1. Das Leben von Stendhal
Stendhal, eigentlich Marie-Henri Beyle, ist am 23.01.1783 in Grenoble geboren worden. Grenoble liegt an der Isère, etwa 75 Kilometer von Lyon entfernt. Er ist am 23.03.1842 in Paris, der Hauptstadt Frankreichs, gestorben. Schon in frühester Jugend hatte Stendhal den Entschluss gefaßt Schriftsteller zu werden. Sein großes Vorbild war damals Molière, eigentlich Jean Baptiste, der von 1622 bis 1673 lebte und ein bekannter Komödiendichter war. Außerdem war William Shakespeare sein Idol, der berühmte Dichter, der von 1564 bis 1616 lebte.
Schon mit 17 Jahren ist Stendhal seiner monarchistisch gesinnten Familie entflohen. Seitdem befand er sich 14 Jahre lang, mit kurzen Unterbrechungen, im napoleonischen Dienst. Dabei hat er einen großen Teil Europas kennengelernt. 1814 nach der Abdankung Napoleons hat sich Stendhal in Italien niedergelassen, daß für ihn zur zweiten Heimat wurde. Dort hat er sieben Jahre lang gelebt. 1821 ist er nach Frankreich zurückgekehrt, weil Österreich Patrioten aus Italien verfolgte. 1830 wurde er zum Konsul Frankreichs in der italienischen Hafenstadt Civitaveccia ernannt. Civitaveccia liegt am Braccianosee und südwestlich von Rom etwa 50 Kilometer entfernt.
1821 in Frankreich angekommen, hat Stendhal sein Werk „Über die Liebe“ verfasst, das 1822 veröffentlich wurde, jedoch kaum verkauft wurde. Auch die 1823 erschienene Biographie Rossinis erweckte kein Interesse bei den Lesern; nach 10 Jahren war die erste Auflage immer noch zu haben. Später errang sein Werk „Die Spaziergänge in Rom einen Achtungserfolg, doch auch das Buch „Memoiren eines Touristen“ hat nur ihm selbst gefallen. Seine bekanntesten Werke sind „Rot und Schwarz“ und „Karthause von Pharma.“
Sein letzter Roman „Kartause von Pharma“ erregte im Gegensatz zu seinen anderen Werken auch damals schon wohlwollendes Aufsehen, wahrscheinlich weil es sehr eindrucksvoll aber vorallem auch realitätsnah Krieg schildert. Bereits nach 18 Monaten war die erste Auflage vergriffen. Der Schriftsteller Balzac, der von 1799 bis 1850 lebte, war von diesem Roman besonders begeistert. Er sagte, daß er selbst nicht in der Lage gewesen sei ein so großes und schönes Buch zu schaffen. Dieser große Zuspruch lag aber wohl darin begründet, daß beide ähnliches Textverständnis haben; während Stendhal noch ein Vorläufer des französischen Realismus war, war Balzac Schöpfer des französischen realistischen Romans.
Stendhals zweites großes Werk „Rot und Schwarz“ ist zwischen 1827 und 1830 geschrieben und 1830 veröffentlicht worden. Johann Wolfgang von Goethe, der berühmte deutsche Dichter, der 1749 geboren worden ist und 1832 starb, sah den Roman als den bedeutendsten der Welt an.
Obwohl Stendhal von so bedeutenden Schriftstellern für seine zwei berühmtesten Werke schon damals großes Lob erfuhr, glaubte damals niemand sonst an Stendhals Erfolg. Seine Freunde bezeichneten ihn als Zyniker und unmoralischen Mensch. Er sei zwar ein kultivierter Kunstkenner und ein geistvoller Plauderer, doch plaudere er in seinen Büchern zu viel über Kunst und sei somit kein ernstzunehmender Schriftsteller wie auch der Roman „Rot und Schwarz“ zeige. Den Leuten, die ihn kannten, mißfiel häufig, daß er ein liberaler Freigeist, ein ironischer Kommentator politischer Zustände und ein gottloser Republikaner war und daß ihm nichts heilig war.
Daß Stendhal nur wenigen Menschen etwas bedeutete, läßt sich auch daran sehen, daß nach seinem Tod kein Nachruf in der Zeitung erschienen ist, Würdigungsartikel ausblieben und bei seiner Beerdigung nur drei Personen an seinem Grab standen. Er selbst jedoch glaubte, im Gegensatz zu seinen Mitmenschen, an seinen Nachruhm; er verlor nie die Hoffnung. Er sagte von sich selbst, er sei ein Schriftsteller den man 1939 lesen würde.
2. Sein Werk „Rot und Schwarz“
Der Roman „Le Rouge Et Le Noir. Chronik du XIXe siècle.“, wobei sich in manchen Ausgaben auch der Begriff „Chronik von 1830“ statt vom 19.Jahrhundert findet, ist zwischen 1827 und 1830 entstanden und im November 1830 erschienen. Der Arbeitstitel war zunächst Julien; die spätere Überschrift „Rot und Schwarz“ ist auf 1830 datiert.
Die Hauptfigur des Romans ist Julien Sorel, der Sohn eines wohlhabenden Zimmermannes. Er lebt in Verrières, einem Ort am Doubs, an der Franche-Comtè. Julien unterscheidet sich von Kind an mit seiner Umwelt, von der ihn alles unterscheidet. Julien ist zwar hübsch und begabt, kann jedoch keine körperlichen Arbeiten verrichten, deshalb verspottet ihn seine Familie.
Weil er von seiner Familie nie richtig angenommen wird, entwickelt er einen grenzenlosen Ehrgeiz um Macht und gesellschaftlichem Aufstieg zu erreichen. Sein Idol Napoleon bestimmt sein Weltbild, doch da er in der nachnapoleonischen Zeit lebt, muß er sich verstellen. Er stellt fest, daß die Kunst sich verstellen zu können eine gute Methode ist sich selbst zu schützen und dies beherrscht er auch sehr schnell.
Er stellt auch fest, daß der Aufstieg in der Gesellschaft in seiner Zeit für ihn nur über den Priesterstand möglich ist. Da Julien gute Lateinkenntnisse besitzt, bereitet er sich auf die Priesterlaufbahn vor; Frömmigkeit vortäuschend. Er wird zunächst Hauslehrer bei Herrn de Rênal, dem konservativen Bürgermeister seiner Stadt. Er verachtet die Menschen und nutzt sie aus; Er ist kalt und berechnend. Schon bald verliebt sich Frau de Rênal trotz moralischer und religiöser Skrupel in Julien. Doch es kommt kein Glücksgefühl auf. Einerseits weil Julien krampfhaft sein sich selbst vorgegebenes, ideales Verhaltensmuster verfolgt, andererseits weil er sich Frau de Rênal gegenüber verpflichtet sieht, weil sie sich ihm unterwürft. Für ihn ist diese Liebe Bestätigung seines gesellschaftlichen Aufstiegs. Als die Beziehung zum öffentlichen Skandal zu werden droht, begibt sich Julien in ein Priesterseminar nach BesanVon, eine Stadt an der Doubs, die westlich von Dijon liegt in etwa 75 Kilometer Entfernung. BesanVon liegt in 175 Kilometer Entfernung nordordlich von Lyon. Dort verbessert er dann seine Taktik der Verstellung und beginnt ein regelrechtes Doppelleben zu führen.
Später wird er Sekretär im Haus des Marquis de la Mole in Paris. Er wächst dort zum Weltmann heran. Die Toachter des Marquis de la Mole verliebt sich in ihn. Sie ist ihm gewachsen. Die Gesellschaft um sie langweilt sie; sie ist voller Widerwillen. Sie sieht in Julien jemanden, der sich von ihrer Umgebung unterscheidet. Durch die Beziehung zu ihr beweist sich Julien erneut seine Macht und befriedigt seinen gesellschaftlichen Ehrgeiz. Als Mathilde de la Mole von Julien schwanger ist verhilft ihr Vater Julien zu Adel und militärischem Rang.
Als Julien dieses große Ansehen erlangt hat, stürzt ihn ein Brief von Frau de Rênal. Der Brief stellt Julien als skrupellosen Übeltäter dar, der alles tut um in eine Machtposition zu gelangen. Frau de Rênal schreibt, daß man Julien auf gar keinen Fall Glauben schenken sollte. Julien hetzt daraufhin nach Verrières und kauft dort beim Waffenhändler Pistolen, die er sich von ihm laden läßt. Er begibt sich in die Kirche und zielt zweimal auf Frau de Rênal. Der Mordversuch scheitert jedoch.
Er wird zum Tode verurteilt, obwohl Frau de Rênal für ihn spricht und auch Mathilde de la Mole einen Rettungsplan ausgeheckt hat. Seine Verteidigungsrede hat die Staatsinterressen der Geschworenen sehr verletzt. Vor seinem Tod stellt Julien fest, daß Frau de Rênal immer diejenige war, die er wirklich geliebt hat. Frau de Rênal stirbt drei Tage nach Juliens Tod; Mathilde de la Moles weiteres Schicksal ist unbekannt.
Die Inspiration für diese fesselnde Geschichte nahm Stendhal aus einem Pariser Entführungsskandal und einem Kriminalfall, der sogenannten „Affäre Berthet“. Im Jahre 1928 ist Antoine Berthet, Sohn eines Hufschmieds, Hauslehrer bei Madame Michoud, wegen Ermordung dieser zum Guillotinentod verurteilt worden. Einerseits hat Stendhal diesen Fall wohl als Quelle für seinen Roman benutzt, weil er damals aktuell war, andererseits hat ihn dieser Fall bestimmt selbst sehr gefesselt, weil er unmoralisch, unkonventionell und gegen die Normen der Gesellschaft ist; Eigenschaften, die dem, der Gesellschaft Widerstand leistenden, Stendhal gefallen haben. Sein Wunsch war es ungewöhnliche Menschen im Kampf gegen die Zeit bzw. Gesellschaft darzustellen; so ist Julien z.B. in nachnapoleonischer Zeit ein Fan Napoleons.
Stendhal beschreibt zwar Einzelheiten ziemlich genau, doch fällt auf, daß entscheidende, spannende Momente wie z.B. der Mordversuch an Frau de Rênal nur äußerst knapp beschrieben werden. Der Schwerpunkt ist folglich auf Julien Sorels Charakter und Entwicklung gelegt. Auffälig ist dabei, daß Julien Sorel viele Charaktereigenschaften besitzt, die auch Stendhal selbst ausmachen. Beide sind revolutionär gesinnt, beide zynisch. Sie leisten beide Widerstand gegen Zeit und Gesellschaft. Das Stendhal dies bereits am Anfang am Beispiel Napoleons darlegt ist auch nicht zufällig bestimmt, schließlich war er selbst 14 Jahre lang im Dienste Napoleons. Außerdem streben beide nach Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung und nach einem Leben jenseits moralischer Grenzen.
Es ist auch anzunehmen, daß Julien dem Wunschbild Stendhals entspricht, weil Julien im Gegensatz zu Stendhal sein Idealbild immer lebt und seinen Erfolg noch zu Lebzeiten erreicht. Warum der Romen den Titel „Rot und Schwarz“ im Jahr 1930 erhielt ist nicht eindeutig herausstellbar. Anzunehmen ist jedoch, daß rot für die republikanische Gesinnung Juliens steht oder für die Erreichung seiner Ziele durch die Beziehung zu Frau de Rênal und Mathilde de la Mole und schwarz für den Priesterstand auf den sich Julien vorbereitet oder für den Tod Juliens und das damit verbundene Ende seines Erfolges kurz vor seinem Tod.
3. Der Zusammenhang zwischen dem Roman „Rot und Schwarz“ von Stendhal und dem Roman „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink
In dem Roman „Der Vorleser“ werden die Hauptfiguren aus dem Roman „Rot und Schwarz“ auf der Seite
40 Zeile 23 bis Zeile 25 erwähnt. Die Textstelle legt dar, daß Michael an der Beziehung von Julien Sorel zu Frau de Rênal immer mehr Anteil genommen hat als an der zu Mathilde de la Mole. Daß Bernhard Schlink Michael in seinen Roman über die Hauptfiguren aus „Rot und Schwarz“ nachdenken läßt, ist dadurch zu erklären, daß der Roman ein sehr bekannter Roman ist und somit auch viele über das Wesen von Julien Sorel bescheid wissen. Außerdem besitzen die Romane einige Parallelen.
In dem Roman „Rot und Schwarz“ geht Julien Sorel Beziehungen zu Frauen in höherer gesellschaftlicher Position ein, bei denen er arbeitet. Diese Beziehungen müssen verheimlicht werden, weil sie unmoralisch und von der Gesellschaft unangesehen sind. Julien verstellt sich immer wieder, vorallem auch, weil er die Beziehungen als Machtbeweis und Befriedigung seines gesellschaftlichen Ehrgeizes braucht. Julien Sorel führt sozusagen ein Doppelleben.
Auch Michael, die Hauptfigur aus dem Roman „Der Vorleser“, führt eine Beziehung, die von der Gesellschaft mißbilligt werden würde. Er ist mit der viel älteren Hanna zusammen, von der er seinem Umfeld auch nichts erzählt. Er führt auch ein Doppelleben; eins mit Hanna und eins mit seiner Familie, Schule und Freunden.
Ich denke, daß beide Autoren beim Schreiben ihres Buches eine ähliche Vorstellung hatten; beide wollen ungewöhnliche Menschen im Widerstand gegen die Gesellschaft darstellen. Daß Michael in dem Roman „Der Vorleser“ mehr Anteilnahme an der Beziehung Juliens zu Frau de Rênal nimmt läßt sich dadurch erklären, daß er wahrscheinlich in dieser Beziehung mehr Parallelen zu seiner Beziehung mit Hanna sieht als in der Beziehung Juliens zu Mathilde de la Mole. Frau de Rênal ist im Gegensatz zu Mathilde de la Mole verheiratet und zwar mit dem Bürgermeister von Verrières, Juliens Arbeitgeber. Diese Beziehung ist also allein deshalb schon unmoralischer, weil Frau de Rênal verheiratet ist. Außerdem scheint Frau de Rênal wesenlich älter als Julien sowie auch Mathilde de Mole zu sein, da sie bereits verheiratet ist. Dies wird Michael dazu bewogen haben mehr Anteil an dieser Beziehung zu nehmen, weil Hanna ja auch wesentlich älter als er selbst ist.
Anhang:
Romane: Lexikas:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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