Kafkas "Verwandlung" im Comic. Eigene Intention oder Déjà-vu?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

29 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen
2.1 Die Literaturadaption im Comic und die Intermedialität
2.2 Der Comic und die Graphic Novel
2.3 Die cartoonistischen Darstellungsmittel
2.3.1 Das Panel und die Sequenz
2.3.2 Die Sprech- und Denkblase
2.3.3 Der Blocktext
2.3.4 Die Soundwords
2.3.5 Die Speedlines

3 Die Analyse der Kafka-Adaptionen
3.1 Die Verwandlung von Corbeyran und Horne
3.1.1 Die Handlung
3.1.2 Die Oberfläche
3.1.3 Die Figuren
3.1.4 Die Szenerie
3.1.5 Die Perspektive
3.2 Good oV Gregor Brown von Sikoryak
3.2.1 Die Handlung
3.2.2 Die Oberfläche
3.2.3 Die Figuren
3.2.4 Die Szenerie
3.2.5 Die Perspektive

4 Fazit

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur

1 Einleitung

Dass sich die Werke des deutschen Autors Franz Kafka einer großen Beliebtheit erfreuen, ist unter anderem daran zu erkennen, dass dessen Erzählungen von unterschiedlichen Medien adaptiert wurden und noch immer werden. Einen beträchtlichen Anteil stellen hierbei die soge­nannten und von der Wissenschaft lange Zeit nicht berücksichtigten Comicadaptionen dar. So ist Kafkas berühmte und zugleich längste Novelle Die Verwandlung1 besonders häufig und zum Teil in großen zeitlichen Abständen von Künstlern auf der ganzen Welt in das populäre Medium des Comics transformiert worden.

Dieser Umstand ist bemerkenswert, wirft gleichzeitig jedoch die naheliegende Frage auf, inwieweit sich diese Adaptionen, da sie auf ein und demselben Prätext basieren, voneinander unterscheiden können. Auf welche Weise verfuhren die Comickünstler mit Kafkas Erzählung? Verfolgten sie während dem Prozess des Medienwechsels eigene Intentionen, durch welche sich die Adaptionen klar voneinander abgrenzen lassen, oder sind die Unterschiede zwischen den Comics so gering, dass eine Rezeption derer lediglich zu einem Déjâ-vu-Erlebnis verkom­men würde?

Um diese Fragestellung zu beantworten, sollen im Folgenden zwei Comicadaptionen von Kafkas Verwandlung untersucht und miteinander verglichen werden. Dabei handelt es sich um eine Graphic Novel aus dem Jahr 2009, welche den gleichen Namen wie Kafkas Novelle trägt sowie um den Comicstrip Good ol’ Gregor Brown von 1990, bei dem es sich um eine Parodie des Originalwerks handelt, weswegen dieses Werk ein interessantes Vergleichsobjekt repräsen­tiert.

Bevor allerdings mit diesem Vergleich begonnen wird, soll eine Wissensgrundlage geschaf­fen werden, welche für die spätere Analyse der beiden Kafka-Adaptionen von großer Wichtig­keit ist. Um der Untersuchung in dem darauf folgenden Hauptteil eine klare Struktur zu geben, muss jene in unterschiedliche Analysekategorien aufgeteilt werden, welche aus der Monogra­phie Literaturadaptionen im Comic2 entnommen, auf beide Comicadaptionen angewendet wer­den und so einen direkten Vergleich gewährleisten sollen. Zuletzt wird ein Fazit die Ergebnisse der Hausarbeit resümieren.

2 Grundlagen

Im Folgenden wird nun sowohl ein Einblick in das Feld der Intermedialität, als auch in die Begrifflichkeit des Comics und der Graphic Novel gegeben werden. Daran anknüpfend soll eine kurze Erklärung der unterschiedlichen Darstellungsmittel jener Medien erfolgen, da diese bei der Untersuchung anhand der Analysekritierien von großer Wichtigkeit sind.

2.1 Die Literaturadaption im Comic und die Intermedialität

Als Literaturadaptionen im Comic werden Medienprodukte bezeichnet, welche das Resultat eines Transfers darstellen. Eine literarische Vorlage wird demnach in das Medium des Comics transformiert. Somit ist die Literaturadaption im Comic als intermediales Phänomen zu verste­hen, das sich aus mindestens zwei unterschiedlichen Medien zusammensetzt.3 Doch was ist unter einem Medium zu verstehen? Hier lohnt sich ein Blick auf die Definition des Intermedi- alitätsforschers Werner Wolf, welcher den Begriff wie folgt auffasst:

„Medium [...] ist ein konventionell als distinkt angesehenes Kommunikationsdispositiv, das nicht nur durch bestimmte technische und institutionelle Übertragungskanäle, sondern auch durch die Verwen­dung eines semiotischen Systems [...] zur öffentlichen Übermittlung von Inhalten gekennzeichnet ist; zu diesen Inhalten gehören referentielle ,Botschaften‘, sie sind aber nicht beschränkt auf diese. Allge­mein beeinflusst das verwendete Medium die Art der übermittelten Inhalte, aber auch, wie diese prä­sentiert und erfahren werden.“4

Diese Definition ist insofern für diese Arbeit prägnant, als dass jener kommunikationsorien­tierte Medienbegriff nicht nur Massenmedien wie beispielsweise das Fernsehen und die neuen Medien aufgreift, sondern auch die traditionellen Künste wie die Malerei,5 und sich somit auch auf Comics anwenden lässt. Um sich nun aber konkret mit der Begrifflichkeit der ,Intermedia- lität‘ auseinanderzusetzen, sollen die Theorien der Intermedialitätsforscherin Irina Rajewsky aufgegriffen werden. Diese versteht unter jenem Terminus „Mediengrenzen überschreitende Phänomene, die mindestens zwei konventionell als distinkt wahrgenommene Medien involvie- ren“.6

Ferner unterscheidet sie den Begriff in drei unterschiedliche Subarten des Intermedialen, welche nun kurz vorgestellt werden sollen, da diese sich auf das Medium des Comics anwenden lassen. Als erste Unterkategorie ist die ,Medienkombination‘ zu nennen, welche ein Produkt bestehend aus „mindestens zwei konventionell als distinkt wahrgenommenen Medien“7 be­schreibt . Als Beispiel für eine solche Medienkombination wäre also bereits der Comic anzu­führen, da sich jener aus schriftlichen und bildlichen Elementen zusammensetzt.

Die zweite Unterkategorie ist der ,Medienwechsel‘. Hierbei werden die Inhalte eines Medi­ums auf ein anderes, distinkt wahrgenommenes Medium übertragen. Von besonderer Wichtig­keit ist hierbei der Prozess, welcher dazu führt, dass die alten Inhalte im neuen Medium wie­derzufinden sind.8 Intermedial ist also die Art der Entstehung. Das Phänomen des Medienwech­sels ist damit also auf die beiden zu untersuchenden Kafka-Adaptionen anzuwenden, da Kafkas Erzählung, Die Verwandlung, aus dem Medium Buch in das Medium Comic transformiert wird.

Die dritte und letzte von Rajewski klassifizierte Subart wird von den ,intermedialen Bezü- gen‘ repräsentiert. Hierbei wird untersucht, wie Produkte eines bestimmten Mediums auf Pro­dukte von distinkt wahrgenommen Medien Bezug nehmen.9

2.2 Der Comic und die Graphic Novel

Damit die Begrifflichkeit der Graphic Novel definiert werden kann, ist es unerlässlich, sich zuvor mit der Definition des Comics auseinanderzusetzen. Dies lässt sich damit begründen, dass es sich bei einer Graphic Novel, wie gezeigt werden wird, ebenfalls um Comics handelt. Darüber, was genau ein Comic allerdings ist, herrscht bis in die moderne Forschung Uneinig- keit.10 Aus diesem Grund soll auch nicht der riskante Versuch unternommen werden, eine all­gemeine Definition für jeden Comic zu finden, sondern lediglich eine, die sich auf die zu un­tersuchenden Kafka-Adaptionen anwenden lässt.

Der Terminus ,Comic‘ ist eine Abkürzung des Wortes ,Comic Strip‘ und bedeutet so viel wie Lustiges oder Komisches.11 Der Comictheoretiker Scott McClaud beschreibt Comics als „juxtaposed pictorial and other images in deliberate sequence, intended to convey information and/or to produce an aesthetic response in the viewer”.12 Damit spricht er ihnen unter anderem eine Sequenzialität, also ein, wie Dolle-Weinkauff es ausdrückt, Vorhandensein von „mindes­tens zwei erzählerisch aufeinander bezogenen Panels“13 zu, womit sich dieser erste Ansatz auf die beiden Kafka-Adaptionen anwenden lässt und somit als erstes Kriterium für einen Comic aufgenommen wird. Ein weiterer Anhaltspunkt wird von Baur geliefert, welcher Comics als „narrative Texte“14 beschreibt, welche über eine „verbal-graphisch-visuelle Zeichensprache“15 verfügen. Demnach erzählen sie, so wie es bei der Verwandlung geschieht, eine Geschichte und nutzen hierbei das Zusammenwirken eines verbalen und visuellen Zeichensystems, um die Handlung voranzutreiben. Verwendet werden hierbei unterschiedliche Gestaltungsmittel, wie beispielsweise Sprech- und Denkblasen, Blocktexte, Speedlines und Onomatopöien, die im fol­genden Unterkapitel einer kurzen Erläuterung unterzogen werden.16 Es lässt sich also zusam­menfassen, dass sich Comics, wie es auf die beiden Kafka-Adaptionen der Verwandlung zu­trifft, durch Sequenzialität, das Vermitteln von narrativen Texten sowie einer Synthese von Text und Bild auszeichnen.

Doch worin liegt nun der Unterschied zwischen einem Comic und einer Graphic Novel? Auch in dieser Frage ist die Forschung bislang zu keinem eindeutigen Konsens gelangt. Der Carlson Verlag etwa, welcher das Angebot auf seiner Homepage unter anderem in Mangas, Comics und Graphic Novels unterteilt, klassifiziert letztere als gezeichnete Romane, die den Stil von Comics, also die Synthese von Schrift und Bild, aufgreifen und sich primär an ein erwachsenes Leserpublikum richten.17 Diese Aspekte werden auch von Dolle-Weinkauf aufge­griffen, welchem es zwar ebenfalls nicht gelingt, eine allgemeingültige Definition für eine Gra­phic Novel zu finden, der aber in seinem Aufsatz Comic, Graphic Novel und Serialität die verbreitetsten Auffassungen von einer Graphic Novel resümiert.

In diesem Zusammenhang wird die Definition des Carlson Verlages insofern erweitert, als dass es sich bei einer Graphic Novel um einen Comic handelt, welcher im Medium Buch pu­bliziert wird. Allerdings merkt er auch an, dass es sich bei dem Adressatenkreis des Mediums nicht zwingend um ein erwachsenes Publikum handeln muss, sondern sich eine Graphic Novel durchaus auch an jüngere Altersklassen richten kann.18 Die Bestandteile einer Definition, wel­che für das Medium Comic erarbeitet wurden, lassen sich demnach also auch auf die Graphic Novel anwenden, weswegen die beiden Termini im Folgenden synonym verwendet werden sollen.

2.3 Die cartoonistischen Darstellungsmittel

Im weiteren Verlauf sollen die unterschiedlichen Darstellungsmittel des Comics (und damit auch der Graphic Novel) vorgestellt werden. Nachdem dies erfolgt ist, werden jene für die an­schließende Analyse der beiden Kafka-Adaptionen verwendet, um die jeweiligen Unterschiede herauszuarbeiten.

2.3.1 Das Panel und die Sequenz

Der Begriff ,Panel‘ bezeichnet das einzelne Bild innerhalb eines Comics. Eine Folge aus meh­reren Panels gilt in der Fachsprache als Sequenz.19 Das Raster, in dem die Panels angebracht sind, wird ,Panel Grid‘ genannt, wobei ein einheitliches Raster als ,Uniform Grid‘ klassifiziert wird. Die Panels können neben- und übereinander, aber auch ineinander gesetzt werden. In diesem Fall besitzt das größere Hintergrundpanel eine orientierende, kontextualisierende oder dekorative Funktion. Die eingesetzten Panels verweisen dabei in der Regel auf Details.

Voneinander abgegrenzt werden die Panels von Rahmen, die dazu dienen, die Seite zu struk­turieren. Die Panels können in ihrer Größe variieren, was dazu genutzt werden kann, auf be­sondere Handlungs- oder Stimmungselemente zu verweisen. Von besonderer Bedeutung soll später das sogenannte , Splash Panef sein, welches oft eine ganze Seite oder einen Großteil jener einnimmt und häufig dazu dient, wichtige Handlungssituationen zu veranschaulichen. Ein Splash Panel am Anfang eines Comics wird als ,Opening Splash‘ klassifiziert, während man von einem ,Interior Splash‘ spricht, wenn sich das Splash Panel im Verlauf der Geschichte befindet.20

2.3.2 Die Sprech- und Denkblase

Um das Gesprochene oder Gedachte in Comics zu veranschaulichen, werden Sprech- bzw. Denkblasen verwendet. Besonders berücksichtigt soll an dieser Stelle die Form der Sprech- und Denkblasen werden, da diese mit unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen sein können. So könnte beispielsweise eine gezackte Sprechblase die Wut des jeweiligen Sprechers ausdrücken. Das grafische Element, welches die Sprech- und Denkblase einer Person zuordnet, wird ,Dorn‘ 21 genannt.21

2.3.3 Der Blocktext

Der Blocktext, auch Blockkommentar genannt, erfüllt ebenfalls die Aufgabe, das Gesprochene im Comic zu visualisieren und wird, wie im Falle der Verwandlung, dazu verwendet, um expli­zierte Erzähleräußerungen einzubauen. In der Regel handelt es sich bei diesem Blocktext um einen rechteckigen Textkasten, welcher sich, angedockt an den Rand des jeweiligen Panels, keiner spezifischen Person zuordnen lässt.22

2.3.4 Die Soundwords

Ononomatopoetische Wörter werden in der Comicsprache als ,Soundwords‘ klassifiziert. Diese Soundwords werden dazu genutzt, Sprache sowie Geräusche mithilfe von Schrift darzustellen. Sie bedienen sich also der Lautmalerei, um den entsprechenden Laut wiederzugeben. Die Soundwords verfügen über keinerlei Rahmen. Desweiteren unterschieden sie sich dadurch vom Blocktext und den Sprech- bzw. Denkblasen, dass bei ihnen auf grafische Mittel zurückgegrif­fen wird, um das jeweilige Geräusch weiter zu verdeutlichen.23 So würde die Verwendung von großen Blockbuchstaben beispielsweise darauf hindeuten, dass die sprechende Instanz mit einer sehr laute Stimme spricht oder schreit. Durch die Verwendung von Soundwords gewinnt das Medium des Comics zusätzlich noch an synästhetischer Qualität.24

2.3.5 Die Speedlines

Als Letztes soll noch auf die Speedlines eingegangen werden. Diese, auch Action Lines ge­nannt, dienen dazu, die Bewegung eines Objekts oder einer Person anhand von Linien nachzu- zeichnen.25

3 Die Analyse der Kafka-Adaptionen

Nachdem nun die nötigen Begriffsdefinitionen erfolgt sind und ein kurzer Einblick in die un­terschiedlichen Darstellungsmittel des Comics gegeben wurde, können nun die beiden Kafka- Adaptionen miteinander verglichen werden. Hierfür werden nach einer kurzen Einführung in das jeweilige Werk selbst, die Analysekategorien Handlung, Oberfläche, Figuren, Szenerie und Perspektive für die Untersuchung herangezogen werden.

3.1 Die Verwandlung von Corbeyran und Horne

Bei dem ersten Comic handelt es sich um die aus dem Jahr 2009 stammende Graphic Novel La Métamorphose (deutscher Titel Die Verwandlung) von Eric Corbeyran (Zeichnung) und Richard Horne (Text), welche von Kai Wilksen ins Deutsche übersetzt und 2016 in deutscher Erstausgabe veröffentlicht wurde.

3.1.1 Die Handlung

Gleich zu Beginn fällt auf, dass es den Künstlern gelungen ist, inhaltlich eine große Nähe zum Originaltext beizubehalten. Erreicht wird dies primär durch den Umstand, dass die Sprachge­stalt des Prätexts in der Graphic Novel bewahrt wurde, wodurch dem Comic zum einen eine gewisse Anspruchshaltung zuzuschreiben ist, zum anderen dem Rezipienten aber auch die kaf- kaeske Atmosphäre des Prätextes vermittelt wird. Demnach werden kürzere Passagen des Er­zählers - besonders zu Beginn - direkt in den Blocktext des Comics übertragen, während bei längeren Textstellen eine Kürzung bzw. Umstellung des Prätextes einer Übernahme in den Blockkommentar vorgreift. Jene Blockkommentare sind in fast jedes Panel implementiert wor­den, sodass es auch vorrangig jene sind, welche die Handlung vorantreiben, während den Bil­dern, Sprech- und Denkblasen eine überwiegend unterstützende Funktion zukommt. Ebenfalls aus dem Original übernommen werden in vielen Fällen die wörtliche Rede sowie die Gedan­kenrede der Figuren, was durch die ebengenannten Sprech- und Denkblasen realisiert wird.

Trotz dieser offensichtlichen Intention der Comicautoren, sich während des Medienwechsels möglichst präzise an der Textvorlage der Verwandlung zu orientieren, lassen sich bei einem inhaltlichen Vergleich marginale Abweichungen zu der Vorlage feststellen, welche sich durch inhaltliche Änderungen, aber auch durch eine Reduktion der Handlung sowie einer Erweiterung derselben manifestieren. Jene Reduktionen lassen sich dabei besonders häufig an Stellen aus­machen, welche von ausführlichen Beschreibungen geprägt sind. Beispielsweise zu Beginn der Novelle, als Gregor zum ersten Mal mit seiner körperlichen Eingeschränktheit konfrontiert wird und sich daran anknüpfend ein Kampf mit dem eigenen Körper entspinnt, als dieser den Ver­such unternimmt, das Bett zu verlassen. Während die Novelle diesen Versuch über drei Seiten in allen Details schildert,26 verzichtet die Graphic Novel auf eine ausführliche Beschreibung.

Ähnliche Komprimierungen setzten sich im Verlauf der Novelle fort, wodurch allerdings keine inhaltlichen Einschnitte zu verzeichnen sind. Wenn Corbeyran und Horne also auf Be­schreibungen innerhalb des Originalwerks verzichten, scheint dies lediglich der Straffung der Handlung zu dienen. Auf das Herausschneiden von Figuren wird dagegen verzichtet. Doch wird die Handlung der Novelle nicht nur reduziert, sie wird auch zum Ende der Geschichte erweitert. Während die Novelle damit endet, dass der Familie mit Gregors Tod eine bessere Zukunft be­vorsteht, schließt die Graphic Novel mit einem Panel, welches den Kadaver des transformierten Sohnes zusammengekrümmt zwischen Müll auf einer Straße zeigt, und somit nicht nur erzählt, was aus dem Verwandelten wurde, sondern den Rezipienten in einem gesteigerten Gefühl der Beklemmung verlässt, als dies bei dem Originalwerk der Fall ist.

Dennoch wird die Nähe zum Original weiter deutlich, wenn man das Werk auf inhaltliche Abweichungen untersucht. Nach eingehender Analyse konnte lediglich eine Stelle identifiziert werden, an welcher das Originalwerk geringfügig umgeschrieben wurde. So wird in der No­velle beschrieben, wie Gregors Vater unter Zuhilfenahme des Stocks des Prokuristen sowie einer Zeitung den Versuch unternimmt, seinen Sohn zurück in dessen Zimmer zu treiben.27 In der Graphic Novel ist diese Stelle ebenfalls zu finden, doch ist es hier ein Besen, mit dessen Hilfe der Vater Gregor vor sich hertreibt. Eine Begründung für diesen Schritt kann nicht mit absoluter Gewissheit gegeben werden, doch liegt die Erklärung nahe, dass die Künstler mit diesem Schritt die Intention verfolgten, Gregors Verwandlung in ein Insekt noch weiter zu in­tensivieren. So stellt das Umherscheuchen von Ungeziefer mittels eines Besens vermutlich die üblichere und zugleich effektivere Vorgehensweise dar, weswegen diese von dem Comiczeich­ner aufgegriffen wurde.

3.1.2 Die Oberfläche

Literaturadaptionen im Comic zeichnen sich häufig durch einen künstlerischen Anspruch aus, womit sie unter anderem das Ziel verfolgen, sich als Status einer Graphic Novel von den ge­wöhnlichen Comics abzugrenzen.28 Der Adaption von Corbeyran und Horne ist ein solcher An­spruch zweifelsfrei zu diagnostizieren. So lässt sich bereits an dem Opening Splash der Graphic

[...]


1 vgl. Kafka 1946.

2 vgl. Blank 2015.

3 vgl. Blank 2015, S. 53 f.

4 vgl. Wolf 2014, S. 20.

5 vgl. Blank 2015, S. 57.

6 vgl. Rajewsky 2002, S. 13.

7 vgl. Rajewsky 2002, S. 15.

8 vgl. Rajewsky 2002, S. 16.

9 vgl. Rajewsky 2002, S. 16 f.

10 vgl. Blank 2015, S. 20 f.

11 vgl. Sanladerer 2006, S. 25.

12 vgl. McClaud 1993, S. 9.

13 vgl. Dolle-Weinkauff 1990, S. 14.

14 vgl. Baur 1984, S. 264.

15 ebd.

16 vgl. Kaindl 2004, S. 87.

17 vgl. Carlson. Graphic Novel.

18 vgl. Dolle-Weinkauff 2014 S. 152 f.

19 vgl. Abel / Klein 2006, S. 78.

20 vgl. Abel / Klein 2006, S. 90-92.

21 vgl. Abel / Klein 2006, S. 100 f.

22 vgl. Abel / Klein 2006, S. 101.

23 vgl. Abel / Klein 2006, S. 101.

24 vgl. Grünewald 2000, S. 15.

25 vgl. Abel / Klein 2006, S. 88.

26 vgl. Kafka 1946, S. 76 - 78.

27 vgl. Kafka 1946, S. 91 - 92.

28 vgl. Blank 2015, S. 86.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Kafkas "Verwandlung" im Comic. Eigene Intention oder Déjà-vu?
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
29
Katalognummer
V966303
ISBN (eBook)
9783346316868
ISBN (Buch)
9783346316875
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kafka, Verwandlung, Comic, Intermedialität
Arbeit zitieren
Sebastian Brünnel (Autor:in), 2017, Kafkas "Verwandlung" im Comic. Eigene Intention oder Déjà-vu?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/966303

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