die Entwicklung bestimmen. Die Kontroverse besteht eher darin,

welche Anteile mehr Gewicht haben. Eine Reihe an Modellen wurden dazu entwickelt. Vgl. dazu Flammer: Entwicklungstheorien, 28-37. Die derzeitige Forschungslage und Theoriebildung, vor allem in Hinblick auf die interaktionistischen Modelle, erfordert jedoch im Anlage-Umwelt-Zusammenhang die Beachtung eines weiteren Aspektes, nämlich die „... Frage nach der Dynamik der immer neu entstehenden Möglichkeiten, den Prozessen der Interaktion (und darin allenfalls den Gewichten der verschiedenen Faktoren).“ Flammer: Entwicklungstheorien, 36 (Hervorhebung im Original). Faktum ist, daß damit die Möglichkeit einer vereinfachten Beschreibung und Erklärung menschlicher Entwicklung nicht mehr möglich ist.

86Montada: Fragen, Konzepte, Perspektiven, 7.

87Vgl. Montada: Fragen, Konzepte, Perspektiven, 7. Die Darstellung der vier Theorien hat auch Resch in seinem Lehrbuch ‚Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters‘ aufgenommen und sie zudem durch charakteristische Eigenarten der Theorien stichpunktartig erweitert (z. B.: Reifung). Im Gegensatz zu Montada benutzt er anstelle des Begriffs der Selbstgestaltungstheorien den TerminusFrüh-Konstruktivistische Theorienund das StichwortSelbstkonstruktion. Vgl. Resch: Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters, 5f. Diese Theoriengruppe gehört, wie in Fußnote 92 erwähnt, zu den Selbstgestaltungstheorien.

88 Resch: Entwicklungspsychopathologie des Kindes - und Jugendalters, 5.

89Resch: Entwicklungspsychopathologie des Kindes - und Jugendalters, 6.

90Watson, einer der Mitbegründer des diesem Ansatz zugrundeliegenden Behaviorismus, war der Überzeu- gung, daß es ihm gelingen würde, aus Kindern in einer ausgesuchten Umgebung das zu machen, was er wol- le: einen Arzt oder Rechtsanwalt, einen Unternehmer oder auch einen Bettler oder Dieb. S. dazu Watson: Behaviorismus.

91Montada: Fragen, Konzepte, Perspektiven, 8. Vgl. ferner Hurrelmann: Das Modell des produktiv realitätsverarbeitenden Subjekts in der Sozialisationsforschung, 91-104.

92 Piaget ist mit seinem kontruktivistischen Ansatz ein früher Vertreter dieser Theoriengruppe. Vgl. Resch: Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters, 6. Piagets Entwicklungstheorie wird im An- hang C erläutert.

93Flammer bezeichnet diese Theoriegruppe alsWechselwirkungsmodell. Vgl. Flammer: Entwicklungstheorien, 35f.

94Montada: Fragen, Konzepte, Perspektiven, 9.

95Vgl. Resch: Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters, 6f.

Reschs Konzeption seiner Entwicklungspathologie des Kindes- und Jugendalters baut auf einer interaktionistischen Sichtweise auf. S. dazu sein gleichnamiges Lehrbuch.

96Vgl. dazu die Ausführungen von Montada: Fragen, Konzepte, Perspektiven, 57-62.

97Solche Prozesse sind z. B. Anleitung, Anforderung und Nachahmung, Information und Belehrung, Strafe und Belohnung. Sie sind den zugrundeliegenden psychologischen Theorien zuzuordnen, wie z. B. den Theorien des Wissenserwerbs, der Identifikation, der Einstellungsbildung und -änderung, der Selbstkonzept- und der Weltbildentwicklung und den Lerntheorien (besonders die soziale Lerntheorie Banduras). Vgl. Montada: Fragen, Konzepte, Perspektiven, 57.

98 Vgl. Leu: Perspektivenwechsel in der Sozialisationsforschung, 32.

99 S. Hurrelmann: Das Modell des produktiv realitätsverarbeitenden Subjekts in der Sozialisationsforschung, 91-104; ferner Leu: Selbständige Kinder - Ein schwieriges Thema für die Sozialisationsforschung, 174-198.

100 Leu: Perspektivenwechsel in der Sozialisationsforschung, 28 (Hervorhebung im Original).

101 Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 175.

102S. Piaget: Das Weltbild des Kindes. Ferner die Ausführungen bei Grom: Religionspsychologie, 230f; sowie Resch: Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters, 110-113 u. 129-131. Ferner sei auf die strukturgenetisch orientierte Längsschnittstudie aus den Jahren 1983 und 1987 zur Weltbildentwicklung und Gottesvorstellung bei Kindern und Jugendlichen von Fetz et al. hingewiesen. Vgl. Fetz/Reich/Valentin: Weltbildentwicklung und Gottesvorstellung, 101-130.

103Artifizialismusist die Vorstellung, Gott oder eine alles bestimmende Macht habe die Welt und alle Dinge fabriziert.Anthropomorphismusist die Übertragung menschlicher Verhaltensweisen und Fähigkeiten auf nichtmenschliche Dinge oder Wesen.

104 Resch: Entwicklungspsychopathologie des Kindes - und Jugendalters, 111.

105 Vgl. Bucher/Oser: Hauptströmungen in der Religionspsychologie, 476.

106Vgl. Resch: Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters, 129f.

107Darunter ist die Fähigkeit zu verstehen, sich in die Sichtweise anderer hineinzuversetzen.

108Vgl. Resch: Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters, 110.

109Zu Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung sei auf Anhang C verwiesen.

110Grom: Religionspsychologie, 232. (Hervorhebung im Original). Finalistisch bedeutet: zweckorientiert.

111 Legen wir Piagets Entwicklungsstufen dieser Beobachtung zugrunde, endet diese Neigung zum finalisti- schen Denken mit Beginn des formaloperatorischen Stadiums.

112Vgl. Grom: Religionspsychologie, 232.

113Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich auf das Buch von Tilmann Moser ‚Gottesvergiftung‘. Eine eingehendere Analyse der Problematik findet sich bei Ringel/Kirchmayr: Religionsverlust durch religiöse Erziehung, 102-114.

114Moser: Gottesvergiftung, 9.

115Zum biographischen Hintergrund:

Tilmann Moser, geb. 1938, wuchs in einer pietistisch geprägten Familie auf. Beide Elternteile stammten aus Pastorenfamilien. Als Moser sechs Monate alt war, erkrankte der Vater schwer und war seither an den Roll- stuhl gebunden. Nach Mosers Angaben kümmerten sich seine Eltern mehr um ihre Frömmigkeit und um die Arbeit in der Kirchengemeinde und nahmen sich für ihre Kinder zu wenig Zeit. Dazu kam, daß die Familie inmitten einer intoleranten katholischen Mehrheit wohnen mußte. Vgl. Ringel/Kirchmayr: Religionsverlust durch religiöse Erziehung, 105.

116 Vgl. Ringel/Kirchmayr: Religionsverlust durch religiöse Erziehung, 106.

117 Moser: Gottesvergiftung, 13 (Hervorhebung im Original).

118Vgl. Moser: Gottesvergiftung, 36.

119Vgl. Moser: Gottesvergiftung, 35.

120Ringel/Kirchmayr: Religionsverlust durch religiöse Erziehung, 113f. Vgl. dazu Moser: Gottesvergiftung, 37.

121Moser: Gottesvergiftung, 46.

122Ringel/Kirchmayr: Religionsverlust durch religiöse Erziehung, 114.

123 Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 169; sowie Grom: Religionspsychologie: 232f.; ferner Bartholomäus: Einführung in die Religionspädagogik, 76.

124Oerter: Was ist Religiosität, und warum entwickelt sie sich?, 23.

125Vgl. Fraas: Die Religiosität des Menschen, 42.

126Vgl. Fraas: Die Religiosität des Menschen, 43.

127Fraas: Die Religiosität des Menschen, 42.

128Kirchenvater († 220 in Kathago).

129Vgl. Osborn: Anfänge des christlichen Denkens, 114.

130 Vgl. Gen 1,26a: „Dann sprach Gott: Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich.“ (Ein- heitsübersetzung).

131Grom: Religionspsychologie, 80. Grom bezieht sich auf den Artikel von Windholz: Pavlov’s religious ori- entation.

132Vgl. Grom: Religionspsychologie, 81.

133Vgl. Grom: Religionspsychologie, 81.

134 Diese Strukturierungen des kollektiven Unbewußten sind universelle, „... in der Frühgeschichte der Menschheit erworbene und vererbte Dispositionen menschlichen Vorstellens, Wollens und Denkens, die das gegenwärtige Individuum veranlassen, wiederkehrende Situationen - Geburt, Tod, Gefahr, Vater - so zu er- leben, wie es seine Vorfahren taten. Einige von ihnen sind bereits selbständige Persönlichkeitssysteme ge- worden: Persona, Anima, Animus, Schatten, die Mutter, der alte Weise, das göttliche Kind und vor allem der Archetyp des Selbst“. Grom: Religionspsychologie, 402.

135Fraas: Die Religiosität des Menschen, 44. Für eine ausführliche Darstellung s. Jung: Psychologie und Reli- gion. Eine kritische Würdigung bietet Grom: Religionspsychologie, 402-405; sowie Mann: Tiefenpsycholo- gie und Religion, 1-18.

136Auf eine eingehendere Kritik wird aus Übersichtsgründen verzichtet.

137Vgl. Grom: Religionspsychologie, 404.

138Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 10.

139 Vgl. Oerter: Was ist Religiosität, und warum entwickelt sie sich?, 23-29.

140 Oerter: Was ist Religiosität, und warum entwickelt sie sich?, 25.

141 Oerter: Was ist Religiosität, und warum entwickelt sie sich?, 25.

142 Oerter: Was ist Religiosität, und warum entwickelt sie sich?, 25.

143Oerter: Was ist Religiosität, und warum entwickelt sie sich?, 26 u. 28f.

144Zur weiteren Vertiefung der Theologie Karl Rahners (1904-1984) sei auf zwei Werke hingewiesen: Rahner: Grundkurs des Glaubens; sowie Lehmann/Raffelt: Rechenschaft des Glaubens.

145Rahner: Grundkurs des Glaubens, 42.

146Rahner: Grundkurs des Glaubens, 42f.

147 Rahner: Grundkurs des Glaubens, 435 (Hervorhebung im Original).

148Deusinger/Deusinger: Untersuchungen zur Religionspsychologie, 761.

149Grom: Religionpsychologie, 233. Interessant wäre es, vor dem Hintergrund des diesen Theorien zugrundeliegenden Theoriengebäudes der Frage nachzugehen, inwieweit Sekten Konditionierungsprozesse bzw. lerntheoretische Konzepte dazu einsetzen, um religiöse bzw. spirituelle Einstellungen ihrer Mitglieder für ihre Zwecke zuverändern. Eine ausführliche Übersicht und Darstellung hinsichtlich der Sektenproblematik und der Differenzierung des Sekten-Begriffs bietet ‚Sequiem‘, die Info-Page der Philipps-Universität Marburg über Sekten und neue religiöse Bewegungen. S. ferner Reller/Kießig: Handbuch Religiöse Gemeinschaften; sowie Beckers/Kohle: Kulte, Sekten, Religionen; sowie Grom: Religionspsychologie, 53-76.

150 Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 170.

151Das strukturgenetische Prinzip Piagets einschließlich seiner Stufentheorie der kognitiven Entwicklung wird in Anhang C erklärt.

152 S. Punkt 3.2.2.

153Zur Einordnung von Freuds Konzeption in den Bereich der Selbstgestaltungstheorien s. Anhang A.

154Freuds psychosexuelle Entwicklungstheorie ist in seinen wesentlichen Punkten in Anhang A erklärt.

155Die wichtigsten Äußerungen finden sich in den Werken ‚Zwangshandlungen und Religionsübungen‘ (Origi- nal 1907), ‚Totem und Tabu‘ (Original 1912/1913), ‚Zukunft einer Illusion‘ (Original 1927), ‚Das Unbeha- gen in der Kultur‘ (Original 1930), ‚Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (Ori- ginal 1932) und ‚Der Mann Moses und die monotheistische Religion‘ (1939). Die vorgelegten Gedankenzü- ge umfassen nicht die gesamte Religionskritik Freuds. Hier werden nur die entwicklungsrelevanten Punkte dargestellt.

156 Freud: Zwangshandlungen und Religionsübungen, 137.

157Z. B.: beide, der Fromme und der Neurotiker, führen ihre Zeremonien durch, ohne nach deren Bedeutung zu fragen. Diese Handlungen dienen aufgrund von Schuldgefühlen oder Angst vor Bestrafung als Abwehr oder Versicherungshandlung.

158Freud: Zwangshandlungen und Religionsübungen, 138f.

159Vgl. Baumgartner: Pastoralpsychologie, 374.

160Freud: Totem und Tabu, 188. Diese Schlußfolgerung zieht Freud vor dem Hintergrund seiner Ausführungen über den - allerdings aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbaren - Vatermord in der Urhorde, mit dem er die phylogenetische Entstehung jeglicher Religion auf der Grundlage von Schuldgefühlen glaubte, erklären zu können: In der menschlichen Urhorde töteten die Söhne den verhaßten Vater, weil er allein das Anrecht auf allen Se- xualverkehr mit den Frauen seiner Horde hatte, und verspeisten ihn. Da die Söhne den Vater aber auch lieb- ten, entwickelten sie ein Schuldbewußtsein und tiefe Reue. Sie widerriefen die Tat dadurch, indem sie sich das Inzesttabu und das Tötungstabu des Totemtieres, das als Vaterersatz und in der späteren Darstellung als Repräsentation eines väterlichen Gottes gilt, auferlegten. Dadurch hofften sie auf Versöhnung, wobei der Vater dann „...all das zusagte, was die kindliche Phantasie vom Vater erwarten durfte, Schutz, Fürsorge und Schonung.“ Freud: Totem und Tabu, 174.

161S. Freud: Die Zukunft einer Illusion; sowie: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoana- lyse.

162Grom: Religionspsychologie, 89 (Hervorhebung im Original).

163 Im Unterschied zur narzißtischen Objektwahl geht Freud hier davon aus, „daß jemand eine andere Person nach dem Vorbild der nährenden Mutter und des schützenden Vaters liebt bzw. die Sexual- und Liebesent- wicklung von den Beziehungen des hilflosen, schutzbedürftigen Kleinkindes geprägt ist.“ Grom: Religions- psychologie, 89.

164Grom: Religionspsychologie, 90.

165Freud: Die Zukunft einer Illusion, 346.

166Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, 176.

167Fromm: Psychoanalyse und Religion, 235.

168Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 69.

169Vgl. Freud: Die Zukunft einer Illusion, 373.

170 Wenn man Tilmann Mosers Autobiographie (s. Punkt 4.1.4) genauer betrachtet, so liegt ein Grund für seine neurotische Religiosität in einer Über-Ich-Bildung, die von Kontrolle und der strikten Erfüllung von Nor- men und Vorschriften geprägt war. In markanter Weise kommt in seinen Schilderungen ferner die Ambiva- lenz der Gottesbeziehung zum Ausdruck: einerseits die Sehnsucht nach einem schützenden Gott, anderer- seits die ihm gegenüber empfundenen Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle. Das sehr negativ gefärbte Gottesbild ist dabei ein Spiegelbild der problematischen Vaterbeziehung. Zwar kam es nach den Schilde- rungen Mosers nicht zu einer Zwangsneurose, aber zu anderer psychischer Symptombildung, wie z. B. De- pression.

171Grom: Religionspsychologie, 93 (Hervorhebung im Original).

172Es ist jedoch unbestritten, daß religiöse Riten auch zwanghaften Charakter annehmen können, wie dies bei sog. ‚skrupulösen‘ Menschen der Fall ist, die aus Verdammungsängsten heraus ständig religiöse Handlun- gen durchführen.

173 Grom: Religionspsychologie, 95f.

174Zu den Kernannahmen von Eriksons psychosozialer Entwicklungskonzeption s. Anhang B. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 71-91.

175Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 82f.

176Erikson: Der junge Mann Luther, 291f.

177 Anstelle der Begriffe Ur-Vertrauen bzw. Ur-Mißtrauen werden von verschiedenen Autoren synonym auch die Termini Grundvertrauen und Grundmißtrauen benutzt. S. Grom: Religionspsychologie, 97; sowie Esser: Gott reift in uns, 47ff.

178Grom: Religionspsychologie, 97; vgl. ferner Erikson: Kindheit und Gesellschaft, 242; sowie Erikson: Wachstum und Krisen der gesunden Persönlichkeit, 15.

179Erikson: Wachstum und Krisen der gesunden Persönlichkeit, 15.

180Grom: Religionspsychologie, 97.

Hier liegt vermutlich eine weitere Ursache der religiösen Neurose Tilmann Mosers. Seinen Schilderungen nach scheint eine erfolgreiche Herausbildung des Ur-Vertrauens mißlungen zu sein. In seinem Selbsthaß und seinen Minderwertigkeitsgefühlen kommt dies u. a. zum Ausdruck.

181 Erikson: Jugend und Krise, 107.

182Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 86. Vgl. Erikson: Jugend und Krise, 23.

183Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 87.

184 Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 87.

185 Erikson: Der junge Mann Luther, 288.

186 Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 88.

187Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 88.

188Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 86.

189S. Anhang B.

190Die folgende Darstellung bezieht sich, wenn nicht anders erwähnt, auf die Ausführungen von Grom: Religi- onspsychologie, 98-104.

191Winnicott hat den Begriff desÜbergangsobjektesin die Tiefenpsychologie eingeführt. Er ging von einem sog.intermediären Raumaus, den ein Kind „... zwischen illusionärer Kreativität und objektiver Wahrneh- mung erlebe und in dem es»Übergangsobjekte«und»Übergangsphänomene«schaffe.“ Grom: Religions- psychologie, 98. Solche Übergangsobjekte im ersten Lebensjahr sind z. B. der Schnuller oder eine Puppe, die dem Kind bei Trennung von der Mutter Ersatz bieten und eine erste Form von Wirklichkeitserkenntnis bilden. Sie führen zu einer primären Kreativität und sind „... die Grundlage der Symbolbildung, der Phanta- sie und des Denkens.“ Grom: Religionspsychologie, 99. Mit wachsender Realitätserkenntnis nimmt die Be- deutung der Übergangsobjekte ab, besonders wenn kulturelle Interessen zutage treten. Vgl. Winnicott: Vom Spiel zur Kreativität, 25.

192Kohut hat vor dem Hintergrund seines Narzißmusansatzes, der die Triebtheorie Freuds erweitert, den Ent- wicklungsbeginn verschiedener Narzißmus- bzw. Objekt-Beziehungs-Theorien eingeleitet. Nach Fiedlers Ausführungen bezeichnetNarzißmusin allgemeiner Weise die interaktionelle Fähigkeit eines Menschen, positive wie negative zwischenmenschliche Beziehungen zu entwickeln. Eine narzißtische Störung ist dem- nach eine Störung der Beziehungsfähigkeit, die dadurch entsteht, daß der primäre Narzißmus, nämlich die vorübergehende Idealisierung seiner selbst und der primären Bezugspersonen nicht aufgelöst wurde. Vgl. Fiedler: Persönlichkeitsstörungen, 279ff.

S. die Werke von Kohut: ‚Die Heilung des Selbst‘ und ‚Narzißmus‘; s. ferner Rudolf: Psychotheraperapeutische Medizin, 56-85.

193Es geht um das Bestreben, „...eine optimale Harmonie zwischen realem und idealen Selbstbild herzustellen und ein befriedigendes Niveau an Selbstgefühl (Selbstwertgefühl und Wohlbehagen) aufrechtzuerhalten - über das Verlangen nach Schutz hinaus -...“ Grom: Religionspsychologie, 102 (Hervorhebung im Original). Dieses Selbstwertstreben, dessen individuelle Art von den Beziehungen der Primärpersonen (Eltern, Groß- eltern, Geschwister) in der Familie geprägt wird, bestimmt auch das Erleben, Denken und Handeln im reli- giösen Bereich.

194 Rizzuto: The Birth of The Living God, 90.

195 Grom: Religionspsychologie, 100.

196 Grom: Religionspsychologie, 101.

197Grom: Religionspsychologie, 101.

198 Grom: Religionspsychologie, 102 (Hervorhebung im Original).

199 Vgl Holm: Einführung in die Religionspsychologie, 125.

200 Grom: Religionspsychologie, 101f.

201Grom: Religionspsychologie, 103.

202Z. B. unkritischer Fanatismus, Erwählungsbewußtsein, Prophetenwahn.

203Vgl. Grom: Religionspsychologie, 103.

204Zum strukturgenetischen Ansatz Piagets s. A nhang C.

205Oser/Reich: Entwicklung und Religiosität 69. Die Moralität stellt dabei die Voraussetzung für die religiöse Entwicklung dar.

206 Vgl. Piaget: Reflections on Baldwin, 80-86.

207Vgl. Bucher/Oser: Hauptströmungen in der Religionspsychologie, 476.

208Oser/Reich: Entwicklung und Religiosität, 67 (Hervorhebung und orthographische Fehler im Original). Hin- sichtlich Grundlagen und Forderungen einer strukurgenetischen Psychologie sei auf die Ausführungen von Oser/Reich verwiesen: Entwicklung und Religiosität,67-69.

209Einen ähnlichen Ansatz hat Elkind entwickelt, weil er bei seinen Untersuchungen zu den kognitiven Wur- zeln religiösen Verstehens dieselbe Vorgehensweise wie Goldman hatte. Vor dem Hintergrund der Stufen Piagets formulierte er vier Stufen: Suche nach Permanenz, Suche nach Repräsentanzen, Suche nach Bezie- hungen und Suche nach Einsicht. Nur hinsichtlich der Konsequenzen für den Bibelunterricht kommt Elkind zu einem anderen Ergebnis. Er sieht Religion als natürlichen Teil der Entwicklung an, die durch Erzählun- gen und Gleichnisse, in denen sich Kinder wiederfinden können, gefördert wird. Vgl. Oser/Reich: Entwick- lung und Religiosität, 75f.; s. ferner die Ausführungen von Elkind: The origins of religion in the child, 35- 42; Piaget's semi-clinical interview and the study of spontaneous religion, 40-47; sowie: The child's concep- tion of his religious identity, 635-646.

210 Goldman: Religious Thinking from Childhood to Adolescence, 3f.

211Vgl. Bucher/Oser: Hauptströmungen in der Religionspsychologie, 477.

Für Goldman spielt dabei der Begriff desreligiösen Konzepteseine wichtige Rolle. Ein Konzept stellt nämlich ein Element der gesamtreligiösen Struktur dar, dessen Entstehen über Assimilations- und Akkomodationsprozeße erworben wird. Konzepte sind religiös, wenn sie substantielle Elemente konkreter Religion enthalten und auf religiös interpretierbare Situationen wieder angewendet werden.“ Oser/Reich: Entwicklung und Religiosität, 72f (Orthographischer Fehler im Original).

212Vgl. Oser/Bucher: Religion - Entwicklung - Jugend, 1047; sowie Oser/Reich: Entwicklung und Religiosität, 74.

213Oser/Reich: Entwicklung und Religiosität, 73.

214Vgl. Oser/Bucher: Religion - Entwicklung - Jugend, 1048.

215 S. die Kritik an Piagets Theorie in Anhang C sowie den Kritikpunkten unter Punkt 3.2.2.2.

216Oser/Reich: Entwicklung und Religiosität, 73.

217Es handelte sich dabei um die Begegnung Mose mit dem brennenden Dornbusch, aus dem Gott sprach (Ex 3,1-6), um den Durchzug des Volkes Israel durch das rote Meer (Ex 14) und die Versuchung Jesu durch den Teufel in der Wüste (Mt 4,1-11).

218S. Tillich: Die verlorene Dimension; sowie Niebuhr: The responsible self.

219 S. das Werk von Fowler: Stufen des Glaubens. Das Original erschien im Jahre 1981 unter dem Titel ‚Stages of Faith‘. Eine umfassende kritische Darstellung zu Fowlers Ansatz findet sich bei Klappendecker: Glau- bensentwicklung und Moralentwicklung bei James W. Fowler.

220Fowler: Stufen des Glaubens, 27.

221Bucher/Oser: Hauptströmungen in der Religionspsychologie, 478. Vgl. Fowler: Stufen des Glaubens, 27.

222Vgl. Oser/Bucher: Religion - Entwicklung - Jugend, 1048. In diesem Zusammenhang vgl. Fowler: Stufen des Glaubens, 30-35.

223 Vgl. Oser/Reich: Entwicklung und Religiosität, 78.

224Bucher/Oser: Hauptströmungen in der Religionspsychologie, 478. Vgl. ferner Fowler: Stufen des Glaubens, 232-285 bzw. 324-330.

225Vgl. Bucher/Oser: Hauptströmungen in der Religionspsychologie, 478.; ferner Fowler: Stufen des Glaubens, 136-231. Die Beschreibungen berufen sich auf die Ausführungen von Oser/Bucher: Religion - Entwicklung - Jugend, 1048f; sowie Oser/Reich: Entwicklung und Religiosität, 78f; ferner Grom: Religionspsychologie, 389.

226Angabe in Jahren.

227Fowler bezeichnet diese erste Stufe als Vorstufe des Glaubens und hat ihr deshalb keine eigene Stufen-Nr. zugeordnet. Vgl. Fowler: Stufen des Glaubens, 138.

228 Für Fowler hat diese Stufe eher hypothetischen Charakter. Sie wird nur von wenigen Menschen erreicht. Er nennt Persönlichkeiten, wie Gandhi, Martin Luther King oder Mutter Teresa. Vgl. Fowler: Stufen des Glau- bens, 219.

229Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 154; ferner Fraas: Die Religiosität des Menschen, 70.

230Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 154. Schweitzer beruft sich auf die Anmerkungen Fowlers in: Stages of Faith, 101, 199 u. 299ff.

231Vgl. Fraas: Die Religiosität des Menschen, 70; ferner: Oser/Reich: Entwicklung und Religiosität, 79. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß sich aufgrund der Kontextabhängigkeit der späteren Stufen das Universalitätspostulat der Stufenkonzeption nicht aufrechterhalten läßt.

232 Oser/Reich: Entwicklung und Religiosität, 79. Deshalb ist für sie Fowlers Ansatz eher theologisch als psy- chologisch ausgerichtet. Vgl. Oser/Reich: Entwicklung und Religiosität, 66.

233S. das Werk von Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung. Es erschien in der er- sten Auflage 1984.

234Bucher/Oser: Hauptströmungen in der Religionspsychologie, 479.

235Die Autoren erwähnen weitere synonym zu gebrauchende Begriffe, wie:das Unbedingteoder dasTrans- zendente.Mit diesen sehr allgemein gehaltenen Begriffen soll die Annahme einer sich universal zur Geltung bringenden Religiosität favorisiert werden. Vgl. Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Ent- wicklung, 21.

236Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 53. Mit Kontingenz ist das Schicksalhafte, Unvorherse- hene und Zufällige gemeint, das der Mensch bewältigen muß. Vgl. Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung, 27.

237 Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 53.

238Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung, 28.

239Der BegriffMutter-Strukturist von Piaget entnommen. Mutterstrukturen sind nicht mehr weiter zurückführ- bare kognitive Grundstrukturen, von denen alle anderen Strukturen abgeleitet werden können. Vgl. Piaget: Der Strukturalismus, 23-28.

Hinsichtlich der Diskussion um die Frage die Frage, ob es eine religiöse Anlage gibt (s.Punkt 4.2.2), läßt sich Osers & Gmünders Annahme einer religiösen Mutter-Struktur als anthropologischer Ansatz einordnen.

240Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung, 62.

241Vgl. Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung, 31ff.

242Dieser Pol wurde 1992 von Oser noch hinzugefügt. Vgl. Oser: Religiöse Entwicklung im Erwachsenenalter, 67. Er findet sich jedoch noch nicht in der dritten Auflage seines Werkes ‚Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung‘, ebenfalls aus dem Jahre 1992.

243Die am häufigsten angewendete religiöse Dilemma-Situation ist das sog. ‚Paul-Dilemma‘. Vgl. Oser/Gmün- der: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung, 118-130. Hier eine Kurzfassung: Paul, ein junger Arzt hat in einem abstürzenden Flugzeug das Versprechen abgegeben, daß er - falls er über- lebt - sein Leben in den Dienst der Entwicklungshilfe stellt. Da er den Crash heil überstanden hat, steht er vor der schwierigen Entscheidung, ob er sein gegenüber Gott gegebenes Versprechen einhalten soll. Denn seine Lebensgefährtin möchte nicht unbedingt in ein Entwicklungsland ziehen, aber er möchte sie wiederum heiraten. Dazu kommt, daß ihm eine lukrative Stelle in einer Privatklinik seiner Heimat angeboten wird. Wie soll er sich verhalten?

244Vgl. Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung, 122-125.

245Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung, 31.

246Vgl. Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung, 75-77.

247Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 55.

248Befragt wurden 112 altkatholische, römisch-katholische und evangelische Personen im Alter von 8-75 Jah- ren.

249 Z. B. im Falle des Polpaares: Transzendenz - Immanzenz: „Entweder greift Gott direkt ein ("macht, daß nichts passiert") oder gar nicht.“ Oser/Bucher: Religion - Entwicklung - Jugend, 1050.

250 Oser/Bucher: Religion - Entwicklung - Jugend, 1050.

251Oser & Gmünder sehen darin ihr Stufenkonzept einigermaßen validiert. Vgl. Grom: Religionspsychologie, 392. Allerdings weist Beile darauf hin, daß die Zuordnung von Altersspannen mit Vorsicht zu behandeln ist. Denn sie stellen lediglich einen groben Orientierungsrahmen dar. Es gibt nämlich ebenso Befunde, aus de- nen hervorgeht, daß Personen auch auf tieferen Urteilsstufen argumentieren, als dem altersgemäßen Ent- wicklungsstand entspricht. Vgl. Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 56.

252Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung, 79-96.

253Angabe in Jahren..

254Die skizzenhafte Beschreibung, die sich am Paul-Dilemma orientiert, ist der Darstellung von Oser/Bucher entnommen: Religion - Entwicklung - Jugend, 1050; sowie Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner reli- giösen Entwicklung, 80.

255 Die fehlende Altersangabe verweist auf den Umstand, daß die Beschreibung dieser Stufe sich weniger an empirischen Befunden orientiert als an theologischen Theorien. Befragte Personen haben selten auf dieser Urteilshöhe argumentiert. Vgl. Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 59.

256Vgl. dazu die zahlreiche Auflistung bei Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 68; sowie die Dar- stellung einiger Untersuchungen im Hinblick auf die Validität, auf religionspädgogische Bereiche und in Beziehung zu anderen Konstrukten der Denk- und Weltbildentwicklung bei Oser/Bucher: Religion - Ent- wicklung - Jugend, 1050-1052.

257Da keine empirischen Daten präsentiert wurden, wird auf die methodische Kritik verzichtet. S. dazu die Ausführungen von Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 69f.; sowie Grom: Religionspsycholo- gie, 393f. Für die grundsätzliche Stufenproblematik und ihrer Postulate sei auf die Kritik unter Punkt 3.2.2.2 verwiesen. Die folgenden Ausführungen berufen sich - soweit nicht anders vermerkt - auf Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 68-75.

258Vgl. Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung, 120.

259Vgl. Schweitzer: Religion und Entwicklung, 322. In diesem Zusammenhang Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung, 124.

260Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 70. Bei der Vor-Struktur handelt es sich um den Sachver- halt, daß Paul in gewisser Hinsicht einen Tausch mit Gott vorschlägt: Soziales Engagement gegen Rettung im Sinne von ‚do-ut-des‘.

261 Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 70.

262Vgl. dazu die Ausführungen bei Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 177-181.

263Vgl. u. a. Fraas: Die Religiosität des Menschen, 67; sowie Esser: Gott reift in uns, 13; ferner Grom: Religi- onspsychologie, 396; sowie Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 132.

264Vgl. Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 72.

265Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 73.

266 Beiles Untersuchung ‚Religiöse Emotionen und religiöses Urteil‘ ist ein solcher Forschungsansatz, der Zu- sammenhänge von Kognition und Emotion vor dem Hintergrund von Osers & Gmünders Ansatz erhellt.

267 Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 71.

268S. Punkt 4.1.

269S. zur Frage der Autonomie: Oser: Wieviel Religion braucht der Mensch?

270S. dazu die Fußnoten 170 und 180.

271Lediglich Fowler versucht, in seiner Entwicklungtheorie des Glaubens auf breiter Basis kognitive und emo - tionale Komponenten miteinander zu verbinden.

272 Vgl. Grom: Religionspsychologie, 19; ferner Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 174-183.

273 Oser/Reich: Zur Einführung: Sinnfindung als roter Faden religiöser Bemühungen, 7.

274Fraas hat im Gegensatz zu Grom in deskriptiver Weise die religiöse Entwicklung dargestellt. Von einem Leitziel ausgehend (die Lebensaufgabe des Menschen ist es, Autonomie zu gewinnen) ordnet er anhand der biographischen Schiene verschiedene relevante Befunde den verschiedenen Alterstufen zu. Vgl Fraas: Die Religiosität des Menschen, 157-303. Der Vorteil liegt in der Konkretheit der Darstellung, die schnell einen Einblick in die jeweilige Alterstufe zuläßt. Als Nachteil ist die mangelnde systematische Übersicht zu nen- nen.

275 Vgl. Grom: Religionspsychologie, 234-237.

276Grom: Religionspsychologie, 235 (Hervorhebung im Original).

277Grom: Religionspsychologie, 231 (Hervorhebung im Original).

278Nach Grom überwinden z. B. Kinder, die intellektuell begabter als andere sind, die magische Weltsicht frü- her als weniger begabte. Vgl. Grom: Religionspsychologie, 231f.

279Grom: Religionspsychologie, 235 (Hervorhebung im Original).

280Grom: Religionspsychologie, 236.

281Allport: The individual and his Religion, 52.

282Vgl. Grom: Religionspsychologie, 236f. Grom erläutert in seinem Werk folgende Motive: Religiosität zwischen Gewissenhaftigkeit und Zwangsneu- rose (u. a. angstbesetzte Moral und Frömmigkeit, Perfektionismus und Skrupulosität), das Verlangen nach äußerer Kontrolle bedeutsamer Lebensereignisse (z. B. Magie) bzw. innerer Kontrolle von Trauer und Angst (im Sinne von Kontingenzbewältigung), das Streben nach einem positiven Selbstwertgefühl (die Wechsel- wirkung von Religiosität und Selbstwertgefühl), die Bereitschaft zu Dank und Verehrung, die Bereitschaft zu prosozialem Verhalten, das Interesse an weltanschaulicher Erkenntnis und logischer Kohärenz. Vgl. dazu Grom: Religionspsychologie, 112-244. Grom benutzt die gleichen Begriffe wie Allport. Dies kann zu Mißverständnissen führen, da Allport intrin- sisch bzw. extrinsisch motivierte Religiosität als individuelle Einstellungen zur Religion ansieht. Im Gegen- satz dazu definiert Grom seine Terminologie aufgrund ihrer Herkunft: Intrinsische Motive erwachsen aus innerpsychischen Prozessen. Extrinsische Motive (materielle Vorteile, Prestige und soziale Unterstützung sowie emotionale Verbundenheit und Gruppenzugehörigkeit; vgl. Grom: Religionspsychologie, 30-45) sind durch Sozialisationsprozesse bestimmt. Nach Grom bestimmen beide Motivgruppen, ausgehend von einer Wechselwirkung, die Religiosität des Menschen. Auch wenn es eine Reihe an Übereinstimmungen gibt, las- sen sich nicht alle Motive im Sinne Groms mit Allports Charaktisierung gleichsetzen.

283Grom: Religionspsychologie, 237 (Hervorhebung im Original).

284Für jede Lebensphase gibt es spezielle Entwicklungsaufgaben (z. B. die Fertigkeiten und Verhaltensweisen im Sinne Havighursts oder die psychosozialen Entwicklungsaufgaben Eriksons). Werden diese erfolgreich bewältigt, führt dies zu einer harmonischen Weiterentwicklung. Bei einem Versagen führt das zu Schwie- rigkeiten bei der Bewältigung späterer Aufgaben, evt. auch zu Ablehnung durch die Umgebung. Eine einge- hende Darstellung zu den Entwicklungsaufgaben bietet Resch: Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters, 16f.

285AlsLife-eventswerden kritische Lebensereignisse bezeichnet, wie aktuelle traumatische Erlebnisse (z. B. Tod eines Angehörigen, Unfall) Für die Religiosität können solche Erfahrungen angesichts der sich u.U. stellenden Theodizeefrage zur Belastungsprobe werden.

286 Grom: Religionspsychologie, 237 (Hervorhebung im Original).

287 Vgl. Grom: Religionspsychologie, 234.

288Diese Einschränkung muß aus der gebotenen Übersichtlichkeit vorgenommen werden. Deshalb wird auf ei- ne eingehendere Analyse jeder Theorie hinsichtlich ihrer praktischen Relevanz sowie einer Systematisierung der Ergebnisse vor dem Hintergrund der Religionspädagogik und der Pastoraltheologie bzw. -psychologie verzichtet. Zur weiteren Vertiefung sei auf folgende Literaturauswahl verwiesen: Eine Systematisierung bieten Baumgartner: Pastoralpsychologie; Grom: Religionspädagogische Psychologie des Kleinkind-, Schul- und Jugendalters; Schweitzer/Nipkow/Faust-Siehl/Krupka: Religionsunterricht und Entwicklungspsychologie; sowie Wiegand: Religiöse Erziehung in der Lebenswelt der Moderne. Hinsichtlich der tiefenpsychologischen Ansätze sei auf folgende Werke verwiesen: Esser: Gott reift in uns und Ringel/Kirchmayr: Religionsverlust durch religiöse Erziehung. Hinsichtlich der strukturgenetische Ansätze wird auf folgende Darstellungen verwiesen: Bucher/Reich: Entwicklung von Religiosität; Hoffmann: Kognitionspsychologische Stufentheorien und religiöses Lernen; ferner Nipkow/Schweitzer/Fowler: Glaubensentwicklung und Erziehung.

289Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 233-236.

290Schweitzer: Religion und Entwicklung, 323.

291Schweitzer: Religion und Entwicklung, 326.

292 Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 235.

293S. auch Punkt 4.5.2.2.

294Z.B. Skrupulosität als religiöse Zwangsneurose; von Angst und Kontrolle besetztes Gottesbild. S. u. a. die Untersuchungen von Dörr: Religiosität und Depression, 159-180; sowie Spring/Moosbrugger/Zwingmann /Frank: Kirchlicher Dogmatismus und ekklesiogene Neurosen, 152-163.

295 Vgl. dazu Resch: Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters, 53-66.

296 Erikson: Wachstum und Krisen der gesunden Persönlichkeit, 62.

297Vgl. Bucher/Oser: Hauptströmungen in der Religionspsychologie, 482.

298Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 236.

299Vgl. Knab: Schule als Weg aus religiöser Unmündigkeit?, 39.

300Schweitzer/Nipkow/Faust-Siehl/Krupka: Religionsunterricht und Entwicklungspsychologie, 24 (Hervorhe- bung im Original).

301 Schweitzer/Nipkow/Faust-Siehl/Krupka: Religionsunterricht und Entwicklungspsychologie, 30 (Hervorhe- bung im Original).

302Erikson: Wachstum und Krisen der gesunden Persönlichkeit, 63.

303Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 240.

304S. Punkt 4.5.2.2.

305 Oser/Gmünder: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung, 219.

306Die folgenden Punkte beziehen sich, soweit nicht eigens erwähnt, auf die katholische und evangelische Kir- che. Eine eingehende Darstellung zur Erneuerung des kirchlichen Lebens s. Ringel/Kirchmayr: Religions- verlust durch religiöse Erziehung, 221-238.

307Vgl. Scharfenberg: Zum Religionsbegriff Sigmund Freuds, 310.

308Kirchliche Verkündigungspraxis.

309 Vor allem stellt sich die Frage, inwieweit solche Gottesbilder als pädagogisches Instrument eingesetzt wer- den.

310 Siehe Punkt 4.4.2.1.2.

311Vor allem in der katholischen Kirche sind solche Tendenzen zu beobachten: z.B. Gehorsamsdenken, das vorbehaltlose Akzeptieren moralischer Normen und Glaubensinhalte, die Betonung der hierarchischen Struktur.

312 Das Zweite Vatikanum hat in seinem Ökumenismus-Dekret diesen Grundsatz übernommen: „Die Kirche wird auf dem Wege ihrer Pilgerschaft von Christus zu der dauernden Reform gerufen, der sie allzeit bedarf, soweit sie menschliche und irdische Einrichtung ist.“ Zweites Vatikanum: Unitatis redintegratio, Nr. 6. Es handelt sich zwar hier um ein Dokument der katholischen Kirche. Aber diese Forderung läßt sich ohne theo- logische Probleme auch die evangelischen Kirche(n) übertragen, genau genommen sogar auf all diejenigen Religionen, die sich in einer gesellschaftlichen bzw. kulturellen Verflechtung befinden.

313Vgl. Amelang/Bartussek: Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung, 405.

314In Freuds Instanzenmodell sind die Triebe imEsangesiedelt.

315Aufgrund der Erfahrungen des Ersten Weltkriegs ging Freud von einem weiteren Trieb aus: demThanatos- trieb, auch alsTodes- oderAggressionstriebbezeichnet.

316Amelang/Bartussek: Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung, 406.

317Weitere Ausführungen bietet: Zimbardo: Psychologie, 89.

318 Zimbardo: Psychologie, 89.

319Vgl. Zimbardo: Psychologie, 89.

320Angabe in Jahren.

321Zimbardo: Psychologie, 89.

322Analog zumÖdipus-Komplexformuliert Freud für das Mädchen denElektra -Komplex.

323Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 66f.

324Mit demÜber-Ichwird die dritte Instanz in Freuds Instanzen-Modell ausgebildet. DasIchhat nun die Funk- tion zwischen den Triebwünschen desEsund den moralischen Forderungen desÜber-Ichzu vermitteln, was im Hinblick auf eine Triebunterdrückung zur Neurose führen kann.

325 Vgl. Zimbardo: Psychologie, 90.

326 S. dazu die Kritik an der Stufenkonzeption unter Punkt 3.2.2.2.

327 Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 75.

328 Zu den Selbstgestaltungstheorien s. Punkt 3.2.3.3.

329Den BegriffIdentität, Dreh- und Angelpunkt seines Entwicklungskonzeptes, hat Erikson nie klar definiert. Am deutlichsten kommt folgender Definitionsversuch an den Gehalt des Begriffes heran: „Der Begriff »I- dentität« drückt [...] insofern eine wechselseitige Beziehung aus, als er sowohl ein dauerndes inneres Sich- Selbst-Gleichsein wie ein dauerndes Teilhaben an bestimmten gruppenspezifischen Charakterzügen um- faßt.“ Erikson: Identität und Lebenszyklus, 124.

330Fraas: Die Religiosität des Menschen, 58.

331S. dazu Fußnote 79.

332Erikson: Identität und Lebenszyklus, 57.

333Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 73.

334Zimbardo: Psychologie, 90.

335 Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, 75. Dem widerspricht Fraas. Er geht davon aus, daß Erik- son innerhalb der Polarität jeder Krise eine einseitige Sicht zur Bewältigung postuliert. Vgl. Fraas: Die Reli- giosität des Menschen, 59.

336Die Tabelle ist eine Synthese der Darstellungen nach Zimbardo: Psychologie, 90; und Resch: Entwick- lungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters, 19. Hinsichtlich der Quellen sei auf die Werke von E- rikson: ‚Identität und Lebenszyklus‘, ‚Jugend und Krise‘ und ‚Kindheit und Gesellschaft‘ hingewiesen.

337Angabe in Jahren.

338Vgl. Montada: Fragen, Konzepte, Perspektiven, 64.

339 Resch: Entwicklungspsychopathologie des Kindes - und Jugendalters, 17.

340Vgl. Beile: Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, 53.

341Zimbardo: Psychologie, 73. Z. B. verfügt der Säugling über ein Greif-, Saug- und ein Schema des Schlagens nach Gegenständen.

342Vgl. Zimbardo: Psychologie, 73; sowie Resch: Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendal- ters, 13.

343Zimbardo: Psychologie, 73.

344 Vgl. Montada: Die geistige Entwicklung aus der Sicht Jean Piagets, 553f.

345S. dazu die Beobachtungen Piagets zum Weltbild unter Punkt 4.1.1.

346Die folgenden Einwände beziehen sich auf die Ausführungen von Zimbardo: Psychologie, 77-80, wo die einzelnen Kritikpunkte eingehend erläutert werden.

347Zimbardo, Psychologie, 77.

348Hinsichtlich der Äquilibration fehlt es z. B. an eindeutigen konkreten Kriterien, die darlegen, ob das Gleich- gewicht auf einer Stufe erreicht ist.

349 S. Punkt 3.2.2.2.

350 Die Darstellung des Ansatzes folgt den Ausführungen von Zimbardo: Psychologie, 87-89.

351 S. Kohlberg: Development of moral character and moral ideology.

352Zimbardo: Psychologie, 89f.

353S. dazu die Ausführungen zu dieser Kontroverse in Zimbardo: Psychologie, 88.

354Zimbardo: Psychologie, 89.

355 S. Punkt 3.2.2.2.

Ende der Leseprobe aus 110 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung von Religiosität - Einblick in die religionspsychologische Theoriediskussion und Grundlinien religionspädagogischer und pastoraltheologischer Relevanz
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Autor
Jahr
1998
Seiten
110
Katalognummer
V96063
ISBN (eBook)
9783638087407
Dateigröße
708 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklung, Religiosität, Einblick, Theoriediskussion, Grundlinien, Relevanz
Arbeit zitieren
Bernd Seel-Hoffend (Autor:in), 1998, Die Entwicklung von Religiosität - Einblick in die religionspsychologische Theoriediskussion und Grundlinien religionspädagogischer und pastoraltheologischer Relevanz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96063

Kommentare

  • Gast am 3.10.2002

    sehr umfassend.

    Sehr umfassend. Außerdem freue ich mich, daß ich so häufig zitiert werde. :-)

  • Gast am 3.3.2002

    psychotherapeutisch wertvoll.

    ein hohes Sprachniveau sowie ein adäquates psychologisches Sachverständnis zeichnen diese Arbeit aus-----

  • Gast am 22.7.2001

    Ernst Reinhardt.

    Endlich mal eine Arbeit zur Religionspsychologie, die auch kritisch ist.

Blick ins Buch
Titel: Die Entwicklung von Religiosität - Einblick in die religionspsychologische Theoriediskussion und Grundlinien religionspädagogischer und pastoraltheologischer Relevanz



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