Technische Mechanik


Skript, 1994

12 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort

2 Bewegungsgleichungen
2.1 Newtonsches Gesetz
2.2 Einführung von Massen
2.3 D’Alembertsches Prinzip
2.4 Zwangsbedingungen, Extremalprinzip, Lagrangesche Mechanik

3 Erhaltungsgrößen und Symmetrien
3.1 Erhaltungsgrößen
3.2 Mechanische Ähnlichkeit
3.3 Virialsatz

4 Integration von Bewegungsgleichungen
4.1 Zwei-Körper-Problem
4.2 Keplersche Gesetze
4.3 Erhaltungsgrößen beim Kepler-Problem
4.4 Periheldrehung

5 Streuung von Teilchen

6 Kleine Schwingungen
6.1 Eindimensionaler harmonischer Oszillator (freie u. erzwungene Schwingung, Dämp­fung)
6.2 Verallgemeinerung auf gekoppelten harmonischen Oszillator

7 Bewegung des starren Körpers
7.1 Trägheitstensor

8 Kanonische Gleichungen
8.1 Hamilton-Formalismus
8.2 Kanonische Transformationen
8.3 Observablen, Poissonklammern

9 Spezielle Relativitätstheorie
9.1 Lorentztransformation und ihre Folgen
9.2 Lichtkegel
9.3 Zwillingsparadoxon

1 Vorwort

Mit diesem Text liegt eine Kurzfassung der im Wintersemester 1994/95 an der Universität Ham­burg von Prof. Schmidt gehaltenen Vorlesung „Theoretische Mechanik“ vor. Sie basiert auf einer vom Dozenten in der letzten Vorlesungsstunde als Hilfe zur Prüfungsvorbereitung selbst gegebenen Zusammenfassung der Vorlesung. Dabei sind vor allem die Kapitel über Kleine Schwingungen und Streuung sehr kurz geraten. Sie hatten jedoch auch in der Prüfung nur wenig Relevanz. Da Prof. Schmidt einen mitschreibfreundlichen Vorlesungsstil hat, war es nicht schwierig, einen Großteil je­ner Zusammenfassung hier wiedergeben zu können. Teilweise sind die Sätze gar Originalzitate. Die Numerierung der Kapitel orientiert sich dabei an der Gliederung der Vorlesung. Für eine Prüfungs­vorbereitung in Theoretischer Mechanik bei Prof. Schmidt kann dieses Skript somit eine grobe Übersicht über alle behandelten Gebiete geben. Als Lehrbuch wurde für das Kapitel 2 der „Gold­stein“ verwendet, für die anderen Kapitel wurde meist nach dem „Landau-Lifschitz“ vorgegangen.

2 Bewegungsgleichungen

2.1 Newtonsches Gesetz

Es handelt sich dabei um einen Ausdruck für die Beschleunigungen in kartesischen Koordinaten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die 2. Ableitungen sind also immer durch die 0. und 1. Ableitung ausdrückbar. Das ist ein em­pirischer Befund! Die Natur hätte auch anders sein können, so daß man z.B. für die vollständige Beschreibung eines Zustandes auch die Beschleunigungen hätte angeben müssen. Das wäre kein Problem. Auch eine solche Mechanik ist angebbar, hätte aber mit unserer nur gewisse Ähnlichkei­ten.

2.2 Einführung von Massen

Die Newtonschen Bewegungsgleichungen werden dann zu:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Gleichung ist die Basis der gesamten Mechanik! Alle späteren Bewegungsgleichungen sind keine Verallgemeinerungen davon, sondern lediglich äquivalente Umformungen, um bequemer rechnen zu können. Das kartesische Koordinatensystem ist nämlich meist unbequem. Das ist eine Zusammenfassung von empirischen Befunden. Benutzt zur Aufstellung der Gleichung wurde ein experimenteller, d.h empirischer Befund, nämlich daß bei Wahl von geeigneten Koeffizienten es immer erreichbar ist, daß die rechte Seite der Gleichung (2), die Kräfte, für alle Teilchen gleich ist. Man hat im Experiment gefunden, daß das möglich ist. Diese Formel ist (wie alle Formeln) also eine Verallgemeinerung eines experimentellen Befundes.

2.3 D’Alembertsches Prinzip

Dies ist also kein neues Prinzip oder Forderung, sondern nur eine triviale Umformulierung der New­tonschen Bewegungsgleichungen. Es besagt, daß die virtuelle Arbeit, die von den Trägheitskräften und den eingeprägten Kräften geleistet wird, verschwindet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei sind die F* Trägheitskräfte. Da die Gleichung Null ergibt, müssen, wenn alle virtuellen Verrückungen 5r¿ voneinander unabhängig sind, die Koeffizienten (hier die Klammer) verschwinden. Dann ist man wieder bei den Newtonschen Bewegungsgleichungen. Im D’Alembertschen Prinzip tauchen die Zwangskräfte nicht auf, da die virtuelle Arbeit der Zwangskräfte verschwindet (Annahme, die mit Erfahrung übereinstimmt). Das entspricht der Forderung, daß die virtuellen Verrückungen mit den Zwangsbedingungen verträglich sein sollen. Das D’Alembertsche Prinzip wird eingeführt, weil man von ihm aus leicht zur Lagrangeschen Mechanik kommen kann.

2.4 Zwangsbedingungen, Extremalprinzip, Lagrangesche Mechanik

Sind die 8ri jedoch nicht alle voneinander unabhängig, sondern durch Beziehungen miteinander verknüpft, die durch die Matrix Rjß gegeben sind, dann gilt folgende Einschränkung in der Freiheit der Bewegung der N Teilchen eines Systems. Dabei ist n die Anzahl der Zwangsbedingungen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Einschränkung berücksichtigt man durch Einführung der Lagrange-Gleichungen 1. Art. Dabei tauchen die Lagrangeschen Parameter Xfl auf, die eine Funktion der Koordinaten und Geschwindigkeiten sind. Diese Lagrangeschen Parameter muß man eliminieren. Die Lagrange- Gleichungen 1. Art lauten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Man leitet diese Gleichung her, indem man obige Einschränkung zum D’Alembertschen Prinzip dazuaddiert, was ja problemlos möglich ist, weil beide Gleichungen Null sind. Man kann dann die Klammer (= Koeffizient der Verrückungen) Null setzen, indem man die Lagrangeschen Parameter so wählt, daß die Klammer verschwindet. Dann stehen die Lagrange-Gleichungen 1. Art da. Die Zwangsbedingungen sind also durch Rjtß gegeben. Man kann sie klassifizieren nach zwei verschie­denen Eigenschaften:

1. Zeitabhängigkeit

la. Sind die Zwangsbedingungen explizit zeitabhängig, heißen sie rheonom.

lb. Sind sie explizit zeitunabhängig, heißen sie skleronom.

2. Art der Zwangsbedingung

2a. Ist eine Zwangsbedingung als Gradient [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] schreibbar, dann ist sie holonom.

2b. Ist sie nicht als solch ein Gradient schreibbar, heißt sie nichtholonom.

Ist eine Zwangsbedingung holonom, d.h. als Gradient eines [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] schreibbar, ist die mögliche Konfiguration [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] derart eingeschränkt, daß ein Zusammenhang zwischen ihnen besteht (sie werden voneinander abhängig), so daß man immer - völlig unabhängig von der Dynamik - einen neuen Satz von der Symmetrie des Problems angepaßten Koordinaten finden kann qi-..qs, der aus voneinander unabhängigen verallgemeinerten Koordinaten besteht. Davon gibt es s = 3 N—n, da ein System normalerweise für jede Raumrichtung genau N Freiheitsgrade hat. Davon sind aber n voneinander abhängig, so daß man den Satz um genau diese n abhängigen (durch die Zwangsbedingungen bestimmten) Koordinaten reduziert. Um diese Reduktion vorzunehmen, ist es von Nutzen, nicht von den Hamiltonschen oder Newtonschen Bewegungsgleichungen auszugehen, sondern von dem dazu äquivalenten Hamiltonschen Prinzip, welches lautet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Man erhält dies aus elementarer mathematischer Umformung aus dem D’Alembertschen Prinzip. Dies gilt, wenn alle Zwangsbedingungen holonom sind. Für den Fall, daß die Kräfte aus einem Potential herleitbar sind, d.h. wenn es eine Funktion V gibt, die von den Koordinaten und Geschwindigkeiten nach

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

abhängt (Beispiel für geschwindigkeitsabhängiges Potential: Bewegung eines geladenen Teilchens im elektromagnetischen Feld), dann kann man damit eine Lagrange-Funkt ion L = T ^ V kon­struieren. Damit ist dann das Hamiltonsche Prinzip schreibbar als:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei ist S die Wirkung. Das Integral, also die Wirkung, muß entlang der wahren Bahn des Systems extremal sein. Die wahre Bahn bekommt man also entweder durch Extremwertbetrach­tung oder aus den Newtonschen Bewegungsgleichungen. Zusammengefaßt: Vollständig äquivalent zu den Newtonschen Bewegungsgleichungen ist die Formulierung, daß die Bahn durch dieses Ex- tremalprinzip festgelegt ist. Die wahre Bahn ist die, die S extremal macht. Bei den Newtonschen Bewegungsgleichungen ist aus der momentanen Konfiguration die zukünftige und bisherige Bahn schon vollständig bestimmbar, d.h. Zukunft und Vergangenheit sind in symmetrischer Weise be­stimmt, d.h. durch die Newtonschen Bewegungsgleichungen ist keine Zeitrichtung ausgezeichnet. Die Bahn ist also schon durch die infinitesimale Umgebung eines Punktes festgelegt, dann ist sie es erst recht, wenn man die ganze Bahn bestimmt hat, was man beim Extremalprinzip ja tut. Hat man also nur holonome Zwangsbedingungen, dann ist es gut, neue Koordinaten einzuführen und so die holonomen Zwangsbedingungen zu eliminieren. Das ist der Vorzug der Formulierung der Bahn durch das Integralprinzip, denn dann ist die Bewegungsgleichung für einen Satz von verallgemeiner­ten Koordinaten angebbar, wobei gleichzeitig die holonomen Zwangsbedingungen eliminiert sind, was bei Newton nicht geht. Es gilt nämlich dann die folgende Lagrange-Gleichung 2. Art, aus der die Bewegungsgleichungen folgen. Sie ist eine gewöhnliche Differentialgleichung in den g¿.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Gleichung folgt direkt aus dem Hamiltonschen Prinzip in differenzieller Schreibweise, nachdem man dort die Variation nach der Variationsrechnung ausführt. Dies muß man noch verallgemeinern auf den Fall, daß nicht alle Zwangsbedingungen holo nom sind. Dann bleiben noch ein paar Lagran- gesche Parameter übrig. Man hätte übrigens auch zu der Lagrangeschen Gleichung 2. Art kommen können durch Koordinatentransformation der Newtonschen Bewegungsgleichungen. Wir haben uns hier hingegen ein zu den Newtonschen Bewegungsgleichungen äquivalentes Prinzip überlegt und sind daraus zu der letzteren Gleichung gekommen. L ist nicht vom physikalischen Problem vorgegeben, sondern eine Klasse von Lagrange-Funktionen L beschreibt jeweils ein gleiches System. Es beschreibt genauer V das gleiche System, wenn es sich von L nur durch eine totale Zeitableitung einer von den Koordinaten, der Geschwindigkeit und evtl, der Zeit abhängigen Funktion F unterscheidet, wenn also gilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Außerdem muß L nicht die gleiche Symmetrie wie dasjenige physikalische Systems haben, das L beschreibt, sondern kann auch eine andere haben. (Das stehe falsch im „Landau-Lifschitz“.)

3 Erhaltungsgrößen und Symmetrien

3.1 Erhaltungsgrößen

Ein System mit s Freiheitsgraden hat 2s — 1 unabhängige Erhaltungsgrößen. Diese Anzahl kommt durch die zweimalige Integration der s Bewegungsgleichungen zustande, wobei ja 2s Integrati­onskonstanten entstehen, wovon eine jedoch als zum immer vorhandenen Zeitnullpunkt gehörig wegdiskutiert werden kann. Abhängige Erhaltungsgrößen hat ein System natürlich unendlich viele, nämlich jede Linearkombination aus den unabhängigen. Von den unabhängigen Erhaltungsgrößen sind einige ausgezeichnet. Diese hängen mit der kontinuierlichen Symmetrie des Systems zu­sammen. Das ist eine Symmetrie, für die es eine infinitesimale Erzeugende gibt. (Spiegelsymmetrie ist nebenbei bemerkt ein Beispiel für eine nicht-kontinuierliche Symmetrie!) Daß man es bei den additiven Erhaltungsgrößen wirklich mit kontinuierlicher Symmetrie zu tun hat, sieht man in der Herleitung der Energie-, Impuls- und Drehimpulserhaltung, in der stets L infinitesimal verrückt wird. Von diesen ausgezeichneten, additiven Erhaltungsgrößen gibt es 3 verschiedene Sorten:

1. Bewegung des Systems nicht explizit zeitabhängig, d.h. nach der Transformation t —> t+dt hat man immernoch die gleichen Bewegungsgleichungen. Dann ist die Gesamtenergie E = T+V erhalten.
2. Bei einer Transformation im Ortsraum nach [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] bei der also unabhängig von i alle Koordinaten und damit Teilchen gleich verschoben werden, ist der Gesamt impuls [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] erhalten. Dies ist also der Zusammenhang zwischen der kontinuierlichen Symmetrie des Systems und der Erhaltung des Impulses.
3. Bei einer Drehung des Systems gilt, daß - wenn das System drehinvariant ist - der Gesamt­drehimpuls [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] erhalten ist. Ist das System nur invariant gegenüber Drehungen um die г-Achse, ist auch nur die ^-Komponente des Drehimpulses erhalten.

Diese 7 Erhaltungsgrößen sind also ausgezeichnet, da sie mit der spezifischen Sym­metrie des Systems zu tun haben. Nur diese 7 Erhaltungsgrößen sind auch additiv, d.h. wenn man ein aus 2 Teilsystemen bestehendes Gesamtsystem hat, sind die Erhaltungsgrößen des Gesamtsystems und jedes Teilsystems für sich genommen konstant. Das zeichnet gerade diese Erhaltungsgrößen aus. Die Summe solch additiver Erhaltungsgrößen nimmt nie zu. Auch ein aus 1023 oder mehr Komponenten bestehender Festkörper hat nicht mehr additive Erhaltungs­größen als diese.

3.2 Mechanische Ähnlichkeit

Diese Symmetrie folgt nicht aus einer Invarianz etwa gegenüber Skalenänderung, sondern nur aus der Homogenität des Potentials V. Ist V homogen, gilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hierbei ist к der Homogenitätsgrad. Wenn dieses gilt, und es ist dazu eine beliebige Bahn gegeben, dann ist die nach Ähnlichkeitstransformation daraus entstehende Bahn ebenfalls eine Lösung der Bewegungsgleichung. Dabei transformieren sich z.B. die Längen in Abhängigkeit der Zeiten nach

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Daran sieht man schon, daß das Potential mit к = 2 (harmonischer Oszillator) schon dadurch aus­gezeichnet ist, daß die Zeiten (Frequenzen) unabhängig von den Längenänderungen (Amplituden) sind. Die mechanische Ähnlichkeit folgt also aus keiner Invarianz, sondern nur aus einer speziellen Art, wie sich V transformiert. Mechanisch ähnliche Ellipsen stimmen im Verhältnis der großen zur kleinen Halbachse immer überein. Kepler geht noch darüber hinaus: Im 3. Kepler’schen Gesetz steht nur a, d.h. alle Bahnen mit gleicher großer aber verschiedener kleiner Halbachse haben die gleichen Umlaufzeiten.

3.3 Virialsatz

Er macht eine Aussage über das Zeitmittel der kinetischen Energie T für jede beliebige finite (d.h. geschlossene) Bahn. Er gilt also nur für finite Bahnen. Er lautet allgemein:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ist das Potential homogen, gilt Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Bisher haben wir nur allgemeine Zusammenhänge be­trachtet.

4 Integration von Bewegungsgleiehungen

4.1 Zwei-Körper-Problem

Durch eine Einführung von Relativ- und Schwerpunktskoordinaten reduziert man den nichttrivialen Anteil des Zwei-Körper-Problems auf die Integration der Bewegungsgleichung der Bewegung eines Teilchens in einem Ein-Körper-Potential. Dieses Teilchen bewegt sich wegen Drehimpulserhaltung in einer Ebene, die durch die Anfangsbedingungen festgelegt ist. Man kann deshalb ebene Polar­koordinaten einführen. Ein Zentralfeld-Problem ist charakterisiert durch [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Man kann dann die Winkel- und Radialbewegung entkoppeln und die Radialbewegung in einem effektiven Potential beschreiben. (Ein Drei-Körper-Problem ist übrigens in diesem Sinne gerade nicht entkop­pelbar und daher nicht integrierbar, also nicht analytisch lösbar.) Bisher ist alles allgemeingültig. Stehen die Anzahl der Umläufe in Radialrichtung in einem ganzrationalen Verhältnis zur Anzahl der Umläufe in Winkelrichtung, so ist die Balm geschlossen (nur bei 1/r- und r2-Potentialen). Stimmen diese beiden Anzahlen überein, so ist die Bahn (wie z.B. ja auch bei Kepler) periodisch. Ein spezielles Beispiel für eine finite Bewegung ist das Kepler-Problem.

4.2 Keplersche Gesetze

Bei Kepler bewegt man sich in einem 1/r -Potential. Die Keplerschen Gesetze lauten:

1. Die Bahnen der Planeten sind Kegelschnitte (im Finiten: Ellipsen).
2. Konstanz der Flächengeschwindigkeit
3. [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ist konstant, wenn die Masse der Planeten gegenüber der Sonnenmasse vernachlässigbar ist. Die Konstante ist angebbar.

Das 1. und 2. Gesetz bezieht sich auf jeweils einen Planet, das 3. Gesetz bezieht sich auf verschiedene Planeten. Das 2. Gesetz ist das allgemeinste, da es für alle Zentralpotentiale gilt (nicht nur für 1/r). Auch bei der Errechnung des Wertes für die Umlaufzeit geht man von der Konstanz der Flächengeschwindigkeit aus. Kepler wollte damals aus der Beobachtung einer Ellipsenbahn die Bahngleichung errechnen. Wir wollen umgekehrt aus der Rechnung die Bahngleichung erhalten und aus ihr ab lesen, daß es sich um Ellipsen handelt.

4.3 Erhaltungsgrößen beim Kepler-Problem

Es gibt 5 unabhängige Erhaltungsgrößen (s = 3): Energie, 3 Komponenten des Drehimpulses und die Richtung des Lenzschen Vektors. Dieses ist ein Vektor in der Bahnebene, der in Richtung des Perihels (vom Brennpunkt dichtester Punkt) zeigt, also in Richtung der großen Halbachse, die eine Vorzugsrichtung der Ellipse ist. Es liefert also nur die Richtung des Lenzschen Vektors eine neue Information, denn der Betrag des Vektors ist durch die anderen 4 Erhaltungsgrößen ausdrückbar, ist also selbst keine neue unabhängige Erhaltungsgröße (aber sehr wohl eine abhängige!). Der Lenzsche Vektor lautet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.4 Periheldrehung

Hat man im Potential einen zusätzlichen, von 1 jr abweichenden Term, dann tritt eine Periheldre­hung auf, d.h. die Bahn ist nicht mehr geschlossen. (Zur Periheldrehung des Merkurs aufgrund relativistischer Effekte: siehe Kapitel 9)

5 Streuung von Teilchen

Sie tritt auf bei infiniten Bahnen. Wichtige Begriffe sind Stoßparameter, differentieller Wir­kung s quer schnitt [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und für das Kepler-Problem die Rutherford-Formel für die Streuung in einem 1/r-Potential (Coulomb-Potential). In dieser Formel kommt es nicht auf das Vorzeichen der Wechselwirkung an. Aus der Rutherford-Formel kann man auch ablesen, daß beim Anstieg der kinetischen Energie der Streuteilchen der differentielle Wirkungsquerschnitt ebenfalls steigt. Da in der Formel ein 1/ sin(x/2) auftritt, ist der Wirkungsquerschnitt am kleinsten bei einem Streuwinkel von 180° (Reflexion am Streuzentrum).

6 Kleine Schwingungen

6.1 Eindimensionaler harmonischer Oszillator (freie u. erzwungene Schwingung, Dämpfung)

In den bisherigen Kapiteln ist von Dämpfung überhaupt keine Rede gewesen, denn ist eine Kraft aus einem Potential herleitbar, das nur von den Koordinaten abhängt, enthält die Lagrangesche Mechanik keine Dämpfung, und es gilt Energieerhaltung im klassischen Sinne. Das heißt aber nicht, daß jede Sorte von geschwindigkeitsabhängigen Kräften zu einer Dämpfung führt (Beispiel: Lorentzkraft). Obwohl man hier keine Invarianz gegenüber Bewegungsumkehr hat, gibt es trotzdem keine Dämpfung.

6.2 Verallgemeinerung auf gekoppelten harmonischen Oszillator

H = T + V ist eine quadratische Funktion in den Geschwindigkeiten und Koordinaten. Außerdem führt man Normalkoordinaten ein und führt so das Problem der gekoppelten Oszillatoren auf freie Oszillatoren zurück. Dabei entstehen keine neuen Freiheitsgrade, und die Energie ist für jede ein­zelne Komponente des Systems erhalten. Das ist eigentlich untypisch für ein Viel-Teilchen-System.

7 Bewegung des starren Körpers

7.1 Trägheitstensor

Ein starrer Körper hat 6 Freiheitsgrade: 3 der Translation und 3 der Rotation. Von der Mas­senverteilung braucht man nur die Gesamtmasse m und den Trägheitstensor [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. zu kennen. Letzterer ist symmetrisch. Man braucht also nur diese beiden Informationen, um die Bewegung des starren Körpers vollständig zu beschreiben. Mehr Informationen können nicht eingehen, und mehr bekommt man auch nicht heraus. Alle Massenverteilungen mit gleicher Gesamtmasse und gleichem Trägheitstensor sind völlig äquivalent in der Bewegung. Man kann [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. auf Hauptachsengestalt brin­gen, und es gibt einen bestimmten Satz von Ungleichungen über die Größe der Trägheitsmomente ([Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und zyklisch). Analog zur Translation erhält man für die kinetische Energie der Rotation den Ausdruck:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das gilt aber nur, wenn der Trägheitstensor Hauptachsengestalt hat. Der gleiche Trägheitstensor liefert auch den Zusammenhang zwischen dem Drehimpuls und der Winkelgeschwindig­keit:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei einem allgemeinen starren Körper ist die Richtung des Drehimpulses nicht gleich der momen­tanen Richtung der Winkelgeschwindigkeit. Das gilt nur bei symmetrischen starren Körpern. In dem Koordinatensystem, in dem IHauptachsengestalt hat, gelten außerdem 3 zyklische, nichtli­neare, gekoppelte Differentialgleichungen, die Eulerschen Gleichungen, von denen die Lösung nur in Trivialfällen angebbar ist. Sie lauten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei gibt Kjt das Drehmoment an. Ein schwerer symmetrischer Kreisel führt neben der Drehung um die Figurenachse noch eine Präzession um die г-Achse des raumfesten Koordinatensystems aus, sowie (im Gegensatz zum freien Kreisel mit К = 0) eine Nutation, d.h. eine periodische Änderung des Eulerschen Winkels в.

8 Kanonische Gleichungen

Sie sind wichtig für den Übergang von der klassischen zur Quantenmechanik und für den Übergang von der analytischen zur statistischen Mechanik.

8.1 Hamilton-Formalismus

Ausgangspunkt des Kapitels ist die Hamilton-Funktion H:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei ist der zu den Koordinaten konjugierte Impuls. Man erhält daraus folgende zwei Bewe­gungsgleichungen, die man kanonische Gleichungen nennt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei ist i = 1... s, so daß man also 2s Differentialgleichungen 1. Ordnung in der Zeit t hat anstatt wie bei Lagrange s Differentialgleichungen 2. Ordnung in der Zeit, was ein weiterer Vorteil der Hamiltonschen Formulierung der Mechanik ist. Außerdem sind die Hamiltonschen Gleichungen, wie die kanonischen Gleichungen auch heißen, bis auf ein Vorzeichen symmetrisch. Sie beschreiben die zeitliche Änderung des Zustandes, der durch die Menge aller gegeben ist. Die Menge dieser einen Zustand beschreibenden Punkte heißt Phasenraum.

8.2 Kanonische Transformationen

Der größte Vorteil der Hamiltonschen gegenüber der Lagrangeschen Mechanik ist, daß die Klas­se der Transformationen, unter denen die kanonischen Gleichungen invariant sind, d.h. ihre Form nicht ändern, größer ist als die Klasse der Transformationen, unter denen die Lagrangeschen Be­wegungsgleichungen ihre Form nicht ändern. Die Lagrangeschen Bewegungsgleichungen sind ja nur forminvariant, wenn man nur die Koordinaten und nicht die Geschwindigkeiten transformiert. Ein Beispiel für eine kanonische Transformation dagegen ist eine Vertauschung der Koordinaten­achse und der Impulsachse im Phasenraum. Ein weiteres Beispiel ist die aus der Lagrangeschen Mechanik bekannte Punkttransformation, bei der nur die Koordinaten transformiert werden. Die Geschwindig- keiten ergeben sich danach durch Ableitung von selbst. Die oben erwähnte Forminva­rianz der Lagrangeschen Bewegungsgleichungen ist also ein in den kanonischen Transformationen enthaltener Spezialfall. Man kann aus jeder zweimal differenzierbaren Funktion der Koordinaten und Impulse genau eine kanonische Transformation erzeugen.

8.3 Observablen, Poissonklammern

Es stellt sich heraus, daß die zeitliche Ableitung einer Observablen (reellwertige Funktion über dem Phasenraum, Meßgröße) sich so schreiben läßt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei ist {/, H} die Poissonklammer zwischen H und einer beliebigen Observable /. Allgemein ist die Poissonklammer zwischen zwei Variablen gegeben durch:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Poissonklammer zwischen H und einer beliebigen Observable / liefert also die Zeitableitung von /. Verschwindet diese Zeitableitung, so ist / eine Erhaltungsgröße.

9 Spezielle Relativitätstheorie

9.1 Lorentztransformation und ihre Folgen

Die Einschränkung über die Gültigkeit der Newtonschen Bewegungsgleichungen, die am Anfang ge­macht wurde, (s/c « 1), wird hier genauso wie die Trennung zwischen Raum und Zeit aufgehoben. Man betrachtet 2 sich mit einer konstanten Relativgeschwindigkeit zueinander bewegende Koordi­natensysteme. Diese sollen Inertialsysteme sein, d.h. in allen sind die Newtonschen Bewegungsglei­chungen äquivalent. Diese Inertialsysteme sind dadurch also in den Newtonschen Bewegungsglei­chungen ausgezeichnet. Alle anderen Koordinatensysteme führen zu Kräften und Beschleunigungen und somit zu einer Änderung der Newtonschen Bewegungsgleichungen. Anders gesagt sind die New­tonschen Bewegungsgleichungen in einem Inertialsystem forminvariant. Es führen 2 Forderungen („Säulen“ der Relativitätstheorie) zur Lorentztransformation:

1. Ein freies Teilchen läuft in allen Inertialsystemen auf einer Gerade.
2. [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] d.h. c ist invariant bei allen Transformationen.

Daß c eine Grenzgeschwindigkeit ist, folgt aus der Unabhängigkeit von c von allen Koordinaten­systemen. Die spezielle Lorentztransformation ist eine, bei der die Orientierung der Koordi­natensysteme speziell [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ist. Die allgemeine Lorentztransformation ist dagegen verdreht [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Letztere ist ausreichend für eine vollständige Beschreibung des Trans­formationsverhaltens. Aus den Gleichungen der Lorentztransformation läßt sich durch einfaches Einsetzen die Lorentz-Kontraktion und die Zeitdilatation herleiten. Die Lorentz-Kontraktion besagt, daß in dem Koordinatensystem, in dem z.B. ein Stab sich in Richtung seiner Ausbreitung bewegt, seine beobachtete Länge kleiner ist als in dem Koordinatensystem, in dem der Stab ruht. Aus der Zeitdilatation folgt, daß im Ruhsystem ein Teilchen am kürzesten lebt. Damit ist das Ruh- system ein ausgezeichnetes Inertialsystem. Möchte man Geschwindigkeiten addieren, muß man die direkt aus den Lorentztransformationen folgenden Additionstheoreme anwenden.

9.2 Lichtkegel

In einem [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]-Diagramm sind die 45°-Achsen der Lichtkegel. Das ist die Menge aller Punkte, für die ein Signal sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Zeichnet man in dieses Koordinatensystem die Achsen eines gestrichenen, also bewegten Koordinatensystems ein, so sind die gestrichenen Achsen gegenüber den ungestrichenen symmetrisch gekippt. Im Extremfall (gestrichenes Koordinatensy­stem bewegt sich im ungestrichenen mit Lichtgeschwindigkeit) werden also die Achsen auf den Lichtkegel abgebildet. Der Lichtkegel bleibt somit invariant unter Lorentztransformatio- nen.

9.3 Zwillingsparadoxon

Kann ein auf der Erde ruhender Zwilling schneller altern als sein um die Erde rasender Bruder? Die Antwort ist unbestritten nach der Speziellen Relativitätstheorie: Ja! Die Zeitdifferenz für 2 beliebi­ge Ereignisse ist in dem Koordinatensystem kleiner, in dem die Uhr mitbewegt ist. Das Paradoxe ist scheinbar, daß das Ganze auch aus der Sicht des jeweils anderen Zwillings gültig sein müßte, da man auch den um die Erde Rasenden als ruhend betrachten können müßte. Scheinbar führt die­se Symmetrie zu einem unsymmetrischen Ergebnis (nur ein bestimmter Zwilling altert schneller). Aber: Der vollständige Prozeß bewegt sich gar nicht im Rahmen der Speziellen Relati­vitätstheorie, denn dort ist die Menge der Transformationen eingeschränkt auf Transformationen zwischen Inertialsystemen. Man hat es hier aber nicht mit einem Inertialsystem zu tun, d.h. der bewegte Zwilling erfährt Kräfte und wird beschleunigt. In diesem Falle einer beschleunigten Be­wegung ist die Spezielle Relativitätstheorie also gar nicht gültig. Es ist also auch gar nichts paradox.

Die Spezielle Relativitätstheorie findet eine Anwendung in der Erklärung der Periheldrehung des Merkur. Rechnet man bei der Bewegung des Planeten um die Sonne mit der relativistischen ki­netischen Energie, so kann man einen Teil der Periheldrehung damit erklären. Der Hauptteil wird erwartungsgemäß durch andere Effekte wie die Gestalt der Sonne und Störpotentiale (siehe Kapitel 4) verursacht.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Technische Mechanik
Hochschule
Universität Hamburg
Veranstaltung
Pflichtvorlesung für Physiker "Technische Mechanik"
Autor
Jahr
1994
Seiten
12
Katalognummer
V96346
ISBN (eBook)
9783638090223
Dateigröße
537 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Technische, Mechanik, Pflichtvorlesung, Physiker, Technische, Mechanik
Arbeit zitieren
Oliver Fohrmann (Autor:in), 1994, Technische Mechanik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96346

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