Über Kafka ist vermutlich schon alles gesagt und geschrieben worden.
Nichtsdestotrotz habe ich es mir nicht nehmen lassen, auch einen Interpretationsversuch zu wagen. In den Mittelpunkt dieser Arbeit habe ich hierbei das Thema ‘Schlaf’ gestellt, da Kafkas Konzeption von Schlaf, Traum- und Wachzustand in den meisten seiner Werke einen äußerst interessanten und nicht zu vernachlässigenden Aspekt darstellt. Im ersten Teil der Arbeit soll das Wechselspiel von Tag und Nacht, und ganz besonders deren Übergang anhand der "Verwandlung des Schlisses" und des "Prozesses" genauer analysiert werden. Die Reaktionen der verschiedenen Charaktere während dieses Übergangs vom Schlaf- zum Wachzustand sind hierbei von größtem Interesse. Gibt es in den drei Werken ein sich wiederholendes ähnliches Verhaltensmuster? Wie reagieren die Charaktere bei einer plötzlichen Schlafunterbrechung und gibt es eine Erklärung für ihr Verhalten?
Teil zwei geht mehr von den direkten Textzitaten weg und versucht, dem Einfluß der Lindner’schen Theorie auf Kafka gerecht zu werden. Auch hierbei steht der Zustand des Schlafenden, sein Erwachen und schließlich aber auch sein Wachsein im Mittelpunkt. Anhand der Lindner’schen Konzeption von Seele, bzw. dessen Beschreibung der inneren Zuständen der Seele als Vorstellungen, soll die eigene Analyse und Interpretation des ersten Teils gestützt und weitere Einblicke in die Psyche der kafka’schen Helden geboten werden.
Inhalt
0. Vorwort
1. Das gefährliche Erwachen
2. Der wache Protagonist oder
Die Konfrontation mit den Lindner’schen Vorstellungen
3. Bibliographie
0. Vorwort
Über Kafka ist vermutlich schon alles gesagt und geschrieben worden.
Nichtsdestotrotz habe ich es mir nicht nehmen lassen, auch einen Interpretationsversuch zu wagen. In den Mittelpunkt dieser Arbeit habe ich hierbei das Thema ‘Schlaf’ gestellt, da Kafkas Konzeption von Schlaf, Traum- und Wachzustand in den meisten seiner Werke einen äußerst interessanten und nicht zu vernachlässigenden Aspekt darstellt. Im ersten Teil der Arbeit soll das Wechselspiel von Tag und Nacht, und ganz besonders deren Übergang anhand der Verwandlung, des Schlosses und des Prozesses genauer analysiert werden. Die Reaktionen der verschiedenen Charaktere während dieses Übergangs vom Schlaf- zum Wachzustand sind hierbei von größtem Interesse. Gibt es in den drei Werken ein sich wiederholendes ähnliches Verhaltensmuster? Wie reagieren die Charaktere bei einer plötzlichen Schlafunterbrechung und gibt es eine Erklärung für ihr Verhalten?
Teil zwei geht mehr von den direkten Textzitaten weg und versucht, dem Einfluß der Lindner’schen Theorie auf Kafka gerecht zu werden. Auch hierbei steht der Zustand des Schlafenden, sein Erwachen und schließlich aber auch sein Wachsein im Mittelpunkt. Anhand der Lindner’schen Konzeption von Seele, bzw. dessen Beschreibung der inneren Zuständen der Seele als Vorstellungen, soll die eigene Analyse und Interpretation des ersten Teils gestützt und weitere Einblicke in die Psyche der kafka’schen Helden geboten werden.
1. Das gefährliche Erwachen
Sowohl Der Prozeß, Die Verwandlung, als auch Das Schloß beginnen mit dem Aufwachen des Protagonisten. Gregor Samsa wird sich in seinem Bett der Tatsache seiner Verwandlung bewußt, Josef K. wartet am Morgen im Bett auf Frau Grubach, um unmittelbar danach verhaftet zu werden und auch K.’s Unannehmlichkeiten im Schloß beginnen, als er auf einem Strohsack liegend, aufgeweckt wird.
Bei diesen drei Geschichten bildet das Motiv des mehr oder minder aus dem Schlaf gerissenen eine wichtige Rolle. Kafka’s Hauptpersonen leben bis zu diesem Zeitpunkt, soweit das durch den Handlungsablauf rekonstruierbar ist, ein mehr oder minder geordnetes, bürgerliches Leben. Gregor Samsa sorgt mit den Einkünften aus seiner Arbeit für die ganze Familie, es ist von geschäftlichen Reisen die Rede, davon, daß der Prokurist als Vorgesetzter Gregor überaus kritisch beaufsichtigt und daß Samsa aber trotz einigem Mißmut über seine Arbeitsbedingungen sehr pflichtbewußt und arbeitsam agiert.
Josef K. im Prozeß ist ‘als erster Prokurist’ in ‘ einer großen Bank ’[1] tätig , geht also einer Arbeit in relativ angesehener Position nach. Über Josef K.’s Familie ist nicht viel in Erfahrung zu bringen. Neben der fürsorglichen Kusine Erna und einer von Josef vernachlässigten Mutter, spielt der um das Ansehen der Familie besorgte Onkel eine große Rolle, der Josef K. mit seinen Beziehungen zu einem Advokaten zu helfen versucht. Die Aussagen des Onkels scheinen die Annahme, daß K. ein gutbürgerliches Leben führt, zu bestätigen: ‘Josef, lieber Josef, denke an Dich, an Deine Verwandten, an unseren guten Namen. Du warst bisher unsere Ehre, Du darfst nicht unsere Schande werden. ’[2]
Über K.’s familiäres Umfeld im Schloß und seine berufliche Tätigkeit finden sich nur spärliche Hinweise. K. ist jedenfalls ‘der Landvermesser, den der Graf hat kommen lassen ’[3]. Er hat einen weiten Weg und ‘Frau und Kind ’[4] hinter sich gelassen und hofft nun um an diesem, ihm fremden Ort, Geld verdienen zu können. Ihm unterstehen zwei Gehilfen, die mit seinen Apparaten nachkommen sollen. Daß seine Berufung ans Schloß sich als Irrtum herausstellen wird bzw. auch die Gehilfen ausgetauscht wurden, kann K. zum Zeitpunkt seiner Ankunft ja noch nicht wissen.
Alle drei Charaktere leben also auf jeden Fall ein mehr oder weniger geordnetes Leben, welches mit dem Aufwachen eines Morgens jedoch jäh aus der Bahn geworfen wird. Die Protagonisten werden vollkommen unvorbereitet und ohne Vorwarnung plötzlich mit ihnen gänzlich unverständlich erscheinenden Begebenheiten und Vorstellungen konfrontiert, die ihr seelisches Gleichgewicht durch und durch aus dem Gleichgewicht bringen. Interessant ist hierbei, daß Kafka in einer im ‘Prozeß’ gestrichenen Stelle davon spricht, daß ‘ der Augenblick des Erwachens der riskanteste Augenblick im Tag ’ sei . ’[5]
Neben den bereits erwähnten Anfangssequenzen finden wir noch einige ähnliche Passagen, in denen diese von Kafka getätigte Äußerung bestätigt wird. Im Schloß begegnet uns das ‘riskante Erwachen’ als K., Frieda und die Gehilfen ihre erste Nacht in der Schule verbringen und völlig unvorbereitet von der Lehrerin, bzw. den ankommenden Schülern geweckt werden. Die sprichwörtliche ‘Morgenstund’ gestaltet sich zum peinlichen und demütigenden Moment: K. und Frieda versuchen sich vor den Blicken der neugierigen Kinder zu schützen und müssen miterleben, wie ihre spärliche Raumausstattung von der aufgebrachten Lehrerin förmlich vernichtet wird.
[...]
[1] Kafka, Franz. Der Proceß. Frankfurt am Main: Fischer 1994 (=Fischer Taschenbuch 12443) S.50.
[2] ebd. S.98.
[3] Kafka, Franz. Das Schloß. Frankfurt am Main: Fischer 1994 (=Fischer Taschenbuch 12444) S.11.
[4] ebd. S.14.
[5] Kafka, Franz. Die Verwandlung. Erläuterungen und Dokumente. Hg. von Peter Beicken. Stuttgart: Reclam 1987 (=UB 8155[2]) S.6.
- Arbeit zitieren
- Martin Stepanek (Autor:in), 1998, Kafka: Das Schloss, Die Verwandlung, Der Prozess. Über die Gefährlichkeit des Erwachens und Wachseins, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9638
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