Im 19. Jahrhundert fanden viele Umwälzungen und Entwicklungen auf ökonomischer und politischer Ebene statt. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war geprägt durch ökonomische und bürgerlich-demokratische Reformen sowie durch die industrielle Revolution (bis 1830), wobei England eine Ausnahme bildete, da hier die bürgerlichen Umwälzungen bereits im 17. Jahrhundert vollzogen wurden. In Frankreich waren durch die Ausrufung des Ersten Kaiserreichs durch Napoleon Bonaparte im Jahre 1804 einige politische Erfolge der Französischen Revolution (1789/95) negiert worden, wie die Abschaffung der Monarchie und Beseitigung des Adelsstandes, doch blieben die Erfolge auf ökonomischer Ebene unberührt. Im Gegenteil, die ökonomischen und bürgerlichen Reformen wurden sogar forciert, so daß sich auch in Frankreich die kapitalistische Gesellschaftsform herausbildete. Somit war die Bourgeoisie nach dem Sturz Napoleons und der damit verbundenen Restauration der Herrschaft der Bourbonen unter Louis XVIII. (1814) bereits so gefestigt, daß die ökonomischen Umwälzungen bestehen blieben. In Deutschland behinderte die territorialstaatliche Zersplitterung den ökonomischen Fortschritt. Sie sollte erst im Jahre 1871 durch die Proklamation des Deutschen Reiches beseitigt werden. Es fanden aber unter dem Einfluß der Französischen Revolution und unter dem Druck der Volksmassen erste Ansätze bürgerlicher Reformen statt. Diese Entwicklung wurde verstärkt durch die Beseitigung feudaler Kleinstaaten durch Napoleon. Die bürgerlich-demokratische Revolution von 1848/49 bildete den Höhepunkt im Prozeß der bürgerlichen Umwälzung in Deutschland. In den Vereinigten Staaten von Amerika setzte nach Beendigung der englischen Kolonialherrschaft die Eroberung des Westens auf dem nordamerikanischen Kontinent ein. Dies geschah auf Kosten der indianischen Urbevölkerung. Dadurch wurde ein gewaltiger Binnenmarkt geschaffen, der die kapitalistische Entwicklung förderte. Zugleich spitzten sich die Gegensätze zwischen dem industriellen Norden und dem durch das Plantagensystem und der Sklaverei gekennzeichneten Süden zu, die schließlich im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861/65) eskalierten. Somit war eine noch schnellere kapitalistische Entwicklung nach dem Sieg des Nordens gewährleistet.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts festigte sich die kapitalistische Gesellschaftsform in den einzelnen Ländern...
Inhaltsverzeichnis
ABKURZUNGSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
2. DIE AUFKLARUNG: GRUNDLAGE ERSTER KRITIK AM KAPITALISMUS.
3. DER UTOPISCHE SOZIALISMUS
3.1 Robert Owen (1771 - 1858)
3.2 Francois Fourier (1772 - 1837)
3.3 Claude-Henri Saint-Simon (1760 - 1825)
4. DER WISSENSCHAFTLICHE SOZIALISMUS
4.1 Der dialektische und historische Materialismus
4.2 Die okonomische Lehre von Marx
4.3 Der Klassenkampf und die revolutionAre Rolle des Proletariats
5. DIE DEUTSCHE SOZIALDEMOKRATIE IM 19. JAHRHUNDERT
5.1 Die Bildung erster sozialdemokratischer Parteien in Deutschland (kurzer historischer Abrib)
5.2 Kritik des Gothaer Programms
6. SCHLUBBEMERKUNG
LITERATURVERZEICHNIS:
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Im 19. Jahrhundert fanden viele Umwalzungen und Entwicklungen auf oko- nomischer und politischer Ebene statt. Die erste Halfte des 19. Jahrhunderts war gepragt durch okonomische und burgerlich-demokratische Reformen sowie durch die industrielle Revolution (bis 1830), wobei England eine Ausnahme bildete, da hier die burgerlichen Umwalzungen bereits im 17. Jahrhundert vollzogen wurden. In Frankreich waren durch die Ausrufung des Ersten Kaiserreichs durch Napoleon Bonaparte im Jahre 1804 einige politische Erfolge der Franzosischen Revolution (1789/95) negiert worden, wie die Abschaffung der Monarchie und Beseitigung des Adelsstandes, doch blieben die Erfolge auf okonomischer Ebene unberuhrt. Im Gegenteil, die okonomischen und burgerlichen Reformen wurden sogar forciert, so daft sich auch in Frankreich die kapitalistische Gesellschaftsform herausbildete. Somit war die Bourgeoisie nach dem Sturz Napoleons und der damit verbundenen Restauration der Herrschaft der Bourbonen unter Louis XVIII. (1814) bereits so gefestigt, daft die okonomischen Umwalzungen bestehen blieben. In Deutschland behinderte die territorialstaatliche Zersplitterung den okonomischen Fortschritt. Sie sollte erst im Jahre 1871 durch die Pro- klamation des Deutschen Reiches beseitigt werden. Es fanden aber unter dem Einfluft der Franzosischen Revolution und unter dem Druck der Volksmassen erste Ansatze burgerlicher Reformen statt. Diese Entwicklung wurde verstarkt durch die Beseitigung feudaler Kleinstaaten durch Napoleon. Die burgerlich-demokratische Revolution von 1848/49 bildete den Hohepunkt im Prozeft der burgerlichen Umwalzung in Deutschland. In den Vereinigten Staaten von Amerika setzte nach Beendigung der englischen Kolonialherrschaft die Eroberung des Westens auf dem nordamerikanischen Kontinent ein. Dies geschah auf Kosten der indianischen Urbevolkerung. Dadurch wurde ein gewaltiger Binnenmarkt geschaffen, der die kapitalisti- sche Entwicklung forderte. Zugleich spitzten sich die Gegensatze zwischen dem industriellen Norden und dem durch das Plantagensystem und der Sklaverei gekennzeichneten Suden zu, die schlieftlich im Amerikanischen Burgerkrieg (1861/65) eskalierten. Somit war eine noch schnellere kapita- listische Entwicklung nach dem Sieg des Nordens gewahrleistet.[1]
In der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts festigte sich die kapitalistische Gesellschaftsform in den einzelnen Landern. Die Industrie basierte endgultig auf der Grundlage des Fabriksystems und es bildeten sich die ersten Monopole heraus. Die wirtschaftliche Vormachtstellung Englands und Frank- reichs endete zum Ende des Jahrhunderts, an ihre Stelle traten das Deutsche Reich und die USA. Weiterhin konstituierten sich die Bourgeoisie und das Proletariat als Klassen.
In diese Zeit fallt die Geburtsstunde des wissenschaftlichen Kommunismus. Seine Hauptvertreter waren Karl Marx und Friedrich Engels. Sie begannen die Entwicklung des Kapitalismus zu analysieren, zeigten seine Widerspruche auf und erkannten den Klassenantagonismus zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Gleichzeitig versuchten sie Gesetzmabigkeiten fur die Entstehung und den Verfall des Kapitalismus nachzuweisen. Auf diesen Grundlagen entwickelten sie eine hohere Gesellschaftsformation - Sozialismus und Kommunismus - und zeigten auf, dab diese Gesellschaftsform nur durch eine Revolution unter Fuhrung des Proletariats erreicht werden kann, die die kapitalistische Gesellschaftsform beseitigt.[2]
In der vorliegenden Arbeit sollen die einzelnen Sozialismus-Theorien des 19. Jahrhunderts naher betrachtet werden. Dabei werden nur die Hauptvertreter berucksichtigt. Am Ende soll kurz auf die Sozialdemokratie im Deutschland des vorigen Jahrhunderts eingegangen werden, da unter Einflub von Marx und Engels 1869 die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (Eisenacher) gegrundet wurde.[3]
Da eine vollstandige und alles umfassende Betrachtung der Sozialismus- Theorien, besonders im Hinblick auf den wissenschaftlichen Sozialis- mus/Kommunismus, den Umfang dieser Arbeit erheblich erweitern wurde, werden nur einige hauptsachliche Ansatze und Theoreme skizziert. Auf die weiterfuhrende Literatur wird an dieser Stelle hingewiesen.
2. Die Aufklarung: Grundlage erster Kritik am Kapitalismus
Im 17. und 18. Jahrhundert bildete sich in der Philosophie, Literatur und in den Naturwissenschaften eine neue geistige Sichtweise heraus. Die Bewegung der Aufklarung hatte die Entmystifizierung der Welt zum Ziel. Das Individuum sollte sich nicht mehr als Opfer von Gotter, Geistern und Da- monen sehen, sondern als Herr uber und Gestalter seiner Umwelt.[4] Dies fuhrte besonders in den Naturwissenschaften zu einer Vielzahl von Er- kenntnissen, die nun nicht mehr mit theologischen Dogmen behaftet waren.
Da in England die burgerlichen Umwalzungen und Entwicklungen am wei- testen fortgeschritten waren und bereits eine burgerliche Revolution stattge- funden hatte, entstanden hier die ersten Ansatze der Aufklarung. Diese An- satze sowie die hieraus entwickelten Erkenntnisse und Grundsatze wurden in Frankreich wesentlich modifiziert und bildeten die Grundlage fur die Revolution von 1789. Auch war Frankreich das Land, in dem die Aufklarung am popularsten, radikalsten und so sehr antiklerikal war, so dab hier die meisten Erkenntnisse unter anderem auch in materialistisch-atheistischer Hinsicht gewonnen wurden.[5]
Doch historisch gesehen, war die Aufklarung “eine antifeudale und anti- kirchliche europaische Emanzipationsbewegung”[6] im Dienste des sich ent- wickelnden Burgertums. Das bisherige sollte zwar durch eine neue Staats- und Gesellschaftsform abgelost werden, doch sollte der Leitspruch der Fran- zosischen Revolution - Freiheit, Gleichheit, Bruderlichkeit - nur auf die Klasse der Bourgeoisie zutreffen; es bestand weiterhin der Gegensatz von Ausbeutern und Ausgebeuteten, von arm und reich. Des weiteren kann der Kapitalist nicht ohne Lohnarbeiter bestehen; und so wie sich der Zunftburger und der Kaufmann des Feudalismus zum Bourgeois entwickelten, muBte der Zunftgeselle sich zum Proletarier entwickeln.[7]
Dieser Umstand fuhrte dazu, daB sich wahrend der Ablosung des Feudalismus durch den Kapitalismus innerhalb des Dritten Standes[8] ein kleinburger- licher Flugel abhob, der an der Aufklarung festhielt, aber die sozialokono- mischen Probleme, die auch in der neuen kapitalistischen Gesellschaftsord- nung vorhanden waren, erkannte und scharfe Kritik ubte. Doch es konnte nur insoweit Kritik geubt werden, wie keine Grenzen bzw. Schranken gesetzt waren. Zwar verurteilte das Kleinburgertum die Entwicklung des Kapitalismus und idealisierte die kleine Warenproduktion der Bauern und Hand- werker. Es erkannte nicht, daB gerade diese Form der Warenproduktion, die Entwicklung zum Kapitalismus in sich tragt.[9]
Mit der Vertiefung der Widerspruche des Kapitalismus und der zunehmenden Verelendung des sich entwickelnden Proletariats entstand der kritisch- utopische Sozialismus und Kommunismus, dessen Hauptvertreter in Frank- reich Fourier und Saint-Simon, in England Owen waren. Obwohl sie, wie die burgerlichen Okonomen ihre Theorien auf die Philosophie der Aufklarung stutzten, hoben sie sich in ihrer Kritik des Kapitalismus deutlich von der kleinburgerlichen ab, da ihre wirtschaftlichen Anschauungen weder ruckwartsgewandt waren, noch wollten sie an bestehenden Verhaltnissen festhalten. Im Gegensatz zum Kleinburgertum war den utopischen Sozialisten bewuBt, daB die MiBstande des Kapitalismus nur durch eine neue Ge- sellschaftsform uberwunden werden.[10]
[...]
[1] Vgl. Lexikonredaktion des VEB Bibliographisches Institut Leipzig (Hrsg.), BI-Universallexikon, 1. Aufl., Leipzig 1988, S. 157 (Deutsches Reich), S. 238 (Frankreich), S. 284 (England), S. 785 f. (USA)
[2] Vgl. Dau, R. u.a. (Hrsg.), Worterbuch des wissenschaftlichen Kommunismus, 2. Aufl., Berlin 1984, S. 179 ff
[3] Vgl. BI-Universallexikon, a.a.O., S. 689
[4] Vgl. Horkheimer, M./Adorno, Th. W., Dialektik der Aufklarung, 1. Aufl., Leipzig 1989, S. 16 ff.
[5] Vgl. Bahner, W., Aufklarung als europaisches Phanomen, 1. Aufl., Leipzig 1985, S. 47
[6] Vgl. Bl-Universallexikon, a.a.O., S. 59
[7] Vgl. Engels, F., Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, 21. Aufl., Berlin 1980, S. 49 f.
[8] Vor der Franzosischen Revolution wurde die Standekammer gebildet. In ihr waren alle Stande der Gesellschaft vertreten - Feudaladel, Kirche und Burgertum. Den dritten Stand bildete das Burgertum.
[9] Vgl. Bahner, a.a.O., S. 49, siehe auch: Akademie der Wissenschaften der UdSSR - Institut fur Okonomie (Hrsg.), Politische Okonomie, 3. russische Aufl., Moskau 1958 - deutsche Ubersetzung: 1. Aufl., Berlin 1959, S. 344
[10] Vgl. Akademie der Wissenschaften der UdSSR, a.a.O., S. 344
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