Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
Literaturverzeichnis
A) Das Verfahren in der Hauptverhandlung
I) Die Ablehnung des Beweisantrages auf Inaugenscheinnahme der U-Bahn-Haltestelle
1. Bedenken aus § 244 V StPO
2. Revisibilität
II) Die Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung der Zeugin Hiller
1. Bedenken aus § 244 III S. 2, 7.Mod. - Wahrunterstellung von Indiztatsachen
1.1 Die Auffassung des Schrifttums
1.2. Die Auffassung der Rechtsprechung
1.3. Stellungnahme
2. Bedenken aus § 244 III S.2, 7.Mod. - Behandlung der als wahr unterstellten Tatsachen als bedeutungslos
2.1 Die Rechtsprechung des BGH
2.2 Die Auffassung des Schrifttums
2.3 Stellungnahme
3. Bedenken gegen die Beweisantragsablehnung aus § 244 II, III - Vorrang der Sachaufklärung
4. Revisibilität
III) Die Ablehnung des Beweisantrages auf Inaugenscheinnahme des Straßenstücks an der Kreuzung Glockengießerwall / Ernst-Merck-Straße
1. Bedenken aus § 244 VI, 35 - Verbescheidung des Beweisantrages im Urteil
1.1 Die Auffassungen im Schrifttum
1.2 Die Auffassung der Rechtsprechung
1.3 Stellungnahme
2. Bedenken gegen die Begründung der Beweisantragsablehnung aus § 244 V- Allgemeinkundigkeit der Beschaffenheit des Straßenstücks
2.1 Die Auffassung der Rechtsprechung und h.M. in der Literatur
2.2 Ablehnende Auffassungen in der Literatur
2.3 Stellungnahme
2.4 Allgemeinkundigkeit der Beschaffenheit des bezeichneten Straßenstücks
3. Revisibilität
IV) Die Verlesung der Niederschrift über die richterliche Vernehmung des Zeugen Demuth..
B) Die Anwendung des sachlichen Rechts
I) Schuldspruch
1. Beweiswürdigung der Einlassung des Angeklagten
1.1 Die Auseinandersetzung an der Lichtzeichenanlage Glockengießerwall
1.2 Die Mitteilung der beabsichtigten Strafanzeige
1.3 Die Schäden am Hemd und die Kratzer am Hals des Angeklagten
1.4 Revisibilität
2. Beweiswürdigung der Aussagen des Zeugen Conradsen
3. Beweiswürdigung der Aussage des Zeugen Epting
4. Die Rechtswidrigkeit der Handlung des Angeklagten
4.1 Festnahmerecht des Conradsen gem § 127 I
4.2 Erforderlichkeit der Verteidigung
4.3 Irrtum
4.4 Revisibilität
II) Strafausspruch
1. Berücksichtigng der Vorstrafe
2. Notwendige Selbstbeherrschung
2.1 Bedenken aus § 46 II StGB
2.2 Revisibilität
3. Generalprävention
3.1 Bedenken aus § 46 III StGB
3.2 Revisibilität
4. Tatfolgen
5. Berücksichtigung der geringen Unfallfolgen
5.1 Bedenken aus § 46 II
5.2 Revisibilität
6. Gesamtabwägung
7. Tagessatzhöhe
7.1 Bedenken aus § 40 II StGB
7.2 Revisibilität
Sachverhalt
Der am 9.3.1952 geborene Eberhard Benz wurde im September 1980 vom Amtsgericht Hamburg wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30 DM verurteilt. Auf die nicht beschränkte Berufung des Angeklagten änderte eine Strafkammer des Landgerichts Hamburg mit Urteil vom 10.12.1980 lediglich den Strafanspruch dahin ab, daß der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 DM verurteilt wurde. Dem Angeklagten wurde gestattet, die Geldstrafe in monat- lichen Raten von 100 DM, beginnend am 1. des auf den Eintritt der Rechtskraft folgenden Monats zu zah- len.
In den Gründen des Berufungsurteils wird u.a. ausgeführt:
„II.
Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und zu seinen Vorstrafen hat die Verhandlung auf- grund seiner Angaben und der Verlesung des von ihm als richtig anerkannten Strafregisterauszugs folgen- des ergeben:
Der 28jährige Angeklagte ist Seemann von Beruf. Zur Zeit studiert er im 2. Semester an der Fachhochschule für Seefahrt, um Kapitän auf kleiner Fahrt zu werden. Anschließend will er auch noch das Kapitänspatent für die mittlere Fahrt machen. Der Angeklagte erhält vom Arbeitsamt monatlich
1.050,-- zur Finanzierung seiner Fortbildung. Der ledige Angeklagte hat eine vierjährige Tochter, für die er 210,-- Unterhalt im Monat zahlen muß. Er ist schon mehrfach verurteilt worden, und zwar:
1.) am 3. April 1973 vom Amtsgericht ... wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von DM 80,--, ersatzweise 4 Tagen Freiheitsstrafe,
2.) am 27. Juli 1973 vom Amtsgericht ... wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von DM 600,--, ersatzweise 20 Tagen Freiheitsstrafe,
3.) am 11. Oktober 1976 vom Amtsgericht ... wegen Fahnenflucht zu einer Freiheitsstrafe von 8 Mona- ten mit Strafaussetzung zur Bewährung, die Strafe ist inzwischen erlassen worden.
Außerdem will er im Jahre 1980 in einem Verfahren der Staatsanwaltschaft ... wegen Verstoßes gegen die Abgabenordnung zu einer Geldstrafe von DM 120,-- verurteilt worden sein.
Der Verurteilung am 27. April 1973 lag zugrunde, daß der Angeklagte im April 1973 an Bord eines Schiffes einem Seemann nach einer wörtlichen Auseinandersetzung so heftig mit der Faust ins Gesicht schlug, daß der andere einen Unterkieferbruch erlitt.
III.
Zur Sache ist aufgrund der Einlassungen des Angeklagten, soweit die Kammer ihr zu folgen vermochte, der Aussagen der Zeugen Conradsen, Demuth und Epting, der Verlesung der ärztlichen Atteste der Ärzte Dr. Fiedler und Dr. Groß und des Ergebnisses der Augenscheineinnahme von dem Pkw des Zeugen Conradsen folgendes festgestellt worden:
Am 14. Dezember 1979 gegen 12.00 Uhr mittags befuhr der Angeklagte mit seinem Pkw vom Typ Re- nault R 14 den Glockengießerwall in Richtung Hauptbahnhof, er hatte sich nach links eingeordnet, weil er in die Ernst-Merck-Straße abbiegen wollte. An der Kreuzung Glockengießerwall/Ernst-Merck-Straße mußte er wegen roten Ampellichts halten. Hinter dem Angekla gten hielt der Zeuge Conradsen in einem Pkw VW-Passat in einem Abstand von 1 bis 2 m. Der Wagen des Angeklagten rollte auf der abschüssi- gen Fahrbahn zurück und stieß gegen den VW-Passat. Während Conradsen lediglich von seinem Fahrer- sitz aus vorwurfsvoll mit den Händen gestikulierte, verließ der Angeklagte seinen Wagen und beschuldigte Conradsen, ihn angefahren zu haben, und bezeichnete ihn als „Kapitalistenschwein“. Nunmehr stieg auch Conradsen aus. Er stellte fest, daß die beiden Fahrzeuge nicht beschädigt waren. Weil aber der Angekla g- te den Conradsen auch beschimpft hatte, wollte dieser zur Aufklärung des Sachverhalts die Polizei rufen. Zu diesem Zweck ging Conradsen in einen Niedergang zur U-Bahn-Station Hauptbahnhof-Nord, fand dort jedoch keine Telefonzelle. Als er nach kurzer Zeit, möglicherweise 3 bis 5 Minuten, zurückkehrte, sah er den Angeklagten in seinen Pkw einsteigen und abfahren. Conradsen fuhr ihm sofort nach und überholte ihn in der Ernst-Merck-Straße. Vor der Kreuzung Kirchenallee mußte Conradsen anhalten. Er gab dem Angeklagten ein Zeichen, daß er nach rechts abbiegen wollte, um zur Polizeiwache zu fahren. Der Ange- klagte hielt hinter Conradsen, stieg aus, ging zur Fahrertür des Pkw von Conradsen und spuckte in Ric h- tung auf den Kopf von Conradsen gegen die Fensterscheibe. Conradsen kurbelte daraufhin die Scheibe herunter und ergriff den Angeklagten vorne am Hemd. Der Angeklagte schlug nunmehr mit der rechten Faust durch das geöffnete Fenster so heftig dem Conradsen auf den Mund, daß ein oberer Schneidezahn abbrach und ein zweiter gelockert wurde. Danach setzte sich der Angeklagte wieder in seinen Wagen. Inzwischen war Conradsen ausgestiegen, er wollte den Angeklagten zur Rede stellen, konnte jedoch die Fahrertür des Wagens des Angeklagten nicht öffnen. Darauf fuhr Conradsen zur Polizeiwache Kirchenal- lee, um eine Anzeige zu erstatten. Auch der Angekla gte erschien dort, erstattete seinerseits jedoch keine Anzeige.
Conradsen erlitt außer den Beschädigungen seiner Zähne, die die Anfertigung einer Zahnbrücke erforderlich machten, eine Prellung der Ober- und Unterlippe. Er hatte zudem Schmerzen im Nacken und starke Kopfschmerzen. Er war 14 Tage lang arbeitsunfähig.
IV.
Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, Conradsen sei gegen seinen Wagen gefahren. Darauf sei Con- radsen ausgestiegen und habe ihn beschimpft mit Ausdrücken wie „Penner, Arschloch, Sau“. Conradsen habe ihm Schläge angedroht und ihn aufgefordert, mit ihm in den U-Bahnschacht zu gehen, um sich dort mit ihm zu schlagen. Er sei dieser Aufforderung jedoch nicht gefolgt. Nach vier bis fünf Minuten sei Con- radsen zurückgekommen und habe ihn gefragt, ob er Angst gehabt habe. Nachdem beide an der Kreuzung Kirchenallee angehalten hatten, sei er, der Angeklagte, ausgestiegen und habe bei Conradsen an die Scheibe geklopft, um ihm zu sagen, daß er ihn wegen der Beschimpfungen und Bedrohungen anzeigen wolle. Conradsen habe die Scheibe heruntergedreht, ihn am Halskragen gepackt und seinen Kopf in den Wagen hineingerissen. Dagegen habe er sich in Notwehr gewehrt; gespuckt habe er nicht. Auf der Poli- zeiwache habe er Conradsen anzeigen wollen, sei jedoch nicht gehört worden. Später sei er nicht mehr dazu gekommen. Durch den Griff Conradsens an den Kragen seines Hemdes seien der 2. und 3. Hem- denknopf von oben abgerissen; außerdem habe er Kratzer am Hals davongetragen.
Diese Einlassung ist in sich unlogisch und schon deshalb unglaubhaft. Wenn Conradsen gegen den Wagen des Angeklagten gefahren wäre, würde es jeder Lebenserfahrung widersprechen, daß er dann deswegen den Angeklagten beschimpft und ihn aufgefordert haben soll, sich mit ihm zu schlagen. Außerdem ist es wenig wahrscheinlich, daß Conradsen dann 4 bis 5 Minuten in dem U-Bahn-Niedergang darauf gewartet haben soll, ob sein Kontrahent zu ihm kommen würde, um sich dort mit ihm zu schlagen. Unglaubwürdig, weil überflüssig und unüblich, ist weiter, daß der Angeklagte dem Conradsen angeblich nur mitteilen woll- te, er werde ihn anzeigen. Gegen einen Griff Conradsens an den Hemdkragen spricht, daß nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, der erste, oberste Knopf, sondern der zweite und dritte Knopf abgerissen wor- den sein sollen. Da Kratzer am Hals nicht durch einen Griff vor die Brust in Höhe der abgerissenen Knöp- fe verursacht werden können, ist die Einlassung des Angeklagten insoweit auch unschlüssig. Zwar wird als wahr unterstellt, daß der Angeklagte bei seiner Rückkehr nach Hause Kratzer am Hals hatte und daß ihm die Knöpfe fehlten. Das ist jedoch vorliegend bedeutungslos, denn es besagt nichts über die Herkunft dieser Schäden. Schließlich spricht gegen die Einlassung des Angeklagten, daß er, obwohl er angeblich schon an der Kreuzung Kirchenallee entschlossen war Conradsen anzuzeigen, dies weder unmittelbar danach noch später getan hat.
Hinzu kommt, daß der Zeuge Conradsen einen durchaus einleuchtenden, nachvollziehbaren Geschehens- ablauf geschildert hat, der im wesentlichen den getroffenen Feststellungen entspricht. Allerdings hat Con- radsen bestritten, den Angeklagten am Hemd angefaßt zu haben. Nach seiner Darstellung soll der Ange- klagte sofort zugeschlagen haben, nachdem die Scheibe heruntergedreht worden war. Insoweit folgt die Kammer jedoch der Aussage des Zeugen Epting. Dieser Zeuge, den der Angeklagte zufällig durch eine erst am 2. Dezember 1980 im Hamburger Abendblatt erschienene Anzeige ermittelt hat, hat erklärt, er habe als Fußgänger beim Überqueren der Ernst-Merck-Straße gesehen, daß ein Mann sich mit dem Fah- rer eines Pkw unterhalten habe und daß der Fahrer den Mann am Hemd angefaßt und mit einem Ruck zu sich herangezogen habe; der Kopf des Mannes sei aber nicht in den Wagen hineingezogen worden. Den weiteren Verlauf hat Epting nicht beobachtet, weil er weitergegangen ist. Auch hat er keine weiteren Ein- zelheiten bezüglich der beteiligten Personen und Fahrzeuge und des Datums des Vorfalls nennen können. Wenn auch die Kammer wegen des überraschenden Auftretens eines nach einem Jahr durch eine Zei- tungsanzeige gefundenen Tatzeugen grundsätzlich Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines Zeugen hat, so läßt sich doch nach seiner Aussage nicht ausschließen, daß er tatsächlich den fraglichen Vorgang teilwei- se gesehen hat. Jedenfalls haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß Epting eine mit dem Ange- klagten abgesprochene Gefälligkeitsaussage gemacht hat. So hat er auch nicht bestätigt, daß der Kopf des Angeklagten in den Wagen hineingezogen worden sein soll. Zugunsten des Angeklagten ist daher davon auszugehen, daß Conradsen den Angeklagten am Hemd angefaßt hat, wobei die genaue Angriffstelle nicht bekannt ist. Wenn Conradsen dies bestritten hat, so bedeutet das nach der Überzeugung der Kam- mer jedoch nicht, daß er auch im übrigen unglaubwürdig ist. Er hat vielmehr seine Aussage klar und be- stimmt gemacht, ohne sich in Widersprüche zu verwickeln. Der Zeuge ist zwar wegen seiner Verletzun- gen am Ausgang des Verfahrens interessiert. Er hat sich dadurch aber nicht zu unsachlichen Äußerungen gegen den Angeklagten verleiten lassen. Die Kammer folgt deshalb und wegen der Unglaubwürdigkeit der Einlassung des Angeklagten der Aussage des Zeugen Conradsen in dem festgestellten Umfang.
Der Polizeibeamte Demuth hat als Zeuge eindeutig bekundet, daß der Angeklagte ihm gegenüber nicht die Absicht geäußert hatte, gegen Conradsen eine Anzeige zu erstatten. An der Glaubhaftigkeit dieser Aussage zu zweifeln, besteht, da der Zeuge an der Auseinandersetzung nicht beteiligt war, keinerlei Anlaß. Der Zeuge hat seine Aussage vor dem Ermittlungsrichter gemacht; die diesbezügliche Niederschrift wurde in der Hauptverhandlung verlesen, da der Zeuge sich derzeit in Griechenland aufhält.
Die im Wege des Hilfsbeweisantrags beantragte Ortsbesichtigung des Glockengießerwalls vor der Kreuzung Ernst-Merck-Straße zum Beweis dafür, daß die Steigung so unbedeutend ist, daß ein Fahrzeug nicht zurückrollt, ist zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich. Denn es ist in Hamburg Autofahrern allgemein bekannt, daß der Glockengießerwall in Richtung Hauptbahnhof, wie der Vorsitzende der Kammer schon in der Hauptverhandlung erklärt hat, so stark ansteigt, daß ein ungebremstes, vor der Kreuzung Ernst-Merck-Straße stehendes Fahrzeug zurückrollt.
V.
Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte wegen einer vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 223 StGB schuldig gemacht. Strafantrag wegen Körperverletzung ist am 14. Dezember rechtzei- tig gestellt worden. Der Angeklagte hat dem Conradsen mit der Faust so heftig gegen den Mund geschla- gen, daß ein Zahn abbrach, ein zweiter gelockert wurde und daß Conradsen Kopf und Nackenschmerzen erlitt. Der Angeklagte hat rechtswidrig und nicht in Notwehr gehandelt. Im ersten Abschnitt des Vorfalls an der Ecke Glockengießerwall/Ernst-Merck-Straße war es zu keinen tätlichen Angriffshandlungen ge- kommen. Soweit Schimpfworte gebraucht worden waren, gingen diese zuerst von dem Angeklagten aus. Nachdem beide Beteiligte weitergefahren waren, war der erste Abschnitt abgeschlossen. An der Ecke Ernst-Merck-Straße/Kirchenallee war es der Angeklagte, der durch das Spucken gegen die Fahrertür- scheibe seinerseits den Zeugen Conradsen angriff. Wenn Conradsen daraufhin den Angeklagten am Hemd ergriff, war dies bereits gemäß § 127 StPO gerechtfertigt. Aber auch wenn der Griff an das Hemd des Angeklagten als ein rechtswidriger Angriff auf diesen anzusehen wäre, wäre der Faustschlag des Angeklagten nicht die erforderliche Verteidigung gewesen, die geboten gewesen wäre, den Angriff abzu- wehren. Der Angeklagte hätte auf andere Weise, etwa durch Zurückweichen oder einen Schlag auf die ihn festhaltende Hand sich dem Griff entziehen können. Dies wäre ihm auch zuzumuten gewesen. Der Faustschlag auf den Mund war edenfalls eine unverhältnismäßige Reaktion. Der Angeklagte hat sich insoweit nicht in einem Irrtum befunden. Er hat auch nicht aus Verwirrung Furcht oder Schrecken gehan- delt, denn er will nur im ersten Teil des Vorfalls, als sich Conradsen angeblich mit ihm schlagen wollte, Angst gehabt haben. Der Angeklagte hat vorsätzlich gehandelt. Die Folgen des Schlages hat er zumindest bewußt in Kauf genommen.
VI.
Bei der Strafzumessung muß sich die einschlägige Vorstrafe, obwohl sie schon längere Zeit zurückliegt, zum Nachteil des Angeklagten auswirken. Auch in dem früheren Verfahren hatte der Angeklagte einem anderen mit der Faust ins Gesicht geschlagen. In vorliegender Sache hat der Angeklagte wegen eines geringfügigen Anlasses kräftig zugeschlagen und dem Zeugen Conradsen eine schwerwiegende Verle t- zung der Zähne zugefügt. Dem Angeklagten fehlt es an der für einen Vorgesetzten, nämlich für einen Kapitän, der er werden will, notwendigen Selbstbeherrschung. Zwar ist eine kurze Freiheitsstrafe noch nicht unerläßlich. Die Umstände der Tat erfordern jedoch eine erhebliche Geldstrafe. Es kann von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden, daß ein Verkehrsteilnehmer, zu dessen Nachteil eine Ver- kehrsordnungswidrigkeit begangen worden ist, auch noch einen zusätzlichen körperlichen Schaden hin- nehmen muß. Insofern dürfen generalpräventive Gesichtspunkte innerhalb der persönlichen Schuld des Angeklagten berücksichtigt werden. Er war sich bei dem Schlag in das Gesicht des Zeugen der Möglic h- keit der eingetretenen Folgen bewußt und nahm diese billigend in Kauf. Andererseits ist zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, daß das Fahrzeug von Conradsen durch das Zurückrollen nicht sichtbar beschädigt wurde. Strafmildernd stellt das Gericht insbesondere in Rechnung, daß der Angeklagte durch seine mangelhafte Fahrzeugbeherrschung an der ersten Kreuzung verärgert und erregt war. Zugunsten des Angeklagten ist weiter zu berücksichtigen, daß Conradsen ihm durch den Griff an das Hemd Veran- lassung gegeben hatte, überhaupt gegen ihn vorzugehen. Hierdurch unterscheidet sich das Beweisergebnis wesentlich von dem der ersten Instanz. Daher hält die Kammer unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte eine geringere Geldstrafe, als vom Amtsgericht verhängt, für ausreichend. Dem Schuldvorwurf angemessen ist eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen. Da dem Angekla g- ten monatlich DM 1.050,-- für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehen, er aber davon noch Unter- halt in Höhe von DM 210,-- für sein Kind zahlen muß, ist ein Tagessatz auf DM 25,-- festgesetzt worden.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 42 StGB, 473 StPO.“
Aus dem Protokoll der Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht ergibt sich, daß die Verteidigung in der Hauptverhandlung beantragt hatte,
1. „zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Conradsen die von dem Zeugen bezeichnete U-Bahn-Haltestelle in Augenschein zu nehmen. Der Augenschein wird ergeben, daß dort eine Telefonzelle vorhanden ist.“ Das Landgericht hat diesen Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: „Die Inaugenscheinnahme der U-Bahnstation, und zwar der Station Hauptbahnhof- Nord ist zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich. Der Zeuge Conradsen hat bekundet, daß er keine Telefonzelle gefunden habe, nicht aber, daß dort keine Telefonzelle vorhanden gewesen sei.“
2. „zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Conradsen die Zeugin Hiller, Anschrift Bl. 48, zu vernehmen. Die Zeugin wird bekunden, daß am Oberhemd des Angeklagten nach seiner Rückkehr von der PRW 18 am 14.12.79 zwei der oberen Knöpfe ausgerissen waren, wobei je- weils auch der Stoff beschädigt war, und daß die Knöpfe einen Tag zuvor noch ordnungsgemäß befestigt waren, sowie, daß der Angeklagte Kratzer am Hals hatte, die am Tag zuvor noch nicht vorhanden waren.“ Das Landgericht hat auch diesen Antrag abgelehnt und ausgeführt, daß die behauptete Tatsache als wahr behandelt werde.
3. In seinem Schlußvortrag hatte der Verteidiger beantragt, „für den Fall, daß die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangen sollte, das Fahrzeug des Angeklagten sei an der ersten, von ihm und dem Zeugen Conradsen bezeichneten Lichtzeichenanlage zurückgerollt, das Straßenstück in Augenschein zu nehmen. Der Augenschein wird ergeben, daß die Steigung derart unbedeutend ist, daß ein Fahrzeug nicht zurückrollt.“
Bestehen gegenüber dem Verfahren in der Hauptverhandlung und gegenüber dem Urteil nach geltendem Recht Bedenken? Können etwa vorhandene Bedenken mit Aussicht auf Erfolg mit der Revision gerügt werden?
Die Rechtsmittelfristen sind nicht zu berücksichtigen. Bei der Bearbeitung ist das im Zeitpunkt der Bearbeitung geltende Recht zugrundezulegen. Verjährung ist nicht zu berücksichtigen Abgabe: 31.März 1995
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Gutachten
A) Das Verfahren in der Hauptverhandlung
I) Die Ablehnung des Beweisantrages auf Inaugenscheinnahme der U- Bahn-Haltestelle
1. Bedenken aus § 244 V StPO
1Bedenken könnten gegen die Ablehnung des auf Einnahme des Augenscheins der U-Bahn-Haltestelle Hauptbahnhof-Nord gerichteten Beweisantrages bestehen. Richtschnur für die Ablehnung eines auf Inaugenscheinnahme gerichteten Be- weisantrages ist gem. § 244 V das pflichtgemäße Ermessen des Gerichtes. Dieses konkretisiert sich in der gerichtlichen Aufklärungspflicht2. Da die Gründe, aus de- nen Beweisanträge ohne Verstoß gegen die Aufklärungspflicht abgelehnt werden dürfen in § 244 III zusammengestellt sind, bedeutet die Pflicht, bei der Anwendung des § 244 V die Aufklärungspflicht zu beachten aber zugleich, daß das Gericht immer berechtigt ist, den Beweisantrag abzulehnen, wenn einer dieser Gründe vorliegt3.
Die Ablehnung des Beweisantrages erfolgte mit der Begründung, die Einnahme des Augenscheins sei zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich. Ein Rück- griff des Gerichts auf die Gründe aus § 244 II ist nicht ersichtlich. Pflichtgemäß übt das Gericht sein Ermessen jedoch auch dann aus, wenn es das, was durch den Augenschein belegt werden soll, schon als durch das sonstige Beweisergebnis widerlegt ansieht4. Das Verbot der Beweisantizipation gilt nach ganz h.M. für § 244 V nicht5.
Das LG führt in seiner Ablehnungsbegründung aus, der Zeuge Conradsen habe lediglich gesagt, er habe keine Telefonzelle gefunden, nicht das in der U-Bahn- Station keine vorhanden wären. Es hält das Ergebnis der bisherigen Beweisauf- nahme insoweit für ausreichend die U-Bahn-Station nicht auf das Vorhandensein von Telefonzellen in Augenschein zu nehmen. Fraglich ist jedoch, ob diese Be- gründung das Beweisthema des Beweisantrages, die Glaubwürdigkeit des Zeugen Conradsen in Zweifel zu ziehen, in ermessensfehlerfreier Weise berücksichtigt.
Wenngleich die h.M. eine Beweisantizipation im Rahmen des § 244 V für zulässig hält, wird die zulässige Grenze vorweggenommener Beweiswürdigung nach eben- falls h.M. jedoch dann überschritten sein, wenn ein Beweisantrag auf Einnahme des Augenscheins, der darauf abzielt, die Bekundungen eines Zeugen zu widerle- gen, vom Gericht mit der Begründung abgelehnt wird, es halte eben diesen Zeugen für glaubwürdig6. Die Aufklärungspflicht schließt insoweit aus, den Ablehnungs- grund allein aus dem bekämpften Zeugnis zu nehmen7. Das Gericht muß in einem solchen Fall entweder aus anderen schon gebrauchten Beweismitteln einen siche- ren Anhalt für die Zuverlässigkeit des Zeugen haben oder Anordnungen zur Nachprüfung des Zeugnisses treffen8.
Das LG führt in seiner Ablehnungsbegründung nicht ausdrücklich an, daß es den Zeugen Conradsen für glaubwürdig halte. Zwar mag es richtig sein, daß Conrad- sen nicht bekundet hat, es gäbe in der U-Bahn-Station keine Telefonzellen. Diese Begründung orientiert sich jedoch zu sehr am Wortlaut des Beweisantrages. Die Absicht der Verteidigung war, Feststellungen darüber treffen zu lassen, ob Tele- fonzellen vorhanden sind und ob diese einem Besucher der U-Bahn-Station ins Auge fallen müssen oder nicht. Sollten sich dort Telefonzellen an exponierten Stel- len befinden, hätte das Gericht möglicherweise Zweifel an der Aussage des Con- radsen bekommen, er habe sich dort mehrere Minuten aufgehalten, ohne diese zu sehen. Diese Möglichkeit des Ergebnisses einer Inaugenscheinnahme der U- Bahn-Station hat das Gericht nicht in seine Abwägungen einbezogen. Es stellt die Glaubwürdigkeit des Conradsen nicht in Frage und lehnt den Beweisantrag mit eben der durch den Antrag bekämpften Zeugenaussage ab. Dadurch hat es die Grenzen zulässiger Beweisantizipation überschritten und gegen § 244 V versto-ßen.
2. Revisibilität
Zu prüfen ist, ob dieser Verstoß mit Aussicht auf Erfolg mit der Revision gerügt werden kann. In Betracht kommt die Erhebung der Verfahrensrüge aus §§ 337, 244 V. Dazu müßte das Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruhen. Ein ursächlicher Zusammenhang ist bereits anzunehmen, wenn das Urteil ohne die Gesetzesverle t- zung möglicherweise anders ausgefallen wäre9. Die beantragte Einnahme des Augenscheins der U-Bahn-Station hätte möglicherweise zu der Erkenntnis geführt, daß dort vorhandene Telefonzellen bei einem mehrminütigem Aufenthalt nicht hätten übersehen werden können. Dies jedoch hätte die Glaubwürdigkeit des Con- radsen, auf dessen Aussage die Sachverhaltsfeststellungen im wesentlichen beru- hen, in Zweifel ziehen können und möglicherweise Auswirkungen auf das Urteil gehabt. Das Urteil beruht daher auf dem Verfahrensverstoß.
Die Verletzung des § 244 V durch das LG kann mit Aussicht auf Erfolg gem §§ 337, 244 V mit der Revision gerügt werden.
II) Die Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung der Zeugin Hiller
1. Bedenken aus § 244 III S. 2, 7.Mod. - Wahrunterstellung von Indiztatsachen
Bedenken könnten zunächst dagegen bestehen, daß das Gericht eine Indiztatsache als wahr unterstellte.
Ob die Ablehnung eines Beweisantrages, der eine Indiztatsache zum Gegenstand hat mittels Wahrunterstellung zuläßig ist, ist im Schrifttum umstritten.
1.1 Die Auffassung des Schrifttums
Grünwald10 hält die Wahrunterstellung indizieller Tatsachen für unzulässig. Er geht dabei zunächst davon aus, daß ein Indizienbeweis nicht erst dann erbracht sei, wenn der aus ihm folgende Schluß zwingend sei. Ein Indiz vergrößere lediglich die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer aus ihm zu schließenden Tatsache. Ebenso treffe es nicht zu, daß die indizierende Tatsache zur Gewißheit feststehen müsse. Vielmehr seien auch Wahrscheinlichkeitsannahmen, im Zusammenwirken mit anderen Indizien vom Gericht zu dessen Überzeugungsbildung mit in Rechnung zu stellen. Aus diesem Grunde gelte in Beziehung auf die einzelnen Indiztatsachen der Satz in dubio pro reo nicht11. Da nach der Rechtsprechung Indizien bei Wahr- unterstellung ebenso der Beweiswürdigung unterlägen wie bei ihrem Erwiesensein, stelle sich die Frage, ob eine Indiztatsache als wahr unterstellt werden dürfe, ohne daß das Gericht die beabsichtigten Schlüsse ziehe. Grünwald sieht sodann einen Widerspruch zwischen dem Verbot zu unterstellen, ein Zeuge werde ein bestimm- tes Geschehen bekunden, aber dennoch von dessen Gegenteil überzeugt zu sein und der Zulässigkeit der Wahrunterstellung von Indizien, ohne daraus die ge- wünschten Schlüsse zu ziehen. Letzteres sei ebenso eine Beweisantizipation12. Diese vorweggenommene Beweiswürdigung durch Wahrunterstellung verbiete sich, da die Beweiswürdigung keine logische Deduktion darstelle, was sich aus dem Beweiswürdigungsvorgang selbst ergebe. Dieser mache Indizien nicht als quantifizierbare Größe, sondern nur durch eine Gesamtbetrachtung unter Einbezie- hung aller Indizien und durch direkte Anschauung erfaßbar. Ein Gericht könne sich zudem auch bei bestem Bemühen nicht suggerieren, es würde als wahr unterstellte Indizien ebenso behandeln wie erwiesene Tatsachen13. Daraus ergebe sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der Wahrunterstellung von Indizien, wenn die gewünschte Schlußfolgerung aus der indizierten Tatsache durch das Gericht nicht gezogen werde.
Aber auch wenn das Gericht die gewünschte Schlußfolgerung ziehe, bleibe kein Raum für die Wahrunterstellung. Würde in dubio pro reo bei einer Tatsache die „nicht widerlegbar, vielleicht wahr“ sei angewandt, dann hätte das Gericht die Möglichkeit diese Tatsachen als wahr zu unterstellen und müßte dann vom Vorlie- gen der den Angeklagten jeweils entlastenden Möglichkeit der Schlußfolgerung ausgehen. Da in dubio pro reo aber bei Ungewißheit über das Vorliegen von Indiz- tatsachen nicht gelte und diese sich wechselseitig beeinflussen würden, könne es auch hier keine Wahrunterstellung geben14.
Von Born wird Grünwalds Prämisse, der Zweifelssatz sei auf Indiztatsachen nicht anwendbar, abgelehnt. In dubio pro reo komme bei der Beweiswürdigung im Rahmen einer Gesamtschau zum tragen und gelte daher auch für Indizien15. Der Beweisablehnungsgrund Wahrunterstellung komme daher bei Indiztatsachen grundsätzlich in Betracht, erfahre jedoch eine Einschränkung dadurch, daß der Zweifelssatz und die Wahrunterstellung erst nach abgeschlossener Beweiswürdi- gung eingreifen können, d.h. bei mittelbar erheblichen Tatsachen, also vor allem Hilfsbeweisanträgen16. Ziehe das Gericht die gewünschten Schlüsse sodann je- doch nicht, dann sei die Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsache der richtige Beweisantragsablehnungsgrund. Daraus folge ein sehr enger Anwendungsbereich der Wahrunterstellung17.
Der weitaus überwiegende Teil des Schrifttums argumentiert gegen Grünwald und hält die Wahrunterstellung von Indiztatsachen im Ergebnis für zulässig. Der Zweifelssatz in dubio pro reo sei keine Beweiswürdigungs- sondern eine Ent- scheidungsregel, die nichts über die Wertung von Indizien besage, sondern erst in Betracht komme, wenn das Gericht die Beweise abschließend gewürdigt habe. Zwar sei es daher richtig, wenn Grünwald behaupte, daß der Zweifelssatz für Indiztatsachen keine Bedeutung habe. Das besage jedoch nicht, daß die Wahrunterstellung von Indiztatsachen unzulässig wäre. Das Gesetz schreibe lediglich vor, daß die als wahr zu unterstellenden Tatsachen den Angeklagten entlasten müßten. Eine allgemeine Verknüpfung mit dem sachlich rechtlichen Eine allgemeine Verknüpfung mit dem sachlich rechtlichen Grundsatz in dubio pro reo werde dadurch nicht hergestellt18.
Willms weist auf die prozeßökonomische Funktion der Wahrunterstellung von Indi- zien hin und entgegnet Grünwald, daß eine völlige Ausscheidung von Indiztatsa- chen aus dem Bereich der Wahrunterstellung das Ziel einer um der Wahrheitsfin- dung willen unentbehrlichen Beschränkung des Prozeßstoffes verfehle19. Zwar stehe der vorweggenommenen Bewertung der Relevanz einer Einzeltatsache das Verbot der Beweisantizipation entgegen, eine als wahr unterstellte Indiztatsache werde vom Gericht jedoch nur als potentiell erheblich behandelt. Die im Stadium der Beweisaufnahme noch völlig offene Bewertung des Indizes werde abschlie-ßend, mit Rücksicht auf die Grundsätze des § 261, erst in der Urteilsberatung vorgenommen20.
Bringewat hält den Grundsatz in dubio pro reo für ungeeignet zur Funktionsbe- stimmung der Wahrunterstellung, da der Zweifelssatz erst nach der Beweiswürdi- gung eingreife, die Wahrunterstellung dagegen das Stadium der Tatsachenfeststel- lung betreffe. Die Wahrunterstellung sei keine vorweggenommene Anwendung des Zweifelssatzes, allenfalls werde dessen Sinngehalt im Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung auf die Ebene der Beweiserhebung vorprojeziert21. Aus der prozeßökonomischen Funktion der Wahrunterstellung lasse sich erkennen, daß nicht nach der prozessualen Bedeutung der behaupteten Tatsachen zu differenzie- ren sei, sondern die Wahrunterstellung grundsätzlich auf alle, auch Indiz- und Hilfstatsachen Anwendung finde22.
1.2. Die Auffassung der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung hat die Möglichkeit der Wahrunterstellung indizieller Tatsa- chen nie in Zweifel gezogen23. Der BGH hält es für möglich, daß das Gericht eine Behauptung als wahr unterstellt, bei der Urteilsfindung diese jedoch auf Grundlage der abschließenden Beweiswürdigung als unerheblich betrachtet24. Voraussetzung sei lediglich ein Zusammenhang zwischen der Beweistatsache und dem abzuurtei- lenden Ereignis. Dieser Zusammenhang könne auch bei Hilfstatsachen gegeben sein25.
1.3. Stellungnahme
Die Auffassung Grünwalds, indizielle Tatsachen generell aus dem Anwendungsbe- reich der Wahrunterstellung auszuscheiden, ist abzulehnen. Zwar ist Grünwald und Born zuzugeben, daß zwischen den Beweisablehnungsgründen der Unerheblic h- keit und des Erwiesenseins einer Tatsache scheinbar wenig Raum für die Wahr- unterstellung bleibt. Dennoch erscheint es sinnvoll, überflüssigen Tatsachenstoff dann abzusondern und als wahr zu unterstellen, wenn das Gericht die behauptete Tatsache aufgrund der jeweiligen Beweislage nicht zu entkräften vermag und es auch nicht ersichtlich ist, daß sich die Beweislage diesbezüglich ändert. Eine Be- weiserhebung wäre dann in der Tat überflüssig, da das Gericht nach abgeschlos- sener Beweiswürdigung dann ohnehin in dubio pro reo vom Vorliegen der Tatsa- che auszugehen hätte. Insofern ist die Wahrunterstellung eine Projezierung des Sinngehaltes des Zweifelssatzes auf die Beweiserhebung. Eine vorweggenomme- ne Beweiswürdigung liegt darin nicht, da es jeweils nur der möglichen Erheblich- keit im Zeitpunkt der Wahrunterstellung bedarf. Die Beweistatsache selbst ist ebenso wie erwiesene Tatsachen der freien Beweiswürdigung zugänglich. Auch bietet das Gesetz keinerlei Anhaltspunkte, dem der Prozeßökonomie dienenden Institut der Wahrunterstellung nur unmittelbar, nicht aber mittelbar erhebliche Tat- sachen zugänglich zu machen. Die Wahrunterstellung von Indizien begegnet daher keinen grundsätzlichen Bedenken.
2. Bedenken aus § 244 III S.2, 7.Mod. - Behandlung der als wahr unterstellten Tatsachen als bedeutungslos.
Bedenken könnten dagegen bestehen, daß das LG die als wahr unterstellten Tatsachen im Urteil für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Conradsen als bedeutungslos ansieht. Gem. § 244 III S.2 7. Mod. dürfen jedoch nur solche Tatsachen als wahr unterstellt werden, die „ erheblich“ sind.
Nach ganz h.M. ist die Zusage des Gerichts, eine als wahr unterstellte Tatsache sei für die Entscheidung von erheblicher Bedeutung lediglich die Zusage potentie l- ler Erheblichkeit zum Zeitpunkt des Beschlusses nach § 244 VI. Deshalb kann das Gericht im weiteren Verlauf des Verfahrens unter Hinzutreten weiterer Beweise zu einer gewandelten Beurteilung der von ihm zunächst als wahr unterstellten Be- weistatsachen gelangen26.
Strittig ist jedoch, ob das Gericht den Antragsteller auf die geänderte Beurteilung der als wahr unterstellten Beweistatsache hinweisen muß.
2.1 Die Rechtsprechung des BGH
Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung eine Hinweispflicht stets verneint, da die Beurteilung der Erheblichkeit der als wahr unterstellten Beweistatsache sich, ebenso wie bei erwiesenen Tatsachen, erst nach Abschluß der Beweisaufnahme vornehmen lasse. Der Angeklagte dürfe sich nicht auf den Fortbestand der vorlä u- figen Bewertung die der Wahrunterstellung naturgemäß nur zugrunde liegen könne verlassen und sei gehalten, vorsorglich alle ihm geeignet erscheinenden Beweisan- träge zustellen27.
2.2 Die Auffassung des Schrifttums
Nach einem Teil der Literatur entfällt die grundsätzlich bestehende Pflicht des Gerichts, die Prozeßbeteiligten vor der Urteilsverkündung von einem Wechsel des Ablehnungsgrundes zu unterrichten für den Fall, daß eine Beweistatsache, die nicht von vornherein unerheblich war, zunächst als wahr unterstellt, in der Urteils- beratung aber als für die Entscheidung bedeutungslos anerkannt worden ist. Ein Wechsel der Ablehnungsgründe liege in diesem Fall nicht vor28. Es werde viel- mehr eine Entscheidung getroffen, die bei der Ablehnung des Beweisantrages mittels Wahrunterstellung mit dem in diesem Stadium allein möglichen und statt- haften Zugeständnis einer potentiellen Erheblichkeit von vornherein offen war29. Ebenso wie bei Tatsachen über die Beweis erhoben worden ist, brauche dem An- tragsteller ein Bewertungswandel nicht eröffnet zu werden30
Dem wird entgegengehalten, ein Verzicht auf die Hinweispflicht des Gerichts bei geänderter Beurteilung als wahr unterstellter Tatsachen habe das Gegenteil des- sen, was mit der Wahrunterstellung bezweckt werde zur Folge. Das Verfahren werde verzögert, da der Antragsteller, der nicht auf die vorläufige Bewertung „erheblich“ vertrauen dürfe prophylaktisch alle ihm sonst geeignet erscheinenden Beweisanträge stellen werde auf die er bei rechtzeitigem Hinweis verzichten kön- ne31.
Schröder sieht in der Rechtsprechung des BGH einen Widerspruch zu dem An- spruch des Angeklagten auf ein „fair trial“ wie es ihm durch Art. 6 MRK zugebil- ligt werde. Zudem widerspreche es der gesetzgeberischen Konzeption des § 244, der der BGH im Rahmen seiner Rechtsprechung zu der Ablehnung von Beweisanträgen wegen Unerheblichkeit bereits hinreichend Rechnung getragen habe. Es sei unverständlich, wenn der BGH zur Wahrung der durch § 244 gewährleisteten Interessen der Verteidigung einerseits fordere, eine Beweisantragsablehnung wegen Unerheblichkeit sei durch das Gericht detailliert gen Unerheblichkeit sei durch das Gericht detailliert zu begründen, um der Verteidigung rechtzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme und eventueller Beantragung neuer Beweise zu geben, andererseits dies aber bei einem Wechsel der Bewertung von als wahr unterstellten Tatsachen nicht gelten solle32.
Dahs entnimmt eine Hinweispflicht schon aus dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG), der u.a. dem Gericht auferlege, durch Hinweise dafür zu sorgen, daß die Prozeßbeteiligten ihr Recht auf Gehör, wozu auch das Beweisantragsrecht zähle, sachgemäß ausüben könnten.33.
2.3 Stellungnahme
Die Forderung einer Hinweispflicht bei geänderter Erheblichkeitsbeurteilung der als wahr unterstellten Tatsachen ist abzulehnen.
Praktische Konsequenz einer Hinweispflicht wäre, daß das Gericht möglicherwei- se mehrfach während der Hauptverhandlung, je nach Stand der Beweisaufnahme seine geänderte Beurteilung der Beweistatsache kundzutun hätte, da sich die Be- weislage ja durchaus mehrfach unter Berücksichtigung neuer Beweistatsachen ändern kann. Dies kann jedoch nicht vereinbar sein mit der Pflicht des Gerichts, bis zur Urteilsberatung offen zu sein für alle in den Prozeß eingeführten Beweis- tatsachen ebenso wie für den Schlußvortrag. Die Pflicht zur eventuell mehrfachen Vorbeurteilung und Offenheit bis zur Beratung schließen sich begriffsnotwendig aus. Offenheit des Gerichts bis zum letzten Wort des Angeklagten fordert gerade auch der Grundsatz des „fair trial“. Ein Beweis ist eben ohne schon in der Ver- handlung abschließende Beurteilung seiner Erheblichkeit zu erheben und erst in der Beratung abschließend zu würdigen. Bis dahin kann eine Beweistatsache eben nicht nur „erheblich“ oder „unerheblich“ sondern auch „möglicherweise erheblich“ sein. Alles andere hieße das Gericht zu verpflichten eine mit Vorurteilen belastete Beweisaufnahme durchzuführen. Als wahr unterstellte Beweistatsachen stehen daher in der Beurteilung ihrer Erheblichkeit gleichwertig neben erwiesenen Tatsa- chen und sind ebenso wie diese zu würdigen. Desgleichen bedarf es daher wie bei erwiesenen Tatsachen keiner Hinweispflicht auf die Beurteilung der Beweistatsa- che durch das Gericht.
3. Bedenken gegen die Beweisantragsablehnung aus § 244 II, III - Vorrang der Sachaufklärung
Bedenken aus § 244 II, III könnten dagegen bestehen, daß das Gericht den Be- weisantrag auf Vernehmung der Zeugin Hiller mittels Wahrunterstellung ablehnte, obwohl mit ihm die Unglaubwürdigkeit des Zeugen Conradsen dargetan werden sollte.
Die Sachaufklärung geht der Wahrunterstellung grundsätzlich vor. Die Beweisantragsablehnung durch Wahrunterstellung ist nicht zulässig, wenn es möglich erscheint, daß die beantragte Beweiserhebung Unklarheiten und Lücken in den Sachverhaltsfeststellungen beseitigen oder sonst einen wesentlichen Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung leisten kann34.
Fraglich könnte daher sein, ob die zur Glaubwürdigkeitsüberprüfung eines Belastungszeugen vom Antragsteller angebotenen Beweistatsachen überhaupt als wahr unterstellt werden können, oder ob es die Aufklärungspflicht gebietet auch relevante Begleitumstände zu erforschen.
Die Aufklärungspflicht erstreckt sich auf alle materiell- und verfahrensrechtlich erheblichen Tatsachen35. Sie verpflichtet das Gericht zur Beweiserhebung, wenn aus den Akten oder dem Verhandlungsstoff noch Umstände oder Möglichkeiten bekannt oder erkennbar sind, die bei verständiger Würdigung der Sachlage be- gründete Zweifel an der Richtigkeit der erlangten Überzeugung wecken müssen36. Fraglich ist, ob im Bereich der Glaubwürdigkeitsprüfung eines Belastungszeugen ein von einem Verfahrensbeteiligten angebotenes Beweismittel solche Zweifel generell wecken muß.
Im Schrifttum wird im Bereich der Glaubwürdigkeitsbeurteilung von Zeugen eine Wahrunterstellung teilweise für gänzlich unzulässig gehalten37. Die h.M. hält eine Wahrunterstellung dann für ausgeschlossen, wenn Tatsachen unter Beweis gestellt werden, die der Zeuge anders dargestellt hat oder die für das Gericht Anlaß sein sollten, die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Frage zu stellen. Hier käme es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeitsfrage regelmäßig auch auf die Begleitumstände und den persönlichen Eindruck an38. Erkenntnisse der Aussage- psychologie erfordern nach Schlüchter jedenfalls bei widersprüchlichen Aussagen im Kernbereich, zu dem auch die Tathandlung gehöre, die Durchführung der Be- weisaufnahme39. Nur zum Randbereich einer Aussage gehörten dagegen Um- stände, die bei ihrem Hinzu- wie auch bei ihrem Hinwegdenken auf die Schlüssig- keit der übrigen Feststellungen keinen nennenswerten Einfluß auszuüben vermö- gen40.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist das Gericht in der Regel verpflichtet sich durch Klärung der behaupteten Hilfstatsachen ein umfassendes Bild von der Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen zu machen41. Ist eine Beweisbehauptung geeignet die Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen zu erschüttern, so darf das Gericht ohne persönlichen Eindruck der die Beweistatsachen bekundenden Zeugen nicht entscheiden42.
Im vorliegenden Fall ergab sich aus den von der Zeugin Hiller zu bekundenden Beweistatsachen und der Aussage des Zeugen Conradsen ein Widerspruch, da dieser behauptet hat, den Angeklagten nicht am Hemdkragen angefaßt zu haben, sondern sofort von diesem geschlagen worden zu sein. Zumindest erscheint es sehr unwahrscheinlich, daß der Angeklagte am Tattag sich die behaupteten Schä- den am Hemd sowie die Kratzer am Hals aus nicht mit der Konfrontation mit Conradsen im Zusammenhang stehenden Vorgängen zugezogen hat. Selbst wenn man eine solche Möglichkeit unterstellen wollte, hätte sich das Gericht zur Ver- nehmung der Zeugin Hiller gedrängt sehen müssen, da diese sodann über ihre Beobachtungen bezüglich des Verhaltens des Angeklagten bei seiner Heimkehr und eventuell von diesem gemachten Äußerungen hätte befragt werden können. Die unter Beweis gestellten Behauptungen betrafen den Kernbereich der Aussage des Conradsen, da es um die von Conradsen bestrittene Behauptung des Ange- klagten ging, er sei von Conradsen zuerst angegriffen worden. Da auch die Aus- sage des Epting die Einlassungen des Angeklagten Benz stützten, waren die von der Zeugin Hiller zu bekundenden Beweistatsachen geeignet, die Glaubwürdigkeit des Conradsen zu erschüttern, zumindest Zweifel an ihr zu erwecken. Das Gericht hätte sich daher gedrängt sehen müssen, den Beweis zu erheben, um sich ein um- fassendes Bild von der Zeugin Hiller zu machen und um weitere Begleitumstände aufzuklären. Indem, das Gericht dies nicht tat hat es gegen seine Aufklärungs- pflicht aus § 244 II verstoßen und den Beweisantrag rechtsfehlerhaft durch Wahrunterstellung abgelehnt.
4. Revisibilität
Die Nichtbeachtung der in diesem Fall vor der Wahrunterstellung vorrangigen Sachaufklärung könnte mit der Aufklärungsrüge gem. § 337, 244 II, III angegrif- fen werden.
Das Gericht hat, wie oben geprüft, den Vorrang der Sachaufklärung nicht beach- tet, da es sich zur Beurteilung der Glaubwürdigkeitsprüfung des Conradsen zur Durchführung der beantragten Vernehmung der Zeugin Hiller gedrängt sehen mußte.
Des weiteren müßte das Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruhen. Die Möglichkeit des Beruhens reicht aus.
Wäre die Zeugin Hiller vernommen worden, hätte das Gericht die Begleitumstände im Zusammenhang mit der Herkunft der Schäden am Hemd und der Kratzer am Hals des Angeklagten aufklären können. Des weiteren wäre die Beweiserhebung über das Verhalten des Angeklagten bei seiner Heimkehr möglich gewesen. Die möglicherweise im Sinne des Antragstellers erfolgreiche Beweiserhebung hätte beim Gericht Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Conradsen wecken können. Da dieser jedoch der einzige Belastungszeuge ist und die Beweistatsache zudem Zweifel am Kernbereich der Aussage des Conradsen wecken konnte, ist es zu- mindest möglich, daß das Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruht.
Die Nichterhebung des beantragten Beweises kann mit Aussicht auf Erfolg mit der Revision gerügt werden.
III) Die Ablehnung des Beweisantrages auf Inaugenscheinnahme des Straßenstücks an der Kreuzung Glockengießerwall / Ernst-Merck- Straße.
1. Bedenken aus § 244 VI, 35 - Verbescheidung des Beweisantrages im Urteil
Bedenken aus § 244 VI, 35 könnten dagegen bestehen, daß das Gericht den Beweisantrag erst in den Urteilsgründen beschieden hat.
Nach ganz h.M. sind Beweisanträge wenn ihnen nicht entsprochen werden soll in der Hauptverhandlung, Hilfsbeweisanträge ausnahmsweise in den Urteilsgründen zu bescheiden43. Fraglich ist daher zunächst, welcher Art der gestellte Beweisan- trag ist.
Die beantragte Inaugenscheinnahme des Straßenstücks, an der es zu der ersten Auseinandersetzung zwischen Benz und Conradsen kam, ist an die Bedingung geknüpft, daß die Kammer zu der Überzeugung gelangt, das Fahrzeug des Ange- klagten sei auf diesem Straßenstück ungebremst zurückgerollt. Bedingte Beweisanträge werden nach der Art der mit ihnen verknüpften Bedin- gung unterschieden. Wird das Beweisbegehren mit einem Sach- oder Hauptantrag der den Urteilsausspruch zum Gegenstand hat verknüpft, so liegt ein Hilfsbeweis- antrag vor. Wird der Antrag davon abhängig gemacht, ob das Gericht einzelne Begründungselemente als vorliegend ansieht, so z.B. ob beim Angeklagten ein bestimmtes Tatmotiv vorgelegen habe oder eine Urkunde als echt anzusehen sei, liegt ein Eventualbeweisantrag vor44.
Vorliegend ist der Beweisantrag mit einer bestimmten Überzeugung des Gerichts zu den Straßenverhältnissen an der Kreuzung Glockengießerwall / Ernst-Merck- Straße verknüpft worden. Die Straßenverhältnisse sind für das Gericht jedoch ein Indiz für einen bestimmten möglichen Geschehensablauf und somit relevantes Begründungselement. Es liegt daher ein Eventualbeweisantrag vor. Die Zulässigkeit, sowie der Zeitpunkt der Bescheidung eines Eventualbeweisan- trages sind umstritten.
1.1 Die Auffassungen im Schrifttum
Ein Teil des Schrifttums sieht die Stellung von Eventualbeweisanträgen als zuläßig an. Die Besonderheit liege darin, daß über ihn noch in der Hauptverhandlung gem. § 244 III - IV entschieden werden müsse, wenn das Gericht von der als Bedin- gung formulierten Sachlage ausgehen wolle45. Es gehe nicht wie beim Hilfsbe- weisantrag um die Verknüpfung mit einem auf das Verfahrensergebnis zielenden Hauptantrag, die eine Befassung des Gerichts mit dem Antrag erst in der Urteils- beratung notwendig mache, sondern um die Beurteilung einer konkreten Beweis- tatsache durch das Gericht, zu der es sich auch schon vor der Urteilsberatung äußern könne und müsse. Etwas anderes stelle auch die Beweisantragsablehnung aufgrund Unerheblichkeit oder durch Wahrunterstellung nicht dar46. Auch bei im Schlußvortrag vorgebrachten Eventualbeweisanträgen sei es dem Gericht möglich, wenn während der Beratung die Bedingung eintritt, diese zu unterbrechen, um wieder in die Hauptverhandlung einzutreten und den Antrag zu bescheiden. Auch schon die Amtsaufklärungspflicht und der fair trial Grundsatz würden das Gericht zwingen können die Beratung zwecks Wiedereintritts in die Beweisaufnahme zu unterbrechen. Im Falle des Eventualbeweisantrages sei es nicht anders47.
Eine andere Auffassung vertritt Niemöller. Eine im Eventualbeweisantrag gestellte Bedingung könne sowohl die Beurteilung des Gerichts über den Urteilsausspruch als auch seiner Begründungselemente betreffen. Die Bedingung sei eine aufschie- bende, denn erst mit Bedingungseintritt werde der Eventualbeweisantrag rechtlich existent und würde, seine Zulässigkeit vorausgesetzt, das Gericht zum Wiederein- tritt in die Hauptverhandlung zwingen. Eine Bedingung, die den Beweisantrag vom Beratungsergebnis abhängig mache sei jedoch nicht zulässig, da sie den Prinzipien des Strafprozesses zuwiderlaufe. Zu diesen Prinzipien gehöre das Gebot der Rechtsklarheit, aus dem folge, daß nur solche Bedingungen Gegenstand eines Beweisantrages sein könnten, deren Eintritt oder Ausfall für alle Verfahrensbetei- ligten als innerprozessualer Vorgang wahrnehmbar sei. Anderenfalls fehle ihrem prozessualen Handeln jede verläßliche Grundlage. Das Beratungsergebnis sei aber ein solcher, der Wahrnehmung durch die Verfahrensbeteiligten entzogener Um- stand, da diese keinen Anspruch auf Vorabinformation über das Beratungsergeb- nis hätten. Dies gelte sowohl für die Schluß- als auch für die Zwischenberatung. Ein Beratungsergebnis oder Begründungselement zur Bedingung eines Beweisan- trages zu machen sei demnach rechtlich unzulässig, da dieses einen Informations- anspruch voraussetze, den der Antragsteller nicht habe.48. Die im Schrifttum ü- berwiegend geäußerte Ansicht, das Gericht könne und müsse sich auch bei der Ablehnung unbedingter Beweisanträge zur Beurteilung einer bestimmten Beweis- tatsache äußern verfange nicht, da das Gericht mit der Beweisantragsablehnung wegen Unerheblichkeit, Erwiesenheit oder durch Wahrunterstellung jeweils nur seine vorläufige Beweiswürdigung offenbare. Doch selbst dazu sei es nicht ge- zwungen, da es den Beweis rechtsfehlerfrei erheben könne. Im Falle seiner Zulä s- sigkeit könnte dies für den Eventualbeweisantrag nicht gelten, da die Bedingung so entgegen dem Willen des Antragstellers schlicht übergangen würde49. Eventual- beweisanträge seien daher rechtlich unzulässig.
In Analogie zur zivilrechtlichen Behandlung von unter einer aufschiebenden Be- dingung stehenden Erklärungen, hält Niemöller solche Beweisanträge daher für rechtsunwirksam. Das Gericht müsse den Antrag zwar gem. § 244 VI in der Hauptverhandlung bescheiden; jedoch könne dies nur eine ablehnende Beschei- dung sein. Einer Überprüfung anhand der Gründe aus § 244 III sei der Beweisan- trag aber nicht zugänglich50.
1.2 Die Auffassung der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung behandelt Eventualbeweisanträge als zulässig. Da der Antragsteller die Beweiserhebung jedoch von einem bestimmten Inhalt des Urteils abhängig mache, sei ein solcher Antrag auch erst zusammen mit dem Urteil zu bescheiden. Eine Verpflichtung zur Vorabbescheidung bestehe nicht51.
1.3 Stellungnahme
Die Auffassung des Schrifttums, Eventualbeweisanträge seien zulässig und müß- ten in der Hauptverhandlung beschieden werden überzeugt nicht. Die Zwischen- und Schlußberatung sind der Wahrnehmung der Verfahrensbetei- ligten entzogen. Es besteht kein Anspruch der Verfahrensbeteiligten vorab durch das Gericht über die rechtliche oder tatsächliche Bewertung einer Beweistatsache informiert zu werden. Ein solcher Anspruch würde die Verpflichtung des Gerichts zu einer Urteilsbegründung vor der Urteilsbegründung bedeuten.
Der Vergleich zur Beweisantragsablehnung wegen Unerheblichkeit oder durch Wahrunterstellung überzeugt ebenso nicht, da der prozessuale Ort einer solchen Beweisantragsablehnung die Beweisaufnahme ist und das Gericht dort allenfalls eine potentielle Bewertung abgibt, an die es nicht gebunden ist. Der Ort des Be- dingungseintritts eines im Schlußvortrag gestellten Eventualbeweisantrages ist jedoch die Schlußberatung, in der das Gericht eine abschließende Bewertung ein- zelner Beweistatsachen vornimmt. Die insoweit enge Beziehung zum Urteilsau- spruch würde daher allenfalls eine Bescheidung in den Urteilsgründen rechtferti- gen. Dies widerspräche jedoch dem Willen des Antragstellers und ließe den Zeit- punkt des Bedingungseintritts außer Acht.
Ebenso ist es ein Unterschied, ob sich das Gericht während der Verhandlung auf eine Bewertung einer Beweistatsache festlegen darf, indem es eine beantragte Beweiserhebung z.B. wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache ablehnt, oder ob das Gericht nach Ende der Beweisaufnahme zu einer Bewertung gezwungen werden kann.
Ein Beweisantrag unter der Bedingung einer bestimmten Bewertung eines relevanten Begründungselementes ist daher unzulässig. Aus Gründen der Rechtskla r- heit ist ein solcher Antrag jedoch noch in der Hauptverhandlung gem. § 244 VI abschlägig zu bescheiden.
Ob die unterbliebene ablehnende Verbescheidung des unzulässigen Eventualbeweisantrags mit Aussicht auf Erfolg mit der Revision gerügt werden kann, hängt u.a. davon ab, ob das Urteil darauf beruht.
Dies wäre nicht der Fall, wenn das Gericht das Beweisbegehren, wäre es von der Verteidigung in Form eines unbedingten Beweisantrages vorgebracht worden, mit der in den Urteilsgründen gegebenen Begründung rechtsfehlerfrei hätte zurück- weisen können.
Zu prüfen ist daher, ob Bedenken gegen die vom Gericht gegebene Begründung der Beweisantragsablehnung bestehen.
2. Bedenken gegen die Begründung der Beweisantragsablehnung aus § 244 V- Allgemeinkundigkeit der Beschaffenheit des Straßenstücks.
Bedenken aus § 244 V könnten dagegen bestehen, daß das Gericht die Einnahme des Augenscheins des von der Verteidigung bezeichneten Straßenstücks mit der Begründung ablehnt, daß Gegenteil der behaupteten Beweistatsache sei den Autofahrern Hamburgs allgemein bekannt.
Gem. § 244 V kann das Gericht die beantragte Einnahme des Augenscheins nach pflichtgemäßem Ermessen ablehnen. Richtschnur der Ermessensentscheidung ist die Aufklärungspflicht52.
Die Gründe, aus denen das Gericht einen Beweisantrag nach § 244 III ablehnen darf, rechtfertigen grundsätzlich auch die Ablehnung eines Antrages auf Einnahme des Augenscheins53.
Das Gericht erklärt vorliegend, es sei den Autofahrern in Hamburg allgemein be- kannt, daß ein ungebremstes Fahrzeug auf dem bezeichneten Straßenstück zu- rückrolle.
Der Beweisantragsablehnungsgrund der Allgemeinkundigkeit ist ein Unterfall der Offenkundigkeit54. Zu prüfen ist, ob der Beweisantrag mit der Begründung aus „ 244 II S.2 1.Mod. abgelehnt werden durfte.
Das Gericht hält vorliegend jedoch nicht die vorgebrachte Beweistatsache, son- dern ihr Gegenteil für offenkundig. Fraglich ist daher zunächst, ob § 244 II S.2 1.Mod. auch die Beweisantragsablehnung wegen Offenkundigkeit des Gegenteils umfaßt.
2.1 Die Auffassung der Rechtsprechung und h.M. in der Literatur
Die Rechtsprechung hat diese Frage nie problematisiert und folgert aus dem Wort- laut des § 244 II S.2 1.Mod., daß auch dann, wenn das Gegenteil der unter Be- weis gestellten Tatsache offenkundig ist, eine Beweiserhebung überflüssig ist55. In der Literatur wird argumentiert, daß sich bereits aus dem Wortlaut des § 244 II S.2 1.Mod. ergebe, daß auch die Offenkundigkeit des Gegenteils der behaupteten Beweistatsache die Beweisantragsablehnung rechtfertige56.In der Vorschrift sei nicht von Offenkundigkeit der Beweistatsache sondern von der Überflüssigkeit der Beweiserhebung die Rede. Eine offenkundige Tatsache sei etwas außerhalb der Verhandlung gegebenes. Es sei daher kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb dem auf Feststellung von „non a“ gerichteten Beweisantrag nicht die Offenkun- digkeit von „a“, des Gegenteils von „non a“, sollte entgegengehalten und der An- trag daher als überflüssig abgelehnt werden können57.
Nach h.M. liegt in der Beweisantragsablehnung wegen Offenkundigkeit des Gegenteils eine Beweisantizipation zum Nachteil des Antragstellers. § 244 II S.2
1.Mod. mache jedoch insoweit eine Ausnahme vom Verbot der Beweisantizipati- on, die aber auch z.B. in dem Fall der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels vorkomme58. Im Einzelfall sei jedoch über die Beweiserhebung vom übergeordne- ten Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht zu entscheiden und eventuell Beweis zu erheben. Deshalb seien die Verteidigungsinteressen des Angeklagten nicht ernst- haft gefährdet59.
2.2 Ablehnende Auffassungen in der Literatur
Dem Argument, bereits der Wortlaut des § 244 II S.2 1.Mod. rechtfertige eine extensive Auslegung der Norm wird entgegengehalten, daß es dann näher gelegen hätte zu formulieren, ein Beweisantrag dürfe abgelehnt werden, „wenn die Tatsa- che oder ihr Gegenteil offenkundig ist“. Auch aus § 245 II lasse sich nicht schlie-ßen, daß zwar dort nicht, wohl aber in § 244 II S.2 1.Mod. die Offenkundigkeit auch das Gegenteil der Beweistatsache umfasse. § 245 II formuliere lediglich deutlich, was auch für § 244 II S.2 1.Mod. gelte60. Eine Beweiserhebung könne nur dann wegen Offenkundigkeit überflüssig sein, wenn die Beweistatsache of- fenkundig ist61.
Auch im Sinn und Zweck des § 244 II S.2 1.Mod., überflüssige Beweiserhebun- gen ablehnen zu können, finde die h.M. keine Stütze, da eine Beweiserhebung nur bei auszuschließender Möglichkeit weiterer Sachverhaltsaufklärung zugunsten des Angeklagten überflüssig sein könne. Da jedoch die als offenkundig anerkannte Tatsache nicht notwendig wahr sein müsse, sei nicht sicher auszuschließen, daß die Beweiserhebung nicht doch zu einer anderen Sicht der Dinge führen könne62. Engels sieht zudem aus der historischen Entwicklung der Gründe des § 244 III, die zur Beachtung des Beweisantizipationsverbotes entwickelt worden seien, keinen, der h.M. entsprechenden Beleg dafür, daß die Norm gerade davon auch Ausnah- men zulasse63.
2.3 Stellungnahme
Der Rechtsprechung und h.M. in der Literatur ist zuzustimmen.
Es überzeugt nicht, wenn die Gegenmeinung argumentiert, der Begriff „überflüs- sig“ des § 244 II S.2 1.Mod. umfasse nicht auch die Möglichkeit der Beweisan- tragsablehnung wegen Offenkundigkeit des Gegenteils. Vielmehr kann darunter auch verstanden werden, daß nicht nur die unter Beweis gestellte Tatsache selbst wegen ihrer Offenkundigkeit nicht zu widerlegen ist, sondern ebenso auch die Unwiderlegbarkeit ihres Gegenteils. Eine andere Sichtweise hätte die Konsequenz, daß der Gesetzgeber es dem Gericht hätte verwehren wollen, z.B. einen auf Be- weis der Tatsache, das Wasser sei in der Lage den Berg heraufzufließen mit der Begründung das Gegenteil sei offensichtlich abzulehnen. So gibt die historische Auslegung denn auch der h.M. Recht, wenn der Gesetzgeber, anläßlich der Ände- rung des § 245 durch das StVÄG 1979, die Möglichkeit der Beweisantragsable h- nung wegen Offenkundigkeit des Gegenteils ausdrücklich als von § 244 II S.2 1.Mod. umfaßt ansah64.
Die Berufung darauf, eine als offenkundig erachtete Tatsache könne falsch sein, ist ebenso nicht überzeugend. Denn dies gilt nic ht nur für das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache, sondern auch für die Beweistatsache selbst. Wollte man die Gefahr, einer möglicherweise falschen Offenkundigkeit jedoch ausschlie-ßen, gäbe es für § 244 II S.2 1.Mod., obwohl im Gesetz enthalten keinen Anwen- dungsbereich mehr.
Erachtet das Gericht eine Tatsache als offenkundig, so ist der Maßstab der das Gericht zu dieser Überzeugung bringt nie ein absoluter, sondern immer mit einem subjektiven Element behaftet. Bei Zweifeln gilt zudem der Vorrang der Aufklä- rungspflicht. Dem Gericht ist es daher möglich, einen Beweisantrag mit der Be- gründung abzulehnen, das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache sei of- fenkundig.
2.4 Allgemeinkundigkeit der Beschaffenheit des bezeichneten Straßenstücks
Fraglich ist vorliegend jedoch, ob die vom Gericht behauptete bestimmte Beschaf- fenheit des Straßenstücks offenkundig, hier allgemeinkundig sein kann. Allgemeinkundig sind Tatsachen, von denen verständige und erfahrene Menschen in der Regel Kenntnis haben oder über die sie sich - ohne besondere Sachkunde - mit Hilfe allgemein zugänglicher Erkenntnismittel jederzeit zuverlässig unterrichten können65. Es sind dies Tatsachen, die so allgemein ohne ernsthaften Zweifel wahrgenommen werden, daß ein verständiger, lebenserfahrener Mensch sich da- von überzeugt halten kann66.
Die Allgemeinkundigkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Kenntnis der Tatsache örtlich, zeitlich oder persönlich beschränkt ist67. Eine z.B. nur den Perso- nen eines kleinen Ortes bekannte Tatsache hat in diesem Gebiet prozessual die selbe Bedeutung wie eine Weltöffentlichkeit68. Die Quellen aus denen allgemein- kundige Tatsachen entnommen werden können, sind insbesondere Landkarten, Lexika, Kalender oder Kurszettel69. Allgemeinkundig können danach insbesondere Naturvorgänge, geschichtliche oder politische Ereignisse, Lage und Beschaffenheit öffentlicher Bauten und Straßen sowie Verkehrsverbindungen sein70.
Die hier vom Gericht als allgemeinkundig unterstellte Tatsache, betrifft nur den örtlich und personell begrenzten Kreis der Autofahrer Hamburgs. Fraglich erscheint, ob die Beschaffenheit eines bestimmten Straßenstücks Hamburgs, Autofahrern allgemein bekannt sein kann.
Aus allgemein zugänglichen Quellen, wie z.B. Straßenkarten, läßt sich der Stei- gungsgrad einer Straße nicht ablesen. Eventuell bei der Baubehörde vorhandenes topographisches Kartenmaterial ist dagegen der Allgemeinheit nicht ohne weiteres zugänglich und erfordert zu seiner Interpretation eine gewisse Fachkunde. Zwar mag es in einer kleinen Ortschaft auch ohne solch spezielles Kartenmaterial der Allgemeinheit aus der täglichen Anschauung bekannt sein, welcher Beschaffenheit und Lage die örtlichen Verkehrswege sind. In einer Großstadt liegt es jedoch anders. Im Bereich der Hansestadt Hamburg gibt es ca. 7000 Straßen. Das Wissen um die Beschaffenheit einer einzelnen Straße, auch wie hier einer Hauptverkehrsstraße, mag den direkten Anwohnern zu eigen sein, für die Autofahrer Hamburgs in ihrer Gesamtheit kann ein solches Wissen jedoch nicht als allgemeinkundig unterstellt werden.
Die Frage, ob ein Pkw auf einem Straßenstück von bestimmter Neigung unge- bremst zurückrollt, hängt zudem noch von weiteren Faktoren, wie z.B. dem Ge- wicht des Fahrzeugs, Reifendruck und Stellwinkel der Reifen ab71. Danach kann mithin den Autofahrern einer Großstadt kein allgemeinkundiges Wis- sen um das Verhalten eines ungebremsten Pkw auf einem bestimmten Straßen- stück unterstellt werden.
Das Gericht hätte daher den Beweisantrag auch in unbedingter Form nicht rechtsfehlerfrei mit der Begründung, das Gegenteil der behaupteten Tatsache sei allgemeinkundig ablehnen dürfen.
3. Revisibilität
Der von der Verteidigung vorgebrachte Eventualbeweisantrag war unzulässig und hätte in der Hauptverhandlung abschlägig beschieden werden müssen. Die Rüge des Verfahrensfehlers aus § 244 VI, 35 I hätte Aussicht auf Erfolg, wenn das Urteil auf ihm beruhen würde.
Das Beweisbegehren betraf die Glaubwürdigkeit des einzigen Belastungszeugen Conradsen. Hätte das Gericht den unzulässigen Eventualbeweisantrag noch in der Hauptverhandlung zurückgewiesen, hätte die Verteidigung ein solches Beweisbe- gehren als unbedingten Beweisantrag stellen können. Dies hätte, siehe oben unter 2.4, nicht rechtsfehlerfrei mit der Begründung, das Gegenteil der behaupteten Tatsache sei allgemeinkundig zurückgewiesen werden können.
Eine sodann erfolgte Inaugenscheinnahme hätte möglicherweise im Sinne der Ver- teidigung Erfolg gehabt und somit Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Conradsen wecken können.
Es ist daher zumindest möglich, daß das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht. Die Revision hätte Aussicht auf Erfolg.
IV) Die Verlesung der Niederschrift über die richterliche Vernehmung des Zeugen Demuth
Bedenken aus § 250 könnten dagegen bestehen, daß der Zeuge Demuth nicht gem. § 250 in der Hauptverhandlung vernommen wurde, sondern daß die Niederschrift seiner Vernehmung lediglich gem. § 251 I Nr.3 verlesen wurde.
Grundsätzlich fordert der Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 die persönliche Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung.
Davon kann in Ausnahmefällen jedoch abgewichen werden, wenn dem Zeugen unter den Voraussetzungen des § 251 I Nr.3 das Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht zugemutet werden kann.
Bei der Frage der Zumubarkeit hat der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen die Bedeutung der Sache, sowie die Wichtigkeit der Zeugenaussage und des per- sönlichen Eindrucks für die Wahrheitsfindung einerseits und den Belangen des Zeugen, sowie dem Interesse an der beschleunigten Durchführung des Verfahrens andererseits abzuwägen72. Dabei relativiert sich der Begriff der großen Entfer- nung heute angesichts der Tatsache, daß mit schnellen Verkehrsmitteln auch gro-ße Entfernungen in kurzer Zeit überbrückt werden können73. Das Verlesen der richterlichen Vernehmungsniederschrift ist nur dann gerechtfertigt, wenn der zeit- liche und finanzielle Aufwand der Reise in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Strafsache steht74.
Die von dem Zeugen Demuth verlesene Aussage gibt Tatsachen wieder, die von ihm nach dem eigentlichen Tatgeschehen auf der Polizeiwache wahrgenommen wurden. Insofern kommt ihnen lediglich indizielle Bedeutung zu. Einen direkten Eindruck vom Tatgeschehen hatte der Zeuge nicht.
Die verhandelte Strafsache betrifft einen Vorwurf der einfachen Körperverle t- zung. Von ihrer Bedeutung ist sie daher keinesfalls im oberen Bereich anzusiedeln. Demgegenüber hätte der Zeuge Demuth, je nach seinem damaligen Aufenthaltsort in Griechenland und unter Berücksichtigung eventuell notwendiger Benutzung von Fährschiffen bis zu 24 Stunden zur Anreise nach Deutschland gebraucht. Die Hauptverhandlung hätte zu diesem Zweck mehrere Tage unterbrochen werden müssen.
Seine Aussage erscheint daher im vorliegenden Strafverfahren nicht so bedeutend, daß ihm eine Anreise aus Griechenland zumutbar gewesen wäre. Das Gericht hat sein Ermessen zur Vorbereitung des Beschlusses nach § 251 IV rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die Verlesung der Niederschrift über die richterliche Vernehmung des Zeugen Demuth begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
B) Die Anwendung des sachlichen Rechts
I) Schuldspruch
1. Beweiswürdigung der Einlassung des Angeklagten
Zu prüfen ist, ob das Gericht die Einlassungen des Angeklagten Benz rechtsfehle r- frei gewürdigt hat.
1.1 Die Auseinandersetzung an der Lichtzeichenanlage Glockengießerwall
Bedenken aus § 261 könnten sich daraus ergeben, daß das Gericht die Einlassung des Angeklagten, der Zeuge Conradsen sei gegen seinen Pkw gefahren und dann ausgestiegen um ihn als „Penner, Arschloch, Sau“ zu bezeichnen als unlogisch ansieht. Die Kammer gibt in diesem Zusammenhang des weiteren an, daß es jeder Lebenserfahrung widerspreche, daß Conradsen zunächst den Pkw des Angekla g- ten angefahren und diesen sodann deswegen beschimpft habe. Es sei ebenso un- logisch und unwahrscheinlich, daß Conradsen sich daraufhin mit dem Angeklagten habe schlagen wollen und zu diesem Zweck 4 - 5 Minuten im U-Bahn-Schacht gewartet habe.
Gem § 261 entscheidet das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Für die Verurteilung ausreichend ist die persönliche, subjektive Gewißheit des Richters von der objektiven Wahrheit.
Diese innere Überzeugung muß frei von Zweifeln sein75. Die Rekonstruktion des historischen Tatgeschehens vollzieht das Gericht durch Schlußfolgerungen auf- grund seiner unmittelbaren Hauptverhandlungsbeobachtungen. Dieser Vorgang hat seine rationale Grundlage im Akt schlußfolgernden Denkens, der zwingenden Re- geln unterliegt; formal gesehen den Gesetzen des Argumentierens, d.h. der Logik (Denkgesetze) und inhaltlich gesehen allen Gesetzen und Erkenntnissen der Erfah- rung als Bindeglied zwischen Beobachtung und Schlußfolgerung76.
Fraglich ist, ob es den von der Kammer aufgestellten allgemeinen Erfahrungssatz gibt, wonach niemand einen anderen zunächst schädigt und diesem sodann aggressiv und feindselig gegenübertritt.
Ein solcher allgemeiner Erfahrungssatz müßte die Schlußfolgerung auf das Vorlie- gen oder Nichtvorliegn einer bestimmten Tatsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zulassen. Der durch das Kriterium der hohen Wahrscheinlichkeit geforderte Grad der Bestätigung der Sachverhaltsannahmen des Tatgerichts muß das Ergebnis einer intersubjektiv akzeptablen, d.h. für jedermann, sofern er den erforderlichen Sachverstand besitzt, kritisch diskutierbaren, in hohem Maße plausiblen, rationalen Argumentation sein77.
Nach Erkenntnissen der Psychologie bedarf es zur Entfaltung aggressiven Verhal- tens nicht notwendig einer vorangegangenen Schädigung des Aggressors durch sein Opfer. Nach der Frustrations-Aggressions-Hypothese, einem Teilstück der heute vorherrschenden multikausalen Aggressionstheorie78, läßt sich Aggression als Ausdruck von Ärger, Wut und Zorn, eventuell auch Angst erklären, die durch zusätzliche Reize verstärkt werden kann79. Möglich ist auch ein verselbständigtes aggressives Verhalten, bei dem eine Motivation äußerlich nicht erkennbar scheint. So schien etwa jeder vierte von Toch (1969) untersuchte Gewalttäter eine aggres- sive Auseinandersetzung zu suchen, um seinen Status und seine Stärke unter Be- weis zu stellen (self image promoter)80. Opfer solcher Aggressionen sind zum Teil zufällig betroffen, teilweise werden schwache und wehrlose Opfer ausgewählt. Dies ist jedoch im Falle des „self image promoters“ nicht unbedingt die Regel, gibt es nach Toch doch hier auch solche, die sich immer wieder in schwierige Situatio- nen begeben. Opfer der Ärger Aggression ist regelmäßig die Frustrationsquel- le81.Die Wurzeln aggressiven Verhaltens werden nach dem multikausalen Erklä- rungsansatz als so vielschichtig beschrieben, das sich Verallgemeinerungen nicht treffen lassen82.
Demnach erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß auch ohne das daß zukünftige Opfer einen selbständigen Anlaß gab, es mit aggressivem Verhalten konfrontiert wird83. Es liegt daher zumindest nicht außer jeder plausiblen Wahrscheinlichkeit, daß Conradsen den Pkw des Angeklagten angefahren und diesem dennoch anläß- lich des für Conradsen ärgerlichen, frustrierenden Ereignisses aggressiv gegenü- bergetreten ist. Ein allgemeiner Erfahrungssatz dergestalt, daß die Einlassungen des Angeklagten jeder Lebenserfahrung und den Gesetzen der Logik widerspre- chen würden existiert nicht. Das LG stützt seine Argumentation daher lediglich auf Vermutungen.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts könnte zudem widersprüchlich sein. Ein Verstoß gegen die formalen Gesetze der Logik sind Unvereinbarkeiten zwi- schen einzelnen Feststellungen des Sachverhalts. Der Tatrichter darf sich bei der Beweiswürdigung nicht mit anderweitig festgestellten oder feststehenden Tatsa- chen in Widerspruch setzen oder Erwägungen anstellen, die in sich widersprüch- lich sind84.
Die Kammer nimmt einen Erfahrungssatz an, nach dem es jeder Lebenserfahrung widerspreche, daß Conradsen den Angeklagten zunächst angefahren habe und diesen dann deswegen beschimpfte. Nach den getroffenen Feststellungen geht das Landgericht von einem Sachverhalt aus, bei dem der Angeklagte den Pkw des Zeugen Conradsen durch seinen zurückrollenden Renault schädigte und sodann ausstieg, um ihn als „Kapitalistenschwein“ zu bezeichnen. Dies ist jedoch gerade ein Sachverhalt, den die Kammer mit dem von ihr aufgestellten Erfahrungssatz als jeder Lebenserfahrung widersprechend bezeichnet. Insoweit ist die Beweiswürdi- gung des Landgerichts widersprüchlich und daher fehlerhaft.
1.2 Die Mitteilung der beabsichtigten Strafanzeige
Bedenken aus § 261 könnten sich des weiteren daraus ergeben, daß das Gericht die Einlassungen des Angeklagten, er sei an der Kirchenallee ausgestiegen, um Conradsen davon in Kenntnis zu setzen, daß er ihn wegen der Beleidigungen und der Bedrohungen anzeigen werde als unglaubwürdig, weil überflüssig und unüblich wertet. Voraussetzung einer solchen Wertung wäre, daß es einen allgemeinen Erfahrungssatz gäbe, wonach das Opfer einer Straftat dem Täter seine Anzeigebereitschaft nie mitteilt und das eine solch Mitteilung überflüssig ist.
Zwar mag es richtig sein, daß eine Mitteilung überflüssig im Hinblick auf eine Be- einflussung eines eventuell einzuleitenden Strafverfahrens ist. Möglich ist jedoch zum einen, daß eine solche Mitteilung des Opfers an den Täter aus Gründen der Genugtuung erfolgt, zum anderen besteht die Möglichkeit, das eine solche Mittei- lung die Anzeigebereitschaft des Opfers dem Täter gegenüber signalisieren und diesen eventuell zur spontanen außergerichtlichen Wiedergutmachung bewegen soll.
Dies sind zumindest ebenso denkbare Alternativen, die vom Gericht erkennbar nicht in Betracht gezogen wurden. Die Wertung des Gerichts erfolgt daher auf- grund eines nicht bestehenden Erfahrungssatzes. Sie hatte daher lediglich eine Vermutung zur Grundlage, die keinen zwingenden Schluß auf die Unglaubwürdig- keit der Einlassung zuläßt.
1.3 Die Schäden am Hemd und die Kratzer am Hals des Angeklagten
Bedenlen aus § 261 könnten weiterhin gegen die Beweiswürdigung bezüglich der Kratzer am Hals und der Schäden am Hemd bestehen.
Das Landgericht hält die Einlassungen des Angeklagten, er sei von Conradsen am Halskragen gepackt und in den Wagen gerissen worden für unschlüssig, da nicht, wie zu erwarten der erste oberste Knopf, sondern der zweite und dritte abgerissen sein sollen. Zudem seien bei einem Griff vor die Brust keine Kratzer am Hals zu verursachen.
Das Gericht hat bei der Beweiswürdigung von mehreren naheliegenden, denkba- ren Deutungsmöglichkeiten alle in Betracht zu ziehen und darf sich nicht für eine entscheiden, ohne die anderen gewürdigt zu haben85. Wenn eine Indiztatsache auch nur nach den Regeln der allgemeinen Lebenserfahrung einen anderen Schluß erlaubt, als den vom Tatrichter in vermeintlicher Eindeutigkeit gezogenen, dann hängt die Schlußfolgerung „in der Luft“, stellt daher eine bloße Vermutung dar86. Zu prüfen sind daher weitere naheliegende Deutungsmöglichkeiten der Schäden und Verletzungen des Angeklagten.
Bezüglich der abgerissenen Hemdknöpfe bestünde die Möglichkeit, daß der Abge- klagte, wie weithin üblich, den obersten Hemdknopf offen trug und dieser daher bei einem Griff an den Kragen nicht wie die darunterliegenden Knöpfe unter Spannung stand und abgerissen werden konnte. Ebenso besteht bezüglich der Halskratzer die Möglichkeit, daß der von unten aus dem Auto zugreifende Con- radsen am Halskragen ansetzte und sodann mit der Hand, während er den Kopf des Angeklagten in Richtung des Wagens zog, abrutschte.
Diese naheliegenden Möglichkeiten hat das Landgericht nicht mit plausiblen Gründen ausgeschlossen, sondern lediglich eine dem Angeklagten nachteilige Deutung in Betracht gezogen.
Die Kammer könnte sich zudem in diesem Zusammenhang ungenügend mit den von ihr als wahr unterstellten Tatsachen auseinandergesetzt haben. Als wahr un- terstellte Tatsachen werden von der Pflicht zur erschöpfenden Würdigung der festgestellten Umstände umfaßt87. Zwar unterstellt das Landgericht die von der Zeugin Hiller zu bekundenden Schäden und Verletzungen des Angeklagten als wahr. Es wertet sie jedoch vorliegend als bedeutungslos. Bedeutungslos ist eine Indizatsache, wenn ein Zusammenhang zwischen ihr und der abzuurteilenden Tat nicht besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs nicht geeignet ist, die Entscheidung irgendwie zu beeinflussen, weil sie nur einen möglichen, nic ht jedoch einen zwingenden Schluß zuläßt und das Gericht den möglichen Schluß nicht ziehen will88.
Die o.a. Deutungsmöglichkeiten der Schäden und Verletzungen des Angeklagten sind mögliche, keine zwingenden Deutungsmöglichkeiten. Die Kammer läßt jedoch nicht erkennen, daß es diese Möglichkeiten in Betracht gezogen hat, obwohl diese in der Lage gewesen wären, die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Conradsen und damit die Entscheidung zu beeinflussen.. Das Landgericht setzt sich daher nicht in genügendem Maße mit den als wahr unterstellten Tatsachen auseinander.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts bezüglich der Schäden und Verletzungen des Angeklagten könnte darüberhinaus unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen Epting widersprüchlich sein.
Der Tatrichter hat alle entscheidungserheblichen Umstände zu berücksichtigen und Zeugenaussagen im Zusammenhang mit den übrigen Beweismitteln zu würdigen ohne einzelne Aussagen zu eleminieren89.
Vorliegend hält die Kammer die Einlassungen des Zeugen Epting trotz grundsätzli- cher Zweifel für glaubwürdig und nimmt daher an, Conradsen habe den Angekla g- ten am Hemd angefaßt. Die Einlassungen des Angeklagten würdigt das Gericht jedoch ohne den Zeugen Eptimg zu berücksichtigen und zieht aus dem vermeintli- chen Nichtvorliegen einer später als vorliegend angesehenen Tatsache Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten. Nimmt das Landgericht jedoch bei der Würdigung der Einlassungen des Angeklagten an, Conradsen habe ihn nicht am Hemd ge- packt um sodann bei der Würdigung des Zeugen Epting einen Griff Conradsens an das Hemd zu bejahen, so ist dies widersprüchlich und daher ein Verstoß gegen die Denkgesetze.
Des weiteren nimmt das Landgericht zum Beweis seiner These, der Kratzer am Hals könne nicht von Conradsen stammen an, das dieser. hätte er den Angekla g- ten angegriffen, diesen im Brustbereich gepackt haben müsse. Nach Würdigung der Einlassung des Zeugen Epting nimmt es einen solchen Angriff zwar an, jedoch sei nun die Angriffstelle unbekannt. Dies ist widersprüchlich, da beide Deutungs- möglichkeiten sich ausschließen und daher ebenfalls ein Verstoß gegen die Denk- gesetze.
1.4 Revisibilität
Zu prüfen ist, ob die Fehler bei der Würdigung der Einlassungen des Angeklagten mit Aussicht auf Erfolg mit der Revision gerügt werden können. In Betracht käme die Erhebung der Sachrüge gem. §§337, 261. Die gewürdigten Einlassungen betrafen Feststellungen zu den Voraussetzungen des Vorliegens einer Notwehrlage auf Seiten des Angeklagten sowie zur Glaub- würdigkeit des Belastungszeugen Conradsen. Betroffen waren insoweit Indiz- und Hilfstatsachen.
Gem. § 337 ist die Revision darauf zu stützen, daß das Urteil auf einer Gesetzesverletzung beruht.
Fraglich ist, inwieweit die eigentlich auf die Prüfung von Rechtsfragen beschränk- te Revision in den Vorgang der tatgerichtlichen Tatsachenfeststellung eingreifen kann.
Nach h.M. beschränkt sich die Prüfung des Revisionsgerichtes auf die Sachrüge hin nicht darauf, ob das materielle Recht auf den festgestellten Sachverhalt richtig angewandt worden ist, sondern erfaßt auch die Urteilsfeststellungen und prüft ob diese eine tragfähige Grundlage für die Subsumtion darstellen90. Der BGH betont regelmäßig, daß es alleinige Sache des Tatrichters sei, die Ergebnisse der Haupt- verhandlung festzustellen und zu würdigen. Der Tatrichter könne nicht gehindert werden, an sich mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimm- ten Tatsachen zu ziehen, ebenso wie es ihm nicht vorgeschrieben werden könne unter welchen Voraussetzungen er zu einer bestimmten Schlußfolgerung und einer bestimmten Überzeugung kommen muß. Das Revisionsgericht dürfe die Beweis- würdigung des Tatrichters nicht durch seine eigene ersetzen91.
Dieser Grundsatz ist vom BGH jedoch vielfach eingeschränkt worden. Die Über- zeugung des Tatrichters von auch nur möglichen Schlußfolgerungen sei nur dann rechtsfehlerfrei, wenn die Beweiswürdigung nicht widersprüchlich, lückenhaft oder unklar sei, gegen die Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen ver- stoße. Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewißheit des Richters setze objektive Grundlagen voraus, die aus rationalen Gründen den Schluß erla uben, daß das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt92. Gründe, die zu vernünftigen Zweifeln Anlaß geben stehen einer Verurteilung entgegen. Der vernünftige Zweifel hat seine Grundlage in rationaler Argumentation, welche die Indizien, die zugunsten des Angeklagten sprechen, vollständig und in ihren sachverhaltsbedeutsamen Aspek- ten erfaßt93. Diese Grundlagen sind der revisionsgerichtlichen Nachprüfung zu- gänglich94.
Das Schrifttum hat sich dem im Grundsatz angeschlossen95, betont jedoch ver- stärkt die Notwendigkeit der objektiven Grundlagen eines vom Tatrichter gezoge- nen Schlusses96. Die hohe Wahrscheinlichkeit fungiere als objektives Beweismaß. Dies sei eine Rechtsregel, die eine nicht genügende Begründung der Sachverhalts- annahmen des verurteilenden Erkenntnisses als rechtsfehlerhaft und mithin revisi- onsrechtlich kontrollierbar macht97. Subjektiv persönliche Gewißheit des Richters und objektiv rationaler Erkenntnisakt stünden in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Ohne objektiv rationalen Unterbau sei eine persönliche Gewißheit nicht ausrei- chend.98.
Vom Revisionsgericht überprüfbar ist daher, ob der Tatrichter die Bedeutung der freien richterlichen Überzeugung verkannt, insbesondere die Beweise erschöpfend gewürdigt, oder sich über deren Grenzen hinweggesetzt hat99.
Das Landgericht nimmt oben unter a) einen nicht bestehenden allgemeinen Erfah- rungssatz zur Grundlage seiner Wertung, die Einlassungen des Angeklagten seien unglaubwürdig und unlogisch. Dem widersprechen wissenschaftliche Erkenntnisse der Psychologie. Der Tatrichter darf jedoch nicht Erfahrungssätze aufstellen, die es nicht gibt und sich andererseits nicht ohne hinreichenden Grund über bestehen- de, bzw. auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Erfahrungssätze hin- wegsetzen100. Das die Kammer dies dennoch tat begründet einen Verstoß gegen § 261. Zudem stellt die Kammere in diesem Zusammenhang in sich widersprüchli- che Erwägungen an, die ebenfalls einen Verstoß gegen § 261 begründen.
Da die Kammer die Einlassungen des Angeklagten in diesem Punkt für unglaub- würdig befand ergaben sich diesbezüglich mithin keine Zweifel an der Glaubwür- digkeit des Zeugen Conradsen. Eine fehlerfreie Beweiswürdigung hätte jedoch vernünftige Zweifel daran begründen können. Die Angaben des Angeklagten, sein Kopf sei von Conradsen in der Ernst-Merck-Straße mit einem Ruck in den Wagen des Zeugen gerissen worden hätten dann möglicherweise anders gewichtet wer- den können. Da diese Angaben jedoch von Bedeutung für die Voraussetzungen des Vorliegens einer Notwehrlage waren, ist es möglich, daß das Urteil auf dem Verstoß gegen § 261 beruht. Die Revision gem §§ 337, 261 hätte Aussicht auf Erfolg.
Das Landgericht würdigt die Einlassungen des Angeklagten, er habe Conradsen mitgeteilt ihn anzeigen zu wollen ebenfalls unter Aufstellung eines nicht betehen- den Erfahrungssatzes (oben unter b)). Die Frage des Beruhens des Urteils auf diesem Verstoß wäre jedoch nur dann positiv zu beantworten, wenn sich bei feh- lerfreier Beweiswürdigung vernünftige Zweifel an der entgegenstehenden Einla s- sung des Conradsen nicht beheben ließen. Das Landgericht hat zu dieser Frage nicht nur den Angeklagten gehört, sondern ebenfalls die Niederschrift über die richterliche Vernehmung des Zeugen Demuth verlesen. Dessen Aussage, der Angeklagte habe auf der Polizeirevierwache keine Anzeige erstattet, wird vom Landgericht zu der Einlassung des Angeklagten in Beziehung gesetzt und einer Gesamtwürdigung unterzogen. Danach zieht die Kammer den möglichen, wenn auch nicht zwingenden Schluß auf die Unglaubwürdigkeit der vom Angeklagten behaupteten Tatsachen nicht völlig isoliert. Ein solcher Schluß erscheint unter Be- rücksichtigung der Aussage des Zeugen Demuth auch bei fehlerfreier Beweis- würdigung vertretbar. Das Urteil beruht daher nicht auf dem Verstoß. Eine Revi- sion hätte in diesem Punkt keine Aussicht auf Erfolg.
Zu prüfen ist sodann, ob die oben unter c) erörterten Beweiswürdigungsfehler revisibel sind.
Das Landgericht zieht oben erwähntre naheliegende Wertungsmöglichkeiten nicht in Betracht. Zwar sind diese Wertungen nicht zwingend. Ein Abweichen des Tat- gerichts von anderen naheliegenden Wertungsmöglichkeiten bedarf jedoch einge- hender Erörterung durch das Gericht101. Eine solche Erörterung durch die Kam- mer fehlt jedoch.
Ebenso setzt sich das Landgericht nicht näher mit den als wahr unterstellten Tatsachen auseinander und geht ebenfalls nicht auf weitere naheliegende Wertungsmöglichkeiten ein.
Des weiteren ergeben sich zwischen der Würdigung der Einlassung des Angeklagten und des Zeugen Epting Widersprüche.
Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist daher insoweit lückenhaft und widersprüchlich.
Eine tragfähige Urteilsgrundlage bildet die Beweiswürdigung jedoch nur dann, wenn zu erkennen ist, daß die gezogenen Schlußfolgerungen nicht nur Annahmen oder Vermutungen darstellen, die nicht mehr als einen Verdacht begründen102. Die gezogenen Schlüsse fallen zum Nachteil des Angeklagten aus. Bei fehlerfreier Beweiswürdigung hätten sich jedoch Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Belas- tungszeugen Conradsen ergeben können. Das Gericht unterstellt aufgrund der Aussage des Zeugen Epting lediglich, daß Conradsen den Angeklagten an das Hemd griff, dieser behauptet jedoch von Conradsen mit einem Ruck in den Wagen gerissen worden zu sein. Unter Berücksichtigung möglicher Zweifel an der Glaub- würdigkeit des Conradsen, wären die Angaben des Angeklagten zu dem Angriff des Conradsen auf ihn möglicherweise anders gewertet worden. Da diese jedoch das Geschehen betrafen, welches für die Feststellungen der Voraussetzungen der Notwehr relevant war, ist es möglich daß das Urteil auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht. Die unter c) geäußerten Bedenken können mit Aussicht auf Erfolg gem. § 337, 261 mit der Revision gerügt werden.
2. Beweiswürdigung der Aussagen des Zeugen Conradsen
Bedenken aus § 261 könnten dagegen bestehen, daß das Landgericht die Aussa- gen des Zeugen Conradsen trotz Unrichtigkeiten im Kerngeschehen für gla ubwür- dig hält.
Enthält die Aussage des einzigen Belastungszeugen eine Unrichtigkeit der Bekun- dung des Zeugen zum Kerngeschehen, beeinträchtigt dies die Zuverlässigkeit des Zeugen insgesamt103. In solchen Fällen müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, das der Tatrichter alle Umstände. welche die Entscheidung zugunsten des einen oder anderen zu beeinflussen geeignet sind erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat104. Der Motivlage des Zeugen kommt dabei u.a. Bedeutung zu105, relativiert sich jedoch soweit zwischen Angeklagtem und Zeugen keine neutrale Beziehung besteht106. Kriterium für die Glaubwürdigkeit bildet sodann u.a.die Tat- sache, das der Zeuge dennoch auch ihn belastende Vorgänge nicht unterdrückt107, die Aussage innere und aüßere Homogenität aufweist108 und der Zeuge ien aufgeschlossenens zugewandtes Aussageverhalten aufweist109.
Die Frage des dem Faustschlag des Angeklagten vorausgegangenen Handeln des Conradsen betrifft das Kerngeschehen des gesamten Vorgangs. Conradsen be- streitet einen vorangegangenen Angriff auf den Angeklagten. Aufgrund der Zeu- genaussage des Epting vermag das Gericht ihm in diesem Punkt jedoch nicht zu folgen. Damit ist seine Glaubwürdigkeit insgesamt jedoch zweifelhaft. Denkfehle r- haft ist die Beweiswürdigung, wenn das Gericht bei der Erörterung der Glaubwür- digkeit eines Zeugen sich auf Umstände stützt, die es der Aussage selbst entnimmt oder die ihre Richtigkeit voraussetzen110. Die Kammer stützt sich bei der Erörte- rung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Conradsen. zunächst auf die zweifelhafte Aussage selbst, erörtert jedoch auch das Aussageverhalten des Conradsen sowie die Homogenität seiner Aussage, indem sie anführt, Conradsen habe einen durch- aus einleuchtenden Geschehenablauf bekundet, ohne sich in Widersprüche zu verwickeln. Weiteres bestimmendes Kriterium war das klare und bestimmtre Aus- sageverhalten des Zeugen sowie seine Motivlage. Indem die Kammer diese Punk- te erörtert und sodann in Beziehung zu anderen Aussagen setzt läßt sie erkennen, daß sie sich der Problematik der Unrichtigkeit von Teilen der Aussage des Con- radsen bewußt war und hat diese im Zusammenhang mit anderen Umständen erörtert. Dem Beweiswürdigungsvorgang begegnen daher insoweit rechtlich keine Bedenken.
3. Beweiswürdigung der Aussage des Zeugen Epting
Bedenken aus § 261 könnten dagegen bestehen, daß das Landgereicht die Einla s- sung des nach einem Jahr aufgetauchten Zeugen Epting, trotz grundsätzlicher Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit verwertet.
Die Überzeugungsbildung des Gerichts muß auf rationalen intersubjektiv vermittel- baren und einsichtigen Gründen fußen. Bei vorhandenen Zweifeln am Vorliegen einer bestimmten Sachverhaltsgestaltung ist der dem Angeklagten günstigere Sachverhalt zu unterstellen111 Nach ständiger Rechtsprechung können jedoch bloß „abtrakte“, „theoretische“ und „unvernünftige“ Zweifel, für die es keine rationale Grundlage gibt und übertriebene Anforderungen an die vom Tatgericht zu erla n- gende Gewißheit das für die Verurteilung „nach Lebenserfahrung ausreichende Maß an Sicherheit“ nicht in Frage stellen112.
Fraglich ist, ob wissenschaftliche Erkenntnisse der Aussagepsychologie solche vernünftigen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen Epting wecken können, daß das für eine Verwerfung seiner Aussage und damit für eine Verurteilung auf- grund der Einlassungen des Conradsen notwendige Maß an Sicherheit gegeben ist.
Von Menschen gemachte Wahrnehmungen unterliegen psychologischen Grenzen, die kumulativ mit Beeinflussungen der Erinnerung und Problemen der Wiedergabe des Erlebten sich auf die vom Zeugen gemachten Angaben auswirken113. Schnell ablaufende, komplexe Ereignisse werden oft nur bruchstückhaft wahrge- nommen und später zu einem sinnvollen Ganzen ergänzt114. Was überhaupt wahr- genommen wird, hängt vom persönlichen Interesse ab. Interessante Vorgänge werden deutlich aufmerksamer und eindringlicher wahrgenommen als belanglo- se115. Dabei liefern Vorgänge, die ohne zu starke Affektbeteiligung beobachtet werden relativ günstige Ergebnisse bei der Wiedergabe; die Angaben sind wenigs- tens in den großen Umrissen und Hauptmomenten überwiegend richtig116. Eine neutral emotionale Einstellung des Zeugen zu den Tatbeteiligten läßt zudem eher auf die Objektivität seiner Aussage schließen117.
Die Wiedergabefähigkeit hängt vom Maßstab der Erinnerungsfähigkeit ab. Expe- rimental-psychologische Untersuchungen haben ergeben, daß der Gedächtnisabfall schon in den ersten Stunden nach einer Wahrnehmung außergewöhnlich schnell erfolgt, sich jedoch nach Ablauf des ersten Tages stark verlangsamt und nach einer Woche noch mit ca. 10% Wiedergabefähigkeit gerechnet werden kann118. Einfluß auf den Grad des Vergessens hat jedoch auch, ob der Vorgang subjektiv als bedeutend empfunden wurde und damit eher als nebensächliches im Gedächt- nis verbleibt119. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit wurden von der Aussage- psychologie eine Vielzahl von Merkmalen wie Vorgeschichte der Aussage, Kon- stanz, Detaillreichtum und Homogenität entwickelt120.
Zwischen dem beobachteten Ereignis und seiner Wiedergabe durch den Zeugen Epting liegt ca. 1 Jahr. Grundsätzlich könnte daher nur mit einem sehr einge- schränkten Wiedergabevermögen gerechnet werden. Die Beobachtung eines sol- chen Vorfalls fällt jedoch aus dem normal Erlebten heraus. Hat der Zeuge den Vorfall daher beim Passieren des Pkw des Conradsen beobachtet, so wird dies für ihn vermutlich von besonderem Interesse gewesen sein. Es ist daher für Epting nicht die Wahrnehmung von nebensächlichem Randgeschehen sondern von einem anormalen, außergewöhlichen Vorfall gewesen. Daher ist auch nach einem Jahr nicht auszuschließen, daß ein für die Wie dergabe der großen Umrisse und von Hauptmomenten notwendiges Maß an Wiedergabefähigkeit vorhanden ist. Da Epting keine emotionale Nähe zu Tatgeschehen und Beteiligten hat, ist ihm ein hohes Maß an Objektivität zu unterstellen.
Demnach sprechen vernünftige Gründe dafür, daß Epting den Vorgang beobachtet hat und in seinem Kern auch wiedergeben kann. Die von der Aussagepsychologie können anhand der Urteilsgründe nicht zur Überprüfung herangezogen werden, da es dazu eines persönlichen Eindrucks des Zeugen bedarf. Das Gericht hat sich jedoch erkennbar mit diesen Kriterien auseinandergesetzt. Gegen die Verwertung der Aussage des Zeugen Epting bestehen daher keine Bedenken.
4. Die Rechtswidrigkeit der Handlung des Angeklagten
Das Landgericht wertet den Schlag des Angeklagten gegen Conradsen als rechtswidrig und verneint ein Handeln in Notwehr, da Conradsens Griff an das Hemd des Angeklaghten seinerseits durch § 127 I gedeckt war. Dagegen könnten zunächst Bedenken aus § 127 I bestehen.
Der Rechtfertigungsgrund der Notwehr setzt voraus, daß eine Notwehrlage vorliegt, zu der es eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs auf den Täter oder einen anderen bedarf.
Die Handlung des Conradsen könnte eine Nötigung gem § 240 StGB sein. Dazu müßte Conradsen den Angeklagten mit Gewalt zu einem Handeln, Dulden oder Unterlassen genötigt haben. Conradsen hat den Angeklagten durch einen Griff an das Hemd angegriffen. Dadurch wurde der Angeklagte mit Gewalt daran gehin- dert seinen derzeitigen Aufenthaltsort neben dem Auto zuverlassen. Die Handlung des Conradsen war dafür kausal. Tatbestandsmäßig hat Conradsen den Angekla g- ten mit Gewalt genötigt.
4.1 Festnahmerecht des Conradsen gem § 127 I
Fraglich ist jedoch, ob dieser Angriff rechtswidrig war. Das wäre der Fall, wenn Conradsen keinen Rechtfertigungsgrund gehabt hätte. Ein Rechtfertigungsgrund könnte sich aus § 127 I ergeben.
Voraussetzung dafür wäre zunächst, daß Conradsen den Angeklagten auf frischer Tat betroffen hat. Tat i.S.d. § 127 ist jedes Verhalten, daß strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen kann. Es muß sich um eine Straftat oder zumindest rechtswidrige Tat handeln121.
Benz könnte durch das Spucken an die Seitenscheibe des Pkw des Conradsen eine strafbare Beleidigung gem § 185 StGB begangen haben. Erforderlich für die Beleidigung ist eine Äußerung von Mißachtung oder Nichtachtung in dem spezifi- schen Sinn, daß dadurch dem Betroffenen der sittliche, personale oder soziale Geltungswert ganz oder teilweise abgesprochen wird122. Die Tat kann durch Ver- baläußerungen ebenso wie durch Kundgabe von Schrift, Bild, Gesten oder symbo- lischen Handlungen begangen werden, wobei dann deren objektiver gedanklicher Kern zu ermitteln ist123.
Der Angeklagte spuckte gegen die Seitenscheibe des Pkw. Conradsen war daher zwar nicht körperlich betroffen; das Spucken erfolgte jedoch in Richtung seiner Person und war objektiv dazu gedacht, ihm gegenüber Mißachtung zu äußern, da das Anspucken, ob direkt oder mittelbar, allgemein als Symbol der Mißachtung verstanden wird, durch welches dem Betroffenen der personelle Geltungswert abgesprochen werden soll.
Die weitere Voraussetzung des § 127 I, das Vorliegen von Fluchtgefahr, lag vor, da Conradsen aus dem Umstand, daß der Angeklagte schon an der vorherigen Kreuzung vor ihm weiterfuhr schließen durfte, daß er sich einer Identitätsfeststel- lung entziehen würde.
Zu prüfen ist, ob das Festhalten des Angeklagten durch Conradsen verhältnismäßig i.S.d. § 127 war.
Das Festnahmerecht rechtfertigt den Entzug der persönlichen Freiheit. Körperli- che Eingriffe sind nur insoweit zulässig, als sie mit dem Festnahmevorgang unmit- telbar verbunden sind. Ein festes schmerzhaftes Zugreifen ist von § 127 ge- deckt124.
Die Festnahme darf zu dem angestrebten Erfolg, zur Bedeutung der Sache und einer zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung nicht außer Verhältnis stehen125.
Strittig ist, inwieweit sich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einschränkend auf das Festnahmerecht auswirkt.
Nach der wohl h.M. und Rechtsprechung ist wegen der begrenzeten Beurtei- lungsmöglichkeit des Privaten bei seiner „Augenblicksentscheidung“ das Festnah- merecht nur bei offensichtlichem Mißverhältnis ausgeschlossen126. Wenn der Staat den Strafverfolgungsanspruch so hoch einschätze, daß er selbst Privaten quasi-polizeiliche Befugnisse zur Wahrung der Rechtsordnung einräume, dann dürfe dem Privaten nicht das Risiko eines etwaigen Mißverhältnisses zwischen Festnahme und Bedeutung der Sache und damit dem eventuellen Nichtvorliegen der Festnahmeberechtigung aufgebürdet werden. Das liefe auf den Rat hinaus, das Festnahmerecht vorsichtshalber nie auszuüben127.
Die Gegenmeinung zieht die schwierige Verhältnismäßigkeitsabwägung für den Privaten zur Begründung dafür heran, daß dieser das Festnahmerecht nur bei be- sonders schweren Verstößen, bei denen die Angemessenheit der Verhaftung auf der Hand liegt ausüben könne128. Naucke schließt aus dem Verweis des § 127 II auf den § 112, daß eine Verhaftung bei einer im konkreten Fall nicht schwerwie- genden Tat überhaupt nicht vorgenommen werden dürfe. Aufgrund der besonde- ren Beziehung der beiden Normen zueinander gelten diese Voraussetzungen nach Naucke jedoch auch für § 127 I, so daß schon bei der Frage des „Ob“ der Fest- nahme zu beachten sei, daß dies bei nicht schwerwiegenden Delikten nicht in Be- tracht komme129.
Der h.M. ist nicht zu folgen. Zwar hat der Gesetzgeber dem Privaten aus Gründen der Sicherung des staatlichen Strafverfolgungsanspruches mit § 127 I quasi- polizeiliche Befugnisse verliehen. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, das dies ausnahmslos für alle Delikte unabhängig von der Schwere ihrer Begehung gelten soll. Im Bereich der Privatklagedelikte hat sich der Staat sein Strafverfol- gungsmonopol gerade nicht uneingeschränkt vorbehalten, da dort nach den Bela n- gen des Verletzten die Rechtsgemeinschaft nur sekundär betroffen ist. Den Be- langen des Verletzten ist jedoch das Interesse des, möglicherweise unschuldig von der Festnahme Betroffenen entgegenzuhalten und in Beziehung zu einer zu erwar- tenden Sanktion zu setzen. In Bagatellfällen können daher die Interessen des Ver- letzten gegenüber der persönlichen Beeinträchtigung eines möglicherweise den- noch Unschuldigen durch die Festnahme und der damit nach außen hin sichtbaren Verdächtigung nicht überwiegen.
Die durch den Angeklagten Conradsen gegenüber ausgedrückte Beleidigung stellt ein Bagatelldelikt dar. Das Ergreifen des Angeklagten durch Conradsen war daher unverhältnismäßig und nicht durch ein Festnahmerecht gem § 127 gerechtfertigt.
4.2 Erforderlichkeit der Verteidigung
Bedenken aus § 32 StGB könnten sich Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe die Grenzen des Notwehrrechts überschritten ergeben.
Zu prüfen ist, ob der Schlag, den der Angeklagte gegen Conradsen führte, in der gegebenen Notwehrlage die erforderliche Verteidigung war.
Erforderlich ist die Verteidigung, wenn und soweit sie einerseits zur Abwehr des Angriffs geeignet ist und andererseits das relativ mildeste Gegenmittel darstellt.
Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach einem objektiven ex-ante Urteil auf der Grundlage der im Zeitpunkt der Handlung tatsächlich gegeben ist130. Fraglich ist, ob der Faustschlag das relativ mildeste Mittel war. Maßgebend für die Bestimmung des relativ mildesten Gegenmittels sind die Stärke und Gefährlichkeit des Angriffs einerseits, die dem Angegriffenen zur Verfügung stehenden Verteidigungsmittel und -möglichkeiten und ihre Erfolgsaussichten an- dererseits131. Hat der Täter seinerseits den Angriff provoziert, so muß er dem Angriff zunächst ausweichen und darf erst zur Trutzwehr übergehen, wenn er alle Möglichkeiten der Schutzwehr ausgenutzt hat132.
Das Festhalten des Angeklagten durch Conradsen stellte eine Nötigung dar, die jedoch in ihrer Intensität im Bereich einer Bagatelle blieb und vom Angeklagten als lediglich sehr kurzfristig andauernde erkannt werden konnte. Aufgrund der einge- schränkten Möglichkeiten des Conradsen aus dem Auto heraus zu agieren, hätte dieser Angriff nach objektiver ex-ante Betrachtung schon durch einfaches Aus- weichen beendet werden können. Der Angeklagte hat Conradsen durch das Spu- cken an die Scheibe zu diesem Angriff provoziert. Daher hätte der Angeklagte zunöchst Schutzwehr z.B. in Form von Ausweichen üben müssen, bevor er seiner- seits zur Trutzwehr überging.
Der vom Angeklagten ausgeführte Faustschlag war daher nicht die erforderliche Verteidigung, so daß die Beurteilung des Landgerichts in diesem Punkt keinen Bedenken begegnet.
4.3 Irrtum
Bedenken aus §§ 32, 17 StGB könnten dagegen bestehen, daß das Landgericht das Vorliegen eines Irrtums beim Angeklagten verneint.
Der Irrtum über die rechtlichen Grenzen der Notwehr ist ein Verbotsirrtum gem. § 17 StGB, so wenn der Täter jede beliebige Verteidigung für zulässig hält oder Einschränkungen des Notwehrrechts nicht kennt133.
Vorliegend hat der Angeklagte sich dahingehend eingelassen, daß er in Notwehr gehandelt habe. Das Landgericht stellt jedoch lediglich fest, das dies nicht so sei. Das Gericht hat bei seiner Überzeugungsbildung alle verfügbaren Beweismittel und Beweisanzeichen auszuschöpfen und notwendig alle für und gegen die Annahme eines Rechtfertigungsgrundes sprechenden, tatsächlichen Umstände einzeln zu erörtern und rechtsfehlerfrei zu würdigen134.
Nicht ersichtlich ist, welche Feststellungen das Landgericht getroffen hat, die ei- nen Irrtum des Angeklagten ausschlössen oder welche der festgestellten Tatsa- chen es zur Begründung der Verneinung einer Irrtumslage beim Angeklagten he- rangezogen hat. Insofern fehlt es an einer ausreichend dargelegten Tatsachen- grundlage, um rational nachvollziehbar davon ausgehen zu können, der Angeklagte habe sich nicht gem. § 32, 17 StGB über die Grenzen der Verteidigungshandlung im Irrtum befunden. Die Beweiswürdigung ist daher lückenhaft sein.
4.4 Revisibilität
Fraglich ist, ob die fehlerhafte Anwendung des sachlichen Rechts mit Aussicht auf Erfolg mit der Revision gerügt werden kann.
Das Landgericht nimmt rechtsfehlerhaft an, Conradsens Angriff sei durch ein Festnahmerecht gem. § 127 I gerechtfertigt. Das Urteil müsste auf diesem Fehler beruhen. Das Landgericht prüft alternativ das Vorliegen der Voraussetzungen eines Handelns in Notwehr, wobei es den Faustschlag des Angeklagten nicht mehr als erforderliche Verteidigung ansieht. In der Begründung der Strafzumessung geht die Kammer sodann davon aus, daß Conradsen für den Angriff des Ange- klagten einen Anlaß gesetzt habe. Ein durch § 127 I gerechtfertigter Angriff Con- radsens ist erkennbar nicht mehr bestimmender Faktor für die Strafzumessungs- erwägungen. Es kann daher ausgeschlossen werden, daß das Urteil auf der feh- lerhaften Anwendung des § 127 I durch das Landgericht beruht.
Für die Annahme, der Angeklagte habe sich nicht im Irrtum über die Grenzen des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr befunden, fehlt es an der ausreichenden Tatsachengrundlage. Fraglich ist jedoch, inwieweit die Urteilsgründe den Gang der Überzeugungsbildung des Gerichtes wiedergeben müssen.
Die zwingende Forderung des § 267 I nach Angabe derjenigen für erwiesen er- achteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, ist von den Revisionsgerichten dahingehend konkretisiert worden, daß das Revisionsgericht alle Tatsachen so genau kennen muß, daß es die Subsumtion des Tatgerichts zweifelsfrei nachvollziehen kann135. Die Anforderungen an die Vollständigkeit der Urteilsfeststellungen dürfen nicht überspannt werden136. Äußere Tatsachen, von denen der Tatrichter auf innere Tatsachen geschlossen hat, brauchen nicht mitgeteilt zu werden. Innere Tatsachen, von denen der Tatrichter überzeugt ist, binden das Revisionsgericht.137. Innere Tatsachen, die sich nicht von selbst verstehen, müssen jedoch dargelegt werden138.
Über die Reaktion von Menschen auf einen Angriff, lassen sich keine allgemeinen Erfahrungssätze aufstellen. Insoweit bedarf betrifft der vorliegende Sachverhalt keine Situation, bei der sich ein Irrtum über die Rechtfertigung eigenen Tuns quasi von selbst ergibt. Zudem ist der Irrtum ein Rechtsbegriff, keine bindend feststell- bare Tatsache wie z.B. das Wissen. Das Landgericht hätte daher hier genauer darlegen müssen, welche Tatsachen die Verneinung des Vorliegens eines Irrtums beim Angeklagten begründen. Aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist dies ebenfalls nicht ersichtlich, da es hier um einen Bereich des Tatgeschehens geht der von dem Belastungszeugen Conradsen, dem das Gericht in diesem Punkt nicht folgt anders dargestellt wird als vom Angeklagten. Die die Ablehnung des Vorlie- gens eines Irrtums begründenden Tatsachen hätten daher angegeben und der Ü- berprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich gemacht werden müssen.
Das Urteil müsste auf dem Verstoß beruhen. Die Annahme eines Verbotsirrtums ließe die Rechtswidrigkeit des Faustschlages des Angeklagten entfallen, bzw. ließe bei der Annahme eines vermeidbaren Verbotsirrtums die Bestrafung lediglich we- gen fahrlässiger Körperverletzung zu139. Das Urteil beruht daher auf dem Geset- zesverstoß.
Neben der Rüge der lückenhaften Beweiswürdigung bei der Anwendung der §§ 32, 17 StGB ist eine Darstellungsrüge gem. § 267 begründet und hätte Aussicht auf Erfolg.
II) Strafausspruch
1. Berücksichtigng der Vorstrafe
Die Kammer berücksichtigt die Strafe aus der Verurteilung vom 27.7.73 straf- schärfend. Dagegen könnten Bedenken aus § 46 I StGB bestehen. Gem. § 46 I BZRG wäre die Verurteilung vom 27.7.73 im Juli 1978 tilgungsreif geworden. Da im Register jedoch noch eine weitere Verurteilung aus dem Jahr 1978 eingetragen ist, für die die Voraussetzungen der Tilgung gem. § 46 I BZRG noch nicht vorliegen, ist auch für die anderen Vorstrafen gem. § 47 III BZRG die Tilgung noch nicht zulässig. Es bestehen daher zunächst keine Bedenken, daß die Vorstrafen überhaupt berücksichtigt wurden.
Grundlage der Strafzumessung ist die persönliche Schuld des Täters. Aus früheren Verfahren können Schlüsse auf das Ausmaß der Schuld bei der jetzt zu beurtei- lenden Tatbestandsverwirklichung gezogen werden, wenn der Täter sich bei seiner neuen Tat über die mit früheren Verurteilungen gesetzten Warnungen und Hemm- schwellen hinwegsetzt und deshalb mit vermehrter krimineller Energie und damit erhöhter Schuld handelt140. Der Schuldgehalt der neuen Tat wird demnach durch die Vorbelastung mitgeprägt141. Voraussetzung ist stets, daß das frühere Verfah- ren nach Gegenstand und zeitlichem Abstand einen Warneffekt haben konnte142. Bei einem sehr großen zeitlichen Abstand zwischen Vorstrafe und neuer Tat rechtfertigen frühere Taten geringerer oder mittlerer Schwere allenfalls dann eine Strafschärfung, wenn besondere Umstände vorliegen, etwa solche, die besorgen lassen, daß der Angeklagte zu eingeübter strafbarer Betätigung zurückgekehrt ist143.
Die Vorstrafe des Angeklagten liegt mehr als 7 Jahre zurück. Sie betrifft ein De- likt, welches der Art des zur Aburteilung stehenden entspricht. Zwar liegt die Vor- strafe lange zurück, sie betrifft jedoch einen Vorgang der geeignet ist, Schlüsse auf das Konfliktverhalten des Angeklagten und mithin auch auf das Maß seiner Schuld im konkreten Fall zu ziehen. Die der damaligen Verurteilung zugrunde lie- genden Sachverhaltsfeststellungen sind vorliegend von der Kammer dargelegt und berücksichtigt worden. Zwar kann das Maß der Berücksichtigung dieser Vorstra- fe aufgrund des relativ großen zeitlichen Abstandes keine allein ausschlaggebende Bedeutung erlangen. Jedoch ist auch nach Ablauf von sieben Jahren ein von die- ser Verurteilung ausgehender Warneffekt nicht zu verneinen, so daß die Vorstrafe ein mitbestimmender Strafzumessungsfaktor ist. Ihre Berücksichtigung im konkre- ten Fall begegnet keinen Bedenken.
2. Notwendige Selbstbeherrschung
Das Landgericht berücksichtigt strafschärfend, daß es dem Angeklagten an der für einen Vorgesetzten notwendigen Selbstbeherrschung fehle. Dagegen könnten Bedenken aus § 46 II StGB bestehen.
2.1 Bedenken aus § 46 II StGB
Die strafzumessungsrelevanten Umstände des § 46 II StGB enthalten u.a. auch solche, die außerhalb des eigentlichen Tatbereichs liegen. Nach h.M. sind für die Schuld des Täters nicht nur die auf die Tat bezogenen Persönlichkeitsmerkmale, sondern auch das tatrelevante Vor- und Nachtatverhalten bedeutsam144. Da die Tat als Bewertungsobjekt keine isolierte Erscheinung im Leben des Täters sein kann, sondern in seine gesamte Lebensführung eingebettet ist, ist es legitim auch außerhalb des Tatbereichs liegende Umstände zu berücksichtigen, soweit sie Maßstäbe für den Schuldumfang setzen.
Negative Umstände der allgemeinen Lebensführung, die für sich genommen ohne strafrechtliche Bedeutung sind lassen nur dann einen Schluß auf eine höhere Tatschuld zu, wenn eine enge Beziehung zur abzuurteilenden Tat besteht145. Ebenso kann die berufliche Stellung eines Täters nur dann zu seinen Lasten berücksichtigt werden, wenn zwischen dem Beruf und der Straftat eine innere Beziehung besteht146. Ein allgemeiner Grundsatz, daß der Vorgesetzte kraft höherer Verantwortung härter zu bestrafen sei, besteht nicht147.
Die abzuurteilende Tat betraf eine Konfliktsituation im Straßenverkehr. Der künf- tige Beruf des Angeklagten steht in keiner ersichtlichen Beziehung zur Tat, da diese einen zwischenmenschlichen Konflikt, keine Auseinandersetzung im Über- Untergeordnetenverhältnis betraf. Die Tatsache, daß der Angeklagte möglicherweise einmal in der Rolle eines Vorgesetzten tätig sein wird, begründet keine besonderen Pflichten für ihn aus denen sich eine höhere Vorwerfbarkeit und mithin ein Strafschärfungsgrund begründen ließe. Das Landgericht hat daher gegen § 46 II StGB verstoßen.
2.2 Revisibilität
Zu prüfen ist, ob der Verstoß mit Aussicht auf Erfolg mit der Revision gerügt wer- den kann.
Die Überprüfung des Strafmaßes durch das Revisionsgericht ist eine Kontrolle der Vertretbarkeit eines bestimmten Strafausspruches keine Überprüfung einer abso- luten Richtigkeit148. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, da nur er in der Lage ist, sich auf Grund der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von Tat und Täterpersönlichkeit zu verschaffen. Das Revisionsgericht greift jedoch ein, wenn der Tatrichter einen falschen Strafrahmen wählt oder die ihm nach § 46 obliegende Pflicht zur Abwägung aller für und gegen den Täter sprechenden Umstände verletzt, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich rechtsfehlerhaft sind oder wenn die Strafe nicht mehr innerhalb des Spielraums liegt, der dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumt ist149.
Die Kammer hat die zukünftige Vorgesetztenstellung des Angeklagten rechtsfehlerhaft strafschärfend gewertet und somit fehlerhafte Strafzumessungserwägungen angestellt. Da dies die Höhe der Strafe für den Angeklagten negativ beeinflusst hat, beruht das Urteil auf dem Gesetzesverstoß. Die Revision hätte mit der Sachrüge gem. §§ 337 StPO, 46 II StGB Aussicht auf Erfolg.
3. Generalprävention
Die Kammer verneint die Voraussetzungen des § 47 StGB, hält jedoch die Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte für zulässig. Dagegen könnten Bedenken aus § 46 StGB bestehen.
3.1 Bedenken aus § 46 III StGB
Nach Auffassung des Gerichts sind Taten wie die des Angeklagten durch die Rechtsordnung nicht hinnehmbar. Das Gericht begründet den Einsatz generalpräventiver Elemente somit mit dem in § 47 StGB normierten Entscheidungskriterium der „Verteidigung der Rechtsordnung“. Nach h.M. handelt es sich dabei um eine Ausprägung positiver Generalprävention150.
Fraglich ist, inwieweit sic h der Aspekt der Erhaltung und Bestärkung der Rechts- treue der Bevölkerung strafschärfend auf die Strafzumessung im Einzelfall aus- wirken kann.
Das Gebot sinn- und maßvollen Stzrafens setzt zunächst voraus, daß generalprä- ventive Aspekte innerhalb der Strafzumessung eine Auswirkung auf den Zweck, der Normtreue der Bevölkerung, haben. Dies ist bisher empirisch nicht bestätigt worden151. Es wird vielmehr außerstrafrechtlichen Variablen, insbesondere sol- cher im sozialen Nahraum, eine konformitätsstützende Wirkung zugeschrieben152. Strafe als Akt der Übelszufügung bekräftige zwar die Verbotsnorm, liefere aber keine inhaltlichen Argumente für den Sinn der Norm153. So sei bei Jugendlichen eher ein kontraproduktiver Effekt des Strafens zu beobachten, der sich durch ne- gative Erfahrungen mit der Justiz und einer als ungerecht empfundenen zu harten Bestrafung erkläre154.
Diese Zweifel an der Wirkungsweise der Generalprävention haben im überwie- genden Teil des Schrifttums zu der Auffassung geführt, Aspekte der negativen Generalprävention, der Abschreckung potentieller Rechtsbrecher, aus dem Straf- zumessungsvorgang auszuklammern155 und nur die im Konzept der Verteidigung der Rechtsordnung enthaltene positive Generalprävention zur rationalen Korrektur der Strafzumessung zuzulassen, um im allgemeinen Bewußtsein unterbewertete Normen mittels Ausschöpfung des Schuldrahmens nach oben hin aufzuwerten.
Ein Teil des Schrifttums lehnt die Berücksichtigung der Generalprävention im konkreten Strafzumessungsvorgang ganz ab, da die Generalprävention der Institution der Strafe schon als Ziel zugrunde liege156.
Die Rechtsprechung hält die Einbeziehung generalpräventiver Aspekte in den Strafzumessungsvorgang für zulässig, jedoch nur, wenn solche Umstände heran- gezogen werden, die außerhalb der bei Aufstellung eines bestimten Strafrahmens vom Gesetzgeber bereits berücksichtigten allgemeinen Abschreckung liegen. Die- se Voraussetzungen seien gegeben, wenn sich eine gemeinschaftsgefährliche Zu- nahme solcher oder ähnlicher Straftaten, wie sie zur Aburteilung stehen, feststellen läßt157.
Der Auffassung von Rechtsprechung und herrschender Lehre ist nicht zu folgen. Ergebnisse der Generalpräventionsforschung haben keine Auswirkungen des Stra- fens auf die Normakzeptanz in der Bevölkerung nachweisen können. Allgemein wird anderen Sozialisationsinstanzen, vornehmlich im sozialen Nahraum, eine weit- aus größere Wirkung bei der Normverinnerlichung zugeschrieben158. Der Straf- zweck der Generalprävention kann daher seine Berechtigung nur aus der Erwar- tung der Rechtsgemeinschaft, auf abweichendes Verhalten von Seiten des Staates zu reagieren finden. Damit ist jedoch gesagt, daß die Generalprävention der Insti- tution der Strafe an sich zugrunde liegt und der Richter lediglich die generalpräven- tive Wertung des Gesetzgebers bei der Rechtsanwendung übernimmt. Die Errei- chung des Effekts der Stärkung der Rechtstreue der Bevölkerung durch general- präventive Strafschärfung im Einzelfall würde voraussetzen, daß die Mehrzahl der Strafurteile publik würde und so in das Bewußtsein der Allgemeinheit gelangt. Dem ist jedoch nicht so. Die Veröffentlichung von Strafurteilen durch die Medien erfolgt selektiv unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Umsatzaspekte.
Des weiteren ergeben sich Bedenken aus der Gegensätzlichkeit der Strafzwecke General- und Spezialprävention. Generalpräventive Strafschärfung läuft durch ihre größere Stigmatisierung dem spezialpräventiven Gedanken der Resozialisierung zuwieder. Die Berücksichtigung beider Zwecke liefe auf einen Strafzweckkompromiß hinaus, der dem Einzelfall nicht gerecht würde.
Strafschärfung aufgrund generalpräventiver Gesichtspunkte hat daher im konkre- ten Einzelfall zu unterbleiben und wäre auch im Fall örtlich gehäuft auftretender gleichartiger Deliktsbegehung eine unzulässige Doppelverwertung. Die Berück- sichtigung generalpräventiver Elemente in § 47 durch die Verwendung des Beg- riffs „Verteidigung der Rechtsordnung“ ist lediglich eine Entscheidungsregel bei der Wahl der Strafart.
Die vom Landgericht vorgenommene Wertung verstößt daher gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 II StGB.
3.2 Revisibilität
Zu prüfen ist, ob der Verstoß gegen § 46 III StGB mit Aussicht auf Erfolg mit der Revision gerügt werden kann.
Dazu müßte das Urteil gem. § 337 I auf dem Verstoß beruhen.
Das Landgericht hat die Aspekte der Generalprävention strafschärfend berücksichtigt. Es ist daher wahrscheinlich, daß das Strafmaß dadurch höher ausfiel. Das Urteil beruht daher auf dem Verstoß. Die Sachrüge gem. §§ 337 StPO, 46 III StGB hätte Aussicht auf Erfolg.
Die Rechtsprechung läßt die Eineziehung generalpräventiver Elemente zwar zu, stellt aber dabei insbesondere die Anforderung, daß Straftataen der zur Aburtei- lung stehenden Art in gemeinschaftsgefährdender Weise zugenommen haben. Dies sei durch statistisches Material zu belegen159. Auch dies hat die Kammer vorliegend nicht getan, so daß eine Nichtberücksichtigung der von der Rechtspre- chung aufgestellten Grundsätze anzunehmen ist. Auch nach Auffassung der Rechtsprechung hätte die Revision daher gem. §§ 337 StPO, 46 III StGB Aus- sicht auf Erfolg.
4. Tatfolgen
Bedenken könnten dagegen bestehen, daß das Landgericht die besonderen Folgen der Tat schärfend berücksichtigt.
Strittig ist insoweit die strafschärfende Verwertung außertatbestandlicher Folgen. Einigkeit herrscht jedoch darin, daß dort, wo die Strafvorschrift ihrem Schutz- zweck nach der Verhinderung, Beseitigung oder Entschädigung eines im Tatbe- stand nicht genannten Schadens dient, dessen Höhe verwertbar ist160. Die zeitweise Erwerbsunfähigkeit nach einer Körperverletzung ist außertat- bestandliche Folge der Körperverletzung. Sie ergibt sich notwendig in der Regel schon dort, wo die Körperverletzung eine ärztliche Heilbehandlung erforderlich macht.
Nicht zu entscheiden ist die ebenso strittige Frage, ob für die Zurechnung außer- tatbestandlicher Folgen dem Täter Vorsatz oder Fahrlässigkeit bezüglich dieser Folgen nachzuweisen ist161, da das Landgericht hier zumindest Vorsatz in Form des dolus eventualis annimmt.
Das auf einen Faustschlag ins Gesicht eine ärztliche Heilbehandlung und mögli- cherweise auch Arbeitsunfähigkeit von gewisser Dauer folgt, entspricht der allge- meinen Lebenserfahrung. Die bei Conradsen eingetrtenen Folgen sind daher re- gelmäßige Folge einer Körperverletzung und werden vom Schutzbereich der Norm tangiert. Der nach den Feststellungen der Kammer vorliegende dolus eventualis des Angeklagten bezüglich dieser Folgen läßt eine Verwertung zur Konkretisie- rung des Erfolgsunrechts zu.
5. Berücksichtigung der geringen Unfallfolgen
Strafmildernd berücksichtigt die Kammer, daß der Pkw des Conradsen durch das Zurückrollen des Pkw des Angeklagten nicht sichtbar beschädigt wurde. Dagegen könnten Bedenken aus § 46 II StGB bestehen.
5.1 Bedenken aus § 46 II
Die Berücksichtigung von außerhalb des Tatbereichs liegenden Faktoren und Um- ständen ist grundsätzlich zulässig, da die Tat als Bewertungsobjekt keine isolierte Erscheinung im Leben des Täters darstellt, sondern in seine gesamte Lebensfüh- rung eingebettet ist162. Grundlage der Strafzumessung sind die Bedeutung der Tat für die verletzte Rechtsordnung und der Grad der in ihr zutage getretenen persön- lichen Schuld. Das außerhalb der Tatausführung liegende Verhalten und die Lebensführung des Angeklagten dürfen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie mit der Straftat zusammenhängen, also z.B. Schlüsse auf ihren Unrechtsgehalt zulassen oder Einblick in die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat gewäh- ren163.
Die Kammer führt in Abschnitt V der Urteilsbegründung aus, daß die Kollision der Pkw und die körperliche Auseinandersetzung in getrennten Handlungsabschnitten stattfanden. Die Schäden einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der darauf folgenden bewußten Eska- lation der Situation. Sie lassen keinerlei Rückschluß auf die innere Einstellung des Angeklagten oder den Unrechtsgehalt der Tat zu. Die Erwägungen des Landge- richts stellen daher einen unzulässigen Strafzumessungsfaktor dar und verstoßen somit gegen § 46 II StGB.
5.2 Revisibilität
Zu prüfen ist, ob der Verstoß gegen § 46 II StGB mit Aussicht auf Erfolg mit der Revision gerügt werden kann. Dazu müßte das Urteil auf dem Verstoß beruhen. Die Kammer berücksichtigt unzulässigerweise einen nicht tatbezogenen Umstand als strafmildernd. Da sich dies auf die Höhe des Strafmaßes ausgewirkt hat, be- ruht das Urteil auf dem Verstoß. Einer besonderen Beschwer bedarf es bei die- sem möglicherweise von der Staatsanwaltschaft zu rügenden Rechtsfehlers nicht, da diese jede mit Rechtsfehlern behaftete Entscheidung anfechten kann164.
Die Revision gem §§ 337 StPO, 46 II StGB hätte Aussicht auf Erfolg.
6. Gesamtabwägung
Zu prüfen ist, ob das Gesamtergebnis der Strafzumessungvertretbar erscheint.
Maßgebliches Kriterium bei der Einordnung der Tat in den Strafrahmen ist u.a. der Gedanke des gerechten Schuldausgleichs165. Der BGH läßt dem Tatrichter bei der Strafzumessung einen weiten Beurteilungsspielraum166. Die verhängte Strafe darf sich jedoch nicht nach oben oder unten von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein167
Auszugehen ist zunächst vom gesetzlichen Strafrahmen, in den sodann die konkrete Tat nach Maß des verwirklichten Erfolgs- und Handlungsunrechts in einen konkreten Schuldrahmen einzuordnen ist168.
Den gesetzlichen Strafrahmen hat das Landgericht dem § 223 StGB entnommen. Gesetzliche fakultative oder obligatorische Strafmilderungsgründe sind nicht er- sichtlich, so daß gem §§ 223, 38, 40 StGB von einem gesetzlichen Strafrahmen von 1 Monat bis 3 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessät- zen auszugehen ist.
Bei der Bestimmung des schuldangemessenen Strafrahmens verbietet sich zwar ein direkter Vergleich mit der Strafpraxis anderer Gerichte169, jedoch ist der Rah- men der gerechten Strafe am Regelfall der vorkommenden Fällen zu orientie- ren170.
Die Tat des Angeklagten stellt eine, gemessen an ihrem Handlungsunrecht, durch- schnittliche Körperverletzung dar. Auf der Seite des Erfolgsunrechts ist jedoch die vierzehntägige Arbeitsunfähigkeit sowie der Notwendigkeit zahnärztlicher Heilbe- handlung zu berücksichtigen. Danach stellt sich der Unrechtsgehalt der Tat ge- genüber dem Regelfall einer Körperverletzung als leicht erhöht dar. Die Rechtspflegestatistik weist für die Körperverletzung aus § 223 StGB einen Medianwert von 31 - 90 Tagessätzen Geldstrafe aus. Demnach liegt der von der Kammer angesetzte Schuldrahmen im Bereich der üblich vorkommenden Fälle. Das Strafmaß von 90 Tagessätzen Geldstrafe übersteigt nicht das schuldadäquate Maß und ist daher vertretbar.
7. Tagessatzhöhe
Bedenken aus § 40 II StGB könnten sich durch die Festsetzung der Höhe eines Tagessatzes auf 25,--DM ergeben.
7.1 Bedenken aus § 40 II StGB
Die Höhe des Tagessatzes bestimmt sich gem § 40 II in der Regel nach dem Net- toeinkommen. Einkommensmindernd wirken sich neben Unterhaltsverpflichtun- gen171 insbesondere auch Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung aus172 sowie bei Studenten Aufwendungen für Arbeitsmaterial (Bücher)173. Darüber hinaus sind bei einkommensschwachen Personen besondere Maßstäbe anzulegen, die gewährleisten, daß dem Täter durch die Geldstrafe auch bei Raten- zahlung nicht mehr als das gem § 25 II BSHG zur Lebensführung Unerläßliche entzogen wird174. Eine hohe Tagessatzanzahl rechtfertigt nach h.M. die Reduzie- rung der Tagessatzhöhe ab 90 Tagessätzen um ca. 10 - 30 %175. Die gem § 42 gewährten Zahlungserleichterungen dürfen in ihrer Dauer nicht außer Verhältnis zur Zahl der verhängten Tagessätze stehen und sollten das Drei- bis Vierfache nicht überschreiten176.
Das Landgericht bringt an die dem Angeklagten vom Arbeitsamt gewährte Unter- stützung von 1050,--DM mindernd 210,--DM Unterhaltszahlungen an. Fraglich bleibt, inwieweit das Landgericht vom Angeklagten zu entrichtende Krankenkas- senbeiträge berücksichtigt hat, die in ihrer Höhe regelmäßig über 100,--DM liegen. Ebenso ist nicht ersichtlich, welchen Eingang Aufwendungen für Arbeitsmittel gefunden haben. Der Angeklagte ist mit dem ihm vom Arbeitsamt gewährten Zah- lungen als einkommensschwach anzusehen. Mit einer möglichen Minderung der Tagessatzhöhe aufgrund seiner einkommensschwachen Lage setzt sich das Land- gericht jedoch nicht auseinander, obwohl die Anzahl mit 90 Tagessätzen relativ hoch ist und daher für den Angeklagten mit einer Gesamtsumme von 2.250,--DM eine außerordentliche Belastung darstellt. Die gewährten Zahlungserleichterungen haben zur Konsequenz, daß der Angeklagte 23 Monate lang Ratenzahlungen leis- ten muß. Dies bedeutet eine unverhältnismäßig lange Zeit der Belastung mit der verhängten Strafe. Es ist insgesamt daher nicht ersichtlich, daß das Landgericht die für die Bestimmung der Tagessatzhöhe bestimmenden Faktoren rechtsfehle r- frei berücksichtigt hat. Damit hat die Kammer die Höhe des Tagessatzes entgegen § 40 II StGB rechtsfehlerhaft festgesetzt.
7.2 Revisibilität
Zu prüfen ist, ob die Festsetzung der Tagessatzhöhe mit der Revision gerügt wer- den kann. Die Bestimmung der Tagessatzhöhe ist Teil der Strafzumessung. Für seine Bestimmung gibt es keine starren Regeln. Das Revisionsgericht hat bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe wie auch sonst bei der Strafzumessung zu prüfen, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters ausreichend festgestellt und in rechtsfehlerfreier Weise berücksichtigt sind. Die Aufgrund der Würdigung aller Umstände vom Tatrichter vorgenommene Wertung hat das Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen177.
Vorliegend hat das Gericht nicht erkennen lassen, das es alle notwendigen persön- lichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten festgestellt hat. Dies wäre jedoch zunächst Voraussetzung für ein vom Tatrichter auszuübendes Ermes- sen gewesen. Aufgrund der fehlerhaften Feststellungen ist daher zu besorgen, daß das Landgericht die Grundsätze bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe verkannt und daher nicht dem Rechtsgedanken des § 40, dem Prinzip der gleichmäßigen Belastung unterschiedlich einkommensstarker Straftäter und der Vermeidung von Härtefällen, Rechnung getragen hat. Das Urteil beruht auf dem Verstoß gegen § 40 II StGB. Die Revision gem § 337 StPO, 40 II StGB hätte Aussicht auf Erfolg.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 §§ ohne Angabe des Gesetzes sind solche der StPO
2 L/R-Gollwitzer § 244 Rn.327
3 Alsberg/Nüse/Meyer S.741
4 Fezer 12/153
5 L/R-Gollwitzer § 244 Rn.329; KK-Herdegen § 244 Rn. 104; Alsberg/Nüse/Meyer S. 744; Peters § 38IV, S.314
6 KK-Herdegen § 244 Rn 105
7 RGJW 1930, 201; BGHSt 8, 177, 181; BGH NStZ 1984, 565; BGH StV 1983, 451; Fezer 12/154
8 L/R-Gollwitzer § 244 Rn 330; Alsberg/Nüse/Meyer S. 746
9 KK-Pikart § 337 Rn 33
10 Grünwald, FS Honig, S. 53 ff
11 Grünwald,FS Honig, S. 59
12 Grünwald,FS Honig, S. 62
13 Grünwald,FS Honig, S. 63
14 Grünwald,FS Honig, S. 66
15 Born, S. 36, 40
16 Born, S. 190
17 Born, S. 253, 254
18 Alsberg/Nüse/Meyer, S. 664, 665
19 Willms, FS Schröder S. 277
20 Willms, FS Schröder S. 279
21 Bringewat, MDR 1986, 355
22 Bringewat, MDR 1986, 356
23 BGH NStE Nr, 67, 53 zu § 244; BGH bei Dallinger, MDR 1971, 895, 897
24 BGH GA 1972, 272, 273
25 BGH NJW 1961, 2069, 2070
26 Alsberg/Nüse/Meyer S. 658; Tenckhoff S. 133; Dahs/Dahs Rn 344; Herdegen NStZ 1984, 342; BGHR StPO § 244 Abs.3 S.2 Wahrunterstellung 22
27 BGH bei Holtz MDR 1979, 281,282; BGH GA 1972, 273
28 Alsberg/Nüse/Meyer S. 658
29 Willms FS Schröder S. 279
30 Herdegen NStZ 1984, 342; KM § 244 Rn 70
31 Tenckhoff S. 134, Dahs/Dahs Rn.344
32 Schröder NJW 1972, 2107, ebenso v. Stackelberg FS Sahrstedt S.316, Fezer 12/132, Peters § 38IV 1g S.312
33 Dahs/Dahs Rn 344
34 KK-Herdegen § 244 Rn 97; L/R-Gollwitzer § 244 Rn 238
35 KK-Herdegen § 244 Rn. 19
36 KK-Herdegen § 244 Rn. 21; L/R-Gollwitzer § 244 Rn 46
37 Mannheim JW 1927, 388, 390
38 Alsberg/Nüse/Meyer S. 672; Tenckhoff S. 164; KK-Herdegen § 244 Rn. 97
39 Schlüchter S. 37, 38, 41
40 Schlüchter S. 40
41 BGH StV 1990, 291, 292; BGH StV 1990, 293, 294; BGH NStZ 1988, 423, 424
42 BGH StV 1990, 98
43 Fezer 12 / 103; KM § 244 Rn 44
44 KK-Herdegen § 244 Rn 50
45 KMR-Paulus § 244 Rn. 397, Schlothauer StV 1988, 546; Formularbuch-Michalke S. 282
46 Schlothauer StV 1988, 546; Formularbuch-Michalke S. 282
47 Michalke StV 1990, 186
48 Niemöller JZ 1992, 884, 891, 892
49 Niemöller JZ 1992, 884, 893
50 Niemöller JZ 1992, 884, 894
51 BGH StV 1990, 149
52 L/R-Gollwitzer § 244 Rn. 327
53 L/R-Gollwitzer § 244 Rn. 329; Alsberg/Nüse/Meyer S. 741
54 KK-Herdegen § 244 Rn. 69
55 BGHSt 6, 292, 296; BayObLG JR 66, 227; OLG Düsseldorf MDR 1980, 868, 869; LG Hamburg MDR 1968, 344
56 Schmidt-Hieber JuS 1985, 295, Fn. 44; Sarstedt/Hamm Rn 374; Alsberg/Nüse/Meyer S. 531
57 Krause S. 43, 44
58 Sarstedt/Hamm Rn 375; Hanack, JZ 1970, 562
59 Alsberg/Nüse/Meyer S. 532
60 Engels GA 1981, 29 Fn.39; Feuerpeil, S. 69
61 Hagemann S. 105
62 Engels GA 1981, 30; Feuerpeil, S.18, 71, 74; Born, S. 113, 114
63 Engels GA 1981, 30
64 BT-Drucksache 8/976 S.53, lk.Spalte
65 BVerfGE 10, 179, 183; KK-Herdegen § 244 Rn 69
66 OLG Frankfurt, StV 1983, 192, 193
67 Alsberg/Nüse/Meyer S. 536; BGHSt 6, 293
68 Alsberg/Nüse/Meyer S. 536
69 Alsberg/Nüse/Meyer S. 537
70 Alsberg/Nüse/Meyer S.. 538; Roxin § 24 C II 1
71 vgl. Handbuch des Verkehrsunfalls, S. III-33 ff.
72 BGH NStZ 1981, 271; BGH NStZ 1990, 28
73 BGHSt 9, 230, 231
74 L/R-Gollwitzer § 251, Rn. 41
75 KK-Herdegen § 261 Rn. 2
76 Fezer StV 1995, 97
77 Herdegen StV 1992, 533; BGH StV 1993, 510,511
78 Kaiser S. 407
79 Nolting S. 89
80 bei Nolting S. 78
81 Nolting S. 103
82 Kaiser S. 408
83 vgl. den Sachverhalt bei AG Homburg, VRS 80, 346
84 Niemöller StV 1984, 435
85 Niemöller StV 1984, 440; Schmitt S. 387
86 Fezer StV 1995, 100
87 Niemöller StV 1984, 439
88 K/M § 244 Rn 56
89 BGH StV 1994, 6
90 K/M § 337 Rn. 21
91 BGHSt 10, 208, 210; BGH StV 1993, 510, 511
92 BGHR StPO §261 Beweiswürdigung 2; BGH StV 1993, 510, 511
93 BGH StV 1990, 534; BGH StV 1990, 439; BGH StV 1994, 6
94 BGH StV 1990, 510, 511
95 Schäfer StV 1995, 148 ff
96 Schmitt S. 525
97 Herdegen StV 1992, 527, 533
98 Fezer StV 1995, 99; Schmitt S. 512; Schäfer StV 1995, 149
99 L7R-Gollwitzer § 261 Rn 11, 70 ff.; KK-Hürxthal § 261 Rn. 5, 45 ff.
100 Schmitt S. 229; KK-Hürxthal § 261, 46, 48
101 BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 3
102 BGH StV 1993, 510, 511
103 BGH StV 1992, 261
104 BGH StV 1994, 6
105 Eisenberg Rn. 983
106 Schmitt S. 340
107 Schmitt S. 342
108 Eisenberg Rn. 931
109 Eisenberg Rn. 938
110 Niemöller StV 1984, 431, 436
111 Peters § 37 III; Dahs/Dahs Rn 436
112 BGHR StPO § 261 Urteilsbildung 7
113 Eisenberg Rn. 863
114 Schmitt S. 318
115 Schmitt S. 319
116 Holland, Kriminalistik 1972, 409, 412; Schmitt S. 340
117 Arntzen S. 87 ff
118 Holland Kriminalistik 1972, 409, 412; Schmitt S. 321
119 Schmitt S. 321
120 Eisenberg Rn. 928 ff
121 KK-Boujong § 127 Rn. 7
122 Sch-Sch-Lenckner § 185 StGB Rn 2
123 Sch-Sch-Lenckner § 185 StGB Rn. 8
124 Peters § 47 B I 1
125 L/R-Dünnebier § 127 Rn. 27; KK-Boujong § 127 Rn. 19
126 KK-Boujong § 127 Rn. 19
127 BayObLG MDR 1986, 956, 957
128 L/R Dünnebier § 127 Rn 27, Roxin § 31 A I 1 5 c)
129 Naucke NJW 1968, 1225
130 Sch-Sch-Lenckner § 23 Rn.34
131 Sch-Sch-Lenckner § 32 Rn. 36; BGHR StGB § 32 Abs.2 Erforderlichkeit 6
132 BGHR StGB § 32 Abs.2 Verteidigung 3; BGHSt 26, 256, 257; BGH NStZ 1992, 327
133 Sch-Sch-Lenckner § 32 Rn. 65; BGHSt 2, 194, 197
134 BGH NStZ 1983, 453
135 Sarstedt-Hamm Rn. 331
136 Dahs/Dahs Rn 398; Sarstedt-Hamm Rn. 336
137 Sarstedt-Hamm Rn. 334
138 Dahs/Dahs Rn. 399
139 BGH NStZ 1983, 453
140 Schäfer StrZ Rn. 277
141 Streng S. 177
142 Schäfer StrZ Rn .277
143 BGH StV 1992, 225; BGH wistra 1988, 64, 65; Schäfer StrZ Rn. 280
144 Streng S. 168; Sch-Sch-Stree § 46 Rn. 8/9
145 Schäfer StrZ Rn. 272
146 BGH NStZ 81, 258; BGH StV 1987, 387, 388; BG wistra 1982, 65; Schäfer StrZ Rn. 594; Sch-Sch-Stree § 46 Rn. 35
147 Sch-Sch-Stree § 46 Rn. 35
148 Streng S. 193
149 BGH wistra 1982, 225, 226
150 Streng S. 169; Maurach/Gössel/Zipf § 63 I Rn. 100
151 Kaiser S. 143
152 Bönitz S , Kaiser S. 145
153 Schumann S. 163
154 Schumann S. 165, 166
155 Maurach/Gössel/Zipf § 63 I Rn. 90 ff.; Streng S. 172
156 Schmidthäuser 2/26, 15/14
157 BGH NStZ 1992, 275; BGH StV 1982, 521, 522; BGH StV 1983, 14, 501; BGH StV 1992, 233
158 Schumann S. 162
159 BayObLG StV 1989, 155; OLG Köln StV 1992, 233; OLG Düsseldorf StV 1992, 232
160 LK-Hirsch § 46 Rn. 54; Streng S. 176; Maurach/Gössel/Zipf § 63 I Rn. 24 ff; BGHR StGB § 46 Abs.2 Tatauswirkungen 6
161 LK-Hirsch § 46 Rn. 56 ff.; Schäfer StrZ Rn. 240
162 BGH StV 1984, 21; Sch-Sch-Stree § 46 Rn. 9
163 BGH MDR 1980, 240
164 Dahs/Dahs Rn. 36
165 Schäfer StrZ 369
166 BGH JR 1987, 119, 120
167 BGHSt 34, 345, 349
168 Schäfer StrZ Rn 367 - 369
169 Schäfer StrZ Rn. 365
170 Schäfer StrZ Rn. 459, 460
171 Schäfer StrZ Rn. 65
172 Schäfer StrZ Rn. 61
173 Schäfer StrZ Rn. 68
174 OLG Stuttgart StV 1993, 364, 365; OLG Köln StV 1993, 365
175 Schäfer StrZ Rn. 66
176 OLG Stuttgart StV 1993, 364, 365
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Inhalt dieses Dokuments?
Dieses Dokument ist ein juristisches Gutachten, das sich mit einem Fall von Körperverletzung auseinandersetzt. Es analysiert Verfahrensfragen während der Hauptverhandlung und die Anwendung des materiellen Rechts.
Welche Verfahrensfragen werden in der Hauptverhandlung untersucht?
Das Gutachten untersucht die Ablehnung mehrerer Beweisanträge, darunter die Inaugenscheinnahme einer U-Bahn-Haltestelle, die Vernehmung einer Zeugin (Hiller) und die Inaugenscheinnahme eines Straßenstücks. Es wird geprüft, ob die Ablehnungen rechtmäßig waren und ob sie mit der Revision angegriffen werden können.
Welche Bedenken werden gegen die Ablehnung des Beweisantrags auf Inaugenscheinnahme der U-Bahn-Haltestelle geäußert?
Es bestehen Bedenken hinsichtlich eines möglichen Verstoßes gegen § 244 V StPO (Strafprozessordnung), da das Gericht die Glaubwürdigkeit des Zeugen Conradsen, der eine Telefonzelle in der U-Bahn-Station nicht gefunden haben will, nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt hat. Es wird argumentiert, dass das Gericht die Grenzen zulässiger Beweisantizipation überschritten hat.
Welche Bedenken werden gegen die Ablehnung des Beweisantrags auf Vernehmung der Zeugin Hiller geäußert?
Es werden Bedenken aus § 244 III S. 2, 7.Mod. StPO geäußert, da das Gericht eine Indiztatsache (Schäden am Hemd und Kratzer am Hals des Angeklagten) als wahr unterstellt, diese aber im Urteil als bedeutungslos erachtet. Außerdem wird die Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 244 II, III StPO kritisiert, da die Zeugin zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Conradsen hätte vernommen werden müssen.
Welche Bedenken werden gegen die Ablehnung des Beweisantrags auf Inaugenscheinnahme des Straßenstücks geäußert?
Es bestehen Bedenken aus § 244 VI, 35 StPO, da das Gericht den Beweisantrag erst in den Urteilsgründen beschieden hat. Es wird argumentiert, dass es sich um einen unzulässigen Eventualbeweisantrag handelt, der hätte abgelehnt werden müssen. Des Weiteren werden Bedenken gegen die Begründung der Ablehnung aus § 244 V StPO vorgebracht, da die Allgemeinkundigkeit der Beschaffenheit des Straßenstücks in Frage gestellt wird.
Welche Bedenken werden gegen die Verlesung der Niederschrift über die richterliche Vernehmung des Zeugen Demuth geäußert?
Es werden Bedenken aus § 250 StPO vorgebracht, da der Zeuge Demuth nicht persönlich in der Hauptverhandlung vernommen wurde. Es wird jedoch argumentiert, dass die Verlesung der Niederschrift rechtlich unbedenklich ist, da dem Zeugen die Anreise aus Griechenland nicht zugemutet werden konnte.
Welche Bedenken werden gegen die Beweiswürdigung der Einlassung des Angeklagten geäußert?
Es werden Bedenken aus § 261 StPO vorgebracht, da das Gericht die Einlassung des Angeklagten in mehreren Punkten fehlerhaft gewürdigt haben soll. Dies betrifft unter anderem die Auseinandersetzung an der Lichtzeichenanlage, die Mitteilung der beabsichtigten Strafanzeige sowie die Schäden am Hemd und die Kratzer am Hals des Angeklagten.
Welche Bedenken werden gegen die Beweiswürdigung der Aussagen des Zeugen Conradsen geäußert?
Es werden Bedenken aus § 261 StPO vorgebracht, da das Gericht die Aussagen des Zeugen Conradsen trotz Unrichtigkeiten im Kerngeschehen für glaubwürdig hält. Es wird jedoch argumentiert, dass das Gericht sich der Problematik der Unrichtigkeit bewusst war und diese im Zusammenhang mit anderen Umständen erörtert hat.
Welche Bedenken werden gegen die Beweiswürdigung der Aussage des Zeugen Epting geäußert?
Es werden Bedenken aus § 261 StPO vorgebracht, da das Gericht die Einlassung des nach einem Jahr aufgetauchten Zeugen Epting trotz grundsätzlicher Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit verwertet. Es wird jedoch argumentiert, dass vernünftige Gründe dafür sprechen, dass Epting den Vorgang beobachtet hat und in seinem Kern auch wiedergeben kann.
Welche Bedenken werden gegen die rechtliche Bewertung der Handlung des Angeklagten geäußert?
Es werden Bedenken gegen die Verneinung der Notwehrlage sowie gegen die Verhältnismäßigkeit der Verteidigungshandlung des Angeklagten geäußert. Zudem wird kritisiert, dass das Landgericht das Vorliegen eines Irrtums beim Angeklagten verneint, ohne dies ausreichend zu begründen.
Welche Bedenken werden gegen die Berücksichtigung der Vorstrafe geäußert?
Es bestehen grundsätzlich keine Bedenken gegen die Berücksichtigung der Vorstrafe, da diese nicht tilgungsreif ist und Rückschlüsse auf das Konfliktverhalten des Angeklagten zulässt.
Welche Bedenken werden gegen die Berücksichtigung der fehlenden Selbstbeherrschung als strafschärfend geäußert?
Es werden Bedenken aus § 46 II StGB vorgebracht, da zwischen dem zukünftigen Beruf des Angeklagten und der Straftat keine innere Beziehung besteht. Die fehlende Selbstbeherrschung kann daher nicht als strafschärfend gewertet werden.
Welche Bedenken werden gegen die Berücksichtigung generalpräventiver Aspekte geäußert?
Es werden Bedenken aus § 46 III StGB vorgebracht, da generalpräventive Aspekte nur in sehr begrenztem Umfang berücksichtigt werden dürfen und eine strafschärfende Wirkung gegen das Doppelverwertungsverbot verstößt.
Welche Bedenken werden gegen die Berücksichtigung der Tatfolgen geäußert?
Grundsätzlich bestehen keine Bedenken gegen die Berücksichtigung der Tatfolgen, da diese in direktem Zusammenhang mit der Körperverletzung stehen und vom Vorsatz des Angeklagten umfasst sind.
Welche Bedenken werden gegen die Berücksichtigung der geringen Unfallfolgen geäußert?
Es werden Bedenken aus § 46 II StGB vorgebracht, da die geringen Unfallfolgen in keinem Zusammenhang mit der Körperverletzung stehen und daher nicht strafmildernd berücksichtigt werden dürfen.
Welche Bedenken werden gegen die Festsetzung der Tagessatzhöhe geäußert?
Es werden Bedenken aus § 40 II StGB vorgebracht, da das Landgericht möglicherweise nicht alle relevanten Faktoren bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe berücksichtigt hat. Dies betrifft unter anderem die Krankenversicherungsbeiträge und die Aufwendungen für Arbeitsmittel des Angeklagten.
- Arbeit zitieren
- Christian Braunwarth (Autor:in), 1994, Gutachten Revisionsrecht (2.Referendarsklausur), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96425