Flüchtlingslage in Deutschland am Beispiel eines irakischen Mädchens. Vorurteile und Fakten


Hausarbeit, 2005

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1 Grundlagen des Asylrechts in Deutschland
1.1. Das deutsche Asylrecht
1.2. Wer ist Flüchtling?
1.3. De-facto-Flüchtlinge

2 Lage der Flüchtlinge in Deutschland
2.1. Anerkennungsverfahren
2.2 Lage der Flüchtlinge am Beispiel eines irakischen Mädchens
2.2.1 Angaben zur interviewten Person
2.2.1 Aufnahmegespräch und Transkription

2.3. Soziale und gesellschaftliche Situation von Flüchtlingen

3 Vorurteile und Fakten

Nirgends leben so viele Flüchtlinge wie bei uns!

Flüchtlinge nehmen uns die Wohnungen weg!

Fazit

Literatur

Anhang

Einleitung

Laut Genfer Flüchtlingskonvention sind Flüchtlinge Menschen, die ihre Heimat aus Furcht um ihr Leben oder ihre Freiheit verlassen haben, mit der Hoffnung, Schutz und Hilfe im Exil zu finden. Sie kommen oft aus Kontinenten politischer Spannung und Krisen. Andere fliehen wegen ihrer Angehörigkeit zu einer politischen Gruppe, einer verfolgten ethnischen Gruppe oder einer unterdrückten Glaubensrichtung. Aufgrund vielfältiger Fluchtkatastrophen nimmt die Flüchtlingszahl in den letzten Jahren stärker zu.

In Deutschland wurde und wird es zeitweise mit einer bedrohlichen Naturkatastrophe verglichen. Man liest oder hört zum Beispiel: „Eindämmung der Asylantenflut“, „Asylantenlawine rollte weiter“, „Flut von Wirtschaftsasylanten“. Diese Zitate sind entweder Ausdrücke mancher Politiker und Beamten, wenn sie die steigenden Asylantenzahlen behandeln, oder Schlagzeilen aus Zeitungsartikeln, die sich mit der Flüchtlingszahl beschäftigen. Somit wird es an Ängste, Vorurteile und Ausländerfeindlichkeit an der deutschen Bevölkerung appelliert (vgl., Heinz/ Braun, 7).

Im vorliegenden Aufsatz soll die Lage der Flüchtlinge in Deutschland untersucht werden. So gliedert sich diese Arbeit in drei Hauptteile. Im ersten Teil sollen die Grundlagen des deutschen Asylrechts vorgestellt werden. Dabei wird gezeigt, wie das deutsche Asylrecht einzigartig in der Welt ist, und was der Begriff „Flüchtling“ in diesem Sinn bedeutet. Besonderes wird hier auf die Gruppe der „De-facto-Flüchtlinge“ eingegangen, weil sie den größten Anteil von den Asylbewerbern bildet.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Lage von Flüchtlingen in Deutschland am Beispiel eines irakischen Mädchens. Dabei soll gezeigt werden, wie die Anerkennung von Flüchtlingen durch Verschärfung von Verwaltungsvorschriften und ständige Regelungen verhindert wird, und wie sich diese Politik auf die gesellschaftliche bzw. soziale und psychische Situation der Flüchtlinge auswirkt, die meistens sowohl von der Regierung als auch von der Gesellschaft als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet werden. Der dritte Teil erläutert Beispiele von Vorurteilen, die den Flüchtlingen entgegengebracht werden. In diesem Punkt soll untersucht werden, inwieweit diese Vorurteile mit der Wirklichkeit übereinstimmen.

Anschließend werden mögliche Lösungen für die Probleme der Flüchtlinge vorgeschlagen, um diesen Menschen, die in Not geraten sind, richtig zu helfen und ein erfolgreiches Zusammenleben zu verwirklichen.

1 Grundlagen des Asylrechts in Deutschland

1.1. Das deutsche Asylrecht

Art.16.Abs.2 des GG (Grundgesetzes) lautet kurz und bündig „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Zum ersten Mal in der Geschichte deutscher Verfassung nimmt Deutschland das Asylrecht als subjektiver Rechtsanspruch in eine Verfassung auf (vgl., Heinz/ Braun, 16). Deutschland bietet also dem Flüchtlingen Asyl im Vergleich zu den anderen Ländern, die es als Gnadenakt geben, als Grundrecht im GG. Das bedeutet, dass es den gleichen Stellenwert hat wie zum Beispiel das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung oder der Schutz der Menschenwürde .„Damit nimmt die Bundesrepublik eine Sonderstellung unter den Staaten ein, die Asylrecht gewähren“ (ebd., 16).

"Die Verankerung des Asylrechts im Grundgesetz war die Reaktion auf die zurückliegenden Schreckensjahre des Nationalismus“ (vgl., Münch, 17).

Allerdings gilt seit der Änderung dieses Grundgesetzartikels vom Juni 1993 die Einschränkung, dass Flüchtlinge, die aus einem sicheren Drittstaat nach Deutschland einreisen, nicht als Asylberechtigte nach Art.16 GG anerkennt werden können.

Neben diesem Grundgesetzartikel gilt auch für ausländische Flüchtlinge Art.1 (Menschenwürde) und Art.6 (Schutz der Familie) des GG (vgl., 56).

Eine weitere wichtige Grundlage für das Asylrecht ist die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) vom 28.07.1951 mit ihrem Zusatzprotokoll von 1967. Diese sichert den Aufenthalt der Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, die nach Deutschland kommen und verbietet die Rückweisung in ihre Heimatländer, wenn ihnen dort Verfolgung droht (vgl., Münch, 16).

„Art.33,1 der GFK lautet: „keiner der vertragsschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheitswegen seine Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.““ (Tremmel 1993, 93).

Trotz aller positiven Aspekte der GFK verpflichtet sie kein Land Flüchtlinge aufzunehmen (ebd., 92). „Die Rechtsgrundlage für das Asyl in der Bundesrepublik– Grundrecht in der Verfassung – ist sehr hoch angesiedelt. Asylanten genießen dadurch einen besonderen Schutz.“ (Heinz/Braun, 17)

Ob die Praxis dem Gesetz wirklich entspricht, wird im folgenden Punkt behandelt. Zuerst soll der Begriff „Flüchtling“ geklärt werden: Was bedeutet dies gesetzlich? Und welche Gruppe von Flüchtlingen genießt tatsächlich das Asylrecht?

1.2. Wer ist Flüchtling?

„Flüchtling im Sinne des Abkommens der Vereinten Nationen ist nach Artikel 1, Nr.2 der Genfer Konvention: „jede Person, die infolge von Ereignissen, die vor dem 1.Januar 1951 eingetreten sind, und aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befinden, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann, oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als staatenlos infolge solche Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.““ (Fallak/ Riemer 1993, 27).

Flüchtlinge werden in der Alltagssprache oft als „Asylanten“ bezeichnet. Dieser Begriff lässt sich in vier Hauptgruppen unterscheiden, die unterschiedlichen Rechtsstatus haben: Asylbewerber, Asylberechtigter, Kontingentflüchtlinge und De-facto-Flüchtlinge (vgl., Uihlein, 7).

- Asylbewerber sind Flüchtlinge, die auf eigene Faust nach Deutschland kamen. Sie bekommen eine Aufenthaltsbefugnis, die so lang gilt, wie das Asylverfahren dauert. Für sie gibt es kaum Integrationsmöglichkeiten und sie dürfen nur unter Umständen arbeiten. Ihnen wird das Existenzminimum gewährleistet (vgl., Heinz/ Braun, 16f).
- Asylberechtigte sind Flüchtlinge, die im Sinne des Grundgesetzes rechtskräftig anerkannt wurden. Sie erhalten eine Reihe von Eingliederungsleistungen wie das Recht auf Arbeit und soziale Sicherheit (Art.24 GFK), auf Freizügigkeit (Art.26 GFK), Leistungen nach dem Ausbildungsförderungsgesetz. Sie besitzen eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und haben eine freie Wahl des Wohnorts sowie Anspruch auf Wohngeld.1
- Kontingentflüchtlinge sind Personen‚ „die von der Bundesrepublik aus humanitären Gründen aufgenommen werden. Sie erhalten Aufenthaltsrecht und soziale Hilfe, um sich integrieren zu können“ (ebd., 16). Sie werden oft zu der Gruppe De-facto-Flüchtlinge gezählt (vgl., Uihlein, 9).

1.3. De-facto-Flüchtlinge

De-facto-Flüchtlinge sind Personen, die entweder keinen Asylantrag gestellt haben oder deren Asylantrag abgelehnt wurde, aber aus rechtlichen, politischen, humanitären oder sonstigen Gründen nicht abgeschoben werden dürfen (ebd., 8).

Für die gut 90% der Asylsuchenden, deren Gesuche irgendwo auf dem Verfahrensweg abgewiesen werden, blieb am Ende nur die Hoffnung auf die humanitäre Schutzklausel des Art.14.Abs 1 AuslG2, die sie möglicherweise von der Abschiebung bewahrte, wenn ihnen im Herkunftsland Gefahren für Leben und Freiheit drohen. (Nuscheler, 158)

Das Bleiberecht ergibt sich häufig aufgrund der internationalen Verpflichtungen wie zum Beispiel der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte von 1948 und der GFK von 1951 mit ihrem Zusatzprotokoll von 1967 (vgl., Uihlein 1991, 8). Dieser Abschiebungsschutz wird auch ,,Kleines Asyl’’ genannt (vgl., Nuscheler, 158).

Diese Bezeichnung ,,de-facto’’ unterstellt diesen Menschen also glaubwürdige Fluchtgründe, jedoch erhalten sie nicht die Rechtsstellung und Unterstützung als Flüchtlinge. Sie dürfen sich nur vorübergehend in der Bundesrepublik aufhalten. Das kennzeichnet dann ihre besondere Lebenssituation: ein Leben im Wartestand. (Krockauer, 54).

De-facto-Flüchtlinge unterliegen auch einer Reihe von Beschränkungen; Obwohl sie im Land für eine lange Zeit bleiben, dürfen zum Beispiel die Angehörigen nicht nachziehen und sie erhalten nur eine sechsmonatige Duldungsbescheinigung; seit Januar 1991 dürfen sie eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, die längstens zwei Jahre gültig ist und verlängert werden kann (vgl., Uihlein, 9).

Mehr über die gesellschaftliche und soziale Situation der Flüchtlingen im Allgemein und insbesondere von De-facto-Flüchtlingen wird im nächsten Punkt behandelt.

2 Lage der Flüchtlinge in Deutschland

2.1. Anerkennungsverfahren

Deutschland ist das EU-Land mit der größten Zahl von Asylsuchenden, aber mit den niedrigsten Anerkennungsquoten3:

Die Anerkennungsquote sank kontinuierlich von 29% im Jahre 1985 bis auf 2,9 % in 1990 (ebd., 23).

Kein Ausländer, der sich auf das Asylrecht der Verfassung beruft, darf an der Grenze zurückgewiesen werden. Nicht die Verwaltung hat das letzte Wort. Viel mehr muss jedem Asylsuchenden der Weg zum Gericht geöffnet wird, weder die Ausländer- noch die Grenzbehörde dürfen von einer endgültigen Entscheidungen dieses Bundesamtes, die durch Gericht überprüft werden kann, den Asylsuchenden abweisen bzw. abschieben. (Marx 1982, 76).

Nach Nuscheler (S.139) behaupten viele, dass Deutschland das liberalste und das großzügigste Asylrecht hat. Dabei lässt sich die Frage stellen, wie liberal dieses Recht in der Realität ist, und wie es von Politikern, Verwaltung und Justiz praktiziert wird.

Die Gesetze sind insoweit eindeutig, nicht jedoch deren Ausführung in der Praxis durch Verwaltungsvorschriften, Verordnungen und Dienstanweisungen. Zentrales Bemühen ist es, die Anerkennung als Asylbewerber zu verhindern, also die Regelungen des Grundgesetzes und des Ausländergesetzes zu unterlaufen. (Marx 1982, 76)

Durch Verschärfung von Verwaltungsvorschriften und ständige Veränderungen der rechtlichen Voraussetzungen werden die Flucht nach Deutschland verhindert und das Asylverfahren erschwert.

„So wurden vor allem durch das Asylverfahrengesetz von 1982 und seine Novellierung von 1987 wesentliche Ausschlussgründe zur Erlangung des Asyls auch für solche Personen eingeführt, die ihre Heimat aus offensichtlichen und begründeten Furcht um ihr Leben und ihre Freiheit verlassen haben.“ (Uihlein, 21)

Gemäß Art.2.Abs.1 des AsylVfG (Asylverfahrensgesetzes) wird kein Ausländer, der in einem anderen Staat vor politischer Verfolgung sicher war, als Asylberechtigter anerkannt. So kann eine große Anzahl von Flüchtlingen, die über ein drittes Land einreisen, kein Asyl mehr erhalten. Die Folge war ein starkes Sinken der Anerkennungsquote; zum Beispiel sank die Anerkennungsquote für afghanische Flüchtlinge von 72% im Jahre 1986 auf 17,5% im Jahre 1989, obwohl sich die Situation in Afghanistan in diesem Zeitraum nicht verbesserte (ebd., 21). Seit 1. Juli 1993 kann sich ein Ausländer, der aus einem sogenannten "sicheren Drittstaat" einreist, nicht mehr auf das Grundrecht auf Asyl berufen. In diesem Fall ist ihm bereits an der Grenze durch die Grenzbehörden die Einreise zu verweigern, ohne dass er in das Asylverfahren aufgenommen wird. "Sichere Drittstaaten" sind nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften sowie weitere europäische Staaten, in denen die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention sichergestellt ist. Dies sind zur Zeit: Norwegen, Polen, die Schweiz und die Tschechische Republik. Im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten kommt die Drittstaatenregelung jedoch nicht mehr zur Anwendung. Sie wird inzwischen vom Dubliner Übereinkommen4 (DÜ) überlagert. Auch Norwegen nimmt seit 25.03.2001 aufgrund eines Abkommens mit der EU am Dubliner Übereinkommen teil und unterliegt damit nicht mehr der Regelung über sichere Drittstaaten.5

Unter den Neuregelungen im Asylverfahren gelten derzeit als sichere Herkunftsstaaten Bulgarien, Ghana, Polen, Rumänien, Senegal, Slowakische Republik, Tschechische Republik und Ungarn. 6

Eine weitere gravierende Einschränkung ist die Einführung des Visumzwangs besonders für Personen aus Ländern, aus denen die meisten Flüchtlinge kommen (vgl.,Nuscheler, 149).

Wegen der Einschränkung der Asylgewährung durch das AsylVfG und die Rechtsprechung nimmt die Zahl der so genannten De-facto-Flüchtlinge zu (siehe 1.3.), d.h. die

[...]


1 http://www.unhcr.de/pdf/45.pdf & http://www.bafl.de/#top vom15.09.04

2 AuslG: Abkürzung von Ausländergesetz

3 http://www.bafl.de/template/index_asylstatistik.htm vom 21.09.04 & http://www.bafl.de/template/inde vom 21.09.04

4 "Dublingebiet: Hoheitsgebiet der an der EG-Verordnung 343/2003 (Dublin II) teilnehmenden Mitgliedstaaten": http://www.bafl.de/template/internationales/content_schengen_dublin.htm vom 25.09.04

5 http://www.bafl.de/template/index_asylrecht.htm vom 25.09.04.

6 http://www.bafl.de/template/asylrecht/content_asylrecht_teil3.htm vom 25.09.04.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Flüchtlingslage in Deutschland am Beispiel eines irakischen Mädchens. Vorurteile und Fakten
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Deutsch als Fremdsprache)
Veranstaltung
Interkulturelles Lernen
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V961983
ISBN (eBook)
9783346314055
ISBN (Buch)
9783346314062
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Flüchtlinge, Asylanten, Integration, Migration, Vorurteile
Arbeit zitieren
Fatiha El Yamouni (Autor:in), 2005, Flüchtlingslage in Deutschland am Beispiel eines irakischen Mädchens. Vorurteile und Fakten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/961983

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