Leseprobe
Inhalt
1 Einleitung
2 Beschreibung der Berufsgruppe
3 Belastungen des Psychotherapeutenberufs
3.1 Prävalenz
3.2 Die berufliche Tätigkeit als Ursache
3.3 Persönliche Probleme als Ursache
3.3.1 Konsequenzen des Berufs auf das Privatleben
3.3.2 Persönliche Probleme von Psychotherapeuten als Ergebnis des Zusammenspiels von Persönlichkeitseigenschaften und der beruflichen Tätigkeit
3.3.2.1 Ursachen des Berufswunsches
3.3.2.2 DasHelfersyndrom
4 Diskussion: Mögliche Hilfen für Psychotherapeuten
5 Schlussteil
Literatur
1 Einleitung
Psychische Störungen rücken zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. So zeigen die Zahlen der aktuellen DEGS-Studie (Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland), dass die 12-Montats-Prävalenz für psychische Störungen bei etwa 28% liegt (Jacobi et al., 2014). Zudem kann ein stetiger Anstieg der Behandlungsprävalenz sowie der Verschreibung von Psychopharmaka beobachtet werden (Richter, Berger & Reker, 2008). Daraus ergibt sich eine wachsende Bedeutung für den Beruf des Psychotherapeuten, dessen Aufgabe es ist, die psychischen Leiden seiner Patienten zu mindern.
In Deutschland gibt es aktuell 40.000 approbierte Psychotherapeuten, von denen etwa 25.000 psychotherapeutisch tätig sind (Jacobi, 2015). Es handelt sich hierbei um eine Berufsgruppe, welche in ihrer modernen säkularisierten Form erst seit kurzer Zeit besteht. So erfolgte die gesetzliche Verankerung in Deutschland erst im Jahr 1999 in Form des Psychotherapeutengesetzes (Willutzki et al., 2006). Die Anfänge von Heilungsritualen lassen sich bis weit in frühere Jahrhunderte zurückführen. So kann etwa unter dem Medizinmann in der Antike bereits eine Art Psychotherapeut verstanden werden (Schmidbauer, 2012). Von einigen Autoren wird der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, auch als Begründer der Psychotherapie genannt (Klotter, 2011). Freud hatte vor allem in seinen letzten Jahren eine eher negative Auffassung von seiner beruflichen Tätigkeit. So beschrieb er 1937 das Analysieren als einen „jener unmöglichen Berufe, in denen man des ungenügenden Erfolges von vornherein sicher sein kann“ (Freud, 1937, zitiert nach Reimer, 2006, S. 94). Diese sehr pessimistische Aussage von Freud mag zunächst übertrieben erscheinen, doch gibt es zum jetzigen Zeitpunkt bereits einige Autoren und Studien, die sich mit den negativen Aspekten des Psychotherapeutenberufs auseinander setzen. Immer wieder wird hierbei auf die beruflichen Belastungen sowie auf die daraus resultierenden psychischen Probleme für Psychotherapeuten verwiesen. Die umfassende Betrachtung der Risiken und deren Folgen soll Thema der vorliegenden Arbeit sein. Die Beschäftigung mit dieser Thematik ist nicht nur für (angehende) Psychotherapeuten von großer Bedeutung. Vielmehr betrifft die Problematik die Gesellschaft dahingehend, als dass sich das Wohlbefinden der Psychotherapeuten in weitreichendem Ausmaß auf ihre Behandlungsergebnisse auswirkt (Bastine, 1992). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Qualität und Effektivität der therapeutischen Behandlung durch eigene psychische Probleme der Therapeuten gefährdet sind, was sich als nachteilig für jene erweist, die eine solche Behandlung benötigen.
Für ein allgemeines Verständnis der Berufsgruppe werden zunächst die Spezifika der aktuell tätigen Psychotherapeuten beschrieben. Dabei wird auf die .Internationale Studie zur beruflichen Entwicklung von Psychotherapeuten' der Society of Therapy Research Bezug genommen. Im Anschluss werden die Belastungen, die der Beruf des Psychotherapeuten mit sich bringt, beschrieben. Dabei wird sowohl auf die beruflichen, als auch auf die persönlichen Probleme eingegangen. Im Anschluss wird diskutiert, welche präventiven Maßnahmen und Hilfen Psychotherapeuten in Anspruch nehmen können. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf der Methode der Supervision, die allgemein als Lösung für Probleme aus dem therapeutischen Arbeitsfeld gilt und deren Möglichkeiten und Grenzen in dieser Arbeit aufgezeigt werden.
2 Beschreibung der Berufsgruppe
Um einen ersten Eindruck von der heterogenen Berufsgruppe der Psychotherapeuten zu erhalten, werden im Folgenden Ergebnisse aus der .Internationalen Studie zur beruflichen Entwicklung von Psychotherapeuten' herangezogen, welche seit 1989 von der Society of Therapy Research durchgeführt wird. Dazu wurden bisher 7000 Psychotherapeuten aus 20 Ländern befragt, wovon jedoch - aufgrund einer besseren Übertragbarkeit der Ergebnisse - für die vorliegende Arbeit ausschließlich die Daten von 1539 Psychotherapeuten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz verwendet werden (Willutzki et al., 2006). Es zeigt sich, dass etwa 2/3 der derzeit tätigen Psychotherapeuten weiblich sind. Das Durchschnittsalter der befragten Therapeuten liegt bei etwa 40 Jahren, wobei die in Deutschland tätigen Psychotherapeuten etwas jünger sind als die in den deutschsprachigen Nachbarländern. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Studie möglicherweise nicht repräsentativ ist. So sprechen Zahlen der kassenärztlichen Bundesvereinigung dafür, dass die psychologischen Psychotherapeuten in der Studie unterrepräsentiert sind (Willutzki et al., 2006). Mangels anderer Studien wird jedoch trotz dieser Einschränkung in der vorliegenden Arbeit auf die genannte Untersuchung Bezug genommen.
Vor dem Hintergrund der andauernden Konkurrenz zwischen den verschiedenen therapeutischen Schulen scheint eine Aussage über die theoretische Ausrichtung der derzeitig tätigen Psychotherapeuten in besonderem Maße relevant.
Auffallend ist hierbei der Unterschied zwischen der therapeutischen Ausrichtung der Approbation und der tatsächlichen Arbeitsweise in der Berufspraxis. So zeigen die Zahlen der Bundespsychotherapeutenkammer (2013), dass unter den angestellten Psychotherapeuten 63% über eine Ausbildung in Verhaltenstherapie verfügen, 23% tiefenpsychologisch ausgebildet sind und bei nur 3% der Befragten die Approbation auf einem analytischen Verfahren beruht. Fragt man Psychotherapeuten jedoch, welche theoretischen Konzepte für ihre therapeutische Praxis leitend sind, kommt es zu einem anderen Ergebnis. Die Mehrheit (57%) orientiert sich in ihrer Arbeit stark an psychoanalytisch- psychodynamischen Konzepten, während sich nur knapp 25% in ausgeprägter Weise auf kognitiv-verhaltenstherapeutische Konzepte beziehen (Willutzki et al., 2006). Diese Diskrepanz könnte ein Hinweis darauf sein, dass die verhaltenstherapeutische Ausbildung gewählt wird, weil sie schneller und kostengünstiger zur Approbation führt, die psychodynamischen Methoden jedoch im direkten Patientenkontakt hilfreicher erscheinen.
In einer weiteren Untersuchung von Schindler & Von Schlippe (2011) wird außerdem deutlich, dass mit zunehmender Praxiserfahrung der Anteil der Psychotherapeuten steigt, die eklektisch arbeiten, also jeweils die Methode anwenden, welche für das vorliegende Problem am hilfreichsten erscheint.
Für ein besseres Verständnis der alltäglichen Arbeit von Psychotherapeuten erscheint auch ein Blick auf die Patientengruppe sinnvoll. Von den befragten Psychotherapeuten der .Internationalen Studie zur beruflichen Entwicklung von Psychotherapeuten' hat ein Großteil weder Kinder, noch Patienten über 65 Jahre behandelt (Willutzki et al., 2006). Dies mag vor allem daran liegen, dass es sowohl für Kinder als auch für ältere Menschen spezielle Einrichtungen wie die Kinder-und Jugend- sowie die Gerontopsychiatrie gibt, deren Angestellte in der Stichprobe möglicherweise unterrepräsentiert sind.
Im Durchschnitt behandeln Therapeuten etwa 18 Patienten, wobei sich hier große Varianzen zeigen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass sich Psychotherapeuten in der Anzahl ihrer behandelten Patienten unterscheiden.
Um herauszufinden, in welcher Weise die Patienten belastet sind, wurde die .Skala zum psychischen Funktionsniveau' verwendet. Dabei zeigte sich, dass der Behandlungsschwerpunkt bei jener Patientengruppe liegt, welche schwere Symptome oder gravierende Einschränkungen im psychosozialen Bereich aufweist (Willutzki etal., 2006).
Im Mittelpunkt der .Internationale Studie zur beruflichen Entwicklung von Psychotherapeuten' steht die Frage nach den Einflussfaktoren auf die bisherige und aktuelle berufliche Tätigkeit. Dazu wurden die Therapeuten befragt, welche Aspekte den größten positiven oder negativen Einfluss auf ihre berufliche Tätigkeit haben. Zu diesem Zweck wurde den Befragten eine Liste von 14 Faktoren vorgelegt, welche sowohl in Bezug auf Vergangenheit als auch auf die Gegenwart nach ihrer Valenz beurteilt werden sollten. Anschließend wurden die Antworten der Therapeuten in eine Rangreihe gebracht (Willutzki et al., 2006). Es zeigt sich, dass die Arbeit mit Patienten sowohl retrospektiv als auch aktuell als der wichtigste positive Faktor angesehen wird. Gleichzeitig wird sie aber auch als negatives, wenngleich weniger stark gewichtetes, Merkmal betrachtet. Bei der Eigentherapie zeigt sich die größte Veränderung. Während sie retrospektiv als ein sehr wichtiger Faktor wahrgenommen wird (4. Rangplatz), nimmt ihr Einfluss für die gegenwärtige berufliche Situation stark ab und fällt auf den 7. Rangplatz. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei der Supervision. Auch sie wird als ein sehr wichtiger Faktor in der Vergangenheit beschrieben, scheint jedoch für die aktuelle Tätigkeit keine so große Bedeutung mehr zu haben (Willutzki et al., 2006).
3 Belastungen des Psychotherapeutenberufs
Im Allgemeinen geben Psychotherapeuten an, dass sie sehr zufrieden mit ihrer beruflichen Tätigkeit sind und diese als erfüllend erleben (Brunner, Bürg, Bobens, Schmid, Troy & Wagner, 2010; Rabe-Menssen & Hild-Steimecke, 2013). Psychologische Psychotherapeuten erleben dabei ihre Arbeitssituation noch zufriedenstellender als ärztliche Psychotherapeuten (Reimer et al, 2005). Diese Aussagen sind jedoch kritisch zu hinterfragen, da in einer großangelegten Studie von Jaeggi (2001) zahlreiche Interviews mit Psychotherapeuten tiefenpsychologisch ausgewertet wurden und sich dabei einige Inkongruenzen in Bezug auf die
Motivation sowie die Beurteilung von Patienten und Kollegen gezeigt haben. Es wäre auch nicht weiter verwunderlich, wenn ein Teil der Psychotherapeuten mit ihrem Beruf nicht vollständig zufrieden ist, da die berufliche Tätigkeit sehr viele Belastungen mit sich bringt, welche im Folgenden darstellt werden.
Die Belastungen der Psychotherapeuten sind komplex und vielschichtig, was zur Folge hat, dass diese häufig nicht voneinander getrennt dargestellt werden können. Jaeggi & Reimer (2008) weisen darauf hin, dass es sich oftmals um eine Verschränkung von beruflichen und privaten Problemen handelt, welche in Kombination das Belastungserleben auslösen können. Für ein besseres Verständnis werden die einzelnen Facetten der Belastungen in der vorliegenden Arbeit dennoch einzeln vorgestellt.
Zu diesem Zweck werden die erlebten Belastungen in Probleme, die sich direkt aus dem beruflichen Kontext ergeben und Probleme, welche ihren Ursprung sowohl in der Persönlichkeit als auch in der beruflichen Tätigkeit haben, untergliedert. Zunächst wird jedoch anhand der Prävalenzraten gezeigt, in welchem Umfang Psychotherapeuten unter den Belastungen leiden und welche Folgen daraus resultieren.
3.1 Prävalenz
In mehreren Studien zeigt sich, dass Angehörige von Gesundheitsberufen, worunter auch die Psychotherapeuten fallen, besonders unter Stresssymptomen leiden (Bundesministerium für Gesundheit, 2015). So zeigt die Studie von Lohmann-Haislah & Siefer (2014), dass im Gesundheitsbereich tätige Personen, im Vergleich zu anderen Berufsgruppen, am häufigsten von einer Stresszunahme in den letzten Jahren berichten. Zudem führte die Forschergruppe um Brunner zwischen 2009 und 2010 eine Studie zum Thema „Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen in den Gesundheitsberufen Niederösterreich“ (Brunner et al., 2010, Arbeitstitel) durch. Dafür wurden die Daten von 1000 KrankenschwesternZ-pflegern, Hebammen, Sanitätern, Apothekern, Sozialbetreuern, zahnärztlichen Assistenten, verschiedenen Fachärzten sowie Psychologen aus Niederösterreich verwendet. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass etwa ein Fünftel der Beschäftigten im Gesundheitswesen vom BurnoutSyndrom bedroht sind, da sie sich bereits in der Phase der emotionalen Erschöpfung befinden (Brunner et al., 2010). Dies ist konsistent mit dem Ergebnis von Abramovitz (2005), der ermittelte, dass Angehörige von helfenden Berufen ein deutlich erhöhtes Risiko haben, an Burnout zu erkranken.
Unter den helfenden Berufen scheinen Ärzte besonders gefährdet zu sein. So leiden mindestens 20% an einem Burnout-Syndrom und die Suizidrate ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um das Dreifache bei männlichen und sogar bis um das Fünffache bei weiblichen Medizinern erhöht (Mundle et al., 2007; Silvermann, 2000). Psychiater, welche oftmals auch Psychotherapeuten sind, weisen unter den Ärzten die höchste Selbstmordrate auf (Bämayr & Feuerlein, 1984).
Die Psychotherapeuten selbst schätzen ihren Gesundheitszustand insgesamt schlechter ein als die Allgemeinbevölkerung (Hessel, Geyer, Weidner & Brähler, 2006). Sie klagen außerdem qualitativ mehr über Erschöpfungs- und Schmerzbeschwerden (Hessel, Geyer, Weidner & Brähler, 2007).
Bemerkenswert sind darüber hinaus die hohen Prävalenzraten der psychischen Auffälligkeiten unter Psychotherapeuten. So erkranken etwa 50% der Psychotherapeuten im Laufe ihres Lebens an einer Depression und die Suizidraten sind um das Drei- bis Fünffache erhöht (Reimer et al., 2005, zitiert nach Küpper et al., 2008). Desweiteren zeigt sich bei etwa einem Drittel der Psychotherapeuten eine sekundäre Traumatisierung (Daniels, 2007, zitiert nach Küpper et al., 2008). Hierbei handelt es sich um eine .übertragene' Traumatisierung, die durch den Kontakt mit traumatisierten Patienten ausgelöst wird. Obwohl das Ausgangstrauma nicht erlebt wurde, zeigen sich bei manchen Psychotherapeuten ähnliche Symptome wie bei einer posttraumatischen Belastungsstörung (Daniels, 2008).
3.2 Die berufliche Tätigkeit als Ursache
Angehörige von Heilberufen genießen ein hohes gesellschaftliches Ansehen, welches jedoch mit ebenso erhöhten Erwartungen der Gesellschaft einhergeht. Die Helfer sollen möglichst schnell und umfassend helfen, immer präsent und erreichbar sein. Daraus können chronische Stressfaktoren resultieren (Jaeggi & Reimer, 2008). Im Vergleich zu anderen Berufen aus dem Gesundheitswesen beschäftigen sich Psychotherapeuten jedoch nahezu ausschließlich mit den persönlichen und emotionalen Qualitäten ihrer Patienten (Jaeggi & Reimer, 2008). Psychotherapeuten sind in ihrem Berufsalltag andauernd dem Leid anderer Personen ausgesetzt und nehmen dadurch sehr viel negative Energie auf. Um eine Heilung oder Besserung des Patienten zu ermöglichen, müssen Therapeuten die Probleme ihrer Patienten wertfrei annehmen und aushalten. Darüber hinaus müssen sie stellenweise viel Geduld aufbringen, um die Probleme einer Bearbeitung zugänglich zu machen (Reimer, 1997).
Die Beziehung zwischen Therapeut und Patient ist aus mehreren Gründen belastend für den Psychotherapeuten. So können beispielsweise grenzgestörte Patienten die Grenzen und die Integrität des Psychotherapeuten bedrohen. In nahezu allen Psychotherapien treten zudem innere und äußere Widerstände auf, trotz derer der Therapeut ein liebevolles und tragfähiges Arbeitsbündnis bewahren sollte (Reimer, 2006). Ein weiterer belastender Aspekt der psychotherapeutischen Arbeit ist die Konfrontation mit Aspekten aus der eigenen Biografie, die durch die Arbeit mit Patienten ausgelöst werden können. Dies führt nicht selten dazu, dass der Therapeut zumindest teilweise Ähnlichkeiten mit seinem Patient erkennt, was wiederum zu spontanen Affekten seitens des Therapeuten führen kann (Jaeggi & Reimer, 2008). Im Gegensatz zu anderen Gesundheitsberufen ist die Arbeit des Psychotherapeuten nur in seltenen Fällen von Erfolg gekrönt. Eine vollständige Heilung ist nur vereinzelt möglich; viel häufiger kommt es zu Rückfällen oder Unzufriedenheit nach dem Abschluss einer Behandlung. Die daraus resultierenden Enttäuschungen und Kränkungen tragen zur Verunsicherung des Psychotherapeuten bei und zeigen sich dann oftmals in pessimistischen Einstellungen und resignierten Verhaltensweisen gegenüber den Patienten (Jaeggi & Reimer, 2008). Einige Patienten strahlen zudem besonders viel negative Energie aus. Vor allem depressive, traumatisierte oder auch Borderline-Patienten können an der Lebensfreude von Psychotherapeuten zehren, wenn diese nicht in der Lage sind, sich ausreichend abzugrenzen (Jaeggi & Reimer, 2008).
Darüber hinaus ist der (mögliche) Suizid eines Patienten ein nicht zu unterschätzender Faktor für die emotionale Belastung von Psychotherapeuten. Teilweise wird dies sogar als der gravierendste Stressor im therapeutischen Berufsalltag eingestuft (Radeke & Mahoney, 2000). Obwohl Therapeuten nicht alltäglich mit dem Selbstmord eines Patienten konfrontiert werden, kann auch schon die Androhung eines Selbstmords und die daraus resultierende Angst auf Seiten des Psychotherapeuten als ein hoher Stressauslöser verstanden werden. Unter den Psychiatern erleben mehr als die Hälfte während ihrer beruflichen Laufbahn mindestens einen Patientensuizid. Bei den Psychotherapeuten sind es immerhin 22% (Bornisch, 2006).
Ein weiterer Belastungsfaktor sind die institutionellen Rahmenbedingungen des Berufs. Sie belegen den Spitzenplatz der negativen Einflüsse für die berufliche Entwicklung von Psychotherapeuten (Willutzki et al., 2006).
Zur (1994) erwähnt die Isolation in der psychotherapeutischen Praxis als einen Grund für die beruflichen Belastungen. Da nur etwa 5,4% der niedergelassenen Psychotherapeuten mit einem Kollegen zusammen in einer Praxis arbeiten, fehlt einem Großteil die soziale Stimulation durch Mitarbeiter (Rabe-Menssen & Hild- Steimecke, 2013; Hessel et al. 2006). Diese Isoliertheit kann zur Erschöpfung der Psychotherapeuten beitragen (Zur, 1994). 80% der Psychotherapeuten sind zudem mit dem bürokratischen Aufwand beim Antrags-und Genehmigungsverfahren unzufrieden, da diese Aufgaben einen beträchtlichen Teil ihrer Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Die meist abschlägige Beantwortung von Anfragen nach einem Therapieplatz wird ebenfalls als belastend erlebt, da sie oftmals in den kurzen Pausen zwischen den einzelnen Sitzungen vorgenommen wird und somit von der Zeit für die Vor- und Nachbereitung der Therapiestunden abgeht (Best, 2013).
Zusammenfassend wurden in einer Studie von Kramen-Kahn und Hansen (1998) Zeitdruck sowie ökonomische Anforderungen als schwerwiegendste Berufsschwierigkeiten von Psychotherapeuten genannt.
3.3 Persönliche Probleme als Ursache
Neben den genannten Belastungen, die ihre Ursache in der beruflichen Tätigkeit haben, spielen persönliche Gründe ebenfalls eine Rolle für das vielschichtige Belastungserleben von Psychotherapeuten. So wirkt sich die berufliche Tätigkeit in weitreichendem Maße auf das Privatleben aus, was wiederum zu weiteren Problemen führen kann. Das Zusammenspiel aus der persönlichen Disposition der therapeutisch tätigen Personen und den Anforderungen, die der Beruf mit sich bringt, bedingen sich zudem oft gegenseitig und können infolgedessen zu gravierenden psychischen Problemen führen.
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