Analytische Ansätze zur Ermittlung des Value-at-Risk


Seminararbeit, 2000

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Universität Bielefeld

Fakultät für Wirtschaftswissenschaften

Lehrstuhl für Finanzwirtschaft

Prof. Dr. Thomas Braun
Dipl.-Kfm. Daniel Günnewig
Dipl.-Volksw. Christoph Wöster

Sommersemester 2000

Seminar: "Portfolio- und Risikomanagement"

Thema 3 : ,,Analytische Ansätze zur Ermittlung des Value-at-Risk"

Verfasser: Jochen Cremer
Abgabedatum: 12.05.2000

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einführung..... 1
2. Grundlagen des Risikomanagements...... 2
3. Idee und Konzept des ,,Value-at-Risk" (VaR)..... 3
3.1. Erläuterung der Grundprinzipien..... 3
3.2. Wahl der Parameter..... 4
3.3. Statistische Vorüberlegungen..... 5
4. Der Varianz - Kovarianz - Ansatz..... 6
4.1. Die Herleitung des ,,Value-at-Risk"(VaR)..... 6
4.2. Ein einfaches Beispiel zur Ermittlung des Value-at-Risk..... 8
4.3. Weitere Variationsmöglichkeiten..... 9
5. Der Delta - Normal - Ansatz..... 10
6. Der Delta - Gamma - Ansatz..... 12
6.1. Die Herleitung des Ansatzes..... 12
6.2. Beispiel zur Ermittlung des VaR mit Hilfe des ,,Delta-Gamma-Ansatzes"..... 15
6.3. Interpretation des Ergebnisses und Kritik des Ansatzes..... 16
7. Resümee..... 17
8. Literaturverzeichnis..... 19

Anm. d. Red.: aus technischen Gründen können hier keine Grafiken angezeigt werden. Für Volltext, bitte Flashansicht oder E-Book ansehen.

1. Einführung:

In dieser Arbeit werden verschiedene Ansätze des ,,Value-at-Risk" (VaR) als Konzept des Risikomanagements erläutert. Zunächst wird daher in Kapitel 2 darauf eingegangen, worum es sich beim Risikomanagement handelt und warum dies notwendig ist.. Daraus entsteht die Frage, mit welchen Methoden sich private wie institutionelle Anleger gegen Verlustrisiken schützen können.

In Kapitel 3 werden dann die dem VaR - Konzept zugrundeliegenden Ideen erläutert.
Hier wird erklärt, auf welche Fragen der VaR eine Antwort geben kann und welche Inputdaten zu seiner Bestimmung notwendig sind. Da der Anlagehorizont und Konfidenzniveau relativ unproblematische Inputparameter sind und die Gewichtung der Anteile im Portfolio als gegeben angesehen wird, stellt sich nun die Frage, wie die Renditen verteilt sind.

Das 4.Kapitel behandelt zunächst den ,,Varianz - Kovarianz - Ansatz" für Aktien. Hier wird dargestellt, wie Renditen und Varianzen für reine Aktienportfolios verteilt sind und wie
der VaR in diesem Fall berechnet werden kann.

Im 5.Kapitel wird der VaR für den Fall festverzinslicher Wertpapiere behandelt. Hier wird der
,,Delta-Normal-Ansatz" vorgestellt. Hierbei wird von normalverteilten Zinssätzen ausgegangen.

Die logische Fortsetzung dieses Ansatzes ist der ,,Delta-Gamma-Ansatz" für Optionen, der im
6.Kapitel thematisiert wird. Es wird gezeigt, daß der ,,Delta-Normal-Ansatz" für Optionen hier nicht mehr ausreichend ist.

Den Abschluß bildet das 7.Kapitel, in dem ein kurzes Resümee gezogen wird.

2. Grundlagen des Risikomanagements:

Eine der grundlegenden Erkenntnisse der heutigen Kapitalmärkte ist die Tatsache, daß die Renditen von Anlageobjekten mit Risiken behaftet sind. Für risikoneutrale Anleger stellt sich dieses Problem nicht, risikoaverse Investoren sehen sich jedoch mit dem Problem der
Risikostreuung konfrontiert. Die mit Hilfe der ,,Portfolio Selection Theory" von Markovitz
gegebenen Antworten sind jedoch allein nicht befriedigend. Wenn man dieses Modell zu-
grundelegt, lassen sich zwar erwartete Rendite und Varianz angeben, doch eine sinnvolle Antwort auf die Frage: ,,Wie viel Geld kann ich mit dieser oder jener Anlagestrategie verlieren ?" wird nicht gegeben. Doch gerade an einer Antwort auf diese Frage sind private wie institutionelle Anleger häufig interessiert. Die Idee des Risikomanagements ist es nun, dem Anleger Strategien zu erklären bzw. Kennzahlen anzugeben, mit dessen Hilfe er sein Risiko mindern bzw. abschätzen kann.
Als mögliche Strategie soll hier die Stop-Loss-Strategie kurz erläutert werden. Ein Anleger investiert sein Vermögen in unsichere Wertpapiere und setzt sich zum Ziel, zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt ein bestimmtes Endvermögen keinesfalls zu unterschreiten. Daher wird mit Hilfe der Rendite festverzinslicher Wertpapiere für jeden Zeitpunkt der abdiskontierte Wert des Endvermögens ermittelt. Fällt das Portfolio zu einem Zeitpunkt unter diesen Wert, so werden alle unsicheren Wertpapiere verkauft und sichere Wertpapiere gekauft, um so das gewünschte Endvermögen sicherzustellen.1
Eine der oben angesprochenen Kennzahlen stellt nun der Value-at-Risk dar. Er liefert dem Anleger eine Kennzahl, mit dessen Hilfe er abschätzen kann, wieviel Geld er verlieren kann,
wenn man den Anlagehorizont, das Konfidenzniveau und die Portfoliogewichte als gegeben
ansieht. Wenn die Anlageobjekte, wie z.B. Optionen, Aktien und festverzinsliche Wertpapiere
bekannt sind, kann man eine geeignete Verteilungsfunktion ermitteln, die die erwarteten Renditen und Varianzen angibt. Für reine Aktienportfolios kann man direkt die von der Portfoliotheorie nahegelegte Normalverteilung wählen, bei festverzinslichen Wertpapieren und Optionen ist es etwas schwieriger. Andere Wertpapiere und andere Derivate werden in dieser Arbeit nicht behandelt.
Der Value-at-Risk ist also keine konkrete Strategie, sondern er liefert dem Investor nach
erfolgter Auswahl der Anlageobjekte ein Risikomaß für seine Anlagestrategie. Falls das
Risiko zu hoch ist, so ist es Sache des Investors, sein Portfolio zu revidieren. Der VaR liefert hier allerdings keine konkrete Hilfestellung.

3. Idee und Konzept des ,,Value-at-Risk" (VaR)

3.1. Erläuterung der Grundprinzipien

Wie bereits erläutert, soll der VaR eine Kennzahl für das Risiko einer Anlagestrategie angeben. Der VaR ist als erwarteter, maximaler Verlust über einen gegebenen Zeithorizont unter Berücksichtigung eines gegebenen Konfidenzintervalls definiert. Im folgenden sei:

Zeithorizont

Signifikanzniveau mit < < 1.

x Spaltenvektor der relativen Portfoliogewichte mit
F(.) Verteilungsfunktion der erwarteten Rendite
W0Anfangsvermögen des Investors

Es werden i = 1,...,n Anlageobjekte betrachtet.
Dabei summieren sich summieren sich die relativen Portfoliogewichte zu eins auf,
d.h. es gilt: . Leerverkäufe sind zugelassen.
Die obige Definition legt nahe, daß der VaR sich als eine Funktion der folgenden Form
darstellen läßt:
.
Dies ist in der Tat der Fall. Der betrachtete Zeithorizont sowie das betrachtete Signifikanzniveau werden als gegeben angesehen und sind unproblematisch. Wie läßt sich jedoch die
Verteilungsfunktion F(.) ermitteln ? Für den Fall reiner Aktienportfolios kann hier die Portfoliotheorie Antwort geben, bei der für die einzelnen Anlageobjekte Normalverteilung unterstellt wird.
Etwas komplizierter verhält es sich, wenn man festverzinsliche Wertpapiere oder Optionen
betrachtet. Bei festverzinslichen Wertpapieren sind die Auswirkungen einer Verschiebung der Zinsstrukturkurve nicht so klar und gerade bei Optionen wirkt es intuitiv kaum einsichtig,
wie die Verteilung der Renditen durch eine Normalverteilung approximiert werden kann.

3.2. Wahl der Parameter

Für einen Anleger, der die Risikokennziffer VaR erhalten möchte, stellt sich nun die Frage,
wie die Parameter T und zu wählen sind. Dabei sind einige Faktoren zu berücksichtigen.

Die Wahl des Zeithorizonts T ist von der individuellen Anlagestrategie des Investors abhängig. Bei einem Privatinvestor, der eine langfristige Anlagestrategie verfolgt, sollte der Zeithorizont relativ langfristig gewählt werden. Für eine Großbank hingegen, in deren Kalkül auch kurzfristige Investitionen miteinbezogen werden, sollte der Zeithorizont kürzer gewählt werden.2

Bei der Wahl des Signifikanzniveaus gilt es, den Grad der Risikoaversion des Investors zu berücksichtigen. Je kleiner gewählt wird, desto mehr Situationen mit einem hohen Verlust
werden bei der Betrachtung berücksichtigt. Also gilt für den Investor eine reziproke Beziehung zwischen Risikoaversion und , denn je höher seine Risikoaversion ist, desto mehr Fälle mit hohem Verlust werden in seine Betrachtung miteinbezogen.3

Auch in der Praxis sind sich Banken und andere Institutionen nicht immer einig, wenn es um die Wahl des geeigneten Signifikanzniveaus geht. Das Konfidenzniveau, welches sich durch
darstellen läßt, wird wie folgt gewählt:

Bankers Trust: 99 %
Chemical und Chase 97,5 %
Citibank 95,4 %
Bank America und J.P. Morgan 95 %.4

Man sieht also, daß die Wahl dieser Parameter nicht trivial ist und einen erheblichen Einfluß
auf die Interpretation des erhaltenen VaR hat. Sicherlich sind zwei identische Ergebnisse für
den VaR völlig unterschiedlich zu bewerten, wenn einmal = 0,01 und einmal = 0,05
gewählt wurde oder etwa der Zeithorizont völlig unterschiedlich gewählt wurde. Für die
Wahl des Zeithorizonts gilt dies natürlich analog.

3.3. Statistische Vorüberlegungen

Das Konzept des VaR wird in dieser Arbeit auf Basis der Normalverteilung dargestellt. Das allgemeine Konzept des VaR ist jedoch keinesfalls auf die Wahl dieser speziellen Verteilungsfunktion beschränkt. Daher soll nun zunächst von einer allgemeinen Verteilungsfunktion beispielsweise für die Zufallsvariable R ausgegangen werden. Das Signifikanzniveau wurde bereits zuvor mit spezifiziert. Es wird nun also die Rendite gesucht, die für eine gegebene Verteilungsfunktion F(R) den Wert ergibt, d.h. es gilt:

F(R) = .

Diese Rendite gibt also an, wie hoch der Anteil des Vermögens ist, den man auf Basis der
Verteilungsfunktion F und unter Vernachlässigung der * 100 % schlechtesten Fälle
verlieren kann. Nun ist uns jedoch nicht der Wert R bekannt, sondern der Wert . Wenn die Verteilungsfunktion invertierbar ist, dann erhält man durch Inversion auf beiden Seiten:

F -1 () = R .

Nun kann man die zugrundeliegende statistische Idee erkennen. Durch die Inversion der Verteilungsfunktion erhält man das -Quantil, welches also die ,,kritische Rendite" R angibt,
die man auf o.g. Basis verlieren kann. Im folgenden soll nun der Fall reiner Aktienportfolios betrachtet und mit Hilfe der Portfoliotheorie analysiert werden.

4. Der ,,Varianz - Kovarianz - Ansatz"

4.1. Die Herleitung des ,,Value-at-Risk" (VaR)

In diesem Abschnitt soll der VaR für reine Aktienportfolios auf Basis der Portfoliotheorie hergeleitet werden. Dazu werden folgende Definitionen benötigt:
C Varianz-Kovarianz-Matrix mit
Spaltenvektor der erwarteten Renditen mit
Spaltenvektor der erwarteten Standardabweichungen mit
erwartete Portfoliorendite
Standardabweichung der Portfoliorendite

Wieder wird angenommen, daß die Investoren ihr Vermögen in die Wertpapiere i = 1,...,n investieren. Dabei versuchen diese, eine möglichst hohe Rendite zu erzielen. Ferner wird unterstellt, daß alle Marktteilnehmer risikoavers sind und versuchen, die Standardabweichung zu minimieren. Leerverkäufe sind zugelassen; eine Möglichkeit, das Vermögen in ein sicheres Wertpapier zu investieren - wie im CAPM - besteht hingegen nicht. Für die erwartete Rendite i und die Standardabweichung i des Wertpapiers i wird Normalverteilung unterstellt. Dann gelten für die erwartete Rendite und die Standardabweichung des gesamten Portfolios die folgenden Formeln:

= T x
= .5

Die erwartete Rendite und die Standardabweichung des gesamten Portfolios sind also ebenfalls normalverteilt. Dies ermöglicht es uns, mit Hilfe der bekannten Transformation
für Normalverteilungen Rückschlüsse auf die Verteilung der Portfoliorendite zu ziehen.

Für normalverteilte Zufallsvariablen gilt:
x ~ und allgemein

x ~ .6
Die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung wird hierbei durch dargestellt.
Da die Zufallsvariable R nun mit den Parametern und normalverteilt ist, kann diese
Transformation angewandt werden. (Die Indizes werden im folgenden der Einfachheit halber weggelassen). Es gilt also:
.
Durch Inversion auf beiden Seiten erhält man:

bzw. .
Diese Gleichung ist besonders wichtig, denn sie ermöglicht es uns, mit Hilfe des Konfidenzniveaus und des gegebenen Anteilsvektors x sowie der hieraus bestimmbaren Parameter und eine kritische Rendite R herzuleiten, die den maximalen Verlust angibt, wenn man die
ungünstigsten * 100 % aller Fälle nicht berücksichtigt.
Nun ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zum VaR. Bisher haben wir nur relative Verluste berücksichtigt, beim Value-at-Risk handelt es sich jedoch um eine absolute Größe. Wird die kritische Rendite R nun noch mit dem Anfangsvermögen W0 multipliziert, so ist die Herleitung des VaR abgeschlossen:

Bei dieser Darstellung handelt es sich nun um den sogenannten ,,absoluten" Value-at-Risk.
Es wird also berechnet, wieviel Geldeinheiten(GE) der Investor insgesamt verloren hat. Der VaR läßt sich jedoch auch als ,,relative" Größe darstellen, in dem man zusätzlich miteinbezieht, um wieviel GE der Anleger in bezug auf den Erwartungswert schlechter gestellt ist.
Die Formel für den ,,relativen" Value-at-Risk lautet dann:

Nun stellt sich also die Frage, ob der absolute oder der relative VaR besser als Kennzahl
geeignet ist. Wenn man von einem möglichen Verlust spricht, dann ist es intuitiv einleuchtend, sich dabei nicht auf den Mittelwert zu beziehen, sondern auf eine Absolutgröße.
Für den relativen VaR spricht jedoch die einfachere Handhabbarkeit, da der Erwartungswert hier nicht bekannt sein muß.

4.2. Ein einfaches Beispiel zur Ermittlung des ,,Value-at-Risk"

Um das Konzept des VaR deutlich werden zu lassen, wird im folgenden ein einfaches
Beispiel behandelt. Für die Daten und Parameter gelten folgende Werte:

Daraus folgt für Portfoliorendite und -standardabweichung:

= T x = und .7
Somit erhält man als absoluten und relativen VaR:

Das heißt, daß der Anleger bei der gegebenen Datenkonstellation unter Vernachlässigung
der ungünstigsten 5% aller Fälle maximal 18.050 GE absolut und 148.050 GE bezogen auf den Erwartungswert verlieren kann.

4.3. Weitere Variationsmöglichkeiten

Bisher sind wir stets davon ausgegangen, daß der Zeithorizont T und das Signifikanzniveau
konstant sind. Nun ist es unter Umständen von Interesse, Auswirkungen von Veränderungen dieser Parameter zu analysieren. Eine Veränderung des Signifikanzniveaus von auf hat auf den relativen VaR folgende Auswirkung:
.

Somit gilt: .
Die Risiken für verschiedene sind also leicht umrechenbar.
Für die Betrachtung der Variation des Zeithorizonts T muß man sich nun vergegenwärtigen,
daß für Erwartungswert und Standardabweichung folgende Beziehungen gelten:
und .
Wenn man dies in die bekannten Formeln einsetzt, so erhält man nach einigen Umformungen:

.8

Die Umformung bzgl. zwei verschiedener Zeithorizonte ist also ebenfalls unproblematisch.
Dies verdeutlicht, daß es vorteilhaft ist, die Normalverteilung als Basis zu wählen, da diese sehr leicht handhabbar ist.

5. Der ,,Delta - Normal" - Ansatz

Im vorhergehenden Kapitel wurden Aktien behandelt, so daß das Risiko als Lineartransformation der einzelnen Risikofaktoren darstellbar war. Etwas schwieriger wird es, wenn man festverzinsliche Wertpapiere betrachtet, für die dies nicht gilt. Um den VaR-Ansatz für diese
anwenden zu können, werden zunächst folgende Definitionen vereinbart:

Zeitindex

Zahlung des Wertpapiers in Periode t

y interner Zinsfuß des Wertpapiers (yield)
P Preis des Wertpapiers in t = 0.

Für den Preis eines festverzinslichen Wertpapiers gilt dann:

.

Als wichtige Kennzahl einer Anleihe wird nun die Duration betrachtet, die die durchschnittliche Bindungsdauer des Kapitals in Jahren angibt.9 Diese ist wie folgt definiert:

.

Nun soll die ,,modified" Duration definiert werden, die eine Preiselastizität des Bonds in bezug auf eine Änderung des yield angibt:

.10
Da die Beziehung zwischen Bond und yield nicht-linear ist, werden im folgenden lediglich
Veränderungen des yield betrachtet. Damit wird unterstellt, daß der yield normalverteilt ist.
Dann wird die folgende lineare Beziehung zwischen Preis und yield unterstellt:

11
Aus folgt dann:

Da die Standardabweichung ein lineares Maß ist - - gilt somit:

wobei die Standardabweichung des Bonds darstellt.
Es ist uns also gelungen, die Standardabweichung des Bonds auf die des yields zurückzuführen. Nun läßt sich der relative VaR ganz analog zum vorigen Kapitel darstellen als:

,

da bei einem Ausgangsvermögen von W0 und einem Bondpreis in Höhe von P genau Bonds gekauft werden.

Dabei wird unterstellt, daß der Investor sein Ausgangsvermögen komplett in Bonds anlegt.
Auch hier läßt sich der VaR letztlich - über Umwege - durch die Normalverteilung darstellen.

6. Der ,,Delta - Gamma - Ansatz"

6.1. Die Herleitung des Ansatzes

In diesem Kapitel wird der VaR für Optionen - und zur Vereinfachung nur für Calls - betrachtet. Deren Bewertung gestaltet sich jedoch recht schwierig, da die Erlöse aus Calls nicht-linearer Natur sind.12 Daher wurde der ,,Delta - Gamma - Ansatz" entwickelt, mit dem man versucht, die Wertänderungen des Calls durch die der zugrundeliegenden Aktie zu erklären.
Solange der Schlußkurs unterhalb des Ausübungspreises K einer Aktie liegt, ist der Call wertlos. Erst danach kann der Besitzer eines Calls Erlöse aus diesem erzielen, jedoch in theoretisch unbegrenzter Höhe. So macht man sich schon intuitiv leicht klar, daß der Call stets eine hohe Varianz und damit einen hohen Wert für den VaR hat.

Als herkömmlicher Ansatz der Bewertung für Calls gilt das Black-Scholes-Modell, das zur Einführung kurz dargestellt wird. Sinn des Modells ist es, einen europäischen Call auf Basis einer nicht-dividendenzahlenden Aktie zu bewerten. Dabei gelten die folgenden Definitionen:

Preis des Calls in t = 0
Preis der Aktie in t = 0

K Ausübungspreis des Calls
T Fälligkeit des Calls
r risikoloser Zinssatz

Volatilität der Aktie

Dann ist der Wert des Calls durch die folgende Formeln darstellbar:13
mit

.

Auf die Herleitung soll im folgenden nicht näher eingegangen werden. In bezug auf dieses Modell werden nun häufig die Sensitivitätskennziffern berechnet, die angeben, wie stark der Wert des Calls in bezug auf eine Veränderung der fünf Basisvariablen reagiert.
Hier soll nun die Veränderung des Call-Werts in bezug auf S analysiert werden. Die ersten
beiden partiellen Ableitungen lauten dann:

(1).

Dabei ist zu beachten, daß wiederum von S0 abhängig ist, so daß sowohl die Produkt- als auch die Kettenregel anzuwenden ist. Dies macht auch das Ergebnis der 2.Ableitung verständlich. Der Parameter Delta gibt ein Verhältnis an, wie stark sich der Optionspreis in bezug auf das zugrundeliegende Wertpapier verändert.14 Die zweite partielle Ableitung Gamma drückt aus, wie stark Delta in bezug auf das ,,Underlying" reagiert.

Nun soll die Veränderung des Call-Werts durch eine Taylor-Reihen-Entwicklung erklärt werden, d.h. es wird die Gültigkeit der folgenden Beziehung unterstellt:

Um nun einerseits die Genauigkeit der Schätzung zu gewährleisten, andererseits die Schätzung aber nicht zu kompliziert werden zu lassen, werden als Annäherung nur die Terme bis zum 2.Glied berücksichtigt und anschließend die Gleichungen (1) eingesetzt, d.h. es gilt:

.15
Um nun eine Schätzung für den Value-at-Risk durchführen zu können, muß zunächst die Varianz von dC, , berechnet werden. Diese läßt sich berechnen durch:

.
Allgemein gilt für normalverteilte Zufallsvariablen, daß alle ungeraden Momente (wie z.B. die Kurtosis) gleich Null sind, so daß der letzte Term obiger Gleichung wegfällt. Ferner kann man zeigen, daß gilt: .16 Daraus folgt:

. (2)

Da die Standardabweichung und die Varianz jedoch nicht auf eine Kursänderung dS , sondern auf eine Kursrendite bezug nehmen soll, muß die Gleichung noch umgeformt werden.
Da - wie bereits oben erwähnt - gilt, kann man schreiben:

.
Aus (2) folgt dann:
.
Nun ist es uns wieder gelungen, die Wertänderung des abhängigen Wertpapiers durch die
Änderung des unabhängigen Wertpapiers darzustellen. Wenn wir uns nun erinnern, daß der relative Value-at-Risk im Fall eines reinen Aktienportfolios durch die Formel
darstellbar war, so müssen wir nun für die entsprechende Formel für die Optionen lediglich den korrekten Wert für einsetzen:

.

Analog zum vorhergehenden Kapitel ist auch hier ist die Anzahl der gekauften Optionen durch definiert, wobei C0den Optionspreis angibt.

Nun wird klar, warum es nicht ausreichend ist, für Optionen lediglich das aus dem Delta-
Faktor resultierende Risiko zu berücksichtigen, wie es beim ,,Delta- Normal- Ansatz" der Fall ist. Das für den Fall der Optionen besonders wichtige Gamma- Risiko wird beim Ansatz des vorherigen Kapitels völlig vernachlässigt.
Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn es sich um eine ,,at-the-money" -Option mit
kurzer Restlaufzeit handelt.17 Von einer ,,at-the-money" -Option spricht man, wenn der Aktienpreis S und der Ausübungspreis K identisch sind.
Der ,,Delta-Gamma-Ansatz" soll nun an einem Beispiel verdeutlicht werden.

6.2. Beispiel zur Ermittlung des Value-at-risk mit dem ,,Delta-Gamma-Ansatz"

In diesem Abschnitt wird der VaR für einen europäischen Call berechnet. Dabei wird von folgenden Parameterwerten ausgegangen:

.

1. Berechnung des Marktwerts des europäischen Calls:

Für d1 und d2 lauten dann die Werte:

,d.h. und

2. Ermittlung der Parameterwerte für Delta und Gamma:

Hierbei stellt die Dichtefunktion der Standardnormalverteilung dar, die an der Stelle d1
den Wert 0,2299 ergibt.

3. Bestimmung des VaR:


=
= !!

6.3. Interpretation des Ergebnisses und Kritik des Ansatzes

Dieses Ergebnis scheint auf den ersten Blick unmöglich. Der Anleger verliert hier ca. 138%
seines Geldes. Da derjenige, der die ,,long position" eines Calls eingenommen hat, jedoch abgesehen von der Zahlung der Optionspreises keine Verpflichtung übernommen hat, kann er auch nicht mehr als 100% des Kapitals verlieren.

Das Ergebnis wird erst dann verständlich, wenn man sich klarmacht, daß dem Modell die Normalverteilungsannahme zugrundeliegt. Diese besagt, daß für die Zufallsvariable der Rendite, z.B. R , Realisationen im gesamten Bereich möglich sind, so daß die Variable R unter Umstände eine Rendite Rausweist.

Diese Annahme ist bei Aktien oft weniger problematisch, da diese eine geringere Volatiliät aufweisen als Calls. Ein Call kann jedoch auch den Totalverlust des gesamten Kapitals bewirken, falls der Kurs der Aktie zum Fälligkeitszeitpunkt den Ausübungspreis nicht übersteigt.
Somit erklärt sich die hohe Varianz von Calls (wie auch Puts).

Eine sinnvolle Interpretation des Ergebnisses muß etwa so lauten:
Das Risiko des Calls ist so hoch, daß bei Zugrundelegung eines Konfidenzniveaus von 95%
ein Totalverlust des Geldes nicht auszuschließen ist.

Ein wesentlicher Kritikpunkt dieses Ansatzes ergibt sich damit fast von selbst:
Da die Varianzen für Optionen in der Regel wesentlich größer sind als für Aktien, wird die Annahme der Normalverteilung zunehmend problematisch. Ferner werden Terme dritter und noch höherer Ordnung vernachlässigt, was zu Ungenauigkeiten in der Schätzung führt. Zu beachten ist jedoch, daß es sich hierbei um praktikable Verfahren handelt, die auch leicht implementierbar sind.

7. Resümee

Ziel dieser Arbeit war es, das Konzept des VaR darzustellen. Da der VaR sich in der Regel schnell und einfach errechnen läßt, wird er gerne in der Praxis angewandt. Vom Unternehmensberater J.P.Morgan wurde RiskMetrics entwickelt, ein Programm, mit dessen Hilfe Anleger den VaR - abgestimmt auf ihr konkretes Portfolio - berechnen können. Dort werden auch kompliziertere Portfolios betrachtet, die nicht Gegenstand dieser Arbeit sind.

In den Kapiteln 3 und 4 gezeigt, wie sich der VaR für Aktien aus der Portfoliotheorie herleiten läßt. Das Konzept ist einfach, einleuchtend und auch auf andere Situationen anwendbar, wie aus den Kapiteln 5 und 6 klar wird. Dies spricht zweifellos für den VaR.

Allerdings muß auch der Nachteil dieses Konzepts betrachtet werden. So fußt die Portfoliotheorie auf der Annahme der Normalverteilung, die - wie bereits erläutert - im Falle reiner Aktienportfolios durchaus haltbar ist, sich jedoch beim Delta-Gamma-Ansatz als problematisch erweist.

8. Literaturverzeichnis

Bamberg und Baur (1989), Statistik, 6.Auflage

Dowd (1997), Beyond value at risk

Eichberger und Harper (1997), Financial economics

Haugen (1990), Modern Investment Theory, 2.Auflage

Hull (2000), Options, Futures and other Derivatives, 5.Auflage

Jorion (1998), Value at risk

Steiner und Bruns (1998), Wertpapiermanagement, 6.Auflage


1 vgl. Steiner und Bruns (1998), S.356-357

2 Vgl. Jorion (1998), p.86

3 Vgl. Jorion (1998), p.86-87

4 Vgl. Jorion (1998), p.87

5 vgl. Eichberger und Harper (1997), p.69-70

6 vgl. Bamberg und Baur (1989), S.108-109

7 vgl. Haugen (1990), p.76-78

8 vgl. Dowd (1997), p.64-65.

9 vgl. Steiner und Bruns (1998), 6.Auflage, S.154

10 vgl. Jorion (1998), p.119-120.

11 Vgl. Dowd (1997) ,p.67

12 vgl. Jorion(1998), p.127

13 vgl. Hull (2000), p.250

14 vgl. Hull(2000),4.ed.,p.310

15 vgl. Jorion (1998), p.140

16 vgl. Jorion (1998), p.144

17 vgl. Hull (2000), p.324

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Analytische Ansätze zur Ermittlung des Value-at-Risk
Hochschule
Universität Bielefeld
Veranstaltung
Seminar: "Portfolio- und Risikomanagement"
Note
2,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
21
Katalognummer
V96686
ISBN (eBook)
9783638093613
Dateigröße
394 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Analytische, Ansätze, Ermittlung, Value-at-Risk, Seminar, Portfolio-, Risikomanagement
Arbeit zitieren
Jochen Cremer (Autor:in), 2000, Analytische Ansätze zur Ermittlung des Value-at-Risk, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96686

Kommentare

  • Gast am 7.9.2004

    dr.

    sehr gut auf den punkt gebrachte arbeit - ist vielleicht eher so etwas wie eine kurze zusammenfassung für bereits ein wenig mit der materie vertraute.

  • Gast am 13.4.2001

    Zu oberflächlich und fehlerhaft.

    Eine sicherlich für viele Studenten interessante Arbeit, nur sollte man sich lieber ein vernünftiges Buch zum VaR zulegen als eine solche Arbeit zu lesen.

Blick ins Buch
Titel: Analytische Ansätze zur Ermittlung des Value-at-Risk



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