Der Weltstaatgedanke


Fachbuch, 1996

88 Seiten


Leseprobe


Von Ägypten bis Persien

Der erste, der den Gedanken an ein Weltreich dachte, war wohl kein Philosoph oder politischer Theoretiker. Vielmehr war es wohl ein Praktiker der Macht, der den Wunsch hegte, den ganzen bekannten Erdkreis zu beherrschen. Vielleicht war dies noch nicht einmal das ursprüngliche Ziel, sondern ein besonders starker Staat war einfach in die Weltmachtrolle hineingewachsen, indem er seine Nachbarn nach und nach besiegte und sich deren Ländereien eingliederte. Vielleicht unterstellten sich auch manche Staaten "freiwillig" der Übermacht.

Bei der Entstehung der ersten übergroßen Fürstentümer muß wohl eine Art "Schneeballeffekt" eingetreten sein: Ein starkes Fürstentum erobert ein schwächeres und erweitert dadurch seine Machtbasis. Von dieser Machtbasis aus werden weitere Fürstentümer einverleibt, bis man auf einen Staat trifft, der sich ebenfalls auf diese Weise zum Großstaat entwickelt hat. Dann stand wohl der Endkampf um die ganze bekannte Welt bevor, wie das im Kampf zwischen Ober- und Unterägypten oder zwischen Rom und Karthago der Fall war. Allerdings gab es bei den prähistorischen Großreichen keine gefestigten staatlichen Strukturen, und die Großreiche zerfielen wohl schon bald nach dem Tod ihres Gründers.

In Ägypten entstand der erste Universalstaat der Erde. Alle Teilstaaten, die Gaue, wurden zu einem Gesamtstaat zusammengefasst. Auf diese Weise wurde ein dauerhafter Frieden geschaffen. Das Ägypten des König Menes war angesichts der damaligen Verkehrs- und Kommunikationsmittel weit ausgedehnter als die heutige Welt. Genau wie die Flußoase Ägypten ist die heutige Welt ein geschlossenes System, eine Insel im Weltall. Das Beispiel Ägyptens belegt, daß geschlossene zivilisatorische Systeme zur Einheit, zum Universalstaat hinstreben. Daß eine theokratische Monarchie, wie sie in Ägypten herrschte, nicht die ideale Regierungsform ist, und daß die Errichtung des ägyptischen Universalstaates mit gewaltsamen Mitteln erfolgte, soll uns nicht den Blick darauf verstellen, daß der Universalstaat den Ägyptern eine lange, lange Zeit der politischen Stabilität, der kulturellen Hochblüte und des Friedens gebracht hat. Keineswegs hat dieser Einheitsstaat zur kulturellen Erstarrung geführt - für eine Tendenz in diese Richtung war die Theokratie verantwortlich - sondern er hat vielmehr erst die schöpferischen Möglichkeiten der Menschen zur Entfaltung gebracht, weil er ihnen Sicherheit und Auskommen gewährleistete und ihnen die Sorge der Lebenssicherung abnahm. Der Weltstaat würde die Welt von der Bürde der Rüstung befreien und ungeahnte schöpferische Kräfte freimachen und die Menschheit zu einem großen kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung führen.

Für Ägypten begann der Niedergang mit dem Auseinanderfallen seiner Einheit.

In Persien gewann der Gedanken des Universalstaates eine neue Gestalt. Kyros erkannte, daß Reiche, die auf Gewalt und Terror gegründet sind, nicht von Bestand sein können. Er baute sein Reich auf Großmut und Toleranz auf. Da seine Feinde wußten, daß er sie schonen würde, widersetzten sie sich nicht mit dem Mut der Verzweiflung, sondern unterwarfen sich oft freiwillig. Für viele Völker war es besser, sich dem persischen Schutz zu unterstellen, statt von grausamen Nachbarn bedroht zu sein. Die Juden entließ Kyros I. aus der babylonischen Gefangenschaft, den besiegten König Kroisos holte er vom Scheiterhaufen und machte ihn zu seinem Ratgeber. Er schenkte den verschiedenen Völkern seines Reiches volle Glaubens- und Religionsfreiheit. Seine Nachfolger teilten das Reich in Provinzen ein, die ihre Sprache, Religion und nationale Eigenart beibehalten durften. Dareios vereinheitlichte das Münzsystem, errichtete Poststationen und verband die Teile des Reiches durch "Königsstraßen". Als bevorzugte Amtssprache setzte sich immer mehr das Aramäische durch, eine semitische Sprache, die später auch Jesus sprach. Es entstand ein einheitlicher Wirtschaftsraum von Ägypten bis Indien, in dem es gute Verkehrsverbindungen, eine überall verständliche Sprache und eine gemeinsame Verwaltung gab.

Alexander der Große

Alexander der Große übernahm von seinen persischen Vorgängern den Weltstaatgedanken. Er schonte bei seiner Eroberung die Zivilbevölkerung und vermied es, die unterworfene Oberschicht zu demütigen oder gar auszurotten. Er war auf Zusammenarbeit bedacht, denn nur zusammen mit den Unterworfenen konnte er seinem Reich Dauer und Stabilität geben. Wenige Jahre nach seiner Eroberung erlebte Persien einen erneuten Aufschwung der Wirtschaft und Kultur.

Alexander wollte alle eroberten Völker untereinander und mit den Griechen gleichstellen. Er führte das persische Hofzeremoniell ein und in seiner Kleidung verband er persische und makedonische Elemente. Er heiratete Roxane, eine baktrische Prinzessin. Auf einem großen Fest in Susa ließ er 10 000 Makedonen mit 10 000 Frauen aus dem persischen Reich verheiraten. Aber gerade dieses Beispiel zeigt, daß seine Politik der Verschmelzung allzu gewaltsam und ungeduldig war, was sicher auch mit seinem jugendlichen Alter zusammenhing. Er machte sich über die Widerstände, die eine solche Politik haben würde, zu wenig Gedanken. Aber wenn er sich allzuviele Gedanken über mögliche Schwierigkeiten gemacht hätte, wäre er wahrscheinlich nie dazu gekommen, ein Weltreich zu erobern.

Der Hellenismus

Auch wenn das Reich Alexanders nach seinem Tod in Teilreiche zerfiel, so bestand es doch als kulturelle Einheit fort. Die hellenistische Kultur vereinte griechische Wissenschaft und griechische Kunst mit Luxus, Magie Mystik und Despotismus des Orients. Der Einflußbereich dieser Kultur reichte von Indien bis nach Rom.

Indische Buddhastatuen wurden nach dem Vorbild griechischer Plastiken gemeiselt. Griechische Sklaven brachten den Römern Kultur und Wissenschaft bei.

Die dem Hellenismus angemessene Philosophie war die der Stoa, eine von Zenon (336-264 v.Chr.) gegründete Philosophenschule. Zenon sagte: "Wir sollten nicht in Staaten und Bevölkerungen getrennt leben, die je ihre eigenen Gesetze haben. Alle Menschen und Volksgenossen sind unsere Mitbürger".

Schon Anaxagoras (500-428 v. Chr.) hatte eine Schrift verfasst mit dem Titel: "Die Weltbewirtschaftung". Hierin ging er der Frage nach, wie eine globale Wirtschaft beschaffen sein müßte.

Ein anderer Stoiker, Epiktet (der "lachende Philosoph", 50-138 n. Chr.), meinte,daß alle Menschen Brüder seien und stellte fest: "Diese Welt ist ein einziger Staat". Genau das selbe sagte Cicero. Ein weiser Mann, sagte Seneca, wird den Menscheitsstaat höher stellen als den Staat, in dem er zufällig geboren ist. Plutarch forderte, daß wir darauf hinarbeiten müssen, daß sich alle Bürger eines Staates erkennen und unter dem gemeinsamen Gesetz der Vernunft zusammen wohnen. Der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel prägte den Vergleich, daß sich Einzelstaaten verhalten wie die Häuser einer Stadt im Ganzen. Für die Stoiker war die Welt die Heimat. Zenon trug eine kosmopolitische Gesellschaftsordnung vor, die einen Weltstaat voraussetzte. Man fasste im Lehren und Handeln die ganze Menschheit ins Auge.

Im Orient nahm die hellenistische Kultur immer mehr orientalische Elemente auf. Sie wurde zur "Koinae" ("die Gemeinsame"), eine Mischkultur, in der sich griechisches, persisches, sysrisches, jüdisches, babylonisches und ägyptisches mischten. Auf diesem Boden ist das Christentum gewachsen, und diese hellenistisch-orientalische Kultur wirkt bis in die heutige Zeit hinein. Sie ist der kulturelle Boden, auf dem die abendländsiche Zivilisation steht.

Das chinesiche Reich

In China gab es um das Jahr 2000 v. Chr. wohl das erste Großreich, das von der Hsia-Dynastie regiert wurde. Sie wurde um 1600 v. Chr. von der Shang-Dynastie abgelöst, um 1100 v.Chr. folgte die Chou-Dynastie. In den folgenden Jahrhunderten nahm die Macht der Zentralgewalt ab und die Selbstständigkeit der Teilfürstentümer zu. Schließlich gab es etwa 1700 Staaten, von denen die kleinen nur eine Stadt und ein paar Dörfer umfassten. Diese Staaten lagen ständig miteinander im Krieg. Langsam schluckten die größeren Fürstentümer die kleineren, sodaß um 771 v. Chr. nur noch etwa 20 übrig blieben. Ähnlich wie im mittelalterlichen Deutschland waren die Fürsten weitgehend souverän. Der oberste chinesische Herrscher war ebenso machtlos wie der Deutsche Kaiser, der nur so mächtig war, wie das Fürstentum, das er selbst regierte und seine Hausmacht bildete. Im Jahr 771 v. Chr. verbündeten sich einige große Fürstentümer und töteten den "Sohn des Himmels" (also den Kaiser). Damit trat China in die Periode der "streitenden Staaten" ein.

Ab 600 v. Chr. wurden die Kriege in China intensiver und länger. In dieser Epoche schrieb der Philosoph Mo Di: "Wenn die Armeen gegeneinander ziehen, dann werden Bambuspfeile, Federstandarten, Kriegszelte sowie Panzer und Schilde in unermeßlicher Zahl verschwendet, geraubt, zerstört und vernichtet und kehren nicht mehr zurück. Desgleichen ziehen Ochsen und Pferde in unermeßlicher Zahl gutgenährt aus und kehren nicht mehr zurück. Unermeßlich ist die Zahl der Menschen, welche sterben, weil infolge der langen Entfernungen die Versorgung mit Nahrungsmitteln unterbrochen ist. Unermeßlich ist die Zahl der Menschen, welche erkranken und sterben. Warum betreibt der Staat eine solche Politik und beraubt das Volk in so hohem Maße seiner Möglichkeiten und entzieht im seine Mittel?"

Mo Di wunderte sich, warum ein Mann, der ein Schwein stiehlt, verurteilt wird, während der Herrscher, der in einen anderen Staat einfällt und ihn sich aneignet, ein Held und ein Vorbild für die Nachwelt ist. Mo Di gründete eine pazifistische Sekte und führte Abrüstungskampagnen durch.

Den Frieden schenkte China ein anderer - und mit andern Methoden: Shi-Huang- Di. Er sei herzlos gewesen, hätte eine hervorstechende Nase und eine Stimme wie ein Schakal gehabt. Er begann seine Karriere, indem er sich den Thron eines kleinen Staates aneignete. Nach und nach eroberte und annektierte er die kleineren Nachbarstaaten, später wagte er sich an die größeren. In der Kriegführung wandte er eine schon von seinen Vorgängern praktizierte Methode an. Sie gingen ab von der "ritterlichen" Kriegführung, bei der bestimmte Rituale eingehalten wurden. Shi- Huang-Di rottete die Familie des Kriegsgegners aus. Pardon wurde im Krieg nicht gegeben, auf die Tötung eines gegnerischen Soldaten wurde ein Kopfgeld ausgesetzt. Das besiegte Land wurde dem Staat Ch'in einverleibt. Diese Politik erfüllte die rivaliserenden Staaten mit Angst und Schrecken. Viele wagten nicht mehr, gegen Ch'in zu kämpfen, sondern zogen es vor, sich Ch'in anzuschließen.

Mit diesen rigorosen Methoden schaffte es Shi-Huang-Di im Zeitraum von etwa 10 - 15 Jahren alle "streitenden Staaten" in einem einzigen Staat zusammenzufassen. Im Jahr 221 v. Chr. war China geeint und Shi-Huang-Di der erste Kaiser von China.

Er stand vor der gewaltigen Aufgabe, die Verwaltung und die Infrastruktur des neuen Einheitsstaates zu organisieren. Er teilte das Reich in Verwaltungsbezirke und Kreise ein. Hunderttausende von Menschen wurden zum Ausbau von Wasserwegen und Straßen eingesetzt. Maße, Gewichte, Währung und Schrift wurden vereinheitlicht. Durch den Bau von Bewässerungsanlagen wurde die landwirtschaftliche Produktion gesteigert, um die durch die neue Prosperität stark gewachsene Bevölkerung zu ernähren. Die Grenzbefestigungen aus der Zeit der "kämpfenden Staaten" wurden eingerissen. Nur im Norden, wo immer wieder die Hunnen in das Land einfielen, baute man die alten Befestigungswälle und Wachtürme weiter aus und verband sie untereinander. Durch den Einsatz von 300 000 Menschen, die viele Jahre lang tätig waren, entstand der Vorläufer der chinesischen Mauer, die in vielen Jahrhunderten, vor allem zur Ming-Zeit, (1368- 1644), immer wieder erneuert und weiter ausgebaut wurde.

Er schaffte die Sippenhaftung und das Faustrecht ab. Gültig sollten nur noch Recht und Gesetz sein, nicht mehr die Selbstjustiz. Wie sein Kanzler Li Si war er Anhänger der Philosophie der Legalisten, die der Ansicht waren, daß der Mensch von Natur aus schlecht sei und nur durch Anwendung eines Systems von Belohnung und Bestrafung regiert werden könne. Recht und Ordnung seien die Voraussetzung für Frieden, Sicherheit und einen gut funktionierenden Staat. Im Bereich der Wirtschaft traten sie ein für das freie Spiel der Kräfte und für die Konkurrenz.

Nach Osten und Süden eroberte Shi-Huang-Di weite Gebiete und gliederte sie China an. Um den Adel der eroberten Länder unter Kontrolle zu halten, ließ er ihn, wie das später auch Ludwig der Vierzehnte machte, in seine Hauptstadt ziehen. Der Sage nach ließ er, immer wenn er einen Feudalstaat erobert hatte, eine Kopie von dessen Herrscherpalast in der Nähe seiner eigenen Hauptstadt Hsien Yang bauen. Den Herrscher und seine Familie ließ er in diesen Palast ziehen. So entstanden 270 Residenzen, die alle aufs prächtigste möbliert waren, voller Musikanten, Sklaven und Tänzerinnen. So solle ein 70 Meilen langer Ring um die Hauptstadt entstanden sein. Die Paläste sollen durch überdachte Galerien verbunden gewesen sein.

Das Lehnswesen wurde abgeschafft, Grund und Boden durften frei verkauft werden. Alle Waffen im gesamten Reich wurden konfisziert, in die Hauptstadt gebracht und zu Bronzeglocken und Riesenstatuen eingeschmolzen.

Nachdem er so viel erreicht hatte, hielt er sich für eine Art Gott. Aber er hatte nicht die Unsterblichkeit eines Gottes. Um diesem Mangel abzuhelfen, war er ständig auf der Suche nach Zaubermitteln und Arzneien, um sein Leben zu verlängern oder dem Tod gar ganz zu entgehen. Auf der Suche nach dem Elexier der Unsterblichkeit, das angeblich auf der Insel der Seeligen zu finden war, starb er.

Um Aufständen vorzubeugen, wurde sein Tod verheimlicht. Sein Leichnam wurde insgeheim in die Hauptstadt gebracht. Um den Verwesungsgeruch zu überdecken, ließ man einen Wagen mit stinkenden Fischen neben seiner Leiche fahren.

Japan

Auch in Japan gab es eine Zeit der ständig kämpfenden Fürstentümer. Diese Kriege nahmen ständig zu, so daß 70 - 80 Jahre lang nur noch Kriegswirren herrschten. In Zentraljapan sorgte schließlich um das Jahr 230 n. Chr. das Reich der Königin Pimiko für Frieden. Zusammen mit ihrem jüngeren Bruder soll die "Hexe" Pimoko ein Frauenregiment errichtet haben. Im vierten Jahrhundert kam es in Mitteljapan zur Bildung eines großen Staates, an dessen Spitze der Tenno, der japanische Kaiser stand. Noch heute geben die Japaner ein historisches Datum in der Form an: "Im soundsovielten Jahre des soundsovielten Tenno". Wenn die Tennos oft wechselten, war es schwierig, das Alter einer Person aus dem Geburtsdatum zu berechnen.

Im Jahre 1542 kaufte ein japanischer Inselgouverneur einigen Portugiesen zwei Musketen für den stolzen Preis von 2000 Dukaten ab. Was die Japaner in Wirklichkeit kauften, war das know how zur Herstellung von Feuerwaffen. Wenige Jahrzehnte später verfügte ein japanischer Fürst über genügend Gewehre, um die Hälfte der japanischen Fürstentümer in einem grausamen Krieg zu unterwerfen. Sein Nachfolger, ursprünglich ein einfacher Bauer, unterwarf noch die andere Hälfte. 1592 aber packte ihn der Größenwahn: er versuchte Korea und China zu erobern, was aber scheiterte. In den folgenden Jahren wurde Japan ein Polizeistaat. 1614 wurde das Christentum verboten, es kam zu Verfolgungen. Ab 1630 schloß sich das Land ganz gegen Fremde ab. Erst 1854 erzwangen die Amerikaner eine Öffnung des Landes und das Recht auf Handel.

Der "Lebenslauf" der Weltreiche

Wie in China sehen wir, daß der Einheitsstaat der Zersplitterung vorzuziehen ist, weil diese zu ständigen Kriegen führt. Die Entwicklung einer in sich geschlossenen Kultur gravitiert zu einem Einheitsstaat hin. Zwar waren die Gründer der Weltreiche nicht besonders sympathisch, human oder demokratisch - oft waren sie sogar größenwahnsinnige Despoten, aber sie leiteten eine lange währende Epoche des Friedens und der Prosperität ein. Dieselben Charaktereigenschaften, die es den Begründern der Weltreiche ermöglichten, ihr Werk zustande zu bringen, gefährdeten es gleich danach wieder. Die Rücksichtslosigkeit, mit der sie die Widerstände überwanden, rief Gegenreaktionen hervor. Die unterworfenen Völker revoltierten bei der nächsten Gelegenheit. Nach dem Tode Shi-Hung-Di's kam es zu Aufständen. Nach dem Tod Kyros des Großen kam es zum Bürgerkrieg zwischen Smerdis und Darius. Nach dem Tod Caesars kam es zum Bürgerkrieg zwischen Antonius und Oktavian. Hier muß dann ein Mensch auf den Plan treten, der zwar meist ein weniger begabter Feldherr, dafür aber ein schlauer und einfühlsamer, aber doch energischer Politiker ist, der es versteht, Menschen zu behandeln. Er nimmt auf Gefühle, Empfindlichkeiten und Traditionen Rücksicht und versöhnt die Feinde des Reichsgründers. So handelten Koa-tsu in China, Augustus in Rom, Darius in Persien und Seleukos nach dem Tod Alexanders.

Auf diese Weise wird das Reich konsolidiert. Mit der so gewonnenen Kraft geht das Reich weiter auf Expansionskurs. Die Armee, die sich in Bürgerkriegen zerfleischt hat, soll im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind wieder zusammengeschweisst und die Bedrohung durch die Barbaren der Randgebiete zurückgedrängt werden. Es folgt die Phase des Imperialismus. Hierin liegt aber die Gefahr, daß die Kräfte des Reiches überspannt werden.

Früher oder später kommt eine Phase der Saturiertheit und des Wohlergehens. Der Friede ist gesichert, der Wohlstand wächst. Handel und Gewerbe florieren. Die Meere sind frei von Seeräubern, die Straßen sind gut und sicher. Die Verwaltung und die Gerichte funktionieren. Prächtige Bauten werden errichtet. Die Regierung erfreut sich allgemeiner Beliebtheit.

Trotz dieser glänzenden Oberfläche ist aber der Keim des Niedergangs schon gelegt. Die sozialen Gegensätze wachsen. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Wenn die Zentralgewalt schwach ist, kommt Feudalismus auf. Wenn die Zentralgewalt stark ist, entsteht Zentralismus und eine aufgeblähte, unbewegliche Bürokratie. Die wirtschaftliche Basis wird immer schwächer. Die kriegerischen Fähigkeiten lassen nach, die Truppenstärke sinkt. Schließlich fallen die Barbaren aus den Randgebieten ein und übernehmen die Herrschaft.

Auch wenn das alte Weltreich untergegangen ist, bleibt die lange Zeit des Friedens und des Wohlergehens in der Erinnerung der Völker. Deshalb wird immer wieder versucht, es zu erneuern. Das Reich Sargons wurde von Hammurabi, den Assyrern, den Babylonierern, den Persern, den Griechen, den Neupersersern und dem Islam erneuert. Auch das chinesische und japanische, das indische und das römische Reich wurden wieder erneuert.

Der Weltstaat als Nachfolger der Weltreiche

Große Teile der Erde waren schon irgendwann einmal Teil eines Weltreiches.

Insofern ist die Schaffung eines Weltstaates kein absolutes Novum. Es wäre nur die Erneuerung der vorangegangenen Weltreiche. Der Weltstaat würde die Nachfolge des römischen, chinesischen, islamischen, persischen Weltreiches antreten. Er wäre in der Kontinuität dieser Universalstaaten, nur daß er das wäre, was die Vorgänger nie waren: Ein wirklicher Weltstaat, der alle Menschen und die gesamte Erde umfaßt.

Damit würde es keine barbarischen und unzivilisierten Randgebiete mehr geben, die für die vorangegangenen Weltreiche eine ständige Bedrohung waren. Keine Hunnen, Mongolen oder Germanen würden ihn bedrohen. Keine anderen, konkurrierenden Weltmächte würden ihn in kraftraubende Kriege verwickeln.

Der zukünftige Weltstaat wird keine Despotie oder Monarchie sein (höchstens eine konstitutionelle), sondern eine föderative Republik. Keine Thronstreitigkeiten, keine dynastischen Streitigkeiten werden ihn spalten. Eine Erbteilung wird nicht stattfinden. Keine unfähigen und verbrecherischen Monarchen werden an seiner Spitze stehen. Es wird keine abtrünnigen Provinzen und keinen Separatismus geben, den die Regionen werden weitgehend autonom sein und sich selbst regieren.

Der zukünftige Weltstaat wird ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat sein. Er wird die Gegensätze zwischen armen und reichen Bürgern, zwischen armen und reichen Regionen ausgleichen. Streitigkeiten werden durch Gerichte, nicht durch Kriege entschieden werden.

All diese Faktoren werden zu seiner Stabilität beitragen. Der Weltstaat wird die Beständigkeit aller vorangegangenen Weltreiche übertreffen.

Von der Geographie und den reichsgründenden Völkern

Die Geographie kann das Schicksal von Völkern bestimmen. besonders gilt dieser Satz für die Bewohner von Weltgegenden, die eine zentrale geographische Lage haben, also z.B. die Bewohner von Deutschland, Polen, der Region um Moskau, Persien oder Zentralchina. Sie stehen im Laufe der Geschichte früher oder später vor der Entscheidung, ob sie Kristallisationskeim für eine große, alle angrenzenden Länder umfassende politische Einheit werden sollen - oder der Zankapfel und das Schlachtfeld der umgebenden Länder. Oft erlebten die Bewohner der Zentralregionen beides im Laufe ihrer Geschichte. Um zu überleben, waren die zentral gelegenen Staaten gezwungen, mit friedlichen Mitteln der Diplomatie oder mit den kriegerischen Mitteln der militärischen Stärke sich und ihrer Umgebung eine feste und friedliche politische Ordnung zu geben.

Das römische Reich

In dieser Situation befand sich das antike Rom. Es liegt in der Mitte Italiens, und Italien liegt im Zentrum des Mittelmeeres.

Der Aufstieg Roms vollzog sich nach dem schon erwähnten "Schneeballeffekt". Sobald ein Gegner besiegt war, tauchte ein größerer und mächtigerer auf, gegen den Rom bestehen mußte. Mit jedem Gegner wuchs es an Erfahrung und Macht, und es verstand, aus seinen Niederlagen zu lernen.

Die Römer dachten wohl lange Zeit nicht daran, ein Weltreich zu gründen. Der erste, der von einem Weltreich träumte, war Caesar. Er soll bei dem Gedanken, daß er schon älter als Alexander war (der mit 33 Jahren starb) und immer noch kein Weltreich gegründet hatte, in Tränen ausgebrochen sein. Zu diesem Zeitpunkt hielt er sich nicht ganz zu Unrecht für einen Frauenhelden und Nichtsnutz.

Nachdem Caesar diesem Mißstand abgeholfen hatte, machte er sich daran, die Privilegien der römischen Patrizier abzubauen. Diese betrachteten das römische Reich quasi als ihren Privatbesitz. Caesar gab den Kommunen und Provinzen eine beschränkte Freiheit. Am Ende dieser Entwicklung, etwa 200 n. Chr., war jeder Bürger einer beliebigen Stadt im römischen Reich römischer Bürger. Das Weltbürgertum wurde zur Rechtstatsache.

Das römische Reich, so sagt Mommsen, hat den Frieden und das Gedeihen der vielen in ihm vereinigten Nationen länger und vollständiger gehegt als es irgend einer anderen Vormacht (in der europäischen Geschichte) je gelungen ist. "Und wenn einmal ein Engel des Herren die Bilanz aufmachen sollte, ob das von (dem römischen Kaiser) Severus Antoninus beherrschte Gebiet damals oder heute mit größerem Verstande und mit größerer Humanität regiert worden ist, ob Gesittung und Völkerglück seitdem vorwärts- oder zurückgegangen sind, so ist es sehr zweifelhaft, ob der Spruch zugunsten der Gegenwart ausfallen würde", schreibt Mommsen.

Ein anderer Historiker, Ferdinand Gregorovius, schreibt: "Rom war im höchsten Grade geschickt, eine Weltzivilisation auszubreiten, dem Weltgeist das Wort und die Form zu geben. Die kosmopolitische Macht tritt mit Rom auf. Sie wird ein System, welches alles in der Alten Welt bisher Entwickelte und Gestaltete in einer sozialen Gesamtordnung zusammenfasst, die beschränkten Grenzen der Nationalität aufhebt und die Völker als Glieder einer großen Staatsfamilie unter gleicher Regierung vereinigt...Es ist mit einem Wort die Idee des "Imperium" oder des Reiches, welche in Rom zur Weltform wird... Vergil hat das hohe Bewußtsein von der weltbürgerlichen, monarchischen Mission der Römer in den unsterblichen Versen ausgesprochen: 'Du, Römer, behalte stets im Gedächtnis...Dies wird deine Kunst sein: Friede und Gesittung in die Welt zu bringen, die Unterworfenen zu schonen und die überheblichen zu bekriegen'. Seit Augustus...stand der Glaube fest, daß der Römerstaat der Weltstaat sei. Es gibt in der Geschichte kein tragischeres Schauspiel, welches dem Fall und endlich der Vernichtung des großen Rom gleichkäme".

Rom schenkte der antiken Welt zwischen Schottland und Äthiopien, zwischen Kaukasus und Marokko einen vierhundertjährigen Frieden. Es war eine Föderation mit weitgehender Autonomie der Provinzen. Religiöse und nationale Traditionen wurden geschützt. Jedermann konnte ungehindert seiner Religion nachgehen, vorausgesetzt er erfüllte die Formalien des Kaiserkultes. Niemand wurde, wie im christlichen Mittelalter, einer "peinlichen Befragung" unterzogen. Noch Trajan sagte über die Christen: "Niemand soll ihnen nachspüren".

Es wurde das vorbildliche römische Recht geschaffen, die Römerstraßen verbanden alle Teile des Reiches, Handel und Wohlstand (leider nicht für alle) wurde gefördert, die Häfen wurden ausgebaut, ein Postwesen geschaffen. Es entstand eine griechisch-römische Zivilisation, eine "Weltkultur". Erst dadurch, daß die antike Welt eine kulturelle und wirtschaftliche Einheit war, konnte Paulus seine Missionsreisen machen und das Christentum seinen Siegeszug antreten.

Ein dunkler Fleck bleibt auf Rom und der Antike haften: Ein Großteil der Bewohner des römischen Reiches waren Sklaven. Ihnen sprach man die Persönlichkeit ab, sie waren Dinge, Instrumente, sprachbegabte Haustiere.

Rom hat auch nie den Schritt zur repräsentativen Demokratie geschafft. Die Demokratie war immer nur an die einzelne Gemeinde gebunden. Die Zentralgewalt war immer eine diktatorische, wenn auch in Einzelfallen, eine wohlwollende, moralisch hochstehende und effiziente. Niemals war aber die Zentralgewalt durch ein Parlament gewählt oder kontrolliert. Das war einer der Ursachen für die Instabilität und den schließlichen Untergang des römischen Reiches. Andere Faktoren waren die Sklaverei, die Vertreibung er Bauern von ihrem Land, der Großgrundbesitz, die Leibeigenschaft und die Zwangswirtschaft.

Das geistige Reich der Juden

Anders als die Römer schafften es die Juden nie eine Großmacht zu werden. Auch sie hatten das Schicksal, in einer Zentralregion zu leben, in einem Land, in welchem sich drei Kontinente begegnen.

Nach einem hoffnungsvollen Anfang unter Saul, David und Salomon wurde ihr Staat in verschiedene Weltreiche einverleibt.

Viele Juden hofften, daß Jesus das Königreich Davids wieder errichten und die Römer aus dem Land werfen würde. Das ist der Grund für die Popularität und das Aufsehen, das Jesus begleitete. Er sage: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt". Aber die Führung der Juden fürchtete, Jesus würde einen Aufstand der Juden provozieren, der blutig niedergeschlagen würde. Deshalb musste Jesus Opfer eines Justizmordes werden. Manche Quellen, vor allem islamische, behaupten, daß Jesus die Kreuzigung überlebt hat und später aus Palästina nach Indien geflohen ist. Als Beweis dafür führten deutsche Autoren (Holger Kersten u.a.) das Turiner Grabtuch an, das daraufhin von der Kirche als Fälschung erklärt wurde.

Der Gedanke, daß es ein Weltreich Gottes geben wird, dessen König Jesus Christus ist, hat sich tief in des christliche Bewußtsein eingegraben und ist bis heute lebendig, vor allem bei den Zeugen Jehovas. In der romanischen Kunst wird Christus immer wieder als Weltenherrscher auf einem Thron dargestellt, mit weit ausgebreiteten, die Welt segnenden und umfassenden Armen.

Im Jahr 68 n.Chr. kam es zu einem Aufstand der Juden, bei dem der Tempel, er auch gleichzeitig der Aufbewahrungsort der Wertgegenstände und Besitzurkunden der Juden war, verbrannt wurde. Die Juden wurden umgebracht, versklavt oder in alle Teile des Reiches deportiert. Für die Juden war das römische Reich das Reich des Bösen, von dem sie eines Tages der wahre Messias erlösen würde.

Ähnliches glaubten und hofften die ersten Christen, nur hielten sie Jesus von Nazareth für den wahren Messias, der eines Tages zurückkehren und die Weltherrschaft antreten werde.

Nachdem aber Konstantin im Jahr 313 die christliche Religion toleriert und Kaiser Theodosius 391 das Christentum sogar zur Staatsreligion erhoben hatte und die Ketzer verfolgte, da passte die Vorstellung, daß das römische Reich das Reich des Bösen sei, nicht mehr ins Bild. Man sah jetzt umgekehrt in dem römischen Reich ein Bollwerk gegen die Mächte der Finsternis, die mit dem Auftreten des Antichrist ihre Herrschaft, wenn auch nur vorübergehend, antreten würden. Solange aber das römische Reich weiterbestand, würde die große Apokalypse auf sich warten lassen. Wenn auch das weströmische Reich unterging (während das oströmische noch 1000 Jahre weiterbestand), so trat doch die römisch-katholische Kirche das Erbe des römischen Weltreiches an und beanspruchte im Reich des Geistes die universale Herrschaft.

Wegbereiter dieser Vorstellung war der Kirchenvater Augustinus in seinem monumentalen Alterswerk "De civitate dei" ("Vom Gotteststaat"), an dem er von 413 bis 426 schrieb. Nachdem die Wiederkehr Christi und seine Weltherrschaft viele Jahrzehnte lang hatte auf sich warten lassen, war die Enttäuschung groß. Deshalb behauptete Augustinus, das Reich sei schon längst gekommen: die Kirche Jesu Christi. Damit war dem zermürbenden und fruchtlosen Warten ein Ende gesetzt. Nicht in einer fernen Zukunft war das Reich Gottes zu erwarten, sondern hier und heute war es gegenwärtig.

Im Jahre 410 wurde Rom drei Tage lang von den Westgoten geplündert. 429 eroberten die Wandalen weite Gebiete Nordafrikas. Damit war offenbar, daß das römische Reich seinem Ende entgegenging. Wer sollte jetzt den Menschen Ordnung, Sicherheit und Frieden bringen? Die Kirche war aus ihrem Selbstverständnis heraus keine weltliche Macht, sie reklamierte ein geistiges Imperium für sich, auf das es nach ihrer Ansicht wirklich ankam.

Die Gleichsetzung der Kirche mit dem Reich Gottes bedeutete für sie eine ungeheure Aufwertung. Als Augustinus im Jahr 430 als Bischof der von den Wandalen belagerten Stadt Hippo (Bone) starb, hatte er durch sein Werk den geistigen Weltherrschaftsanspruch der Kirche begründet. Außerhalb der Kirche gab es keine Erlösung und kein Heil. Die Kirche wurde zur höchsten und unumstrittenen Autorität - zumindest dem Anspruch nach. Aber noch war dieser Anspruch nicht Wirklichkeit. Kaiser Konstantin hatte die Kirche noch gnädig toleriert, weil ihm das opportun erschien, und Theodosius war selbstverständlich die höchste Autorität im römischen Reich, auch in Glaubensfragen. Erst durch den Zerfall des weströmischen Reiches entstand ein Machtvakuum, in dem sich die Macht der Kirche entfalten konnte. Sie war jetzt diejenige, die (neben den oströmischen Kaisern), am Gedanken des Universalstaates festhielt.

Augustinus stand vor dem Problem, zu begründen, warum die Kirche, die doch angeblich das Reich Gottes war, nicht über die Menschen herrschte, sondern daß andere die Macht hatten und die Herrschaft der Kirche verhinderten. Das römische Reich zerfiel in Chaos und Bürgerkriegen. Oft siegten die germanischen oder persischen Heiden über die Christen, ohne daß dies die Kirche als angebliche Weltherrin verhindern konnte.

Um diese Widersprüche aufzulösen, entwickelte Augustinus die Lehre von den beiden Staaten, dem irdischen und dem himmlischen Staat. Es gibt zwei Staaten, sagt Augustinus, den der Bösen und den der Heiligen. Seit dem Anfang der Menschheit bestehen diese beiden Staaten auf der Erde nebeneinander und sind miteinander vermischt, auch in der Kirche selbst. Erst am Tag des Jüngsten Gerichts werden sie voneinanderer getrennt.

Der Gottesstaat ist für Augustinus nur auf einer Pilgerfahrt, will also nicht bei irdischer Machtausübung verweilen. Der irdische Friede, den das irdische Imperium bietet, ist zwar recht nützlich, aber für Augustinus nicht viel wert und zu teuer erkauft. Deswegen braucht sich sein Gottesstaat auch nicht sonderlich um den irdischen Frieden zu bemühen. Für einen wahren Christen zählt der himmlische Friede, der die Seelen im Himmel vereint.

Was heißt das aber konkret? Der Christ soll sich zuerst um sein Seelenheil kümmern, damit er in den Himmel kommt. Beliebt ist auch der Satz bei religiös orientierten Menschen aller Religionen: "Zuerst müssen wir den Frieden in uns selbst suchen, dann wird es eine friedliche Welt geben". Das klingt gut, aber es hat zur Konsequenz, daß sich jeder nur um sich selbst kümmert. Auf das Problem der Armut übersetzt würde dieser Satz lauten: "Es muß jeder nur dafür sorgen, daß es ihm gut geht, dann wird es eine reiche Welt geben".

Der Gottesstaat des Islam

Auf seine Weise verwirklichte Mohammed etwa 200 Jahre später den Gottesstaat des Augustinus. Man kann aus dem Koran deutlich ablesen, daß er stark beeinflußt von der jüdischen und christlichen Religion ist. Der Revolutionär Mohammed war Prophet, Papst und Staatschef in Personalunion, seine Nachfolger ebenfalls, abgesehen von dem Prophetenrang.

Der Gottesstaat, das waren die Gläubigen. Der irdische Staat, das waren die Ungläubigen. Für den radikalen Islam besteht bis heute noch ein erbitterter Kampf zwischen Gottesstaat und irdischem Staat. Der radikale Islam wollte und will nicht nur die einzige Religion, sondern auch der einzige Staat sein. Folgerichtig gibt es für den radikalen Moslem nur eine Nation, die aller Moslems. Der radikale Islam kreuzte quasi den Gottesstaatgedanken mit dem Weltstaatgeanken. Damit tat er aber weder der Religion noch dem Weltstaatgedanken einen Gefallen, sondern hat beiden geschadet.

Byzanz

Im Jahr 476 endete mit er Absetzung von Romulus Augstulus das weströmische Reich. Die letzte Amtshandlung des römischen Senats bestand darin, die Reichsinsignien nach Byzanz zu schicken und dem oströmsichen Kaiser mitzuteilen, daß es jetzt nur noch einen römischen Kaiser gäbe: den von Ostrom. Damit hörte formaljuristisch die von Diokletian im Jahre 293 verfügte Reichsteilung auf. Theoderich der Große erkannte dies an, indem er auf seine Goldmünzen fast nur das Portrait des oströmischen Kaisers prägen ließ. Er selbst trat nur als Verwalter des römischen Reiches auf. Als solcher durfte er keine Gesetze erlassen, sondern er regierte mit "Edikten", also Verordnungen.

Da das römische Reich nicht mehr vorhanden war, das den Frieden der Völker untereinander garantierte, versuchte Theoderich eine Art germanischen Völkerbundes zusammenzubringen.

Der oströmische Kaiser Justinian versuchte das alte römische Weltreich in seiner ursprünglichen Größe wieder neu erstehen zu lassen, also seinen formaljuristischen Anspruch in die Tat umzusetzen. Er nahm eroberte Italien, Nordafrika und Teile Spaniens. Mit dieser Restauration des römischen Reiches glaubte Justinian eine ihm von Gott gestellte Aufgabe zu erfüllen. Gottes Wille sei es, so glaubte er, daß das römische Reich als Ordnungs- und Friedensmacht weiterbestehe.

Justinian war von rastlosem Fleiß und war glücklich, wenn er arbeitete. Er litt an Schlaflosigkeit und ging nachts grübelnd durch die Säle seines Palastes. Tagelang fastete er. Seiner Umgebung war er unheimlich. Als Herrscher kümmerte er sich um die kleinsten Details. Dadurch machte er sich bei seinen Untergebenen unbeliebt, zumal er von ihnen den gleichen Arbeitseinsatz erwartete, den er selbst erbrachte.

Der Zentralismus des oströmischen Reiches konnte nur so lange funktionieren,solange ein unermüdlicher Justinian an den Schalthebeln der Macht saß. Schon zu seinen Lebenszeiten traten große Schwierigkeiten auf. Durch seine Kriege ruinierte er die Staatsfinanzen und war gezwungen, das Volk auszupressen. Es kam zu Aufständen, die er mühsam niederschlagen mußte. Im Osten gingen weite Gebiete an die sassanidischen Perser verloren.

Das Heilige Römische Reich der Deutschen Karl der Große

Als Karl dem Großen im Jahr 773 das Langobardenreich und damit ein großer Teil Italiens zufiel, versuchte er Frankentum und Römertum zu verschmelzen. Ihm war klar, daß die logistischen Probleme zu groß waren, um Italien auf die Dauer militärisch behaupten zu können. Er schuf also in Italien eine gleichberechtigte Führungsschicht von Franken, Langobarden und Italienern.

Der "Gottesstaat" des Augustinus wurde zum Lieblingsbuch Karls des Großen. Beim Mittagessen ließ er sich von seinem Ratgeber in religiösen Fragen, Alkuin, oft daraus vorlesen. Der Gottesstaat war universell. Er war weder an ein bestimmtes Volk noch an ein bestimmtes Land gebunden. Karl sah in der Gottesstaatidee die Möglichkeit, zwischen den Bürgern seines Reiches ein einigendes Band herzustellen. Aber er wollte noch einen Schritt über den Gottesstaat hinausgehen. Warum sollte man darauf warten, bis alle Menschen gute Christen geworden waren und ein Reich der Nächstenliebe errichtet worden war? War es da nicht naheliegend, das Reich Gottes hier und heute Wirklichkeit werden zu lassen? Gott hatte ihn trotz vieler Schwierigkeiten so hoch steigen lassen, daß er nun Herr über die Christenheit war. Lag darin nicht eine göttliche Vorsehung? Vielleicht war er dazu ausersehen, das Reich Gottes Realität werden zu lassen. Und wenn das so war, waren dann nicht die Franken das auserwählte Volk Gottes?

Da war es nur ein kleiner Schritt zu dem Gedanken, daß die Franken das römische Kaiserreich erneuern sollten. Zu den Bischöfen von Rom hatte schon der Vater Karls, Pippin, gute Beziehungen gehabt. Sie hatten ihn zum König gesalbt, obwohl er ein Usurpator war. Als Gegenleistung schenkte Pippin der Kirche Gebiete um Rom, die Keimzelle des späteren Kirchenstaates.

Zur Weihnachtsmesse des Jahres 800 weilte Karl der Große in Rom. Papst Leo III. setzte dem Frankenkönig, der wohl so überrascht nicht gewesen sein mag, die Krone auf und die in der Kirche anwesenden Römer riefen: "Karl, dem Augustus, dem von Gott gekrönten großen und friedensbringenden Kaiser der Römer, Leben und Sieg!"

Damit war die Partnerschaft zwischen den deutschen Königen und den römischen Bischöfen besiegelt.

Zu dieser Partnerschaft trug sicher auch bei, daß das islamische Weltreich von panien bis Indien reichte und das Abendland bedrohte. Die Awaren, ein mongolischer Volksstamm, hatten in Ungarn ein Reich errichtet und Raubzüge bis nach Süddeutschland unternommen. Einigkeit war angesagt. Es schien sinnvoll, diesen Bedrohungen ein geeintes christliches Reich entgegenzusetzen. Deshalb bestanden auch Pläne, daß Karl der Große die byzantinische Kaiserin Irene heiraten solle. Aber mit einem gesunden Realitätssinn sah es Karl wohl weder als wünschenswert noch als machbar an, das abendländische und das byzantinische Reich zu vereinen.

Aber selbst im Westen entstand aus Karls Reich nicht der große christliche Einheitsstaat. Anders als das Reich der Römer war des Frankenreich nicht in vielen Jahrhunderten gewachsen. Es hatte keine dem römischen Reich vergleichbare Verwaltungsstruktur. Es gab keine Geldwirtschaft, deshalb konnten keine Berufsbeamten und keine Berufssoldaten bezahlt werden. Der König bezahlte seine Getreuen mit Land (einschließlich der es bewohnenden Bauern), das er ihnen zu Nutzung überließ. Das Reich der Franken stand und fiel mit dem König und seinen Getreuen.

Das Reich Karls wurde von seinen Enkeln in drei Teile geteilt. Damit war die europäische Einheit zerbrochen und der Keim zur deutsch-französischen Erbfeindschaft gelegt. Erst in unserem Jahrhundert versuchte man mühsam diesen uralten Riß zu kitten. Ob es gelingt, ist noch nicht sicher.

Das fränkische Reich hatte auch, wie alle Imperien, den Geburtsfehler, daß es auf Eroberung beruhte. In Frankreich hatten die fränkischen Adligen wohl die römische-keltische Oberschicht enteignet oder sich mit ihr arrangiert, so wie das nach Caesar wohl schon die römische Oberschicht mit der keltischen getan hatte.

Das fränkische Reich war also auf Raub und Unterdrückung gegründet. Daraus konnte auf Dauer kein Friede erwachsen. Es war auch klar, daß die Reichsteile auseinander streben mußten, weil selbst die fränkischen Adligen, geschweige denn die gallische oder römische Oberschicht keine starke Autorität über sich dulden wollten.

Die Schwäche des deutschen Kaisertums führte dazu, daß Deutschland in souveräne, sich ständig bekriegende Fürstentümer zerfiel.

Otto der Große und Theophanou

Karls Universalreich war kein langer Bestand beschieden. Otto der Große schaffte es, aus dem Trümmern wieder ein europäisches Reich zusammenzufügen. Im Jahr 962 wurde er in Rom zum Kaiser gekrönt. Die Kaiserkrone hatte er schon im Jahr 955 nach seinem Sieg über die Ungarn (Schlacht auf dem Lechfeld) in Auftrag gegeben. Die Krone, die das himmlische Jerusalem symbolisieren soll, ist heute in der Wiener Hofburg zu sehen. Das "Heilige Römische Reich" war das Abbild des himmlischen Gottesreiches, und daraus leitete sich sein Anspruch auf weltweite Geltung ab.

Aber selbst für Otto waren die wahren Nachfolger der römischen Caesaren die Kaiser von Byzanz. Diese Stadt hatte über 200 000 Einwohner und war ein Zentrum der Gelehrsamkeit. Deutschland dagegen war finstere Provinz. Für die Byzantiner war Otto der Große ein Barbarenfürst, der sich den Kaisertitel frech anmaßte. Um diesem Mangel abzuhelfen, schlugen die Deutschen dem Kaiser von Byzanz vor, daß Ottos Sohn die Tochter des oströmischen Kaisers heiraten solle. Dann würden Ottos Enkel vielleicht ein byzantinisch-germanisches Weltreich erben. Der byzantinische Kaiser, der sich selbst nur durch einen Kaisermord unrechtmäßig an die Macht geputscht hatte, ging scheinbar auf dieses Angebot ein. So traf die bildhübsche fünfzehnjährige byzantinische Prinzessin Theophanou am Hofe Ottos ein. Allerdings stellte es sich heraus, daß sie keine erbberechtigte Kaisertochter, sondern nur eine Nichte war. Aber das brauchte in Deutschland niemand zu wissen, und so war die Heirat zumindest ein Prestige-Erfolg.

Otto III. , das "Weltwunder"

Der Sohn Theophanou's und Enkel Otto's des Großen, wurde im Jahr 996 als 16- jähriger in Rom als Kaiser Otto III. gekrönt. Die verfallene Pracht und Größe der einstigen Hauptstadt des Erdenkreises, in deren Ruinen nun die Schafherden weideten, muß einen tiefen Eindruck auf Otto III. hinterlassen haben. Seine Mutter Theophanou und sein Lehrer Gebert von Aurillac bestärkten den Jugendlichen in dem Plan, Rom wieder zum Zentrum eines glanzvollen Weltreiches zu machen.

Mit Otto's Hilfe wurde Gebert 999 zum Papst Silvester II. Der in der Auvergne geborene Benediktiner-Mönch war mit der arabischen Wissenschaft, die damals führend auf der Welt war, wohlvertraut. Er soll sogar der Legende nach eine Reise nach Indien unternommen haben. Er war der beste abendländische Mathematiker und führte eine Frühform der arabischen Ziffern ein. Er erfand eine mechanische Uhr und eine Dampforgel. Der Legende nach soll er einen Bronzekopf besessen haben, der auf Fragen über die Politik mit Ja und Nein antwortete. Es wird behauptet, Silvester sei Mitglied der indischen, von Kaiser Ashoka gegründeten Geheimgesellschaft der "Neun Unbekannten" gewesen und hätte von dort sein Wissen bezogen. Diese "Neun Unbekannten" seien im Besitz eines geheimen naturwissenschaftlichen Wissens und würden die Geschicke der Welt aus dem Verborgenen heraus lenken, also eine Art geheime Weltregierung bilden. Nach dem Tod Silvesters II. sei der "magische Kopf" zerstört worden und die durch ihn vermittelten Geheimnisse vor der Öffentlichkeit geheim gehalten worden.

Otto's Pläne, das Zentrum der Macht nach Rom zu verlegen, stieß bei den Deutschen auf wenig Gegenliebe. Auch die lokalen Machthaber in Rom hielten nichts davon, denn dann hätten nicht mehr sie, sondern der deutsche Kaiser Rom beherrscht. Deshalb gründete sie eine "römische Republik". Der 16-jährige Otto, genannt "das Weltwunder", schlug den Aufstand nieder und setze seinen Hofkaplan als Gregor V. als Papst ein. Dieser krönte Otto als Gegenleistung zum Kaiser.

Inzwischen rückte das Jahr 1000 näher. Augustinus hatte gelehrt, daß mit der Geburt Christi das 1000-jährige Reich begonnen hätte. Jetzt stand also die Wiederkunft des Antichrist bevor. Deshalb erfasste im Jahr 999 viele Christen Todesangst. Sie ließen ihre Äcker unbesäht und ihre Häuser verfallen. Viele pilgerten nach Rom und spendeten große Beträge an die Armen. Man kann vermuten, daß Otto und Silvester II. ebenfalls erwarteten, daß das Weltreich Christi Wirklichkeit werden würde.

Aber wie sah die Wirklichkeit aus? Kaum war Otto nach Deutschland zurückgekehrt, da wurde Gregor V. abgesetzt und die Adelsrepublik in Rom wiedereingeführt. Otto mußt zweimal nach Rom ziehen, um seine Herrschaft wiederherzustellen. Beim zweitenmal mußt er aus Rom fliehen und das deutsche Heer verweigerte ihm die Gefolgschaft. Bald darauf starb Otto in Italien.

Die Päpste als "Weltherrscher"

Ebenso utopisch wie dieser Versuch, von Rom aus die Welt zu regieren, war der Anlauf, den Papst Gregor VII. (Papst von 1073-1085) nahm. In seinen Kanzleigrundsätzen ("dictatus papae") schrieb er 1075: "Allein des Papstes Füße haben alle Fürsten zu küssen". Aber die Realität war wiederum anders. Gregor VII. starb im Exil in Süditalien, nachdem er im Machtkampf mit dem deutschen Kaiser Heinrich IV. unterlegen war.

Aber er hinterließ seinen Nachfolgern die Idee des Kreuzzugsgedanken, einen Aufruf zum christlichen Imperialismus, der aber in letzter Konsequenz den Horizont des Abendlandes so weitete, daß es sich von den Fesseln der päpstlichen Dogmen befreite und die moderne Wissenschaft schuf.

Die Erneuerung des Römerreiches: Ein Wunschtraum des Dante Alighieri

Der Anspruch sowohl der deutschen Kaiser wie der römischen Päpste, Erben des römischen Weltreiches zu sein, erwies sich als substanzlose Fiktion.

Trotzdem gab es viele Menschen, die der Pax Romana nachtrauerten, denn der bestehende Zustand, die Willkür und die Kriege der Territorialfürsten, war nur schwer zu ertragen. Einer von ihnen war Dante Alighieri.

Dante war selbst als Ratsherr von Florenz Opfer der chaotischen und gewalttätigen Politik der italienischen Städte geworden. Er sah, daß die Anarchie unter den italienischen Stadtstaaten ein großes Unglück war. Als der Heinrich VII. die Italienpolitik wiederaufnehmen wollte, verkündete Dante sein Kommen als den "Beginn des goldenen Zeitalters" und widmete ihm zum Einzug seine Schrift "Von der Monarchie". Aber Heinrich VII. starb, nachdem er in Rom zum Kaiser gekrönt worden war, auf dem Heimreise in Siena.

Den Frieden, so schrieb Dante in seiner Schrift, kann nur eine über den Staaten stehende Gewalt sichern. Die Anarchie der Nationalstaten ist vernunftwidrig. Zum Heile der Welt ist der Weltstaat erforderlich. Er würde eine stabile Ordnung und eine einheitliche Rechtsprechung aufrechterhalten.

Der Pazifist und Staatsrechtler Walter Schücking schreibt: "Einem Januskopfe gleich schaut Dante gleichzeitig nach rückwärts und vorwärts. Er wurzelt mit tausend Fasern im Mittelalter und ragt gleichzeitig hinein in eine ferne Zukunft". Unbestreitbar recht hatte der Dichter der "Göttlichen Komödie" mit seinem Ausspruch: "Oh Menschheit! Von wieviel Stürmen und Verlusten, von wieviel Schiffbrüchen mußt du heimgesucht werden, da du ein vielköpfiges Ungeheuer geworden bist und dein Trachten auseinander geht".

Joachim von Fiore und das Gottesreich

Joachim von Fiore wurde etwa 1130 bei Cosenza im süditalienischen Kalabrien geboren. Er gründete im einsamen Silagebirge in einem Pinienwald, der den Namen "Fiore" trug, seine eigene Abtei und seinen eigenen Mönchsorden.

Er teilte die Weltgeschichte in drei Zeitalter ein. Das dritte Zeitalter, das des Heiligen Geistes, wäre nicht mehr weit. In diesem Zeitalter würde der Heilige Geist das Denken und Tun der Menschen beherrschen und es würde überall Frieden und Harmonie herrschen.

Dieses dritte Zeitalter nannte Fiore auch "Das dritte Reich", in welchem die Heiligen regieren würden.

Cola di Rienzi

Schon als junger Mann war er durch die Ruinen des Forum Romanum gewandert und hatte die Inschriften entziffert. Da muß er wohl den Gedanken an die Wiederrichtung der römischen Republik gefasst haben.

Cola di Rienzi wagte 1347 in Rom einen Staatsstreich, rief die Wiederaufrichtung der römischen Republik aus und ließ sich von einer Volksversammlung zum Diktator wählen.

Er nahm den Titel "Volkstribun" an, verjagte den Adel und senkte die Lebensmittelpreise.

Er wollte ein italienisches Nationalparlament und einen italienischen Bundesstaat gründen. Es kam auch tatsächlich eine, wenn auch unvollständige, italienische Delegiertenversammlung zustande, der Rienzo die Frage vorlegte, ob seine römische Republik die Rechtsnachfolgerin der antiken römischen Republik sei. Wenn dies zutraf, dann hatte das Rom Rienzi's die gleichen Hoheitsrechte wie die alte römische Republik, also die Herrschaft über Italien. Die Antwort der Delegiertenversammlung war positiv.

Caesar hatte rechtswidrig die römische Republik abgeschafft. Jetzt hatte sie Rienzi wieder eingesetzt. Damit war die Legitimation des Deutschen Kaisers natürlich hinfällig. Denn wenn Caesar nicht legitimer Herrscher des römischen Weltreiches gewesen war, dann hatten auch alle seine Nachfolger, einschließlich der deutschen und der öströmischen Kaiser, keine Legitimation. Auch die weltliche Macht der Kirche bestand dann zu Unrecht. Formaljuristisch hatte Rienzi wohl recht, aber er hatte die ganze Welt gegen sich: Den Kaiser, den Papst und die mächtigen italienischen Stadtstaaten. Der Papst erklärte Rienzi zum Verbrecher und Ketzer.

Am 1. August 1347 wurde ein Dekret verlesen, in welchem es hieß, daß Rom das Haupt des Erdenkreises sei, und alle Privilegien und Herrschaftsansprüche über die Welt zurückfordere. Die römischen Rechte seien von Unberechtigten an Unberechtigte vergeben worden. Der Deutsche Kaiser und sein Gegenkaiser, Karl von Böhmen, und die deutschen Kurfürsten wurden nach Rom vorgeladen.

Das Ganze war natürlich eine ungeheure Anmaßung, der jeder Bezug zur Realität fehlte. Rienzo verfügte über ein paar hundert Reiter und ein paar tausend Fußsoldaten. Er verwechselte die große Geste und die große Schau mit der Wirklichkeit.

In diesen Augustwochen machte sich bei Rienzo allmählich der Größenwahn bemerkbar. Er ließ sich sechsmal krönen und sah sich als Kaiser Augustus und Kaiser Konstantin. Wie diese beanspruchte er auch, als Gott verehrt zu werden.

Als am 11. Okt. 1347 Ludwig der Bayer auf einem Jagdausflug einem Schlaganfall erlag, war es für Rienzo klar, daß er am Pfingsttag 1348 zum Kaiser gewählt werden müsse. Er erließ ein Rundschreiben an die italienischen Städte, daß kein

Ausländer (auch nicht der Papst, der ein Franzose war), an der Wahl des obersten Herren der Welt teilnehmen solle.

Aber am 15. Dezember wurde Rienzi zur Abdankung gezwungen und mußte nach Ungarn fliehen. Später nahm ihn Kaiser Karl IV. in Prag in Schutzhaft. Nach seiner Freilassung ging er zum Papst nach Avignon, wo er eingekerkert wurde. 1353 ernannte ihn ein neuer Papst zu seinem Statthalter in Rom, wo er von der Volksmenge getötet wurde.

Pierre Dubois Plan Pläne für den ein Europäisches Reich der Franzosen

1291 ging der siebte und letzte Kreuzzug zu Ende. Die letzten Besitzungen im Heiligen Land wurden von den Christen geräumt. Eine der Gründe für das Fehlschlagen der Kreuzzüge war die Uneinigkeit der Christenheit.

Ausgehend von dieser Überlegung verfasste Pierre Dubois, der Kronanwalt französischen Königs Philips des Schönen, die Schrift "Über die Wiedergewinnung des Heiligen Landes". Dubois ging es in seinem Plan nur vordergründig um die Wiedereroberung von Palästina. In Wirklichkeit wollte er, daß die Führung der Christenheit dem französischen König zufallen sollte. Aber es ging ihm auch um die Schaffung einer dauerhaften Friedensordnung in Europa.

Dubois forderte eine christliche Föderation, die von einem "Konzil" genannten Parlament gelenkt wird. Diese europäische Delegiertenversammlung sollte Gesetze ausarbeiten. Ein übernationales Schiedsgericht sollte geschaffen werden. Dubois nahm also schon vor fast 700 Jahren das Europäische Parlament, den Haager Gerichtshof und den Völkerbund vorweg.

Der von Dubois vorgeschlagene Völkerbund stellte ein auf ganz Europa ausgeweitetes Heiliges Römisches Reich auf föderativer Basis dar.

Georg von Piediebrads Plan einer Europäischen Föderation

Nach dem Chaos der Hussitenkriege und des Taboritensturms erlangte ein bömischer Edelmann ohne Vermögen, Georg von Podiebrad, 1451 die Macht in ganz Böhmen und schenkte dem Land Frieden und Ordnung. Er wurde 1458 zum böhmischen König gekrönt.

Im Jahr 1462 legte Podiebrad den Plan einer Föderation aller europäischen Staaten vor. Die Gelegenheit für einen solchen Plan schien günstig, weil die Türken im Jahr 1453 Konstantinopel erobert hatten und auf dem Balkan vordrangen.

Wie schon der Plan von Dubois war Podiebrads Vorschlag nicht aus uneigennützigem Idealismus entstanden. Er war nicht nur gegen die Türken,sondern auch gegen Kaiser und Papst gerichtet. In dem ganzen Plan spielten nämlich die Universalmächte Kaiser und Papst keine Rolle. Ihre Führungsrolle in Europa hätte der französische König übernehmen sollen. Aber auch dieser lehnte den Plan ab.

Der Papst erklärte 1466 Podiebrad zum Ketzer, entband Untertanen vom Treueeid und rief die Christenheit zu seiner Beseitigung auf. Der ungarische König folgte dieser Aufforderung, marschierte in Böhmen ein und ließ sich zum böhmischen König krönen. Podiebrad starb 1471.

Welches außerwählte Volk soll die römnische Weltherrschaft erben ?

Mit der Eroberung Konstaninopels durch die Türken war das römische Reich zu Ende. Viele Menschen fürchteten, daß Jesus wiederkommen und die satanischen Mächte besiegen würde. Aber Jesus blieb aus, und ebenso die große Katastrophe des Endkampfes zwischen Gut und Böse. Daraus konnte nur folgen, daß das römische Reich auf einen Nachfolgestaat übergegangen war. Aber welcher Staat konnte das sein? Für die Türken war der Fall klar: Das osmanische Reich. Der Sultan nannte sich "Qasr i Rum" (Kaiser von Rom). Folgerichtig weigerten sich die Türken, den deutschen Kaiser Rudolf II. (1552-1612) als "Römischen Kaiser" zu titulieren und nannten ihn nur "König von Wien".

Auch für die Großfürsten von Moskau gab es keinen Zweifel, wer das römische Reich fortführte: Die Moskowiter. 1510 legte der ehemalige Patriarch von Kiew, Spiridon Sawwa, dem Moskauer Großfürsten Wassilij in einem Brief dar, daß sich sein Stammbaum von den byzantinsichen Kaisern herleite. Deren Stammbaum reiche wiederum über Augustus bis auf den ägyptischen Pharao Sesotris zurück. 1547 nahm Iwan der Schrecklich als erster Großfürst den Titel "Zar" (also: "Caesar") an.

Damit war der Zar der Statthalter Gottes auf Erden und die Russen das auserwählte Volk Gottes. Noch Dostojewski erklärte, das russische Volk sei dazu berufen, alle andern Völker ins sich aufzunehmen. Die russische Idee sei letztendlich die Idee der "universalen allmenschlichen Vereinigung".

Als die Bolschwisten die Macht der Zaren übernommen hatten, behielten sie den Gedanken der Auserwähltheit bei. Jetzt war es das Proletariat, das dazu berufen war, alle Welt vom Kapitalismus zu befreien und weltweit das Paradies der Werktätigen zu errichten. Für Stalin war dann nicht das Proletariat an sich, wie das Marx und Engels geglaubt hatten, sondern das russische Proletariat zur Weltherrschaft berufen.

Aber es gab noch ein anderes auserwähltes Volk: Die im Puritanismus verwurzelten Amerikaner, die "Gottes eigenes Land" bewohnen. Nach ihrem Selbstverständnis war und ist es die Mission der USA, der Welt den Fortschritt, die Demokratie und die Menschenrechte zu bringen.

Der Gedanke des Weltstaates ist bis auf die heutige Zeit eng verknüpft mit dem Gedanken der Weltherrschaft, zu der ein auserwähltes Volk berufen sei. Gerade im 20.-ten Jahrhundert hat der Anspruch, das zur Weltherrschaft auserwählte Volk zu sein, zwei gewaltige Kriege hervorgerufen. Das wilhelminische Deutschland meldete seinen Weltmachtanspruch an und rief damit die Reaktion der Engländer, Franzosen, Russen und Amerikaner hervor. Für Hitler war die germanische Rasse zur Weltherrschaft berufen, und da es nur ein auserwähltes Volk geben konnte, mußten die Juden ausgerottet werden. Die Japaner versuchten die Herrschaft über China und Ostasien zu erringen. Wäre sie damit erfolgreich gewesen, wäre es zum großen Showdown zwischen der weißen und der gelben Rasse gekommen, der uns vielleicht noch bevorsteht, wenn sich japanische Technologie mit chinesischen Millionenheeren verbindet.

Die kommunistische Weltrevolution versuchte nach dem Zweiten Weltkrieg sich in Afrika und Lateinamerika auszubreiten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion scheint der sowjetische-russiche Weltherrschaftsanspruch vorübergehend außer Gefecht gesetzt zu sein. Aber Russland hat in seiner Geschichte schon viele Tiefpunkte erlebt und sich immer wieder neu erholt.

Der islamische Weltherrschaftsgedanke hat sich in Persien festgesetzt, wo er auf dem alten Nährboden des persischen Reichs wurzelt.

Das Gesetz des Überlebens in einer Welt von Feinden und Konkurrenten ist es, das die Völker dazu antreibt, ihren Herrschaftsbereich über die ganze Welt auszudehnen und alle Konkurrenten auszuschalten. Solange der anderen ein Feind und Konkurrent ist, ist dieses Gesetz wirksam, und wer es mißachtet, wird zum Opfer seiner starken Nachbarn. Aber hat dieses Gesetz heute noch Gültigkeit, wenn die gesamte Menschheit doch in einem Boot sitzt und gemeinsame Interessen hat ?

Kein Volk ist auserwählt, über die anderen Völker zu herrschen. Es gibt kein auserwähltes Volk. Ebenso ist keine Religion die einzig wahre und richtige;folglich darf sich kein Mensch im Namen seiner Religion als Herr und Richter über andere aufspielen.

Auserwählt ist nur die gesamte Menschheit, gemeinsam über den Planeten zu herrschen.

Weitere Friedenspläne: Emeric Cruce

Den ersten Friedensplan, der nicht nur den Frieden in Europa, sondern in der ganzen Welt zum Ziel hatte, verfasste der französische Mönch Emeric Cruce (ca. 1590-1648). Er war Mathematiklehrer an einem Pariser Kollegium. Deutsche Gelehrte haben ihn verächtlich den "kleinen Schulmeister" genannt. Das kleine Buch, das er 1623 veröffentlichen ließ, heißt "Der Neue Kineas". Kineas ist der Name des Vertrauen von König Pyrrhus, jenes Königs, der durch seine sinnlosen "Phyrrhussiege" sprichwörtlich geworden ist.

Cruce schlug vor, in Venedig eine ständige Botschafterversammlung aller Länder einzuberufen, welche die Streitigkeiten der Herrscher auf friedlichem Wege und durch Schiedsspruch beilegen solle. Damit formulierte er die Idee der UNO in New York.

Der Plan des Herzogs von Sully

Einen ähnlichen Plan wie Dubois legte der Herzog von Sully (1560-1641) in seinen Memoiren vor. Er behauptete, der Plan gehe auf den französischen König Henry IV. zurück, dessen Kanzler und bester Freund er war. Das eigentliche Lebensziel des Begründers der Bourbonen-Dynastie und des Liebhabers von 56 Mätressen sei es gewesen, den universellen Frieden herbeizuführen. In seinen Plan hätte er nur den Herzog von Sully eingeweiht. Durch diplomatische Verhandlungen, mit Geld und durch Rüstung habe er sein Vorhaben vorbereitet und sei 1610 nahe an dem Ziel gewesen, als er von einem fanatischen Schulmeister erstochen wurde.

In Wirklichkeit hat Sully selbst den Plan verfasst. Er sah die Schaffung von 15 etwa gleich großen europäischen Staaten vor, die in einem ständigen Fürstenkongress vertreten sein sollten.

Wie bei Dubois sollte der habsburgische Kaiser entmachtet und das Heilige Römische Reich der Deutschen durch einen europäischen Fürstenbund unter Vorsitz des französischen Königs ersetzt werden.

Der Plan des William Penn

Ehrlicher meinte es da schon der Quäker William Penn, (nach dem der amerikanische Bundesstaat Pennsylvania benannt ist), der 1693 "Ein Essay zum gegenwärtigen und zukünftigen Frieden von Europa durch Schaffung eines europäischen Reichstages, Parlaments oder Staatenhauses" veröffenlichte.

Der Plan des Abbè des Saint Pierre

Einen weiteren Friedensplan verfasste im Jahr 1713 der Abbè de Saint Pierre, nachdem er 1712 am Utrechter Friedenskongress teilgenommen hatte. In seinem "Plan zum ewigen Frieden in Europa" schreibt er: "Ich finde es nicht schwieriger, ein vereintes Europa zu schaffen, als man früher das Deutsche Reich geschaffen hat; es kommt nur darauf an, im großen zu wiederholen, was im kleinen schon ausgeführt ist...In dem Gedanken, daß mein Völkerbund keine Utopie ist, wurde ich bestärkt durch den Rat eines Freundes, dem ich den ersten Entwurf zeigte: er wies darauf hin, daß Henry IV. im Grunde schon genau denselben Plan gefaßt hat. In der Tat fand ich ihn in den Memoiren seines Premierministers, des Herzogs von Sully".

Natürlich sah sich Saint-Pierre vielerlei Kritik ausgesetzt. Der große Spötter Voltaire machte sich über den Abbè mit dem Reim lustig:

Zum Glücke sehn wir nur ein stummes

Portrait des Abbè in diesem Saal, denn hätten wir das Original, da hörten wir gewiss was Dummes.

Friedrich der Große schrieb in einem Brief an Voltaire: "Der Abbe von Saint -

Pierre, der mich der Ehre eines Briefwechsels mit meiner Person für würdig hielt, hat mir sein sehr schönes Werk über die Art und Weise, wie in Europa der Frieden wiederhergestellt werden könnte, zugesandt. Die Sache ist sehr praktisch - um ihr zum Erfolg zu verhelfen, bedarf es nur der Zustimmung Europas und einiger anderer Kleinigkeiten".

Der Abbe stieß aber nicht nur auf Ablehnung. Der andere große Philosoph der Aufklärung, Jean Jaques Rousseau (1712-1778) veröffentlichte einen Auszug aus dem Werk von Saint-Pierre.

Rousseau erzählt über den Abbè: "Der Plan eines ewigen Friedens, der eines der würdigsten Ziele anstrebt, das ein Ehrenmann verfolgen kann, beschäftige den Abbè de Saint-Pierre ständig. Er hörte nie auf, darüber nachzudenken und verfolgte ihn mit der größten Halsstarrigkeit. Anders kann man seinen Missionseifer kaum bezeichnen, der ihn, was diese Sache betrifft, nie verließ, unerachtet der offensichtlichen Aussichtslosigkeit auf Erfolg, der Lächerlichkeit, der er sich täglich preisgab und der Kränkungen, die er seinetwegen unaufhörlich erleiden mußte...

Die Vorteile, die sich aus der Verwirklichung seines Planes für... alle Völker..ergeben würden, sind ungeheuer groß, augenfällig und unschätzbar. Nichts kann folgerichtiger und überzeugender sein als die Darlegungen, mit denen sie der Verfasser außer Zweifel setzt. Verwirklichen wir seine Republik nur einen einzigen Tag, es würde genügen, ihr dauerhafte Beständigkeit zu sichern; so sehr würde jeder durch die eigene Erfahrung seinen besonderen Vorteil in dem allgemeinen Wohlergehen finden".

Auch Gottfried Ephraim Lessing trat für den Friedensplan des Abbè ein.

Kant wurde bei seiner Schrift "Zum Ewigen Frieden" durch Rousseau beeinflußt, dessen Werke er schätzte. "Rousseau hat mich zurechtgebracht", meinte Kant einmal zurückblickend. Da Kant über Rousseau von dem Werk des Abbè de Saint Pierre Kenntnis hatte, hat der weltfremde Träumer aus der Normandie gleich zwei bedeutende Philosophen zu einem Traktat veranlaßt. Genaugenommen waren es sogar drei, denn Johann Gottlieb Fichte schlug 1798, beeinflußt von Kant, in seiner Schrift "Der geschlossene Handelsstaat" vor, daß alle Staaten der Welt untereinander einen Vertrag schließen sollten, der ihre gegenseitige Sicherheit garantieren sollte.

Kriegsführung vor und nach der französischen Revolution

Vor 1789 gab es keine Nationen in unsrem heutigen Sinne. Es gab vor der Revolution keine nationalen Heere, sondern Söldnerheere. Ziel der kriegerischen Aktionen waren im allgemeinen die gegnerischen Truppen, ihre Vorräte und Befestigungen, nicht aber die Zivilbevölkerung, die zwar unter Brandschatzung, Vergewaltigung und Plünderung zu leiden hatte. In Frauen und Kindern Feinde zu sehen und sie bewußt zu töten, das wurde erst in unserem so erlauchten und fortschrittlichen Jahrhundert zur weitverbreiteten Praxis.

Die Söldner hatten übrigens ein Interesse daran, die Schlachten nicht allzu blutig und grausam werden zu lassen, denn schließlich zog man in den Krieg, um Geld zu verdienen und zu plündern, nicht aber, um sich umbringen zu lassen. So ging man manchmal recht "kollegial" miteinander um, denn zum Hass und Fanatismus bestand kein Grund. Man hätte schließlich genauso gut in den Diensten der anderen Seite stehen können, und man wechselte auch die Seiten, wenn der eigene Monarch zahlungsunfähig war.

Nachdem das französische Volk seinen König hingerichtet hatte, stellte es ein Volksheer auf. So etwas hatte es seit der Völkerwanderung nicht mehr gegeben. In der Kanonade von Valmy zeigte sich das Volksheer den Söldnerheeren überlegen. Seine Strategie bestand einfach darin, den Gegner unter großen eigenen Verlusten über den Haufen zu rennen. Diese Methode behielt auch Napoleon im Grundsatz bei, nur entfaltete er seine Genialität darin, dies an der schwächsten Stelle des Gegner zu tun (die er vorher oft erst durch taktische Manöver erzeugt hatte). Als seine Gegner dazugelernt hatten, kam es zu gewaltigen Metzeleien. Konsequent wurde das dann im Ersten Weltkrieg vor Verdun fortgeführt. Im Zweiten Weltkrieg wurde schließlich Krieg gegen die Zivilbevölkerung geführt, indem man die Wohnviertel in Städten Flächenbombardements durchführte. Eine vorläufig letzte Steigerung fand dies in Hiroshima. Berthold Brecht konnte dann zu Recht sagen: "Entweder wir schaffen den Krieg ab, oder der Krieg schafft uns ab".

Der Weltstaatgedanke in der französischen Revolution

Für die französischen Revolutionäre schien es anfangs selbstverständlich, daß die Völker, wenn sie ihre Monarchen endlich verjagt hätten, brüderlich miteinander leben würden. 1790 hieß es in der Nationalsversammlung: "Sind alle Nationen frei, dann wird es keinen Krieg mehr geben". In Wirklichkeit wurde mit dem Aufkommen des Nationalismus dem Chauvinismus, dem Rassenwahn, dem Imperialismus und dem Kolonialismus Tür und Tor geöffnet.

Jean Baptiste Cloots, der preußische Adelige, der als französischer Revolutionär starb (nach seiner Biographie von Selma Stern)

Am 13. Juni 1790 rief Cloots vor der französischen Nationalversammlung aus: "Es wird keine Provinzen mehr geben und keine Armeen, weder Besiegte noch Sieger...die großen Straßen Frankreichs werden bis an die Grenzen Chinas reichen. Mit der Post werden wir von Paris nach Peking fahren, so wie jetzt von Bordeaux nach Straßburg, ohne daß sich uns etwas in den Weg stellt - weder Schlagbäume noch Grenzmauern, weder Schreiber noch Soldat. Dann wird es auch keine Wüsten mehr geben, die ganze Erde wird ein blühender Garten sein, und Orient und Okzident werden sich auf der Bundesstätte umarmen".

1793 sagte er: "Die Menschenrechte gelten für die gesamte Menschheit. Eine Körperschaft, die sich souverän nennt, verletzt die Menschheit ernstlich, sie widerspricht völlig dem gesunden Menschenverstand und dem Wohle aller. Sie hemmt das Gedeihen der Völker...Keinen anderen Herren wollen wir über uns dulden als den Ausdruck des absoluten, höchsten Allgemeinwillens". In einer Denkschrift, die er 1792 der Nationalversammlung übergab, schreibt er: "Ein Körper kämpft nicht gegen sich selbst, und das Menschengeschlecht wird in Frieden leben, solange es nur einen Leib bildet, eine Nation".

Wer war dieser Jean-Baptist Cloots, Baron du Val-de-Grace, der sich "Anacharsis Cloots" und "Redner des Menschengeschlechtes" nannte? Wie der skytische Fürst Anacharsis, der zur Zeit Solons nach Athen gekommen war, um seinen Wissensdurst zu stillen, so war "Anacharsis" Cloots aus Kleve im preussischen Rheinland nach Paris gekommen, nachdem er von Nachricht der Erstürmung der Bastille mächtig ergriffen worden war. Dort wurde er bald der feurigste Revolutionär, bekannt als "der verrückte Cloots", ein exzentrischer Phantast, ein ruheloser Abenteurer, ein geistreicher Zyniker, den die Revolution zu den erhabensten Worten begeisterte.

Geboren auf Schloss Gnadenthal, wurde er Jesuitenzögling und trieb humanistische Studien und besuchte die Militärakademie Friedrichs des Großen. Mit 19 erbte er ein großes Vermögen und wurde fortan in schöngeistigen Salons der Literaten und Philosophen des vorrevolutionären Paris gesehen, lernte Voltaire und Rouseau persönlich kennen. Auf einer seiner langen Reisen durch Europa hörte er vom Sturm auf die Bastille und er eilte zurück nach Paris, um an den großen Ereignissen teilzunehmen.

Fast täglich erschienen von ihm aufstachelnde Artikel in den Zeitungen. Als einer der ersten war er im Jakobinerclub. Am 19. Juni 1790 erschien er in der Nationalsversammlung an der Spitze einer vielköpfigen Schar, die mit den Farben aller Nationen der Welt angetan war. Er hielt eine feierliche Rede im Namen des "unterdrückten Souveräns" (des Volkes) und brachte der Nationalversammlung die Huldigung aller Völker der Welt dar. Diese "Deputation des Menschengeschlechtes" machte ihn mit einem Schlag berühmt. Der Gedanke, alle Völker der Welt in Freiheit zu verbrüdern, hatte von ihm Besitz ergriffen. Schon bald beschäftigte ihn der Gedanke der Weltrepublik, den er in unzähligen Artikeln und in dem Buch "Die Weltrepublik" ("La Republique Universelle") niederlegte. Mit rastloser Phantasie arbeitete er diesen Gedanken bis ins Einzelnste aus. Alle Völker der Welt, so lautete sein Vorschlag, sollen sich, um Feindschaft und Krieg zu verhindern, zu einem einzigen, großen Einheitsstaat zusammenschließen. In diesem Staat würde die größte Toleranz und ewiger Friede herrschen. Paris sollte der Mittelpunkt des Weltreiches sein, hierher sollten die Delegierten der Weltdepartements in eine einzige, große Nationalversammlung gesandt werden, von hier sollte die Weltrepublik regiert werden.

Am 23. April 1792 erschien Cloots vor der Nationalsversammlung mit dem Projekt einer Verfassung für die ganze Welt. Er erklärte feierlich:

"1. Es gibt keine andere Souveränität als die des Menschengeschlechts
2. Jedes Individuum, jede Gemeinde, die dieses unveränderliche Prinzip anerkennt, wird ...in unsere Bruderschaft aufgenommen, in die Republik der Menschen..."

Das Echo auf Cloots Weltrepublik war geteilt. Seine Vorschläge riefen eine Menge satirischer Gegenschriften hervor, aber viele ernsthafte und bedeutende Männer, darunter Desmoulins, Fauchet, Rabaut-St.Etienne und Concordet, bewunderten die neue Idee, und alle führenden Geister der Revolution kannten seine Idee und setzten sich gedanklich mit ihr auseinander. Aus aller Welt erhielt Cloots Zustimmung, Dank und Ermutigung.

Robbespierre griff seine Gedanken auf und wollte folgende Artikel in die Erklärung der Menschenrecht aufnehmen (verkürzt):

"Die Menschen aller Länder müssen sich gegenseitig helfen, als wären sie Bürger eines Staates. Wer eine einzelne Nation unterdrückt, erklärt sich zum Feind von allen. Wer einem Volk den Krieg erklärt, um Freiheit und Menschenrechte niederzuhalten, muss von allen als Mörder verfolgt werden. Tyrannen haben sich gegen den Souverän der Erde, die gesamte Menschheit, empört".

Nachdem die Revolutionstruppen bei Valmy gesiegt hatten, schien es möglich, daß die Revolution in ganz Europa siegen, die Tyrannen mit Hilfe der unterdrückten Völker hinwegfegen und die Weltrepublik errichten könne. Savoyen wurde von Revolutionstruppen erobert und Cloots erreichte es, daß es Frankreich einverleibt wurde. So sollte Frankreich Stück für Stück zur Weltrepublik wachsen. Belgien aber weigerte sich, Frankreich einverleibt zu werden. Aufständische Holländer dagegen schrieben an die "französischen Befreier": "Euere Prophezeihungen der Weltrepublik werden sich erfüllen". Im Jakobinerclub begann man ernsthaft die Frage der Weltrepublik zu diskutieren. Ein wichtiger Einwand war, daß die Weltrepublik zu groß und zu zentralistisch würde.

Gegen die zentralistische französische Weltrepublik waren die gemäßigten Girondisten, die mehr föderative Strukturen wollten.

Cloots hatte sich vom romantischen Träumer zum fanatischen Revolutionär gewandelt. Der Niedergang der Girondisten brachte die radikalen Jakobiner an die Macht und die Schrecken der Guillotine begannen. Der Jakobiner Cloots stimmte bei dem Prozess gegen Ludwig X VI. für dessen Hinrichtung.

Cloots hatte einen mächtigen Feind: Robbespierre. Robbespierre glaubte sich von Gott auserwählt, Cloots glaubte an überhaupt keinen Gott. Robbespierre war Nationalist, Cloots war Weltbürger. Robbespierre war Realist, Cloots Phantast. Als es zu den Verhaftungswellen der Robbespierre'schen Diktatur kam, war auch Cloots unter den Opfern. Robbespierre klagte ihn 1794 an: "Können wir einen deutschen Baron als Patrioten betrachten? Können wir einen Mann als Sanskulotten (in etwa: Proletarier) betrachten, der mehr als 100 000 Livres Rente hat? Nein, Bürger, hüten wir uns vor den Fremden, die patriotischer erscheinen wollen als die Franzosen selbst. Cloots,...du bist ein Verräter".

Cloots wurde im Gefängnis des Palais de Luxembourg untergebracht. Schließlich kam die Hinrichtung. Eine ungeheure Menge begleitete die Karren, auf denen die Verurteilten zum "Platz der Revolution" wurden, mit Johlen und Schreien. Das letzte, was er von der Guillotine aus sah, war eine Menschenmenge, die seinen Tod bejubelte; die gleiche Menschheit, deren ewiges Glück er erkämpfen wollte.

Napoleon und Zar Alexander I

Der Antichrist und der Friedensfürst

Alexander wurde von seiner Großmutter, Katharina der Großen, zum aufgeklärten Monarchen erzogen. Er las Voltaire, Diderot und Rousseau, durch den er den Plan zum Ewigen Frieden des Abbè de Saint-Pierre kannte. Sein Erzieher Le Harpe kam aus der Schweiz und war ein enthusiastischer Anhänger der Aufklärung und der französischen Revolution. 1794 wurde Le Harpe entlassen. Man hatte am Zarenhof genug von der französichen Revolution. Aber noch 1814 stellte Alexander dem

König von Preußen Le Harpe mit den Worten vor: "Alles, was ich weiß und vielleicht wert bin, verdanke ich Monsieur Le Harpe".

1801 wurde Alexander Zar. 1804 hatte er Pläne für eine Staatenliga, die alle ihre Konflikte friedlich durch Schlichtung und Schiedsgerichtsbarkeit beseitigen sollte. Alexander hoffte, als Friedensrichter der Welt in die Geschichte einzugehen. Sein Außenminister Czartorisky sandte einen Sonderbotschafter an die englische Regierung und schlug ihr eine "große Europäische Conföderation" vor. Es sollte ein "neues Gesetzbuch des Völkerrechts" geschaffen werden.

Dieser Entwurf von 1804 nahm praktisch schon die Heilige Allianz und den Völkerbund vorweg. Leider gelang es dem russischen Sonderbotschafter nicht, den englischen Premierminister Pitt zu überzeugen, der nichts von Theorien und Visionen hielt. Trotzdem ging Pitt zum Schein auf die Vorschläge ein, um zu einem Vertrag mit Rußland (gegen Napoleon) zu kommen.

Auch Napoleon wollte Europa einigen: Durch Unterwerfung.

1804 ließ sich Napoleon durch Volksabstimmung zum Kaiser wählen. Ärgerlich war nur, daß seine Kaiserkrone eine Imitation war und keine Tradition hatte. Napoleon war in den Augen der übrigen Monarchen nur ein Emporkömmling, ein Glücksritter und Usurpator. Das Orginal der Stephanskrone lag in der Wiener Hofburg. Dorthin war sie vor einigen Jahren in einer Düngerfuhre von Nürnberg, dem Aufbewahrungsort der Reichskleinodien, gebracht worden, um sie dem Zugriff der Franzosen zu entziehen.

Als Napoleon 1805 bei Austerlitz gesiegt hatte, war die Kaiserkrone auch in der Wiener Hofburg nicht mehr sicher. Schon 1803 hatte sich der Immerwährende Reichstag zu Regensburg einem Diktat Napoleons gebeugt und hatte die geistlichen Fürstentümer und Güter aufgelöst und die Selbständigkeit der Reichsstädte, Reichsgrafen und Reichsritter aufgehoben. Das Heilige Römische Reich war nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Gefahr bestand, daß Napoleon sich zum Kaiser des Heilgen Römischen Reiches machen und seine Weltherrschaftspläne legitimieren würde. Unter dem Eindruck dieser Gefahr löste der amtierende Kaiser, der Habsburger Franz II., den Immerwährenden Reichstag und damit das Heilige Römische Reich auf. Am 6. August 1806 legte er die Kaiserkrone nieder.

1809 verstieß Napoleon seine erste Frau, Josephine Beauharnais, die er einmal wirklich geliebt hatte, und heiratete 1811 Marie-Louise, die Tochter des österreichischen Kaisers. Seinem Sohn aus dieser Ehe gab er den Titel "König von Rom".

Das Heilige Römische Reich hatte länger als 1000 Jahre bestanden. Nun war es zu Ende, und der Antichrist war für viele auch schon da: Napoleon. Er war aus einer gottlosen Revolution hervorgegangen, welche die Kirchen in Tempel der Vernunft verwandelte und die geistlichen Fürstentümer auflöste.

Als Napoleon Moskau besetzte und nahe daran war, Rußland zu erobern, sah Zar Alexander seine einzige Rettung in Gott. Er wurde von der mystischen Frömmigkeit ergriffen, die seinem Volk die innere Kraft gab, dem Ansturm Napoleons standzuhalten und den Aggressor aus dem Land zu treiben. Ganz Europa jubelte dem "Weltbefreier" zu. Alexander war das geworden, was er sich immer gewünscht hatte: Der Friedensfürst.

Auf dem Wiener Kongress war Alexander I. die von der Öffentlichkeit am meisten beachtete Person und der Liebling der Frauen. Nach dem 5. Dezember 1814 kam es aber zu keinen amourösen Zusammenkünften mehr und die Geheimdienste berichteten, Alexander habe sich eine Geschlechtskrankheit zugezogen. Alexander litt an Depressionen und wandte sich der Religion und einer ekstatischen Mystik zu. Geistigen Trost fand Alexander bei einer griechischen Hofdame: der jungen Roxana Stourzda, die er in der zweiten Dezemberhälfte oft in ihrem kleinen Zimmer im vierten Stock der Hofburg besuchte. Roxana war eine Anhängerin und Freundin der Bußpredigerin Baronin Juliane von Krüdener, die ihr zu dieser Zeit Briefe voll apokalyptischer Offenbarungen schrieb. Die Baronin sah in Alexander den in der Bibel verhießenen "Apollyon", der den "Antichrist" Napoleon vernichten werde.

Roxana hatte von Juliane von Krüdener einen Brief erhalten, in dem die Wiederkehr Napoleons und der Sturz der Bourbonen angekündigt wurde. Der Zar hatte die Bitte der Krüdener um eine Zusammenkunft ignoriert, aber am 7. März 1815 landete Napoleon tatsächlich in Südfrankreich und machte die Prophezeihung wahr. Am 4. Juni übernachtete der Zar in Heilbronn und empfing Juliane von Krüdener.

Der Zar quälte sich gerade mit Selbstvorwürfen und konnte nicht schlafen. Die Krüdener sagte ihm, er sei zwar ein großer Sünder, es sei ihm aber schon alles verziehen. Der Zar brach in Tränen aus, sie sprach ihm Trost zu und baute ihn wieder auf. Man betete gemeinsam. Er bat die um 10 Jahre Ältere, sie "Schwester Juliane" nennen zu dürfen, sie nannte ihn "Bruder Alexander" und eröffnete ihm, daß er dazu ausersehen wäre, den Antichrist Napoleon zu vernichten.

Als Napoleon endgültig besiegt war, reisten "Schwester Juliane" und "Bruder Alexander" nach Paris, um einen Friedensbund der Fürsten Wirklichkeit werden zu lassen.

Juliane quartierte sich im Faubourg Saint-Honorè ein, direkt neben dem Elysee- Palast, wo Alexander wohnte. Durch eine Pforte in der Mauer besuchte er sie fast täglich. Alexander entwarf ein Manifest für die Fürsten Europas, die sich verpflichten sollten, eine Staatenliga zu bilden. Gemeinsam suchten Alexander und Juliane nach einem Namen für die Friedensliga. Sie einigten sich auf den Namen "Heilige Allianz". Gemeinsam arbeiteten sie den Wortlaut des Vertrages aus. Der Stil trägt deutlich die Handschrift der Baronin von Krüdener. So kommt z.B. das Wort "Jahr der Gnade", das sie mit Vorliebe gebraucht, in dem Vertrag vor. Der Sekretär des Zaren berichtete, daß das Orginal des Schriftstückes von der Hand des Zaren stamme und mit zahlreichen Verbesserungen der Baronin versehen sei.

Der Vertragsentwurf ist am 9. Sept. 1815 fertig. Am Tag darauf läßt der Zar die Baronin im Hofwagen abholen. An der Seite des Zaren nimmt sie, auf einem schneeweißen Schimmel und in einem himmelblauen Kleid die russische Siegesparade auf dem Champ de Vertus ab. Am 26. Sept. wird der Vertrag der "Heiligen Allianz" in Paris unterzeichnet.

Über das Manifest der Heiligen Allianz ist viel gespottet worden. Metternich nannte sie ein "laut tönendes Nichts" und Castlereagh "ein Stück erhabener Mystizismus und Unsinn". In Wahrheit enthält die Urkunde aber nichts Lächerliches. Sie ist im Stil der damaligen Zeit abgefaßt, und jeder fromme Christ müsste ihr zustimmen. Es wird gefordert, daß Gerechtigkeit, Nächstenliebe und Frieden die Richtschnur des Handelns der Großmächte sein sollten.

Leider enthielt der Vertrag der Heiligen Allianz keine konkreten Abmachungen.

In den nächsten vier oder fünf Jahren mühte sich Alexander, den großen Gedanken der Eintracht der Völker in die Tat umzusetzen. Doch Widerstände waren zu groß und Alexander verzweifelte über seine eigene Unzulänglichkeit. Sein Selbstvertrauen und sein Sendungsbewußtsein verließen ihn. Aus dem engelhaftschönen Monarchen wurde ein beleibter, alternder Mann, mit kahler Stirn und kummervoller Miene. Er litt an Depressionen und brütete stundenlang vor sich hin. Er unternahm rastlose Reisen durch sein riesiges Reich.

Er wandte sich immer mehr von den liberalen Vorstellungen seiner Jugend ab und wurde immer konservativer. Er beseitigte die Reformen, die er durchgeführt hatte und fiel in den Despotismus zurück. Der Legende nach soll er nicht 1825 gestorben sein. Er habe nicht bis 1864 als Einsiedler weitergelebt, so heißt es.

Metternich nutzte die Heilige Allianz nicht, um der Menschheit den Frieden und ein besseres Leben zu schenken. Für ihn war die heilige Allianz ein Mittel, die bestehenden Machtverhältnisse zu verewigen. Die Heilige Allianz wurde zu einer Allianz der Fürsten gegen die Untertanen.

Das Jahrhundert der Friedensgesellschaften

Als das Versagen der Heiligen Allianz offenbar geworden war, entstanden in Amerika und England private Friedensgesellschaften, die den Gedanken einer internationalen Friedenskonferenz als Vorstufe eines Weltparlaments vertraten. Besonderen Wert wurde auf die Einführung eines Schiedsgerichtes gelegt, das zwischen den streitenden Nationen vermitteln sollte. War an einen Zusammenschluß aller Staaten zu einem Weltstaat nicht zu denken, so mußte man sich eben mit Geringerem zufriedengeben.

Die Anhänger der Friedensgesellschaften rekrutierten sich aus den Quäkern und anderen religiös motivierten Menschen sowie aus dem liberalen Bürgertum, das der Ansicht war, daß Krieg die Geschäfte stört.

Die Aktivitäten der ersten Friedensgruppen bestanden darin, auf die öffentliche Meinung einzuwirken (durch eigene Schriften und Zeitschriften) sowie durch den Versuch der direkten Einflußnahme auf die Mächtigen der Welt. Aber die Friedensfreunde mußten die Erfahrung machen, daß sich die Mächtigen von ihnen nicht beeinflussen ließen. Sie stießen auf Ablehnung und taube Ohren. Keine der Regierungen war geneigt, auf Grund der Ermahnungen von ein paar Weltverbesserern auf die Wahrung ihrer Interessen, notfalls auch mit kriegerischen

Mitteln, zu verzichten. So suchte man ein weniger frustrierendes Tätigkeitsgebiet und fand es in der Ausarbeitung von Plänen für eine internationale Staatenorganisation und einen ihr zugeordneten Gerichtshof.

1843 fand in London ein Kongress statt, auf dem sich Friedensfreunde aus der ganzen Welt trafen; 1844 folgte ein weiterer in Brüssel. Es wurde ein Internationaler Gerichtshof und ein Parlament aus Vertretern der einzelnen Staaten gefordert.

Fünf Jahre später sagte der englische Abgeordnete Richard Cobden im britischen Unterhaus, die Nationen sollten vor einem Krieg tun, was sie sonst immer nach einem Krieg zu tun pflegen (nämlich Friedensverhandlungen führen).

Der Gedanke der Schiedsgerichtsbarkeit beschäftigte die Friedensbewegung für den Rest des 19.-ten Jahrhunderts. Das Problem war, die hohen Ideale in die Wirklichkeit der Tagespolitik umzusetzen.

Die Gründung des Roten Kreuzes

1859 wurde der schlichte Genfer Kaufmann Henri Dunant zufällig Zeuge der Schlacht von Solferino. Es gab 40 000 Tote und Verwundete, die einfach zurückgelassen wurden. In den folgenden Tagen und Wochen war Dunant damit beschäftigt, Hilfe zu leisten und Hilfe zu organisieren. Er verfasste einen Bericht, in dem er an das Gewissen der Menschheit appellierte und zur Gründung eines freiwilligen Hilfskorps zur Rettung der Verwundeten ohne Ansehen von Freund und Feind aufrief. Unermüdlich bereiste er Europa und kämpfte für seine Ideen. Eine wichtige Unterstützung leistete ihm dabei der Schweizer General Dufour. 1863 wurde nach Genf eine internationale Konferenz einberufen, die den Grundstein für die Genfer Konvention von 1864 legte. Das rote Kreuz wurde das internationale Kennzeichen der Sanitätstruppen und unter diesem Zeichen entstanden rasch in verschiedenen Ländern Hilfsorganisationen. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Dunant fast völlig vergessen und in Armut, bis er 1901 den ersten Friedensnobelpreis erhielt.

Bertha von Suttner

1886 las Bertha von Suttner, die Tochter des österreichischen Grafen Kinsky, von der in London gegründeten "Internationalen Schiedsgericht- und Friedens- Vereinigung". In ihren Memoiren schreibt sie: "Die Nachricht elektrisierte mich". Begeistert schrieb sie den Roman "Die Waffen nieder!", der zum Welterfolg wurde. Sie konnte damit eine viel größere Breitenwirkung erzielen als alle theoretischen Abhandlungen und Friedensapelle. An einem konkreten Menschenschicksal, das für jedermann leicht zu begreifen war, machte der Roman klar, was Krieg für den einzelnen Menschen bedeutet.

Die Komtesse Kinsky war eine schöne elegante Erscheinung, weltgewandt, intelligent und gebildet. 1876 hatte sie kurze Zeit für Alfred Nobel in Paris als Sekretärin gearbeitet. Beide waren voneinander beeindruckt und führten miteinander lange Gespräche.

1890 schrieb Nobel an Bertha von Suttner: "Liebe Baronin und Freundin! Ich habe soeben die Lektüre ihres bewunderungswürdigen Meisterwerkes beendet. Man sagt, daß es 2000 Sprachen gibt - das wären 1999 zuviel - , gewiß gibt es keine Sprache, in die ihr vortreffliches Werk nicht übersetzt werden sollte, in der es nicht gelesen und darüber meditiert werden sollte".

Aber nicht nur Zustimmung fand Bertha von Suttner, sondern gehässige und verletzende Kritik bei den Anhängern des preussischen Militarismus, bei den Chauvinisten und den deutschen Möchte-gern-Imperialisten. So schrieb Felix Dahn (Autor von "Ein Kampf um Rom") folgende Verse:

"Die Waffen hoch! Das Schwert ist Mannes eigen, wo Männer fechten, hat das Weib zu schweigen." Aber Frauen schweigen nicht und Kriege werden nicht mehr mit dem Schwert ausgefochten.

Bertha von Suttner gründete 1892 zusammen mit Alfred Fried in Berlin die "Deutsche Friedensgesellschaft".

Alfred Nobel war gegenüber der Friedensbewegung skeptisch eingestellt - nicht weil er die Richtigkeit und Notwendigkeit ihrer Ziele bezweifelte, sondern weil er der menschlichen Fähigkeit zu vernünftigem und friedlichem Handeln gegenüber pessimistisch eingestellt war. "Meine Fabriken", sagte der Erfinder des Dynamits einmal zu Bertha von Suttner, "werden dem Krieg vielleicht früher ein Ende machen als ihre Kongresse: an dem Tag, da zwei Armeekorps sich in einer Sekunde vernichten können, werden wohl alle zivilisierte Nationen zurückschaudern und ihre Truppen verabschieden". Trotzdem unterstützte Nobel sie und schrieb ihr 1893: "Ich will testamentarisch einen Teil meines Vermögens für einen Preis bestimmen...Der Preis soll jenem zufallen, der den weitesten Schritt zur Befriedung Europas getan hat".

1906 erhielt Bertha von Suttner den Friedensnobelpreis.

Zar Nikolaus II. macht einen Friedensvorschlag

1895 schrieb der russische Staatsrat, Kaufmann und Bankier Johannes von Bloch ein sechsbändiges Werk "Der künftige Krieg in technischer, politischer und wirtschaftlicher Bedeutung". Der Gesamtumfang betrug 4000 Seiten. Bloch erhielt eine zweistündige Audienz beim Zaren, der von Blochs Ausführungen so beeindruckt war, daß er befahl, das Werk drucken zu lassen. In seinem Buch wies Bloch nach, daß Kriege, seit die Waffentechnik so weit fortgeschritten war und so gewaltige Opfer an Menschen und Sachwerten fordere, ein Verlustgeschäft seien.

1898 lud der Zar die in Petersburg durch Botschaften vertretenen Nationen zu einer Konferenz über Abrüstung und Ausbau des Völkerrechts ein. Die Friedensfreunde waren begeistert, der Papst hochzufrieden. Nur die Regierungen waren über diesen Vorschlag nicht froh, denn er passte ihnen nicht in den Kram. Insgeheim hielt man den Friedenszaren für lästig und suchte nach einem Weg, seine Vorschläge abzulehnen, ohne ihn zu beleidigen. Dummerweise konnte man der kritischer gewordenen Weltöffentlichkeit nicht das wahre Gesicht zeigen: das Gesicht des Imperialismus.

Schließlich ließ sich die Friedenskonferenz nicht mehr vermeiden und man traf sich 1899 in Den Haag. Viele Staaten schickten als Delegierte Militärs und machten dadurch den Bock zum Gärtner; so auch die Deutschen. Oberst Groß von Schwarzhoff fiel die Rolle zu, das abzulehnen, was die anderen auch ablehnen wollten, es sich aber nicht so unverblümt zu tun getrauten wie dies der Deutsche tat. Nur die Engländer schickten den bewährten Pazifisten Pauncefote. Beim Thema Abrüstung kam man überhaupt nicht vorwärts. Dazu hätte jeder Staat erst einmal seine Waffenbestände und Rüstungspläne offenlegen müssen. Deshalb wandte man sich einem weniger verfänglichen Thema zu, der Schiedsgerichtsbarkeit. Der Anruf eines Schiedsgerichts sollte in allen Konfliktfällen zwingend vorgeschrieben werden. Das passte aber den Großmächten überhaupt nicht, weil sie hierin eine Einschränkung ihrer Souveränität witterten. Die schwächeren Staaten waren dagegen von diesen Vorschlägen angetan. Dann merkten aber die Großmächte, daß ein ständiger Gerichtshof völlig harmlos war, wenn keine Verpflichtung bestand, ihn anzurufen. Und so kippte man nach und nach die Verpflichtungsklausel, die den Anruf des Gerichtshofes obligatorisch machte und stimme der Einrichtung eines solchermaßen "kastrierten" Gerichtshofes zu. Der deutsche Delegierte Graf Münster gab in seinem Abschlußbericht der Hoffnung Ausdruck, daß solche Konferenzen in Zukunft nicht "wie manches Unkraut" jährlich wiederkehren würden.

1901 wurde der Ständige Gerichtshof Wirklichkeit. Untergebracht wurde er in einem von Andrew Carnegie gestifteten Palais. Carnegie war der Ansicht, daß ein Geschäftsmann die erste Hälfte seines Lebens damit zubringen soll, Geld zu verdienen, und die zweite, den erworbenen Wohlstand zum Wohle der Menschheit zu verteilen.

1902 wurde dem Ständigen Gerichtshof der erste Streitfall unterbreitet. Bis 1914 waren es 14 Verfahren. Trotzdem fanden schon wenige Jahre später der russischjapanische und der Burenkrieg statt.

1907 fand die Zweite Haager Friedenskonferenz statt. Im Vorhinein war man übereingekommen, daß Abrüstung kein Thema sein sollte, denn sonst hätten die Deutschen nicht mitgemacht. Man beschloss, daß sich der Ständige Gerichtshof nur auf die Streitfälle zu beschränken habe, die nicht die vitalen Interessen oder die Ehre der Nationen berührten. Die Quittung kam 1914.

1918 wurde Zar Nikolaus II. mit seiner gesamten Familie von den Bolschewisten ermordet.

Die angebliche Weltverschwörung der Freimaurer

1889 fand in Paris ein internationaler Freimaurerkongress statt, auf der man eine Weltrepublik aus demokratisch selbstbestimmten Nationen forderte. Der Bruder Francolin rief unter stürmischem Beifall der Teilnehmer aus: "Der Tag, an dem die Monarchien zusamenstürzen, wird die allgemeine Völker- und Weltverbrüderung bringen. Das ist das Zukunftsideal, das uns vorschwebt".

In einem vom Reichsorganisationsleiter der NSDAP herausgegebenen Schulungsbrief aus dem Jahr 1939 heißt es:

"Die Freimaurerei will ihre Begriffe einer kosmopolitischen Humanitäts- und Toleranzideologie über alle Rassen- und Volksgrenzen hinweg zum internationalen Gemeingut erheben. Die Freimaurerei bedient sich hierbei eines ausgedehnten Netzes internationaler und personeller Verbindungen...Die Freimaurerei verneint die Begriffe Volk und Rasse und bekämpft sie, da sie der Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz trägt, zuwiderlaufen und mit dem freimaurerischen Kosmopoltismus unvereinbar sind. Der große Menschheitsbau, den die Freimaurerei aufzuführen gedenkt, hat die Angehörigen aller Nationen und Rassen als Bausteine".

Es ist für mich schwer nachvollziehbar, was daran schlecht sein soll. Für die Nationalsozialisten waren und sind die Aktivitäten der Freimaurer verwerflich.

Alfons Rosenberg schreibt in seinem Buch: "Das Verbrechen der Freimaurerei": An der Spitze und hinter den Kulissen der heutigen Weltpolitik stehen Juden und Freimaurer".

In seinem "Mythus des 20.-ten Jahrhunderts" (es entging ihm, daß Mythos ein griechisches Wort ist und nicht auf -us sondern -os endet), schreibt Rosenberg: "Die Freimaurerei hat bereits um 1740 auch das politische Schlagwort der letzten 150 Jahre, 'Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit' geprägt und die chaotische, völkerzersetzende 'humane' Demokratie geboren. Die Idee der Humanität soll das Prinzip, den Zweck und den Inhalt der Freimaurerei bilden".

Im Allgemeinen Handbuch der Freimaurerei, Berlin 1900, heißt es: " Die reimaurerei will den allgemeinen Menschheitsbund herbeiführen, den sie unter sich bereits darstellen wollen".

In Dresden erschien 1852 ein Buch des Advokaten Eduard Eckert mit dem Titel:

"Der Freimaurerorden in seiner wahren Bedeutung, d.h. als ein Weltorden... mittels dessen...ein Geheimbund die Revolution...sowie die Zerstörung des Eigentums, der Stände und Innungen zum Zwecke einer theokratisch-sozialen Ordensrepublik, seit drei Jahrhunderten vorbereitet, vollführt und geleitet hat.".

Erich Ludendorff schreibt in seiner "Vernichtung der Freimaurerei durch Enthüllung ihrer Geheimnisse":

"Die Freimaurerei ist eine jüdische Einrichtung, deren Geschichte, Grade, Ämter,Paßworte und Erklärungen jüdisch von Anfang bis Ende sind. Die Freimaurerei soll das deutsche Volk den Juden dienstbar machen. Die Freimaurerei wurde 1750 von England nach Deutschland verpflanzt. Die enthielt starke jesuitische Elemente und stand in Verbindung mit führenden Juden, z.B. Moses Mendelson. Die Freimaurerei in Deutschland unterstützte die blutige, gegen die nordische Oberschicht gerichtete freimaurerische französische Revolution. Die Freimaurerei...war Vorarbeiter der jüdischen Weltherrschaft..."

In seinem Buch "Die antichristliche Verschwörung der Freimaurer" schreibt Manfred Adler, die Freimaurer seien nach wie vor eine Weltmacht. Ihr Traum sei es, eine universale Weltregierung in einem universalen Welt-Einheits-Staat zu errichten. Einflußreiche Freimaurer seien maßgeblich an der Gründung der Vereinten Nationen beteiligt gewesen.

M. Adler sieht in den Freimaurern eine Art Gegenkirche, welche die alte Kirche unterminiert. Der Katholizismus solle "von einem universellen Synkretismus" absorbiert werden.

Unter dem Eindruck des Kulturkampfes forderte Papst Leo XIII. in der Enzyklika "Humanum genus" vom 20. April 1884 die Bischöfe auf, "den Freimaurern ihre Masken vom Gesicht zu reißen". Die Feinde der Kirche seien unter Leitung der Freimaurer daran, die Kirche zu vernichten.

Adler sieht enge Beziehungen zwischen Freimaurern und Kommunisten. Gleichzeitig würden sich die Freimaurer der Hochfinanz bedienen.

"Katholizismus und Freimaurerei sind Dinge, die sich absolut widersprechen und ausschließen", schrieb das argentinische Episkopat im Jahr 1958.

Jan von Helsing (Pseudonym) schreibt in "Geheimgesellschaften im 20.-ten Jahrhundert" (erschienen 1995), daß Mayer Amschel Rothschild 1773 in seinem Haus in Frankfurt ein geheimes Treffen mit zwölf einflußreichen Geldleuten abgehalten habe, die einen Plan ausgearbeitet hätten, wie man das gesamte Vermögen der Welt (und damit die Welt) kontrollieren könne. Dieser Plan sei in den "Protokollen der Weisen von Zion" niedergelgt.

Diese Protokolle sind in Wirklichkeit eine Fälschung des zaristischen Geheimdienstes und diente (und dient) den Nazis zur hetze gegen die Juden. Leider entfaltete sie auch noch im Jahre 1995 ihre Wirkung, speziell bei jungen Leuten.

Wes Geistes Kind "Jan van Helsing" ist, kann man seinen Ausführungen über die Thule-Gesellschaft entnehmen, welcher "der junge Okkultist und Esoteriker" Adolf Hitler angehörte. Thule sei die Hauptstadt des von Ariern besiedelten Kontinents "Hyperborea" gewesen. Die Hyperborear seien vom Sonnensystem Aldebaran gekommen und wie Hitler Vegetarier gewesen. Sie hätten die Nazis gelehrt, UFO'S zu bauen. Die Erde sei hohl und in der Mitte der Erde sei eine "Zentralsonne".

Was hat es mit den Freimaurern wirklich auf sich? Hervorgegangen sind sie aus den mittelalterlichen Zünften der Mauerer, Steinmetzen und Baumeister, die in den Bauhüten arbeiteten, die von Stadt zu Stadt zogen, um Kathedralen zu bauen. Die kühnen Konstruktionen der Gotik setzten gute Kenntnisse der Statik und der Mathematik voraus. Im Zuge der Wiedereroberung Spaniens war man mit der hochstehenden arabischen Wissenschaft in Berührung gekommen. Man lernte mit arabischen Ziffern rechnen und das Dezimalsystem zu gebrauchen. Man übernahm die Aristoteles-Kommentare von Averoes und Avicenna. So war die Grundlage für ein rationales Herangehen an die Bibel gelegt. Paris wurde das Zentrum der Scholastik. Von der Scholastik führte ein direkter Weg zur Aufklärung.

Aus den Bauhütten englischer Handwerker entstanden im 16. Jahrhundert Geheimbünde mit weltbürgerlichen Zielen. Sie forderten eine "natürliche und vernünftige Religion" und standen in Opposition zur katholischen Kirche. Die erste Großloge wurde 1717 in London gegründet. Naturgemäß wurden viele Juden Freimauerer, weil sie hier eine Gemeinschaft ohne rassistische oder religiöse Vorurteile fanden. Im 18. Jahrhundert breiteten sich die Freimaurerlogen über ganz Europa und die Welt aus.

Durch ihre kritische und rationale Haltung gegenüber der christlichen Religion waren die Freimaurer Pressionen durch die herrschende Schicht des Adels, die ja eng mit der Kirche verbunden war, ausgesetzt. Die Freimaurer waren schlicht und einfach die Opposition zur herrschenden Elite, und sie gingen, wie jede Opposition, die unterdrückt wird, in den Untergrund und bildeten geheime Zirkel.

Die Freimaurer waren ein bürgerlich, naturwissenschaftlich, rational und liberal orientierte Intellektuellenschicht, wie sie besonders in den Metropolen anzutreffen war.

Im Jahr 1900 war auf dem 2. internationalen Freimaurerkongress in Paris die Weltrepublik der Grundgedanke des ganzen Kongresses und jeder berief sich darauf. Der Bruder Dequaire-Grobel rief am Schluß seiner Rede aus: "Es lebe die Weltfreimaurerei, es lebe die Weltrepublik".

Die Großloge "Grand Orient de France" startete nach 1900 eine weltweite Kampagne für die Weltrepublik. Unterstützt wurde sie dabei von der englischen und der amerikanischen Großloge. In der Zeit von 1900 bis 1920 war das vordringliche Ziel der internationalen Freimaurerei die Förderung des Weltfriedens. Die Verbrüderung der internationalen Freimaurerei sollte das Vorbild der Menschheitsverbrüderung sein. Der einzelne sollte seine Persönlichkeit entfalten und die Völker sollten über ihr Schicksal selbst bestimmen können. Alle friedenstörenden Kräfte, vor allem der Despotismus, wie sie die Monarchie nannten, sollten bekämpft und beseitigt werden.

Auf dem Esperantokongress in Bern (1913) wurde der freimaurerische Weltbund gegründet und das Esperanto des polnisch-jüdischen Augenartzes Zamenhof zum Verständigungsmittel des Weltbundes erklärt. Auf einer internationalen pazfistischen Zusammenkunft 1912 in Luxemburg sagte Bruder Guillot, die Veraussetzung für den Weltfrieden sei die Demokratie.

Im Ersten Weltkrieg waren die Freimaurer in den Ländern, die mit Deutschland im Krieg lagen, naturgemäß auf Seiten ihrer Heimatländer - aus patriotischen Ründen und aus weltanschaulicher Überzeugung heraus. Die Nationalsozialisten haben daraus den absurden Vorwurf konstruiert, die Weltfreimaurerei hätte den Ersten Weltkrieg gegen die Mittelmächte konstruiert. Drahtzieher des Attentates von Sarajewo sei die serbische Großloge gewesen. In Wirklichkeit waren es serbische Nationalisten, die auf Betreiben russischer Nationalisten das Attentat organisierten.

Auch daran, daß die Deutschen die Marneschlacht verloren hätten, seinen die Freimaurer schuld. Kurz bevor das Wunder an der Marne" geschehen sei, habe Rudolf Steiner den Oberbefehlshaber der deutschen Armee, General von Moltke, besucht und ihn so verwirrt, daß er seinen Aufgaben nicht mehr gewachsen gewesen sei.

Ludendorff und viele Nazis entwickelten einen regelrechten Verfolgungswahn. Sie glaubten an eine jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung gegen Deutschland. Hinter zionistischen und freimaurerischen Wunschvorstellungen sahen sie den konkreten Versuch, die Weltherrschaft zu erringen. Aber die wollten die Nazis selbst. Bei anderen vermuteten sie das, was sie selbst wollten. In den Juden und Freimaurern sahen sie eine unerwünschte Konkurrenz, die es auszurotten galt.

Entsprechend diesem Verfolgungswahn war die bolschewistische Oktoberrevolution ein Werk der Juden. Vorbild des Sowjetsterns sei der Davidstern. Lenin und Trotzki seien jüdischer Abstammung und Freimaurer gewesen.

Derselbe Ludendorff, der den Freimauerern ihre Humanität vorwirft, schreibt 1935 in seinem Buch "Der totale Krieg": So richtet sich der totale Krieg nicht nur gegen die Wehrmacht, sondern auch gegen die Völker".

Sein Ideal ist nicht der Weltfriede, sondern der Weltkrieg.

Der Freimauererkongress von 1917 in Paris erklärte dagegen: "Keine Nation hat das Recht, einer anderen den Krieg zu erklären, denn der Krieg ist ein Verbrechen gegen das ganze Menschengeschlecht. Jeder Streit muß vor ein internationales Parlament gebracht werden".

Vielleicht haben die Nazis recht, daß Goethe, Lessing, Washington, Franklin,Lafayette, der Abbè Sieyes, Mirabeau, Danton, Robbespierre, Marat, Montesquieu, Diderot, d'Alembert, der Freiherr Knigge, Stresemann, Chamberlain, Briand, Präsident Wilson und George Bush Freimauerer seien. Hitler und Stalin aber waren es nicht.

Guiseppe Mazzini - Geheimbündler, Weltbürger und italienischer Patriot

Er wurde am 22. Juni 1805 als Sohn eines Arztes in Genua geboren. 1828 wurde er Mitglied der "Carbonari" (=Köhler), einer den Freimaurern verwandten Geheimgesellschaft. 1830 saß Mazzini auf Grund seiner geheimbündlerischen Umtriebe im Gefängnis von Savona. In seinen Lebenserinnerungen schreibt er: "Damals schwebte mir...wie ein Stern der Seele, eine unendliche Hoffnung vor: Italien werde mit einem Schlage als Herold des Glaubens, des Fortschritts und der Verbrüderung erwachen, viel größer als das alte Italien. In mir lebte der Glaube an Rom. In den Mauern Roms hatte sich zweimal die Einheit der Welt entwickelt".

1831 gründete Mazzini das "Junge Italien", eine Geheimorganisation, die im Guerilla-Krieg und durch das Schüren von Revolten die fremden Gewaltherrschaften in Italien zermürben und vertreiben sollte. Sein Ziel war eine gesamt-italische Republik.

Er war Weltbürger und gleichzeitig Nationalist, aber sein Nationalismus, den er zu einer Art Religion machen wollte, war noch frei von Intoleranz und Hegemonialstreben. Ihm ging es um die freie Selbstbestimmung der Völker. Der Gedanke, daß die befreiten Völker einmal untereinander Krieg führen könnten, lag ihm fern. In seinem Weltbild führten die Fürsten Kriege - nicht die Völker.

1834 gründete er in der Schweiz das "Junge Europa", einen radikalen Geheimbund, in dessen Bruderschaftsvertrag es hieß: "Die Menschheit wird erst dann wirklich konstituiert sein, wenn alle sie bildenden Völker die freie Ausübung ihrer Souveränität erlangt haben, in einer republikanischen Föderation verbunden sind, um sich unter der Herrschaft...eines allgemeinen Paktes demselben Ziel zuzuwenden: Entdeckung und Anwendung des moralischen Gesetzes".

Ein Mitstreiter und Freund Mazzini's war Guiseppe Garibaldi (1807-1882). Die beiden wurden 1834 wegen Beteiligung an Aufständen in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Als Mazzini 1872 starb, war es dank seiner geistigen Vorarbeit Garibaldi und Cavour gelungen, Italien zu befreien und zu einigen.

Präsident Wilson und der Völkerbund

Thomas Woodrow Wilson wollte eigentlich Geistlicher werden und zerlas als Jugendlicher eine Anzahl von Bibeln. Ein Jahr nachdem er Präsident der USA geworden war, fiel die Schüsse von Sarajewo. Sein Außenminister William Bryan war überzeugter Pazifist und hatte sich als eifriger Vermittler von Schiedsgerichtsverträgen bewährt. Die Amerikaner dachten nicht daran, ihre Neutralität aufzugeben. Nach der Schlacht an der Marne versuchte Bryan die kriegführenden Staaten dazu zu bewegen, sich einem schiedsgerichtlichen Verfahren zu unterziehen. Dabei stieß er auf Ablehnung, denn jede Partei wollte erst einmal ausprobieren, ob sie vielleicht doch siegen könne. Dann war ja immer noch Zeit für Friedensverhandlungen. Ein Schiedsgerichtsverfahren hätte auch aufgezeigt, daß alle Beteiligten Schuld trugen, besonders jedoch Österreich und Deutschland.

Durch den Krieg hatten die USA große Einbußen beim Handel. 1915 wurde Oberst House, der Vertraute Wilsons, von den Engländern befragt, was passieren würde, wenn ein englisches Passagierschiff mit vielen Amerikanern an Bord von einem deutschen U-Boot versenkt würde. House antwortete: "Ganz Amerika wäre empört". Kurz darauf wurde die "Lusitania" versenkt. Bryan trat für eine schiedsrichterliche Lösung ein. Aber der amerikanischen Regierung war nicht mehr nach schiedsrichterlichen Lösungen, sondern nach Krieg. Bryan trat als Außenminister zurück.

Die Mehrzahl des amerikanischen Volkes war immer noch gegen einen Kriegseintritt der USA und die Friedensgesellschaften entwickelten zahlreiche Aktivitäten. Wilson setzte immer noch auf eine friedliche Einigung. Im Januar 1917 unterbreitete er dem Senat den Gedanken des Völkerbundes. Er sagte:"Friedensvereinbarungen können den Frieden nicht dauerhaft sichern, es wird nötig sein, daß eine Macht geschaffen wird, als Bürge für die Dauerhaftigkeit der Vereinbarung, eine Macht, die so groß sein muß, daß keine andere Macht und keines der jetzt kriegführenden Länder, keine bisher gebildete Allianz, noch eine mögliche Völkerkombination der Zukunft ihr opponieren könnte. Wenn der Friede dauerhaft sein soll, muß er durch die organisierte Machtmehrheit der ganzen Menschheit gesichert werden".

In Hinblick auf das Ende des Krieges sagte er, daß der Friede ohne Sieg geschlossen werden müsse. "Ein Sieg würde einen Frieden bedeuten, der dem Verlierer aufgezwungen ist...er würde nur mit dem Gefühl der Demütigung hingenommen werden...er würde einen Stachel zurücklassen, ein Rachegefühl...Der Friede würde nur auf Treibsand ruhen".

Dieser Vorschlag Wilsons war eine Chance für Europa, seine Vormachtstellung zu behalten, und er war eine Chance für Deutschland, aus diesem nicht zu gewinnenden Krieg ohne Ehrverlust und ungestraft herauszukommen. Stattdessen erklärten die Deutschen den unbeschränkten U-Boot-Krieg. Der gesamte amerikanische Handel mit Europa brach zusammen und es zeichnete sich in den USA eine Wirtschaftskrise ab. In den amerikanischen Zeitungen war zu lesen, daß die Deutschen den Mexikanern im Falle eines Sieges Neu-Mexiko, Arizona und Texas, versprachen, was die Amerikaner ungeheuer erboste. Möglicherweise wurde diese Meldungen vom amerikanischen Geheimdienst fälschlich verbreitet, um die Amerikaner auf den Krieg einzustimmen. Vielleicht wollten die Deutschen auch die Mexikaner gegen die USA aufstacheln. Wie auch immer, die Kriegstreiber in den USA und in Deutschland hatten es geschafft, daß der überzeugte Pazifist Wilson und sein auf Neutralität eingestelltes Volk für den Krieg waren.

Im Januar 1918 unterbreitete Wilson dem US-Kongress seine berühmten 14 Punkte. Im Dezember 1918 fuhr er zu den Friedensverhandlungen nach Paris.

Wilsons großes Herzensanliegen war der Völkerbund und dieser Idee zuliebe machte er weitreichende Zugeständnisse auf Kosten der Verlierer Deutschland und Österreich, die an den Verhandlungen nicht teilnehmen durften.

Während der Friedensverhandlungen erlitt Wilson einen Schlaganfall, von dem er sich scheinbar erholte. Aber er war ein behinderter und kranker Mann. Das muß man bedenken, wenn man ihm zu Recht vorwirft, er hätte sich von Clemenceau und Lloyd George über den Tisch ziehen lassen. Die Folge war, daß der Völkerbund nur eine schwache Karikatur dessen wurde, als das er ursprünglich gedacht war und daß durch den "Diktatfrieden" von Versailles der Grundstein für Hitlers Aufstieg gelegt worden war.

Das traurige Schicksal des Völkerbundes war, von Anfang an die Spielwiese der nationalen Interessen zu sein. Frankreich und England machten ihn zum Instrument gegen Deutschland, das vom Völkerbund ausgeschlossen war. Von dem Wilsonschen Ideal der Gleichheit und Gerechtigkeit zwischen den Völkern konnte keine Rede sein. Unter diesen Umständen war klar, daß der Völkerbund in Deutschland niemals populär werden konnte und daß die Propaganda der Nationalsozialisten gegen eine Verschwörung der Weltfreimaurerei gegen Deutschland auf fruchtbaren Boden fiel.

Wilson hatte durchgesetzt, daß der Versailler Vertrag und alle andern Friedensverträge, die den Ersten Weltkrieg abschließen sollten, als festen Bestandteil die Völkerbundssatzung enthalten sollte. Dadurch sollte mit dem Friedensschluß gleichzeitig der Völkerbund anerkannt werden. So wollte er sicherstellen, daß der amerikanische Senat, in welchem seine Partei die Mehrheit verloren hatte, seine Zustimmung zum Völkerbund geben würde. Er konnte sich nicht vorstellen, daß der Senat die Friedensverträge ablehnen würde. Doch genau das trat im November 1919 ein. Schon einige Monate vorher hatte Wilson auf einer Wahlkampfreise ein erneuter Schlaganfall getroffen. So mußte er hilflos zusehen, wie Amerika sich einer Mitgliedschaft im Völkerbund verweigerte. Damit war der Völkerbund schon gescheitert, bevor er überhaupt mit seiner Arbeit begonnen hatte.

Wilson erhielt den Friedensnobelpreis und starb 1924.

Der Völkerbund war als "System der kollektiven Sicherheit" geplant. Wenn eines seiner Mitglieder angegriffen wurde, dann sollte dies als ein Angriff auf alle Mitglieder gelten. Aber der Völkerbund besaß keine eigene Armee, sonder mußte seine Mitglieder beauftragen, gegen den Aggressor mit wirtschaftlichen und militärischen Mitteln vorzugehen. Der Beschluß dazu war aber nur möglich, wenn alle Mitglieder der Völkerbundsversammlung zustimmten. Kam wieder Erwarten eine Einigung zustande, war es dem Völkerbundsrat, in welchem die Siegermächte saßen, überlassen, den Beschluß auszuführen - oder ihn einfach zu ignorieren.

1931 besetzen die Japaner die Mandschurei. China leistete keinen bewaffneten Widerstand, sondern rief den Völkerbund an. Aber kein Mitgliedsland war bereit, in einen Krieg mit Japan einzutreten. Man beschloß lediglich die Einsetzung einer Untersuchungskommission, die 10 Monate für ihren Bericht brauchte. Die Kommission bestätigte, daß China im Recht war. Die Vollversammlung des Völkerbundes appellierte an die Parteien, den Streit friedlich beizulegen.

Der Basler Journalist Ludwig Bauer schrieb in seinem Buch von 1931 ("Morgen wieder Krieg"):

"Die Tragikomödie des Völkerbundes erlebt hier ihre Generalprobe. Bekräftigt wurde: Seine Ohnmacht, sein Zurückweichen vor der Gewalt, der Vorteil des Angreifers, der Krieg als Tatsache, aber seinen Namen vorsichtig verschweigend. Jeder Staat im Völkerbund nur opportunistisch an seinen eigenen Nutzen denkend, nicht an das Recht...Der Völkerbund konnte den Weltwillen nicht organisieren...Hätte der Völkerbund offen gesagt: 'Dies ist das Recht, aber ich vermag es nicht, es zu schützen', so wäre er in Schönheit gestorben, und es gibt Auferstehungen...So stirbt er in Häßlichkeit, auch wenn seine Leiche sehr geschwätzig bleiben dürfte...Morgen ist wieder Krieg, der dümmste und schlimmste Krieg, mit dem sich die Menschheit zugleich entehrt und vernichtet".

Die UNO

Als Hitler seine Truppen in Polen einmarschieren ließ, dachte niemand daran, den Völkerbund einzusschalten. Der letzte Generalsekretär des Völkerbundes siedelte während des Krieges nach Amerika über. 1945 war der Völkerbund praktisch nicht mehr vorhanden.

An seine Stelle trat eine neue Organisation, die einen neuen Anfang signalisieren sollte: Die UNO. Aber es war kein neuer Anfang, sondern die UNO ist eine Fortsetzung des Völkerbundes mit all seinen fundamentalen Mängeln. Die UNO in ihrer heutigen Form ist genauso wenig in der Lage, einen Krieg wirksam zu verhindern, wie der Völkerbund in der Lage war, den Zweiten Weltkrieg zu verhindern.

Im UN-Weltsicherheitsrat nehmen fünf Staaten, die "Ständigen Mitglieder" (USA, China, Rußland, England und Frankreich) eine privilegierte Rolle ein. Durch ihr Veto können sie jeden Beschluß des Sicherheitsrates blockieren. Die Vollversammlung der UNO hat ohnehin kaum etwas zu entscheiden, sie ist nur eine Bühne zur Selbstdarstellung der Nationen. Sie ist eine Diplomatenkonferenz ohne demokratische Legitimation. Ganz nutzlos ist die UN-Vollversammlung natürlich nicht, denn sie stellt so eine Art Weltöffentlichkeit dar, vor der die Staaten sich wenigstens den äußerlichen Anstrich der Ehrbarkeit geben müssen. Die UNO bietet auch eine Fülle von Möglichkeiten, diplomatische, politische und menschliche Kontakte herzustellen. Die zahlreichen Unterorganisationen leisten teilweise segensreiche Arbeit, z.B. das Kinderhilswerk UNICEF.

Im "Golfkrieg" gegen Saddam Hussein schien es, als würde die UNO ungeahnte Kraft entfalten. Man sprach bereits von einer "neuen Weltordnung". In Wirklichkeit entfaltete natürlich nur die USA, unterstützt von Frankreich und Großbritannien, ihre Macht. Die UNO hatte nur die Aufgabe, aus diesem Krieg einen "gerechten Krieg" zu machen.

Im Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien offenbarte sich dagegen sehr schnell, daß die UNO in ihrer heutigen Form nur ein Papiertieger und zahnloser Bettvorleger ist. Aber dies ist nicht Schuld der UNO, sonder der Großmächte, die keine Gewalt über sich dulden wollen, und deshalb die UNO schon als Krüppel auf die Welt kommen ließen.

Die UNO verfügt über keine eigene Armee, sondern sie ist darauf angewiesen, daß ihr die Mitgliedstaaten Truppen zur Verfügung stellen. Der Generalsekretär kann dem Weltsicherheitsrat nur Vorschläge machen. Eine Vetostimme eines ständigen Mitgliedes genügt, um diese Vorschläge abzuschmettern. Schon bei der Auswahl der Kandidaten für den Posten des Generalsekretärs achten die Großmächte darauf, daß der Mann keine unerwünschte Umtriebigkeit besitzt oder einen zu starken Eigenwillen. Wenn er, wie Waldheim, eine nicht ganz einwandfreie Vergangenheit hat, ist er erpressbar und umso eher geneigt, sich den Wünschen der Großmächte zu beugen. Wenn er, wie Dag Hammersköld, zu viel Eigeninitiative entwickelt, und womöglich sogar die Aufgabe der Friedensstiftung und der Gerechtigkeit zu ernst und sendungsbewußt verfolgt, kann es leicht sein, daß er eines plötzlichen Todes stirbt.

Als die Schwäche der UNO (und der europäischen Gemeinschaft) in Bosnien immer offenkundiger wurde, als die UNO und die EU dabei waren, den letzten Rest an Ansehen zu verspielen, griffen die USA und die NATO ein. Das entschlossene Auftreten von Botschafter Holbrouke und die dahinter stehende Militärmacht genügte, um die Waffen zum Schweigen und die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch von Dayton zu bringen.

Damit erreichte man, daß denjenigen, die eine Reform der UNO forderten, der Wind aus den Segeln genommen war. Denn eine Reform der UNO ist bei allen Großmächten unerwünscht.

Die Reform der UNO

Eine Reform der UNO wurde immer wieder gefordert. 1995 legte die "Commission on Global Governace" einen "Aufruf zu handeln" vor. Diese Kommission ist aus Willy Brandt's "Nord-Süd-Kommission" hervorgegangen.

Neben einer Reihe erhabener Aufrufe zur Verwirklichung der Menschenrechte, zur Schutz der Umwelt und zur Verwirklichung der Gerechtigkeit enthält der Aufruf folgenden konkrete Vorschläge: 1. Die UNO soll eine eigene Freiwilligenarmee mit maximal 10 000 Mann und mehr Geld bekommen. 2. Das Veto-Recht der ständigen Mitglieder im Weltsicherheitsrat soll abgeschafft werde. 3. Anstelle der bisherigen ständigen Mitglieder im Weltsicherheitsrat sollen treten: Je ein Vertreter von Asien, Afrika und Lateinamerika sowie zwei Vertreter der Industrienationen. 4. Ein internationales Verbrecher-Tribunal soll eingerichtet werden. 5. Eine internationale Gesetzgebung soll auf den Weg gebracht werden.

Das internationale Tribunal für Kriegsverbrecher und Völkermörder ist inzwischen in Den Haag eingerichtet worden. Aber seine Arbeit wird verzögert und behindert.

Ein weiterer Vorschlag, der zwar nicht von der Global-Global-Governance-Kommission, aber z.B. von den Weltföderalisten vorgetragen wird, ist, der UN-Vollversammlung ein demokratisch gewähltes Gremium, eine Art"Schattenparlament" zur Seite zu stellen, das, so hofft man wohl, im Lauf der Jahre auch wirkliche Kompetenzen an sich ziehen kann.

Die Reform der UNO ist ein sehr zähes und langwieriges Geschäft. Die nationalen Regierungen, vor allem, wenn ihr Land zum privilegierten Club der ständigen Mitglieder gehört, werden den bestehenden Zustand durch ständiges Blockieren der Reformen verteidigen. Ein Druck durch die öffentliche oder die veröffentlichte Meinung auf die Großmächte ist nicht zu erwarten. Die Ökologie- und die Friedensbewegung stehen dem Thema "Reform der UNO zu einer demokratisch legitimierten Militärmacht", nämlich das wäre im Grunde nötig, desinteressiert bis ablehnend gegenüber, obwohl sich das Konzept "Frieden schaffen ohne Waffen" in Bosnien als Utopie erwiesen hat.

Da es vielleicht erst wieder eines Weltkrieges bedarf, damit die UNO effektiv reformiert wird, haben schon kurz nach 1945 in USA verschiedene Gruppen damit begonnen, auf eine "Weltverfassung" und ein demokratisch gewähltes Weltparlament hinzuarbeiten, so z.B. die WCPA ("World Constitution and Parliament Association"), die im Juni 96 in Innsbruck einen Kongress abhalten wird.

Aber dieser Ansatz ist natürlich ebenso schwierig zu verwirklichen. Das erste Problem ist, die vielleicht 3,5 Milliarden erwachsenen Menschen ein Weltparlament wählen zu lassen, und das zweite Problem ist, daß die nationalen Regierungen sich diesem Parlament unterwerfen. Das dritte Problem ist, daß die bisherigen dominierenden Völker, die Europäer im weitesten Sinne, von den Asiaten majorisiert würden.

Ich persönlich hätte nichts dagegen, wenn Chinesen und Inder im Weltparlament die Mehrheit hätten. Wir Europäer haben uns in unserer Geschichte wohl mehr Kriege und Grausamkeiten zu Schulden kommen lassen als diese Völker. Aber für die Mehrzahl der Europäer, Amerikaner, ja selbst Lateinamerikaner und Afrikaner wäre das wohl eine Konstellation, die sie erst einmal verkraften müßten.

Sollen wir deswegen jetzt darauf verzichten, auf die Reform der UNO und auf ein Weltparlament hinzuarbeiten. Ich meine: "Nein !", und zwar aus einer Vielzahl von Gründen, die ich später noch anführen werde.

Die Schaffung des Europäischen Bundesstaates

Als die USA sich 1919 weigerten, dem Völkerbund beizutreten, war dem jungen Grafen Richard Coudenhove-Kalergi klargeworden, daß nur eine föderativer Zusammenschluß des europäischen Kontinents einen zweiten Weltkrieg verhindern könne.

Coudenhove-Kalergi wurde am 16. Nov. 1894 in Tokio als Sohn eines Diplomaten der österreichischen k. und k. Monarchie und einer japanischen Adligen ergeben. Die Verbindung hatte sich ergeben, weil sein Vater Botschafter in Japan war.

1923 schrieb Coudenhove-Kalergi sein Buch "Paneuropa", das weltweites Echo fand. Jedem Buch lag eine Betrittserklärung zur Paneuropa-Union bei. Bald waren es 1000 Mitglieder. In diesem Buch forderte er den politischen und wirtschaftlichen Zusammenschluß Europas zu einem Staatenbund. Neben diese "europäische Gruppe" sollten in den andern Kontinenten ähnliche Staatenbünde entstehen. 1924 wurde in der Wiener Hofburg das Generalsekretariat der Paneuropa-Bewegung eröffnet. Nationale Paneuropa-Kommitees würden gegründet. Die Paneuropa- Bewegung wurde von Karl Renner, Benesch, Masaryk, Herriot, später von Briand und Dollfuß unterstützt.

Durch Hitlers Machtergreifung geriet die Paneuropa-Bewegung in eine verzweifelte Lage. 1938 marschierte Hitler in Östrreich ein und das PaneuropaHauptquartier wurde besetzt. Die Paneuropa-Union wurde verboten. Sie fand Zuflucht in Bern, aber das eigentliche Aktionszentrum war Paris, wo die Paneuropa-Idee zur Gegenideologie zum Nationalsozialismus und Bolschewismus wurde. Coudenhove-Kalergi wurde französischer Staatsbürger, aber als Hitler mit der Eroberung Frankreichs begann, mußte er nach New York emigrieren, wo auch das neue Hauptquartier der Paneuropäer entstand.

1946 kehrte Coudenhove-Kalergi nach Europa zurück und veranlasste Churchill, für die Einigkeit Europas und die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland einzutreten. Auf Betreiben von Coudenhove-Kalergi wurde 1947 die "Europäische Parlamentarier-Union gegrüdet", die sich für ein Europa-Parlament aussprach.

1950 griff der französisische Außenminister Ribert Schuhmann, ein Lothringer aus Metz, den Gedanken des französischen Wirtschaftsdenkers Jean Monet auf, daß durch eine Verflechtung der deutschen und französischen Montanwirtschaft ein Krieg zwischen diesen Ländern unmöglich gemacht würde. Aus dieser "Montanunion" entwickelte sich die EWG.

In seinem Buch "Vom ewigen Krieg zum großen Frieden" legte CoudenhoveKalergi 1956 folgendes dar:

Es droht die Ausrottung der Menschheit, weil unser Planet ohne Gesetz, ohne Verfassung; Gericht und Polizei ist. Es muß ein föderalistisch strukturierter Weltstaat geschaffen werden. Nicht die UNO, sondern die NATO bildet den Kern des künftigen Weltbundes. Die UNO ist nämlich ohnmächtig.

In seinem 1964 erschienen Buch "Die Wiedervereinigung Europas" beschreibt Coudenhove-Kalergi die Vision eines neuen, größeren Europas: "Das alte Europa in der Mitte, mit einem mächtigen Flügel im Osten, der über Rußland nach Sibirien reicht, und einem mächtigen Flügel im Westen, der Nordamerika umfaßt. Dem slawischen Europa des Ostens bietet das angelsächsische Europa des Westens das Gleichgewicht. Eine Hegemonie des einen oder anderen Flügels über Europa wird dadurch abgewendet. Europa bleibt das westliche Land der Mitte".

Otto von Habsburg

Das Erbe des 1972 in Österreich verstorbenen Coudenhove-Kalergi hat Otto von Habsburg übernommen, der Internationaler Präsident der Paneuropa-Union ist. Er wurde am 20. Nov. 1912 als ältester Sohn des Erzherzogs Karl, des späteren letzten Kaisers von Österreich, und seiner Frau Zita, Prinzessin aus dem Hause Bourbon- Parma, geboren.

Am 30. Nov. 1916 marschierte der damals vierjährige Otto von Habsburg hinter dem Leichenwagen seines Großvaters, Kaiser Franz Josef II. , her und "blickte, fast unwirklich in seiner wohlerzogenen prinzlichen Untadeligkeit, neugierig in die Menge", wie wir in McGuignans Habsburgerbiographie lesen.

Fast genau 70 Jahre später hielt er im Rahmen seines Seminars der Paneuropa- Union in der Münchner Bundeswehrhochschule einen Vortrag. Ich notierte mir:

"Seine Getreuen nennen ihn 'kaiserliche Hoheit'. Er hätte sicher einen guten Kaiser abgegeben. Aber sein Großonkel Erherzog Franz Ferdinand wurde in Sarajewo von dem serbischen Studenten Gavrilo Princip ermordet. Und dann kam das Malheur mit dem Ersten Weltkrieg.

Heute (1997) ist sein Gang ist etwas unsicher und sein Rücken von der Last der Jahre etwas gebeugt. Trotzdem ist er weit davon entfernt, ein Greis zu sein. Er ist geistig noch voll auf der Höhe, auf Fragen antwortet er geistesgegenwärtig und sicher. A bisserl leger ist er und a bisserl vornehm. Er spricht hochdeutsch, oder besser oberdeutsch, mit einem leichten Wiener-Hofburg-Akzent. So hätte der Karlheiz-Böhm eigentlich mit seiner Sissy reden müssen.

Im Jahr 1273 hat sein Ahnherr Rudolf I. drei seiner Töchter mit drei der sieben Kurfürsten verheiratet, die ihn dann zum Deutschen König wählten. Ein anderer Vorfahr von ihm, Karl der V., herrschte über "ein Reich, in dem die Sonne nicht untergeht". Dessen Urgroßvater, Kaiser Friedrich III., hatte überall den Spruch eingravieren lassen: "AEIOU", "Alle Erde Ist Oestereich Unterthan". Wenn das kein Beweis für die Kraft des positiven Denkens ist!

Was mögen für Gedanken hinter seiner noch erstaunlich glatten Stirn kreisen?

Vielleicht besteht das Heilige Reich noch fort, war seine Auflösung nur eine erzwungene, und daher nichtige Formalität. Vielleicht können es Menschen gar nicht auflösen, weil es von Gott kommt - genauso wenig wie man das Sakrament der Ehe aufheben kann. "Je maintiendrai" (ich werde weitermachen, ich werde nicht aufgeben) war der Wahlspruch Karls des Kühnen, Herzog von Burgund, eines anderen Vorfahren von Otto von Habsburg.

Wird nicht der wahre Kaisertitel durch die Gnade Gottes verliehen, und nicht vom Volk oder kraft eigener Macht? War nicht die französische Revolution ein Verbrechen und ein Irrtum, der korrigiert werden muß? Aus ihr entstand der laizistische, gottlose Staat. Sollte man nicht lieber mit einem moslemischen Fundamentalisten paktieren, als mit einem sozialistischen Atheisten, der die Abtreibung befürwortet und das Kruzifix aus dem Klassenzimmer verbannt?

Er ist Abgeordneter im Europa-Parlament und Internationaler Präsident der Paneuropa-Union, und er kennt Gott und die Welt. Einmal hat er in die Weltgeschichte eingegriffen, als er mit Gyula Horn das Paneuropäische Picknick 1989 an der ungarisch-österreichischen Grenze organisierte. Da hat er der DDR den Stöpsel rausgezogen und sie ist ausgelaufen. Danach ist er rastlos durch die ehemalige Donaumonarchie gereist, hat alte Beziehungen erneuert und neue geknüpft, was für sein Alter eine erstaunliche Kraftleistung ist. Aber seine Mutter, Kaiserin Zita, ist ja 97 geworden. In einem gewissen Sinn hat er die Donaumonarchie wieder in Besitz genommen. Als Vaclav Havel tschechischer Präsident wurde, ernannte er Dr. Karl Fürst Schwarzenberg zum Leiter seiner Staatskanzlei auf dem Hradschin. Fürst Schwarzenberg ist Chef der jüngeren Linie des Hauses Schwarzenberg und Autor des Buches "Adler und Drache - der Weltherrschaftsgedanke". Ein treuer Freund Habsburgs ist auch Bucar, der slowenische Parlamentspräsident.

Otto von Habsburg bastelt daran, Europa zu einem einzigen Staat zusammenwachsen zu lassen, damit es eine Weltmacht des Friedens werden kann. Sein neuestes Buch heißt: "Friedensmacht Europa". Deshalb muß das Europäische Parlament gestärkt und zum richtigen, voll entscheidungsbefugten Parlament werden. Er hat es geschafft, daß seine rechte Hand, der junge Bernd Posselt Europa-Abgeordneter wurde, andere Paneuropäer sitzen schon im Europa- Parlament: Siegbert Alber und Ursula Schleicher. Auch im bayerischen Kabinett waren bis vor kurzem die Paneuropäer mit 2 Ministern vertreten (Thomas Goppel und von Waldenfels).

"Alteri gerunt belli, tu felix Austria nubes" (andere mögen Kriege führen, du glückliches Österreich heiratest). Irgendwie gilt das heute noch. Ein Sohn Otto's von Habsburg, Karl, hat die Tochter des Industriebarons Thyssen-Bornemiza geheiratet. Noch ist Habsburg nicht verloren.

Hier nun einige Aussprüche Otto von Habsburgs vom 2.Dez. 95:

"Wissen Sie, es wird nie zu einer Verurteilung von Karadzic und Mladic vor dem Internationalen Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag kommen. Das wurde zwar bei den Friedensverhandlungen in Dayton beschlossen. Aber man macht der Öffentlichkeit nur etwas vor. Der Oberste Richter, der Südafrikaner Goldstone, sagte mir in einem persönlichen Gespräch, daß er gar nicht die Mittel habe, die Kriegsverbrecher zu verurteilen. Er habe nämlich kein Geld, um die Zeugen und die Anwälte zu bezahlen. Als dann von privaten Geldgebern das Geld dazu bereitgestellt worden sei, hätte Butros Ghali die Annahme untersagt."

Zur Entwicklungshilfe meinte er:

"Das meiste Geld aus der Entwicklungshilfe-Programm der Europäischen Gemeinschaft hat Mozambique erhalten. Dann sind einmal ein paar Europa-Abgeordnete hinuntergefahren und haben nachgeschaut, was mit dem Geld passiert. Da haben sie herausgefunden, daß nur 15 % des gelieferten Getreides des Bevölkerung zugute kam. 50 % wurde gestohlen und nach Rußland geliefert und Waffen dafür eingetauscht. Die restlichen 35 % fraßen die Ratten."

Zur UNO bemerkte Kaiserliche Hoheit: "Da gab es einmal einen UNO-Botschafter aus Venezuela, der sich eine sehr dunkle Geschichte hat zu Schulden kommen lassen. Er wurde entlassen und schaffte es, daß sich sieben Inselstaaten in der Karibik von ihm als UNO-Botschafter vertreten ließen. Er hatte damit sieben Stimmen in der UN-Vollversammlung, die er sich in lukrativer Weise abkaufen ließ".

Zu Saddam Hussein: "Die Amerikaner haben den Krieg 24 Stunden zu früh abgebrochen. Sie hätten Hussein entgültig besiegen müssen. Man darf nicht vergessen, daß der Irak ein völlig künstliches Gebilde ist, das nach dem ersten Weltkrieg von den Siegern geschaffen wurde, mit dem Ziel eine Kolonie daraus zu machen und das Erdöl zu besitzen".

Über die neureichen Russen: "In Nizza sind in dem Hotel Negresco fast alle guten Zimmer von Russen belegt, die die Taschen dick voll Geld haben und damit nur so herumschmeißen. Das Geld stammt vom Verkauf des russischen Erdöls oder aus dunklem Geschäften".

1986 erschien Otto von Habsburgs Buch "Die Reichsidee - Geschichte und Zukunft einer übernationalen Ordnung". Otto von Habsburg schreibt:

Es war ein Fehler Metternichs, die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches nicht rückgängig zu machen, und es war ein Fehler des Kaisers, auf ihn in dieser Frage zu hören.

Auch das künftige Vereinte Europa wird aus der Tradition des Heiligen Römischen Reiches leben. Europa muß ein Reich werden, ob es diesen Namen trägt oder nicht. Jedes Reich wird durch eine höhere Mission geschaffen. Als großer Markt wird Europa keine Dauer haben.

Die Reiche Bismarcks und Hitlers waren keine Reiche, sondern Nationalstaaten, also das Gegenteil eines Reiches. Ein Reich ist nicht auf eine einzige Nation beschränkt, sondern es muß eine Klammer zwischen den verschiedenen Völkern und Staaten sein. Es fußt auf übernationalem Recht und einer übernationalen Idee. Der Reichsbegriff steht für eine staatliche, gesellschaftliche und geistige Ordnung, die über der territorialen Souveränität steht. Sie beruht nicht auf Herrschaft, sondern auf Recht, sie beruht auf einer richtenden und schlichtenden Autorität. Sie dient dem gemeinsamen Wohl und schützt die Schwachen vor den Starken. Sie ist im Zeitalter der Atomwaffen ein Gebot des Überlebens.

Schon in vorgeschichtlicher Zeit leiteten die Herrscher von Reichen ihre Legitimation dadurch ab, daß sie von den Göttern abstammten und von einer göttlichen Macht in ihr Amt eingesetzt waren. Die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches waren von Gottes Gnaden eingesetzt. Das Reich ist also eher ein sakraler Wert. In den Türkenkriegen kämpfte das Vielvölkerheer des Reiches für Gott und Reich. Der Abfall von der christlichen Lehre führte zur Hitlerdiktatur.

Als die französische Revolution die Volkssouveränität proklamierte, zerstörte dies wie ein Krebsgeschwür die ganze Rechtsstruktur. Damit war zum legalisierten Massenmord nur noch ein kleiner Schritt.

Die Berufung der Deutschen als Träger der Reichsidee war es, zwischen den umliegenden Kulturen zu vermitteln. Deutschland hat keine natürlichen Grenzen; seine Volksstämme gehen fließend in die angrenzenden Völker über. Der Nationalismus ist undeutsch; eine Reichsvolk darf nicht nach nationalistischer Vorherrschaft streben. Die Deutschen können Frieden und Sicherheit nur im großen abendländischen Rahmen finden. In dem Moment, wo man versuchte, das Deutschtum abzugrenzen, war die Katastrophe vorprogrammiert. Deshalb mußte das kleindeutsche Bismarckreich scheitern.

Das Erbe des burgundischen Zwischenreiches, das ein Vorläufer einer europäischenFöderation war, ging 1477 duch die Heirat Kaiser Maximalians mit Maria von Burgund auf das Haus Habsburg über. Die Habsburger sind eigentlich Habsburg-Lothringer. Der politische Brennpunkt Europas liegt auf der Linie Straßburg-Luxemburg-Bonn-Brüssel, also auf dem ehemaligen burgundisch- lothringischen Zwischenreich.

Die habsburgische Donaumonarchie war nicht der "Völkerkerker", als der sie diffamiert wurde, sondern sie bot den vielen kleinen Völkern Schutz. Selbst Sozialisten denken in Österreich wehmütig daran zurück.

Eines Tages werden die Völker jenseits des Eisernen Vorhangs ihre Freiheit wiedererlangen.

Der Erste Weltkrieg war einen Folge der Zerschlagung des türkischen Großreiches auf dem Balkan, an dessen Stelle kleine, nationalistische Staaten getreten waren.

Soweit Otto von Habsburg. Ich gebe ihm darin Recht, das Europa und die Welt eine übernationale Ordnung brauchen. Es ist auch richtig, was er über die Mission der Deutschen als Vermittler in Europa gesagt hat. Ich könnte mir sogar einen "Kaiser von Europa" aus dem Hause Habsburg vorstellen. Allerdings müßte es sich dabei um eine konstitutionelle Monarchie handeln, ähnlich der spanischen mit Juan Carlos oder der holländischen, schwedischen oder englischen. Ein solcher europäischer Monarch könnte durchaus eine völkerverbindende und integrierende Wirkung haben. Diese Rolle könnte durchaus auch erblich und "von Gottes Gnaden" sein.

Aber von den Errungenschaften der Aufklärung und der französischen Revolution möchte ich nicht abgehen. Die Volkssouveränität muß klar als das erkannt werden, was sie wirklich bedeutet: Die Souveränität der Menschheit und das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Man sollte das Christentum und die Feudalzeit nicht glorifizieren. Die Völker sind nicht Eigentum der Dynastien, und sie sind nicht das Objekt von Schacher und Tauschgeschäften. Der Papst ist nicht unfehlbar und das Christentum ist nicht die allein wahre Religion. Gottes Wille bleibt unerforschlich; deshalb kann auch keine Dynastie behaupten, sie herrsche von Gottes Gnaden, zumal dieser Gnade oft durch Betrug, Mord und Krieg nachgeholfen wurde.

Aber ich mache Otto von Habsburg für seine Ansichten keinen Vorwurf. Sie ergeben sich einfach aus seiner Herkunft und Biographie. Er ist ein echter Habsburger - und das ist keine Schande.

Das Reich der Messiasse

Ich habe gezögert, dieses Kapitel einzufügen. Mein Thema ist ein hauptsächlich politisches. Aber die Übergänge zwischen Politik und Religion sind fließend. Die Trennung von Politik und Religion ist ein Teil europäischen Aufklärung, entstanden aus der leidvollen Erfahrung der Religionskriege.

Aber nicht nur in der islamischen Welt und im Judentum sind Religion und Politik untrennbar miteinander verquickt.

Der Messias, der die Weltherrschaft antreten und ein Friedensreich errichten wird, ist eine Erwartung, die in vielfacher Ausprägung zahlreiche Sekten und Religionsgemeinschaften in aller Welt teilen. Besonders verbreitet ist dieser Glaube bei den christlichen und den schiitischen Religionsgemeinschaften. Trotz aller enttäuschten Hoffnungen glauben sie weiterhin daran, daß ihr Messias bald kommen wird oder schon da ist.

Ich bin da Realist: Selbst wenn es einem außergewöhnlichen Menschen gelingen würde, die Welt zu einen und ein Friedensreich zu errichten, wäre dies noch kein Beweis dafür, daß er der von Gott gesandte Messias ist. Und erst recht nicht ist jemand ein von Gott gesandter Messias, wenn es ihm vor seinem Tod nicht gelungen ist, das Friedensreich zu schaffen.

Man könnte diese ganze Messias-Hoffnung als Hysterie oder belangloses Wunschdenken abtun, wenn sie nicht eine so breite Spur in der Weltgeschichte hinterlassen hätte und noch immer hinterläßt. Der Messias-Glaube gehört eigentlich in den antiken Orient und in das Mittelalter. Da aber nur der kleinere Teil der Menschheit geistig in der Neuzeit lebt (ich bitte das nicht als europäische Arroganz, sondern als schlichte Feststellung aufzufassen), ist der Messiasglaube auch heute noch ein bedeutender Faktor.

Die Erwartung des herannahenden Weltgerichtes führte zu den Bauernkriegen zur Zeit Luthers. Die Wiedertäufer im Westfälischen Münster errichteten eine theokratische Herrschaft. In England sah sich Oliver Cromwell als Vorkämpfer des Gottesreiches und eröffnete 1653 das "Parlament der Heiligen". Das Reich Gottes stellte die irdischen Autoritäten in Frage und führte zu Revolutionen und Bürgerkriegen.

Ähnlich ist es heute in der islamischen Welt: Die Theokratie der persischen Mullahs trat an die Stelle des Schah-Regimes, in Algerien, Ägypten und der Türkei drängen die Fundamentalisten an die Macht und wollen in einem revolutionären Prozess einen Gottesstaat errichten.

Der verborgene Imam der Schiiten

Schia heißt auf arabisch "die Partei". Gemeint ist damit die Partei der Anhänger Ali's, des fünften Nachfolger Mohammeds, der im Zuge eines Machtkampfes ermordet wurde. Ali war der erste Imam der Schiiten, die sich von der Hauptrichtung des Islam, den Sunniten abspalteten. Das Zentrum der Schiiten war und ist Persien, das wohl die Heimat des Messiasglaubens ist. So wurde Ali nach und nach zu einer Art Christus umgedeutet. So wie die katholischen Päpste die Vertreter Christi auf Erden waren, so waren die Imame die Stellvertreter Ali's, und sie galten als unfehlbar. Anders aber als die Päpste, heirateten die Imame und hatten Söhne. Einer unter diesen Söhnen wurde dann vom Imam zum Nachfolger auserwählt. Der siebte Imam, Ismail, starb aber kurz nach seiner Ernennung.

Die Sekte der Ismailiten glaubte nun, daß Ismail nicht gestorben, sondern nur "entrückt" sei und ähnlich wie Jesus Christus, nach einer unbestimmten Zeit wiederkehren und einen islamischen Gottesstaat errichten werde.

Im Jahr 860 trat im Land zwischen Euphrat und Tigris ein Mann auf, der die baldige Wiederkehr des siebten Imam verkündete und einen Sklavenaufstand entfachte, der von dem Kalifen mit großer Mühe niedergeschlagen werden konnte.

Im Jahr 880 gab es schon wieder einen Verkünder des herannahenden Gottesreiches. Der irakische Bauer Hamdan Qarmat, der 899 am persischen Golf einen auf einer Art frühchristlichem Urkommunismus beruhenden Staat aufbaute.

Hassan as-Sabah, das Oberhaupt der Haschischmörder

Im Jahr 1090 erschien vor der Burg Alamut ("das Adlernest"), die auf einer steilen Felsnase nahe der nordpersischen Stadt Kaswin erbaut war, der etwa 40-jährige ismailitische Wanderprediger Hassan as-Sabah. Er eroberte mit seinen Anhängern die Burg und machte sich daran, die Weltregierung des "entrückten" Imam vorzubereiten.

Er umgab sich mit einem fanatischen Mönchsorden, der durch Terror und politischen Meuchelmord zum einem gefürchteten Machtfaktor wurde. Seine Kämpfer waren die "Fedajin", die "sich Opfernden".

Durch vielerlei Mittel verstand es Hasan as-Sabah, sich diese Truppe absolut ergeben zu machen. Die Vorstellung des "heiligen" Krieges" war im Islam ohnehin Allgemeingut. Wer fiel, konnte damit rechnen, direkt ins Paradies einzugehen. Einen Vorgeschmack aufs Paradies soll es auf Alamut schon gegeben haben: einen wunderbaren Garten, in dem aus Leitungen Wein, Milch und Honig floßen. Es gab Lusthäuser und anmutige Tänzerinnen. Der junge Ordenssoldat, der einen Auftrag erhalten sollte, wurde mit einem Schlafmittel betäubt und in den Garten gebracht. Dort erwachte er und erfuhr die Wonnen des Paradieses. Nach einer Weile wurde er wieder in seinen grauen Alltag zurückgebracht. Wenn er seinen Auftrag erfüllt habe, so wurde ihm versprochen, dürfe er für immer in diesem Paradies wohnen. Der Garten allein schon konnte süchtig machen, Hassan as Sabah verabreichte aber zusätzlich auch Rauschmittel wie Haschisch, um sie für ihre Erlebnisse im Garten noch empfänglicher zu machen. Das französische Wort "assasin" (Meuchelmörder) leitet sich von dem Wort "Haschischin" (Haschischesser) ab.

Die begabten und intelligenten unter den Assasinen erfuhren eine gründliche Ausbildung. Sie lernten fremde Sprachen und wurden mit fremden Kulturen vertraut gemacht. Sie lernten sich zu tarnen und jahrelang an fremden Fürstenhöfen zu leben, um das Vertrauen der Opfer zu gewinnen. Manche stiegen sogar in hohe Positionen auf.

Wenn sie erkannt und gefangen genommen wurden, gaben sie unter der Folter vor ihrem Tod nicht die Namen anderer Sektenmitglieder preis, sondern nannten Personen, die sie mit ins Verderben reißen wollten.

Der "Meister", der auf dem Berge wohnt", und seine Nachfolder bauten die Macht der Assasinen immer weiter aus. Bis hin nach Syrien eroberten und befestigten sie schwer einnehmbare Burgen. Dadurch wurden sie im Seldschukenreich zum "Staat im Staate" und bedrohten es von innen heraus. Die Burgbesatzungen haben sich wohl durch Raubüberfälle und durch Abgaben von den umliegenden Bauern ernährt. Der Seldschuken-Sultan Mohammed ließ den "Alten vom Berge" in seinem "Adlernest" von Truppen einschließen, starb dann aber im Aker von 37 Jahren. Vermutlich haben ihn die Assasinen vergiftet.

Zahlreiche Herrscher wurden von des Assasinen getötet, darunter auch Konrad von Montferrat, Herrscher im Kreuzfahrerstaat Tyros.

Es gab manchen christlichen oder muslimischen Herrscher, (und solche, die es werden wollten), die die Dienste der Assasinen in Anspruch nahmen. Die Assasinen sollen Beziehungen zu den Tempelrittern gepflegt haben.

Der dritte Nachfolger as-Sabahs erklärte sich zum Imam, der jetzt aus der Verborgenheit zurückgekehrt sei.

Hasan as-Sabah starb 1124. Sein "Adlerhorst" hielt sich noch 132 Jahre. 1256 wurde er von den Mongolen unter Hülägü, dem späteren Zerstörer Bagdads,erstürmt, zerstört und die Besatzung ermordet. Damit hörte die Sekte der Assasinen zu Bestehen auf.

Die Sekte der Ismailiten bestand dagegen weiter. Heute gibt es etwa 10 Millionen. Mit den Haschischmördern hat diese Sekte nichts zu tun, sondern es ist eine ganz normale Religionsgemeinschaft.

Der Mahdi

Am Tag des Jüngsten Gerichts, so glaubt der Islam, wird der Prophet Mohammed wieder erscheinen. Ihm vorausgehen wird Jesus. Jesus vorausgehen, so heißt es in mündlichen Überlieferungen wird ihm der "Mahdi" (der "Rechtgeleitete"), der das Weltreich des Islam vollenden und die Ungläubigen besiegen und vertilgen wird. Man wird ihn an vielen geheimen Zeichen erkennen.

Im Sudan erwartete man für das Jahr 1882 die Ankunft des Mahdi, und ein gewisser Mohammed Achmed und seine Anhänger glaubten, daß er der Mahdi sei. Manche hielten ihn auch für den "Kutb", die "Achse der Heiligkeit", das ist einer der Heiligen, der ihrem Zeitalter die geistige Richtung geben. Vielleicht war er sogar "El Kidr", das ist eine Art "Ober-Kutb", der unsterblich ist und bis zum jüngsten Gericht weiter lebt.

Der Mahdi schlug mit unterlegenen Kräften eine Armee von 6000 ägyptischen Soldaten, später noch eine zweite mit 15 000 . Er eroberte Khartum, das von dem englischen General Gordon verteidigt wurde. Gordon fielt. Aber der Mahdi wurde in Khartum zum Despoten, wurde dick, liebte den Wein und die Frauen und starbt im gleichen Jahr an Typhus.

Die Baha'i

William Miller, der Sheriff von Poulney im US-Staat Vermont, kam durch intensives Bibelstudium zu dem Schluß, daß die Wiederkunft des Messias im Jahr 1843 zu erwarten sei. Er reiste als Wanderprediger umher und hatte großen Zulauf. Als der Messias ausblieb, entdeckte er einen Rechenfehler: der Messias würde erst 1844 kommen. Aber auch 1845 passierte nichts, und Miller zog sich aus der von ihm gegründeten Bewegung der Adventisten zurück.

Aber vielleicht stimmte zwar die Zeit, aber nicht der Ort. Vielleicht sollte auch nicht Jesus, sondern der vor 1000 Jahren spurlos verschwundene zwölfte Imam der "Zwölfer-Schiiten" zurückkehren. Jedenfalls wurde man 1844 in der persischen Stadt Schiras fündig, nachdem man ihn, ähnlich wie den tibetischen Dalai Lama, auf einer langen Reise gesucht hatte. Zwar fand man den verborgenen Imam nicht persönlich, aber einen, der mit ihm in Verbindung stand: den 25-igjährigen Kaufmann Ali Mohammed, der sich "Bab", "das Tor" nannte.

Unter seinen Jüngern war die Dichterin Tahirih ("die Reine"), die eine sehr eindrucksvolle und attraktive Frau gewesen zu sein scheint. Sie war eine engagierte Vorkämpferin der Gleichberechtigung der Frau und hielt vor den Moslems öffentliche Reden, wozu im Persien des 19.-ten Jahrhunderts auserordentlicher Mut gehörte. Sie erschien geschminkt in einer Versammlung der Gläubigen und warf demonstrativ vor aller Augen den Schleier weg. Tahiri starb später den Märtyrertod für den Bahaismus, der dank ihres Einflusses heute noch die Gleichberechtigung der Frau hochhält.

Allmählich wuchs im Bab die Überzeugung heran, daß er selbst der verborgene Imam sei. Als er sich aber so wenig wie Jesus anschickte, das Reich Gottes zu errichten, wandten sich viele Schiiten enttäuscht von ihm ab und verspotteten ihn. Aber seine Anhänger verkündeten, daß sein Reich sei nicht von dieser Welt sei.

Nun lehrte der Bab, daß nicht Mohammed, sondern er selbst der letzte und endgültige Prophet sei. Das konnte der orthodoxe Islam natürlich nicht hinnehmen, zumal der Bab in seinen Predigten politische und soziale Mißstände anprangerte und und eine Revolte heraufbeschwor.

Die Babi, oder Baha'i, wie sie sich nannten, wurden verfolgt und viele wurden hingerichtet, aber ihr Märthyrertum machte ihren Glauben nur noch populärer.

1847 wurde der Bab verhaftet und nach 13 Monaten Haft den höchsten kirchlichen Würdenträgern vorgeführt. Der Bab sagte zum Vorsitzenden: "Ich bin, ich bin, ich bin der Verheißene".

Das erinnert an Matt 26, Vers 63-66: "Da sprach der Hohepriester zu Jesus: 'Ich beschwöre dich, daß du uns sagst, ob du der Christus, der Sohn Gottes bist'. Jesus antwortete ihm: 'Du hast es gesagt'. "

Der Bab wurde 1850 in einem alten Kasernenhof mit einem Strick, der ihm unter die Arme gebunden wurde, aufgehängt. Eine Abteilung armenischer Soldaten feuerte eine Salve auf ihn ab, die aber nur das Seil traf. Der Bab fiel unversehrt zu Boden. Einige Stunden später wurde er zum zweiten Mal aufgehängt, aber die Soldaten weigerten sich zu schießen, so daß ein anderes Erschießungskommando zusammengestellt werden mußte. Wieder wurde eine Salve abgefeuert. Diesmal war der Erfolg endgültig. Nach Dr. J.E.Polak soll es dem Bab, obschon getroffen, gelungen sein, im Pulverdampf durch ein dickes Wasserrohr aus dem Kasernenhof zu schlüpfen. Wäre seine Leiche nicht auf der andern Seite der Mauer gefunden worden, hätte man wohl geglaubt, der Bab wäre in den Himmel aufgefahren.

Nach dem Tod ihres Oberhauptes zettelten die Baha'i überall in Persien Aufstände an. Sie wurden zu Tausenden getötet. Trotzdem griff die Baha'i-Bewegung immer weiter um sich und hätte sich vielleicht sogar durchgesetzt, wenn nicht 1852 ein Baha'i ein Attentat auf den Schah verübt hätte, der dabei durch Schrotkörner im Gesäß getroffen wurde. Der Attentäter wurde sofort getötet und unter den Baha'i ein schreckliches Massaker angerichtet. Dadurch wurden die Baha'i in den Untergrund gedrängt.

Zu seinem Nachfolger hatte der Bab einen jungen Adeligen, Mirza Yahya,bestimmt. Aber sein 13 Jahre älterer Bruder, Mirza Hussein Ali, verdrängte ihn allmählich aus dieser Position. Einige Jahre vor seinem Tod hatte sich der Bab wieder mit der Rolle des Verkünders des Mahdi beschieden und beanspruchte nicht mehr, selbst der Mahdi zu sein. Diesen Anspruch erhob jetzt Mirza Hussein Ali, der sich "Baha'Ullah" ("Herrlichkeit Gottes") nannte.

Der Baha-Ullah verbrachte viele Jahre in türkischen Gefängnissen, aber auf Betreiben der Baha'i wurden die Haftbedingungen immer besser, ja geradezu feudal. Er verfasste bis zu seinem Tod im Jahre 1892 über 100 Bücher und schickte an fast alle Staatsoberhäupter seiner Zeit mahnende Briefe, in denen er sie aufforderte, untereinander Frieden zu schließen, die Untertanen gerecht zu behandeln und ein christliches Leben zu führen. Er schrieb diese Briefe im Bewußtsein, der Erlöser der Menschheit und der König der Könige zu sein. Entsprechend anmaßend war wohl auch sein Stil. An den Papst schrieb er: "Verkaufe den reich verzierten Kirchenschmuck, den Du besitzt, und opfere ihn auf dem Pfade Gottes".

Napoleon wies einen Brief des Baha'Ullah mit den Worten zurück: "Wenn dieser Mann von Gott ist, bin ich selbst Gott".

Der Baha'Ullah stellte folgende Grundsätze der Baha'i-Religion auf: Die gesamte Menschheit muß als Einheit betrachtet werden. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage. Die Religion muß die Ursache der Einigkeit und der Eintracht unter den Menschen sein. Die Religion muß mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen. Mann und Frau haben gleiche Rechte. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden. Der Weltfrieden muß verwirklicht werden. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung erfahren. Es muß eine Einheitssprache und eine Einheitsschrift eingeführt werden. Es muß ein Weltgerichtshof eingesetzt werden.

Wenn man diese Grundsätze genauer betrachtet, sind es keine religiösen Aussagen, sondern philosophisch-politische, und zwar Aussagen, die aristotelischen Geist mit indischer Toleranz verbinden. In diesen Grundsätzen steckt eine Menge von Lessings Ringparabel und humanistischer Aufklärung. Ich kann diese Grundsätze durchaus akzeptieren - aber als Philosophie, nicht als Religion. Ich habe auch Verständnis dafür, daß sich viele Weltföderalisten und Weltbürger zu den Baha'i hingezogen fühlen oder sogar Bah'i sind.

Was aber abstößt, ist der Personenkult, mit dem sich die baha'istischen Propheten umgaben, ihr vermessener Anspruch, Nachfolger und Vollender von Jesus und Mohammed zu sein, und ihr recht irdisches Machtgerangel.

Die Beschäftigung mit den persischen Religionen zeigt, daß der Mythos des Messias oder Heilands aus Persien stammt. Die Juden haben diesen Mythos während ihrer babylonsichen Gefangenschaft kennengelernt und zu einem Bestandteil ihrer Religion gemacht. Ein Mythos ist ein Stück Poesie, also ein Stück Kunst. Eine Roman oder ein Drehbuch, überhaupt jede Kunst, ist oft nicht wahr, in dem Sinne, daß sie die Wirklichkeit exakt wiedergibt. Aber sie ist oft wahrer als die Wirklichkeit, weil sie diese in einer komprimierten, verdichteten Form abbildet.

Jesus war der Sohn Gottes, denn jeder Mensch ist ein Kind Gottes. Jesus war unsterblich, denn jeder Mensch ist unsterblich - nicht als Individuum, aber als Spezies Mensch und als Teil des Lebens. Jeder Mensch wird auch wiedergeboren, erlebt also eine Wiederauferstehung, denn irgendwo wird wieder ein Kind geboren, das ihm ähnlich ist - auch wenn es nicht von ihm abstammt. Das sind simple, rational erfaßbare Tatsachen, die im Mythos nur überhöht und verdichtet werden, wie schon in den Fruchtbarkeitsreligionen das Sterben und neue Erwachen der Natur personifiziert und mytologisiert dargestellt wurde, oder in den indianischen Totemtieren die Abstammung des Menschen aus dem Tierreich und der Natur zum Ausduck kommt.

Nach dem Tod Baha'Ullahs brach zwischen seinen beiden ältesten Söhnen ein Streit um die Nachfolge aus. Der Sieger, Abdul Baha, erklärte, daß mit Baha'Ullah die Reihe der Propheten nicht beendet sei, sondern daß er die Offenbarung fortsetze. Er machte sich zum Gegenstand eines ausufernden Personkultes und drängte das Vermächtnis seines Vaters immer mehr in den Hintergrund.

Die Baha'i betrieben eine eifrige, weltweite Missionstätigkeit, besonders in Amerika. Abdul Baha siedelte nach Haifa über und ließ für den Bab ein Mausoleum am Berg Karmel errichten, das 1909 fertiggestellt wurde. Dort ist auch der Baha'Ullah begraben und dort wurde auch Abdul Baha 1921 beigesetz.

Sein Nachfolger war Shogi Effendi, der bis 1957 das Amt des "Hüters der Sache Gottes" übernahm. Nach seinem Tod übernahm ein Führungskollektiv die Leitung der Baha'i': "Die erhabenen Hände" (heute: "Universales Haus der Gerechtigkeit").

Nach der Machtübernahme von Ayatolla Khomeni machten sich die Mullahs daran, die Baha'i in Persien auszurotten.

Die Baha'i glauben, daß mit dem Auftreten des Baha'Ulla ein neuer Abschnitt der Menschheitsgeschichte eingetreten sei. Mit der Baha'i-Religion sei ein Impuls in die Welt gekommen, der schließlich zum Friedensreich Gottes auf Erden führen werde. Dieses Reich sei aber ein geistiges. Die Herzen der Menschen würden sich ändern und jedermann würde von sich aus das Gute tun. So würde dann der Frieden von selbst eintreten. Sie selbst wollen nicht direkt in die Politik eingreifen, sondern nur durch Erweckung des rechten Bewußtsein und des rechten Glaubens wirken. Diese Ausgießung des Heiligen Geistes durch Baha'Ullah würde bewirken, daß alle Religionen in die Baha'i-Religion münden würden. Religionen, Rassen und Nationen würden zu einer Einheit zusammenfinden, der Krieg werde am Schluß gänzlich unterdrückt werden.

Abdul.Baha schrieb: "Das Rassenvorurteil ist eine Einbildung, ein reiner Aberglaube, denn Gott erschuf und alle von einer Rasse...Am Anfang gab es keine Grenzen und Schranken zwischen den verschiedenen Ländern. Kein Teil der Erde gehörte einem Volk mehr als dem andern...Alle Rassen, Stämme, Bekenntnisse und Klassen haben gleichen Anteil an den Gaben ihres himmlischen Vaters".

Abdul-Baha nahm 1913 am Esperanto-Treffen in Paris teil. Shogi Effendi forderte 1931: "Irgend eine Art des Welt-Überstaates muß sich entwickeln, zu dessen Gunsten alle Nationen der Welt auf jedes Anrecht der Kriegserklärung...verzichten". Er forderte 1936 eine Welt-Gesetzgeberschaft, eine Welt-Exekutivgewalt, einen Welt-Gerichtshof, eine Welthauptstadt und eine Weltsprache, die in allen Nationen neben der Muttersprache gelehrt werden solle.

Der Nationale Geistige Rat der Baha'i in Deutschland schreibt 1975 in seiner Broschüre "Umwelt und Weltordnung": "Unsere Zeit erfordert einen neuen Typus Mensch, ausgestattet mit einem Menschheitsbewußtsein und orientiert sich an dem obersten sozialen Grundwert: der Einheit". Dieser neue Menschentypus achtet bei allem, was er tut, auf das Wohl der gesamten Menschheit. Der Nationalstaat sei ein gefährlicher Anachronismus. Die "heilige Kuh" der nationalen Souveränität müsse geschlachtet werden.

Nach Ansicht der Baha'i sind die gegenwärtigen politischen und religiösen Systeme zum Untergang verurteilt. Die Zeit werde die Menschheit reif machen für die Theokratie der Baha'i.

Die Baha'i arbeiten in der UNO mit und haben beratenden Status. Sie haben weltweit angeblich 4,8 Millionen Anhänger.

Wie bei allen Religionsgemeinschaften klafft auch bei den Baha'i zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine unüberbrückbare Lücke. Wenn schon die Nachfolger des Baha-Ullah sich nicht in Liebe und Freundschaft zugetan waren, sondern erbitterte Machtkämpfe führten, wie soll dann der Rest der Menschheit gemäß den Idealen des Bah-Ullah leben?

Die Zeugen Jehova's

Nach ihrer Erwartung hat die zukünftige Weltregierung ihren Sitz im Himmel und wird ihre übermenschliche Macht auf die Erde ausdehnen. Sie glauben: "Die Zeit für den größten Wechsel in der ganzen Menschheitsgeschichte steht kurz bevor".

Gründer der Zeugen Jehovas ist der ehemalige Adventist Charles Russel (1852- 1916). Der wohlhabende Kaufmann aus Pittburgh (Pennsylvania) machte 1881 seine eigenen Verlag auf, die "Zions Wachturm und Traktat-Gesellschaft", deren Aktienmehrheit er besaß. Das ist typisch amerikanisch: Eine Religionsgemeinschaft als Aktiengesellschaft, in welcher der Stifter die Aktienmehrheit hat. Die Druckerzeugnisse diese Verlags wurden von hauptamtlichen Predigern verkauft, die davon ihren Lebensunterhalt bestritten. Auf Grund dieser Schriften bildeten sich in verschiedenen Städten Gruppen, die Russel betreute. Schließlich wurde die Arbeit so groß, daß Russel Mitarbeiter heranziehen mußte. Er selbst starb, rastlos in der ganzen Welt unterwegs, im Santa-Fe-Express.

Sein Nachfolger war Joseph Rutherford (1969-1941). Er war Russels Anwalt und Testamentsvollstrecker. Er war Mitglied des siebenköpfigen Führungsgremiums der Wachturms-Gesellschaft, bootete aber schon bald vier seiner Kollegen aus, weil sie nicht damit einverstanden waren, daß er den schriftlichen Nachlass Russells in dem Sinn verfälschte, daß das "Wachturm"-Direktorium mit prophetischer Autorität ausgestattet wurde. Von nun an arbeitete Russel zäh daran, durch eigene Bücher und Traktate die Lehren Russells in den Hintergrund zu drängen und die Zeugen Jehova's auf seine Linie einzuschwören, was ihm bis 1931 schließlich gelang. Sein Nachfolger Nathan Knorr sorgte dafür, daß die Kader seiner Theokratie hervorragend als Propagandisten und Redner ausgebildet wurden.

Rutherford erklärte den Papst zum Stellvertreter des Teufels auf Erden, seine Nachfolger sahen in der katholischen Kirche das "Weltreich der falschen Religion". Das stand in der Tradition des Protestantismus. Luther hatte 1519 an seinen Freund Spalatin geschrieben: "Ich glaube fast, daß der Papst der Antichrist oder wenigstens sein Apostel sei". Später rückten dann die Zeugen Jehova's von der Verteufelung der katholischen Kirche ab und erklärten die UNO zum Feindbild. Die UNO ist für die Zeugen Jehova's eine "lästerliche Nachahmung des Königreiches Gottes", und da verstehen die Zeugen Jehova's keinen Spaß. Wer für eine Stärkung der UNO eintritt, ist für sie ein Handlanger des Antichrist.

Die Zeugen Jehova's sehen sich als neue Nation, der nach der Wiederkunft des Messias alle Menschen angehören werden. Jesus wird dann mit 144 000 auserwählten Zeugen Jehova's die Welt regieren. Zwar hat sich jetzt die ganze Welt, angestachelt vom Satan, gegen die Zeugen Jehova's und ihr Hauptquartier in Brooklyn (New York) verschworen, aber am Ende werden sie siegreich sein - so ihr Glaube. Kritiker der Zeugen Jehova's sehen in ihrer theokratischen Organisation eine "schrankenlose Diktatur". Allen Verlautbarungen und Anordnungen bis zu Ernennung des kleinsten Funktionärs hafte die Autorität Gottes an. Die Mitglieder der Organisation seien "Sklaven Jehova's".

Allerdings muß man diese Vorwürfe relativieren. Die Zeugen Jehova's haben standhaft den Kriegsdienst verweigert. Im "Dritten Reich" wurden ca. 10 000 Zeugen Jehova's ins KZ gebracht, tausend wurden hingerichtet und tausend starben im KZ und in Gefängnissen.

Das "Direktorium" und die "verborgene Exekutive"

In der esoterischen Literatur wird die Legende erzählt, daß es im tibetanischen Hochland die Kolonie "Shangri La" gebe, deren Bewohner im Besitz übersinnlicher Kräfte seien und eine Art Weltregierung darstellten. Sie seien Statthalter von überund außerirdischen Mächten. Mit Hilfe von Agenten würden sie in die Geschichte eingreifen und die notwendige Entwicklung der Menschheit fördern.

Als Beauftragter dieser "Geheimen Meister" wurde von manchen ihrer Anhänger "Madame Blavatsky" (Helena Petrowna Blavtsky) angesehen, die 1885 in New York die Theosophische Gesellschaft gründete, die neu-heidnische Magie,hinduistische und buddhistische Religion und Spiritismus verband. Einer der Schüler Madame Blavatsky's war Rudolf Steiner, Vorsitzender der "Deutschen Theosophischen Gesellschaft". Er trennte sich aber 1909 von den Theosophen trennte und 1913 seine "Androposophische Gesellschaft" gründete.

Grund 1909 entdeckten die Theosophen in Indien einen neuen Messias: einen 14- jährigen Hindu-Jungen namens Jiddu Krishnamurti. Der drohte den deutshcen Messias Rudolf Steiner zu verdrängen.

Die überirdischen Mächte, "das Direktorium", so der Glaube, würden mit der "verborgenen Exekutive" in Verbindung stehen und ihr Anweisungen geben, um das göttliche Streben zu verwirklichen. Die Befehle der "verborgenen Exektutive" wiederum würden die "Geheimnisträger", eine Art Agenten, die als gewöhnliche Menschen getarnt seien, ausführen. Es gäbe mehrere Exekutivzentren. Eines davon sei Afghanistan, von wo aus die Sufi's gesteuert würden.

Das Ganze ist so originell nicht. Das "Direktorium" sind in den altorientalischen Religionen die Fürsten im Geisterreich und die Planetengötter. Im Judentum sind es die Erzengel, die den Willen Gottes an die "verborgene Exekutive", eben die nachgeordnete Schar der Engel, weitergeben. Diese wiederum erscheinen den Menschen im Traum und geben den von Gott Auserwählten ihre Anweisungen.

Die Thule-Gesellschaft

Für die zukünftigen Herrscher der Welt hielten sich gemäß Pauwells und Bergier ("Aufbruch ins Dritte Jahrtausend", passender wäre: "Aufbruch ins Mittelalter") die Mitglieder der Thule-Gesellschaft. Diese Geheimgesellschaft war zu Beginn der zwanziger Jahre in München aktiv. Ihr gehörten an: Alfred Rosenberg, Rudolf Hess und der Geopolitiker Prof. Karl Haushofer. Sie sollen Einfluß auf Hitler ausgeübt haben, der eigentlich nur ein durch finstere Mächte gesteuertes Medium gewesen sei.

Die Thule-Gesellschaft hatte 1919 in Bayern 1500 Mitglieder. Sie sei eine Tarnorganisation des 1912 gegründeten Germanenordens gewesen, schreibt der Historiker Werner Maser. In Bayern war der Germanenorden durch die Aktivitäten von Rudolf Freiherr von Sebottendorff ins Leben gerufen worden. Seine Biographie weist eine Menge weißer Flecken auf. Heller und Maegerle (in:"Thule") schreiben: Sebottendorf hieß Adam Alfred Rudolf Glauer und wurde am 9.Nov. 1875 im sächsischen Hoyerswerda geboren. Er wurde Matrose und macht eine Seereise um die Welt. Er hielt sich in Ägypten und in der Türkei auf, wo er esoterische Studien begann. 1915 heiratete er in Wien eine vermögende Kaufmannstochter.

Die Thule-Gesellschaft war stark anti-jüdisch eingestellt. Sie mietete im Hotel "Vier Jahreszeiten"in München einige Zimmer und stellte sie nationalistischen Parteien, Vereinigungen und Gruppen für Zusammenkünfte und Tagungen zur Verfügung. Die Zeitung "Münchner Beobachter" gehörte Sebottendorff, der auch das Freikorps "Oberland" aufstellte. Mitglieder der Thule-Geselschaft und des Germanenordens beeinflußten Hitlers Denken stark - vor allem sein Freund und Mentor Dietrich Eckart.

Gemäß Pauwells und Bergier glaubten - von der Thule-Gesellschaft beeinflußt - die sieben Gründer der NSDAP, darunter Hitler, daß sie die Unterstützung finsterer überirdischer Mächte hätten.

Bergier und Pauwells erwähnen Spekulationen über persönliche Verbindungen zwischen der Theosophischen Gesellschaft Steiners und der Thule-Gesellschaft. Steiner hob 1903 eine Zeitschrift namens "Luzifer" aus der Taufe. Irgendwie beteiligt soll auch Aleister Crowley (1875-1947) gewesen sein, einer der geistigen Väter des heute in der Rock-Szene (Black Metal und Heavy Metal) blühenden Satanismus.

Wieviel von diesen Vermutungen wahr ist, kann ich nicht beurteilen. Es scheint aber im Jahr 1911, als Hitler nach München kam, eine Okkultisten-Szene gegeben zu haben, die sich mit der Wiederbelebung heidnischer Kulte, z.B. der Dionysos- Mysterien oder der alten germanischen Religion befasst zu haben. Diese deutsche Gruppierung hatte sich aber wohl von der englischen Szene, deren innerer Zirkel die "golden dawn" gewesen sein soll, abgespalten und stand zu ihr in Opposition. Trotzdem teilte sie mit ihr wohl den Mythos von der geheimen Weltregierung irgendwo im Inneren der Erde und versuchte (in dieser irrationalen Logik) durch Geisterbeschwörung und Medien zu dieser "Weltregierung" Kontakt aufzunehmen und ihr Wissen und ihre Kräfte anzuzapfen.

Menschen in der Umgebung Hitlers hielten wohl diese Mythen aus dem Himalaya für wahr.

Die NSDAP strebte die Weltherrschaft an

Der "harte Kern" der NSDAP strebte die Weltherrschaft an und glaubte sich vielleicht zur Weltherrschaft berufen und auf dem Weg dorthin von außer- und unterirdischen Kräften unterstützt. Das versperrte ihnen vielleicht die Einsicht, daß Deutschland gegen den Rest der Welt auf verlorenem Posten stand.

Nach den Vorstellungen Ludendorff's und seiner Anhänger (der "Ludendorff- Bewegung") existierte bereits sehr lange eine geheime Weltregierung: Eine Koalition aus Katholische Kirche, Jesuiten und Freimaurern, welche durch Beherrschung der Handelswege und Börsen und durch Kontrolle der Geldströme heimlich zu regieren würde. Zentren dieser Weltregierung seien London und New York.

In einem seiner Pamphlete schreibt Ludendorff: "Im Laufe des 19.-ten Jahrhunderts wurde der Kampf des Juden und Freimaurer zur Errichtung der Weltherrschaft noch weiter erfolgreich fortgesetzt. Es trat das jüdische Ziel, eine 'Weltrepublik' zu errichten, in der alle Staaten als Provinzen... zusammenzufassen wären, immer deutlicher hervor. Juden und Freimaurer wurden Herren in Frankreich, Spanien, Italien, England und USA...Der Papst hatte bereits 1814 den Jesuitenorden wiederhergestellt, den Papst Clemens XIV. 1773 verboten hatte. Der Jesuit hatte seine Abgesandten in die Freimaurerischen Hochgrade geschoben und so...in seinen Dienst gestellt".

Im Weltbild des preußischen Protestanten Ludendorff hatte sich nicht nur die katholische Kirche heimlich mit den Freimaurern gegen Deutschland verschworen, sondern auch noch die Freimaurer mit der sozialistischen Internationale, dem Weltbund der Proletarier.

In einer weiteren Schrift aus dem Ludendorff-Verlag schreibt ein Herbert Frank: "Die überstaatlichen Mächte erstreben die Herrschaft über die ganze Welt...Juda und Rom ringen oft erbittert gegeneinander um den Vorrang in der Welt. Wir erleben es aber auch immer wieder, daß sie zusammengehen...Heutigentags sind die überstaatlichen Mächte ihrem Endziele sehr nahe gekommen...Der vergangene Weltkrieg wurde 25 Jahre vorher auf dem Weltfreimaurerkongress 1889 in Paris beschlossen...Nach außen hin treten sie möglichst wenig hervor... Walther Rathenau schrieb einmal von 300 Männern, die die Welt beherrschen und erklärte: 'ihre Macht liegt in der Anonymität...Aller Okkultismus dient den überstaatlichen Mächten' ".

Aber nicht die Freimaurer haben den Ersten Weltkrieg entfesselt, sondern die deutschen Chauvinisten. Schon 1919 hatte der Präsident des Reichsministeriums, Scheidemann, in Weimar klargestellt: "Die alleinige Schuld für das, was geschehen ist, fällt ausschließlich auf die, die allen Warnungen zum Trotz das Verderben entfesselt haben".

Für die Nationalsozialisten war es selbstverständlich, daß Deutschland die Weltherrschaft erringen müsse. Einer ihrer bevorzugten Philosophen war Nietzsche. Er schreibt in "Der Wille zur Macht": "Es naht sich, unabweislich, zögernd, furchtbar wie das Schicksal, die große Aufgabe und Frage: wie soll die Erde als Ganzes verwaltet werden...es ist...möglich gemacht, eine Herren-Rasse heraufzuzüchten, die zukünftigen 'Herren der Erde'; - eine neue, ungeheure, auf der härtesten Selbst-Gesetzgebung aufbauende Aristokratie...eine höhere Art von Menschen, die sich, dank ihrem Übergewicht von Wollen, Wissen, Reichtum und Einfluß des demokratischen Europas bedienen wird als ihres gefügigsten und beweglichsten Werkzeuges, um das Schicksal der Erde in die Hand zu bekommen..."

Der "große Mensch" hat nach Nietzsche folgende Eigenschaften: "Er ist härter, kälter, unbedenklicher", in ihm sind "...Unrecht, Lüge, Ausbeutung am größten".

Nietzsche selbst war ein verletzlicher Mensch mit mangelndem Durchsetzungsvermögen. Mit dieser Schreiberei überkompensierte er ein persönliches Defizit. Verständlich, daß seine Philosophie bei verwandten Seelen Anklang fand. Dazu zähle ich auch Hitler. Die große Pose seiner Härte und Entschlossenheit war nicht echt. Er wollte Künstler werden, er war sensibel - eine Eigenschaft, ohne die er nie diesen großen Erfolg bei der Menschenbeeinflussung haben können. Er diente im Weltkrieg als Meldegänger - nicht mit der Waffe. Wenn man seine Gestik seinen Reden beobachtet, sieht man weiche, fast weibische Bewegungen.

So sahen sie also aus, die nationalsozialistischen Herrenmenschen. Göbbels war klein und hatte eine Klumpfuß. Göring war viel zu fett. Auf einem Plakat schrieb die Bayerische Volkspartei ein spöttisches Zitat: "Erklärt mir doch, Graf Orindur, diesen Zwiespalt der Natur!"

Zu Beginn seiner Karriere beschäftigte sich Hitler mit den angeblichen Weltherrschaftsplänen der Juden, die nach seiner Ansicht die ganze Welt heimlich regieren und ausbeuten würden. 1921 schrieb er im "Völkischen Beobachter", die Juden wollten "die Zertrümmerung der nationalen Staaten" und würden versuchen, "ihren unsichtbaren Staat auszubreiten als oberste Spitzentyrannei über die ganze Welt".

Um die Weltherrschaft zu erlangen, plante Hitler, zunächst Rußland niederzuwerfen. Die Engländer wollte er zunächst als Verbündete, weil sie ebenfalls "Arier" waren. Man sollte sich die Welt teilen: Das europäische Festland sollte Hitlerdeutschland bekommen, während England sein Empire behalten sollte. Später, so hoffte Hitler, würde Deutschland in diesem Bündnis auf Grund der weit größeren Bevölkerungszahl das Übergewicht bekommen. Eines Tages würden dann Deutschland und England vereint gegen Amerika antreten.

Das Sowjetimperium

Im Manifest der Kommunistischen Partei, veröffentlicht 1848 von Marx und Engels in London, heißt es:

"Die Arbeiter haben kein Vaterland". Indem das Proletariat die politische Herrschaft erobert, konstituiert es sich als Nation. Die nationalen Gegensätze der Völker verschwinden immer mehr. Nicht nur die Ausbeutung eines Individuums durch ein anderes, sondern auch die Ausbeutung eines Volkes durch das andere wird aufgehoben. Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern der Nation fällt die feindliche Stellung der Nationen gegeneinander.

Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen.

Für die Marxisten war (und ist) gibt es nur eine Nation: Das Proletariat. Angestrebt wird die weltweite Herrschaft des Proletariats, also die Weltherrschaft des Proletariats.

Für die französischen Revolutionäre war es klar, daß die Kriege nur von den Feudalherren geführt wurden. Wenn erst das Volk herrschen würde, dann würde es keine Kriege mehr geben.

Für die Kommunisten ist klar, daß die Kriege von der Bourgeoisie geführt werden, um an der Produktion und am Handel mit Waffen Geld zu verdienen. Sie glauben, daß man nur die Kapitalisten abschaffen muß, um den Krieg abzuschaffen.

Ein Krieg zwischen sozialistischen Staaten ist für sie undenkbar. Aber das hat sich als Denkfehler erwiesen, denn auch kommunistische Nationen haben sich untereinander bekriegt, z.B. China und Vietnam.

Ein gewisser ehemaliger Schüler eines orthodoxen Priesterseminars, Josef Wisssarionowitsch Dschugaschwili aus Georgien, besser bekannt unter dem Namen Josef Stalin, hielt an der Swerdlow-Universität Vorlesungen über die Grundlagen des Leninismus, die 1924 als Buch erschienen. Er erklärte darin:

Der Leninismus ist der Marxismus im Zeitalter des Imperialismus und der proletarischen Revolution. Der Imperialismus ist Zeit der mächtigen monopolistischen Großkonzerne, der Banken und der Finanzoligarchie in den Industrieländern, die in einen Kampf um Rohstoffquellen und fremde Territorien eingetreten sind. Die Industrieländer beherrschen die abhängigen Völker der Welt. Die Verarmung der Massen führt unausweichlich zur proletarischen Revolution. Die Krise in den kapitalistischen und gleichzeitig in den unterentwickelten Ländern muß verschärft werden, damit der Revolution der Weg geebnet wird. Der Kapitalismus unterdrückt die ungeheure Mehrheit der Bevölkerung der Erde durch eine Handvoll Industrieländer. Dadurch befindet sich die Welt am Vorabend der sozialistischen Revolution. Wichtigstes Instrument der proletarsichen Revolution ist die Diktatur des Proletariats. Denn auch wenn das Proletariat die Macht im Staat besitzt, sind die bürgerlichen Kräfte noch nicht besiegt, weil sie teils mit ihrem Geld ins Ausland geflohen sind, teils im Land geblieben sind und auf eine Rückgängigmachung der Revolution warten. Da man das Geld nicht abschaffen kann, können auch immer wieder neue Kapitalisten aus kleinen Handwerksbetrieben entstehen. Deshalb muß das Proletariat den alten Staat zerschlagen und einen neuen Staat schaffen. Dieser Prozess wird sich über viele Jahre hinziehen. Die Gutsbesitzer und Kapitalisten müssen enteignet werden, dies kann nur unter Anwendung von Gewalt geschehen. Der proletarische Staat ist eine Maschine zur Niederhaltung des Besitzbürgertums. Dabei darf er durch kein Gesetz beschränkt werden. Auch darf es für die Besitzbürger keine Demokratie geben.

Aus dieser Doktrin ergab sich, daß von Moskau aus überall auf der Welt Aufstände und Revolutionen geschürt wurden, mit dem Ziel der Weltrevolution. Wäre dies geglückt, dann hätte es eine Weltdiktatur des Proletariats gegeben. Die nationalen Grenzen wären zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken und die Welthauptstadt wäre Moskau geworden.

Paradoxerweise war aber in der marxistischen Ideologie gar kein Staat vorgesehen, sondern eher eine Art paradiesischer Naturzustand, wie ihn schon Rousseau geschildert hatte. In seinem Buch "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" (der sog. Anti-Dühring") schreibt Friedrich Engels: "Das Proletariat ergreift die Staatsgewalt und verwandelt die Produktionsmittel zum Staatseigentum. Aber damit hebt es sich selbst als Proletariat, damit hebt es alle Klassenunterschiede und Klassengegensätze auf, und damit den Staat als Staat...Der Staat wird nicht abgeschafft, er stirbt ab". Und Lenin schrieb 1917 in Staat und Revolution: "Die Gesellschaft, die die Produktion...neu organisiert, versetzt die Staatsmaschine dahin, wohin sie dann gehören wird: ins Museum der Altertümer, neben das Spinnrad und die Bronzene Axt" und: "In der Frage der Abschaffung des Staates gehen wir mit den Anarchisten keineswegs auseinander".

Aber bis es soweit ist, muß die Partei der Proletarier den Staat mit diktatorischer Gewalt beherrschen. Stalin schreibt in "Über die Grundlagen des Leninismus": "Die Partei...ist das Instrument in der Hand des Proletariats zu Eroberung der Diktatur, solange diese noch nicht erobert ist, zur Festigung und zum Ausbau der Diktatur, nachdem sie erobert ist...Was heißt aber, die Diktatur "behaupten" und "ausbauen"? Das heißt, die Millionenmassen der Proletarier mit dem Geist der Disziplin und der Organisiertheit beseelen...Daraus folgt aber, daß das bestehen von Fraktionen unvereinbar ist sowohl mit der Einheit der Partei als auch mit ihrer eisernen Disziplin".

Die unterdrückten Kleinbauern und arbeitslosen Massen in den Städten der Dritten Welt hatten in diesem Kampf zwischen der kapitalistischen und der sowjetischen Welt die Wahl zwischen zwei Übeln: zwischen einer Militärdiktatur der herrschenden Klassen und einer Diktatur "des Proletariats". Der Verlierer dieser Auseinandersetzung war stets das Volk.

Ein typischen Beispiel ist Afghanistan, das 1921 von England unabhängig wurde. Stalin schreibt: "Der Kampf des Emirs von Afghanistan ist objektiv ein revolutionärer Kampf, trotz der monarchistischen Anschauungen des Emirs und seiner Kampfgefährten, denn dieser Kampf schwächt, zersetzt und unterhöhlt den Imperialismus". Nachdem 1980 die Sowjets in Afghanistan einmarschiert waren, unterstützen die USA die islamisch-fundamentalistischen Stammeskrieger gegen die Russen. Natürlich war ihr Kampf ein objektiv demokratischer, weil er den Kommunismus unterhöhlte.

Das amerikanische Imperium

Nach dem Untergang des Hitler-Imperiums errang das amerikanische Imperium die militärische Vormacht in der Welt. Die Europäer hatten sich in zwei Weltkriegen selbst zerfleischt, die Sowjetunion hatte im Kampf mit den Deutschen ihre letzten Kraftreserven mobilisiert, China lag nach der Invasion der Japaner am Boden und Japan war besiegt. Es gab es keine mit den USA vergleichbare Militärmacht auf der Welt - zumal sie im alleinigen Besitz von Atomwaffen waren.

Aber das Sowjetimperium Stalins ging ebenfalls gestärkt aus dem Krieg hervor und war überzeugt, daß über kurz oder lang das amerikanische Imperium scheitern würde. In einem mit langem Atem geführten Feldzug der Entfachung von Aufständen und Revolutionen wollte Stalin allmählich die weltweite Vorherrschaft des Sozialismus errichten.

Die Amerikaner dachten dagegen nicht im Traum daran, im Handstreich, nachdem einmal die amerikanische Kriegsmaschinerie angelaufen war, den Rest der Welt, zumindest aber die Sowjetunion, in ihr Imperium einzugliedern. Denn das wäre unrealistisch, verlustbringend und unmoralisch gewesen, drei Eigenschaften, die dem amerikanischen Volkscharkter zuwiderlaufen. Die Amerikaner sind moralistisch, pragmatisch und geschäftstüchtig.

Amerika hat Land und natürliche Ressourcen im Überfluß. Es verfügte bereits über ein riesiges Land, zudem hätte es den Mexikanern oder Kanadiern noch weitere Gebiete "abkaufen" können. Warum hätte es sich ein Imperium aufhalsen sollen? Es liegt zwischen zwei Ozeanen in unangreifbarer Lage. Es hatte keine "Vorwärtsverteidigung" nötig. Andererseits wäre sein Imperium durch die Weite des Ozeans vom Mutterland getrennt gewesen.

Die Eroberung der Welt hätte eine gewaltige Kraftanstrengung erforderlich gemacht, und sie hätte die Investition gewaltiger Mittel erfordert. Das wäre nicht populär gewesen. Vermutlich hätte es zu einem "imperial overstretch" geführt, einer Überdehnung der Kräfte, wie das Paul Kennedy nennt.

Aber Amerika hätte ja die Welt nicht unterwerfen, sondern ihr nur eine neue politische Ordnung geben sollen. Dazu hätten die Kräfte gereicht.

Den Amerikanern war in dem historischen, unwiederbringlichen Jahr 1945 die Chance zugefallen, der Welt eine Regierung zu geben. Sie hätten den Versuch unternehmen können, durch die Mittel der Diplomatie, der Bestechung, der Drohung mit Atomwaffen und durch punktuellen und möglichst schonenden Einsatz von nichtnuklearer militärischer Gewalt die Welt in weitgehend selbstverwaltete Bundesstaaten einzuteilen.

Die USA haben sich der Herausforderung, die Weltherrschaft wirklich zu übernehmen, nicht gestellt, sondern sind davor zurückgewichen. Die USA nußten wohl zurückweichen, sonst hätten sie einen "Imperial overstretch" (Paul Kennedy), eine Überdehnung der Kräfte erlitten. Und zurückgewichen sind sie seit diesem unwiederbringlichen Moment von 1945 immer mehr. Stalin konnte seinen Machtbereich bis in die Mitte Deutschlands ausdehnen und der USA einen Rüstungswettlauf aufzwingen, der letztlich wohl teurer gekommen ist und gefährlicher war, als die Eroberung der Sowjetunion. In der Kuba-Krise stand die Welt am Rande des Atomkrieges. Im Korea-Krieg sind die USA zurückgewichen, obwohl sie auf der Straße des Sieges waren. Sie haben zugelassen, daß das demokratische China Dr. Sun Yatsen's von den Maoisten besiegt wurde. Sie mußten sich aus Vietnam zurückziehen, konnten Cuba nicht besetzen, verloren ihren Einfluß in Persien. Im Golfkrieg gegen Saddam Hussein zogen sie sich ebenfalls vorzeitig zurück.

Den USA scheint die Problematik des Zurückweichens und der Zurückhaltung bewußt zu sein. Sie sind sich aber auch bewußt, daß sie allein die Welt nicht in Ordnung bringen können. Hier sind alle demokratischen Industrienationen gefordert.

Die USA haben ein anderes Imperium geschaffen, ein Imperium, das auf keiner Landkarte verzeichnet ist, ein "Imperium ohne Grenzen" (Claude Julien). Es ist schlicht und einfach ein wirtschaftliches und kulturelles Imperium. Es funktioniert nach dem Prinzip, daß die USA (und in ihrem Windschatten die Westeuropäer) die Energie- und Rohstoffvorkommen der Welt zu einem Spottpreis (auf Grund der Überbewertung von Dollar und DM) von den Ländern der Dritten Welt aufkaufen und selbst verbrauchen.

Das amerikanische Imperium funktioniert anders, raffinierter, weniger brutal als das spanische, französische oder englische Kolonialreich und das Sowjetreich. Die ausgebeuteten Gebiete werden nicht besetzt und nicht verwaltet. Das spart gewaltige Kosten und vermeidet riesige Probleme. Das amerikanische Imperium ist ein Imperium der Händler, nicht der Krieger, der Unterhalter, nicht der Missionare.

Nötig wäre aber ein anderes Imperium: eines, das sich als Schutzschirm, als Garant der Menschenrechte und als letzte Hilfsinstanz über ein Reich aus selbstverwalteten und in eigenen Belangen selbst regierten Ländern und Gemeinwesen versteht.

Um ein solches allumfassendes Weltreich vor Bürgerkriegen und Terror, vor Separatismus und ethnischen Konflikten, kurz: vor der hausgemachten Barbarei zu schützen, müßte es in allen Ländern die Medien (im umfassendsten Sinne) kontrollieren und als Erziehungs- und Beeinflussungsmittel nutzen. Es ist nichts Schlechtes daran, wenn die Menschen durch Schule, Religion, Radio, Zeitung, öffentliche Rede, Film und Fernsehen zu der Erkenntnis erzogen werden, daß die Menschenrechte für alle Menschen verbindlich und zu garantieren sind, daß der Gemeinnutz der gesamten Menschheit den Vorrang vor egoistischen Teilinteressen hat, daß Kriege und Ausbeutung ein Verbrechen sind und daß der Reiche mit dem Armen teilen muß.

Dies muß auch in Ex-Jugoslawien geschehen, sonst werden sich die NATOFriedensstifter resigniert zurückziehen müssen. Um ein funktionierndes Staatswesen aufrechtzuerhalten, braucht zweierlei: Die Kontrolle der verbrecherischen Elemente durch die Waffe und die geistige Lenkung des Volkes. Die Waffe allein kann nicht herrschen, und der Geist allein auch nicht.

Der Geist, der das real existierende amerikanische Imperium beherrscht, ist der Geist der Krämer, der Spekulanten, der Geldbesitzer, der Fabrikanten, der Manager und der Technokraten, die von einem Heer Ingenieuren und Wissenschaftlern unterstützt werden. Man will Profit machen, das ist die höchste Maxime.

Nun, es gibt Schlimmeres als die Herrschaft des Geldes: die Herrschaft der Verbrecher, der Psychopathen, der Dummköpfe oder der Fanatiker. Die Menschheit ist nicht verwöhnt worden. So gesehen ist das weiche Imperium der Amerikaner direkt eine Wohltat. Von einer geheimen Weltregierung des jüdischen Finanzkapitals, das von New York aus die Welt beherrscht, kann nicht die Rede sein. Regieren heißt nämlich Verantwortung übernehmen und im sinne des Gesamtwohles zu agieren. Insofern gibt es keine geheime Weltregierung. Es gibt nur eine Anzahl reicher und mächtiger Leute, die sich natürlich auch persönlich kennen und natürlich auch in Kontakt stehen und auch mal zusammenarbeiten. Aber eine Weltregierung gibt es leider nicht.

Um die Welt zu einen und ihr eine Regierung zu geben, in der alle Nationen vertreten sind, dazu braucht es mehr. Aber welches Volk wäre dazu in der Lage? Am ehesten noch die USA, gestützt von den befreundeten Nationen.

Die Schaffung des Europäischen Bundesstaates

Als die USA sich 1919 weigerten, dem Völkerbund beizutreten, war dem jungen Grafen Richard Coudenhove-Kalergi klargeworden, daß nur eine föderativer Zusammenschluß des europäischen Kontinents einen zweiten Weltkrieg verhindern könne.

Coudenhove-Kalergi wurde am 16. Nov. 1894 in Tokio als Sohn eines Diplomaten der österreichischen k. und k. Monarchie und einer japanischen Adligen ergeben. Die Verbindung hatte sich ergeben, weil sein Vater Botschafter in Japan war.

1923 schrieb Coudenhove-Kalergi sein Buch "Paneuropa", das weltweites Echo fand. Jedem Buch lag eine Betrittserklärung zur Paneuropa-Union bei. Bald waren es 1000 Mitglieder. In diesem Buch forderte er den politischen und wirtschaftlichen Zusammenschluß Europas zu einem Staatenbund. Neben diese "europäische Gruppe" sollten in den andern Kontinenten ähnliche Staatenbünde entstehen. 1924 wurde in der Wiener Hofburg das Generalsekretariat der Paneuropa-Bewegung eröffnet. Nationale Paneuropa-Kommitees würden gegründet. Die Paneuropa- Bewegung wurde von Karl Renner, Benesch, Masaryk, Herriot, später von Briand und Dollfuß unterstützt.

Durch Hitlers Machtergreifung geriet die Paneuropa-Bewegung in eine verzweifelte Lage. 1938 marschierte Hitler in Österreich ein und das Paneuropa-Hauptquartier wurde besetzt. Die Paneuropa-Union wurde verboten. Sie fand Zuflucht in Bern, aber das eigentliche Aktionszentrum war Paris, wo die Paneuropa-Idee zur Gegenideologie zum Nationalsozialismus und Bolschewismus wurde. Coudenhove-Kalergi wurde französischer Staatsbürger, aber als Hitler mit der Eroberung Frankreichs begann, mußte er nach New York emigrieren, wo auch das neue Hauptquartier der Paneuropäer entstand.

1946 kehrte Coudenhove-Kalergi nach Europa zurück und veranlasste Churchill, für die Einigkeit Europas und die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland einzutreten. Auf Betreiben von Coudenhove-Kalergi wurde 1947 die "Europäische Parlamentarier-Union gegründet", die sich für ein Europa-Parlament aussprach.

1950 griff der französische Außenminister Robert Schuhmann, ein Lothringer aus Metz, den Gedanken des französischen Wirtschaftsdenkers Jean Monet auf, daß durch eine Verflechtung der deutschen und französischen Montanwirtschaft ein Krieg zwischen diesen Ländern unmöglich gemacht würde. Aus dieser "Montanunion" entwickelte sich die EWG.

In seinem Buch "Vom ewigen Krieg zum großen Frieden" legte CoudenhoveKalergi 1956 folgendes dar:

Es droht die Ausrottung der Menschheit, weil unser Planet ohne Gesetz, ohne Verfassung; Gericht und Polizei ist. Es muß ein föderalistisch strukturierter Weltstaat geschaffen werden. Nicht die UNO, sondern die NATO bildet den Kern des künftigen Weltbundes. Die UNO ist nämlich ohnmächtig.

In seinem 1964 erschienen Buch "Die Wiedervereinigung Europas" beschreibt Coudenhove-Kalergi die Vision eines neuen, größeren Europas: "Das alte Europa in der Mitte, mit einem mächtigen Flügel im Osten, der über Rußland nach Sibirien reicht, und einem mächtigen Flügel im Westen, der Nordamerika umfaßt. Dem slawischen Europa des Ostens bietet das angelsächsische Europa des Westens das Gleichgewicht. Eine Hegemonie des einen oder anderen Flügels über Europa wird dadurch abgewendet. Europa bleibt das westliche Land der Mitte".

Otto von Habsburg

Das Erbe des 1972 in Österreich verstorbenen Coudenhove-Kalergi hat Otto von Habsburg übernommen, der Internationaler Präsident der Paneuropa-Union ist. Er wurde am 20. Nov. 1912 als ältester Sohn des Erzherzogs Karl, des späteren letzten Kaisers von Österreich, und seiner Frau Zita, Prinzessin aus dem Hause Bourbon- Parma, geboren.

Am 30. Nov. 1916 marschierte der damals vierjährige Otto von Habsburg hinter dem Leichenwagen seines Großvaters, Kaiser Franz Josef II. , her und "blickte, fast unwirklich in seiner wohlerzogenen prinzlichen Untadeligkeit, neugierig in die Menge", wie wir in McGuignans Habsburgerbiographie lesen.

Er ist Abgeordneter im Europa-Parlament und Internationaler Präsident der Paneuropa-Union, und er kennt Gott und die Welt. Einmal hat er in die Weltgeschichte eingegriffen, als er mit Gyula Horn das Paneuropäische Picknick 1989 an der ungarisch-österreichischen Grenze organisierte. Da hat er der DDR den Stöpsel rausgezogen und sie ist ausgelaufen. Danach ist er rastlos durch die ehemalige Donaumonarchie gereist, hat alte Beziehungen erneuert und neue geknüpft, was für sein Alter eine erstaunliche Kraftleistung ist. Aber seine Mutter, Kaiserin Zita, ist ja 97 geworden. In einem gewissen Sinn hat er die Donaumonarchie wieder in Besitz genommen. Als Vaclav Havel tschechischer Präsident wurde, ernannte er Dr. Karl Fürst Schwarzenberg zum Leiter seiner Staatskanzlei auf dem Hradschin. Fürst Schwarzenberg ist Chef der jüngeren Linie des Hauses Schwarzenberg und Autor des Buches "Adler und Drache - der Weltherrschaftsgedanke". Ein treuer Freund Habsburgs ist auch Bucar, der slowenische Parlamentspräsident.

Otto von Habsburg bastelt daran, Europa zu einem einzigen Staat zusammenwachsen zu lassen, damit es eine Weltmacht des Friedens werden kann. Sein neuestes Buch heißt: "Friedensmacht Europa". Er will, daß das Europäische Parlament gestärkt und zum richtigen, voll entscheidungsbefugten Parlament würden. Er hat es geschafft, daß seine rechte Hand, der junge Bernd Posselt Europa-Abgeordneter wurde, andere Paneuropäer sitzen schon im Europa- Parlament: Siegbert Alber und Ursula Schleicher. Auch im bayerischen Kabinett waren bis vor kurzem die Paneuropäer mit 2 Ministern vertreten (Thomas Goppel und von Waldenfels).

"Alteri gerunt belli, tu felix Austria nubes" (andere mögen Kriege führen, du glückliches Österreich heiratest). Irgendwie gilt das heute noch. Ein Sohn Otto's von Habsburg, Karl, hat die Tochter des Industriebarons Thyssen-Bornemiza geheiratet. Noch ist Habsburg nicht verloren.

1986 erschien Otto von Habsburgs Buch "Die Reichsidee - Geschichte und Zukunft einer übernationalen Ordnung". Otto von Habsburg schreibt:

Es war ein Fehler Metternichs, die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches nicht rückgängig zu machen, und es war ein Fehler des Kaisers, auf ihn in dieser Frage zu hören.

Auch das künftige Vereinte Europa wird aus der Tradition des Heiligen Römischen Reiches leben. Europa muß ein Reich werden, ob es diesen Namen trägt oder nicht. Jedes Reich wird durch eine höhere Mission geschaffen. Als großer Markt wird Europa keine Dauer haben.

Die Reiche Bismarcks und Hitlers waren keine Reiche, sondern Nationalstaaten, also das Gegenteil eines Reiches. Ein Reich ist nicht auf eine einzige Nation beschränkt, sondern es muß eine Klammer zwischen den verschiedenen Völkern und Staaten sein. Es fußt auf übernationalem Recht und einer übernationalen Idee. Der Reichsbegriff steht für eine staatliche, gesellschaftliche und geistige Ordnung, die über der territorialen Souveränität steht. Sie beruht nicht auf Herrschaft, sondern auf Recht, sie beruht auf einer richtenden und schlichtenden Autorität. Sie dient dem gemeinsamen Wohl und schützt die Schwachen vor den Starken. Sie ist im Zeitalter der Atomwaffen ein Gebot des Überlebens...

Die Berufung der Deutschen al Träger der Reichsidee war es, zwischen den umliegenden Kulturen zu vermitteln. Deutschland hat keine natürlichen Grenzen; seine Volksstämme gehen fließend in die angrenzenden Völker über. Der Nationalismus ist undeutsch; eine Reichsvolk darf nicht nach nationalistischer Vorherrschaft streben. Die Deutschen können Frieden und Sicherheit nur im großen abendländischen Rahmen finden. In dem Moment, wo man versuchte, das Deutschtum abzugrenzen, war die Katastrophe vorprogrammiert. Deshalb mußte das kleindeutsche Bismarckreich scheitern.

Das Erbe des burgundischen Zwischenreiches, das ein Vorläufer einer europäischenFöderation war, ging 1477 durch die Heirat Kaiser Maximalians mit Maria von Burgund auf das Haus Habsburg über. Die Habsburger sind eigentlich Habsburg-Lothringer. Der politische Brennpunkt Europas liegt auf der Linie Straßburg-Luxemburg-Bonn-Brüssel, also auf dem ehemaligen burgundisch- lothringischen Zwischenreich.

Die habsburgische Donaumonarchie war nicht der "Völkerkerker", als der sie diffamiert wurde, sondern sie bot den vielen kleinen Völkern Schutz. Selbst Sozialisten denken in Österreich wehmütig daran zurück.

Eines Tages werden die Völker jenseits des Eisernen Vorhangs ihre Freiheit wiedererlangen.

Der Erste Weltkrieg war einen Folge der Zerschlagung des türkischen Großreiches auf dem Balkan, an dessen Stelle kleine, nationalistische Staaten getreten waren.

Soweit Otto von Habsburg. Ich gebe ihm darin Recht, das Europa und die Welt eine übernationale Ordnung brauchen. Es ist auch richtig, was er über die Mission der Deutschen als Vermittler in Europa gesagt hat. Ich könnte mir sogar einen "Kaiser von Europa" aus dem Hause Habsburg vorstellen. Allerdings müßte es sich dabei um eine konstitutionelle Monarchie handeln, ähnlich der spanischen mit Juan Carlos oder der holländischen, schwedischen oder englischen. Ein solcher europäischer Monarch könnte durchaus eine völkerverbindende und integrierende Wirkung haben. Diese Rolle könnte durchaus auch erblich und "von Gottes Gnaden" sein.

Aber von den Errungenschaften der Aufklärung und der französischen Revolution möchte ich nicht abgehen. Die Volkssouveränität muß klar als das erkannt werden, was sie wirklich bedeutet: Die Souveränität der Menschheit und das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Man sollte das Christentum und die Feudalzeit nicht glorifizieren. Die Völker sind nicht Eigentum der Dynastien, und sie sind nicht das Objekt von Schacher und Tauschgeschäften. Der Papst ist nicht unfehlbar und das Christentum ist nicht die allein wahre Religion. Gottes Wille bleibt unerforschlich; deshalb kann auch keine Dynastie behaupten, sie herrsche von Gottes Gnaden, zumal dieser Gnade oft durch Betrug, Mord und Krieg nachgeholfen wurde.

Aber ich mache Otto von Habsburg für seine Ansichten keinen Vorwurf. Sie ergeben sich einfach aus seiner Herkunft und Biographie. Er ist ein echter Habsburger - und das ist keine Schande.

Die Atombombe und was daraus folgt

Am Abend des 17.Dezember 1938 stellte Otto Hahn fest, daß aus Uran im Strom thermischer Neutronen ein radioaktives Bariumisotop und das Edelgas Krypton entstehen. Er schrieb noch am gleichen Abend an seine ehemalige Mitarbeiterin Lise Meitner, eine Jüdin, die vor den Nazi's nach Schweden geflohen war: "Unsere Radium-Isotope verhalten sich nicht wie Radium, sondern wie Barium. Kannst Du irgendeine phantastische Erklärung vorschlagen?"

Die phantastische Erklärung war: Es ist Barium. Lise Meitners Neffe, der Kernphysiker Otto Frisch, berichtete dem großen Niels Bohr in Kopenhagen von Hahns Entdeckung. Bohr's Kommentar: "Ach, was für Idioten wir doch alle waren! Ach, das ist ja wunderbar! Genauso muß es sein!"

Anfang Januar 1939 berichtete Bohr auf einem Physiker-Kongress in Washington über die Entdeckung Otto Hahns.

Im Februar 1939 wies Frèdèric Joliot in Paris nach, daß bei der Spaltung des Urans Neutronen entstehen. Diese können wiederum neue Uranatome spalten - es entsteht eine Kettenreaktion, bei der eine gewaltige Energie freiwird. Vorausetzung dafür ist nur, daß eine genügende Menge des des Uranisotops 94 an einer Stelle konzentriert ist, und dort auch für kurze Zeit entgegen den auftretenden Explosivkräften gehalten werden kann.

In seinem Roman "Befreite Welt" hatte H.G.Wells schon 1913 einen Atomkrieg (und die Schaffung einer Weltregierung) geschildert. Einer seiner faszinierten Leser war der ungarische Jude Leo Szilard. Er war nicht der einzige Physiker (es waren wohl Dutzende), der den Gedanken einer Atombombe fasste, aber er war vielleicht derjenige, der von ihm am meisten besessen war, und der ihn am konsequentesten zu Ende dachte.

Schon 1933 war ihm an einer Straßenkreuzung in London, als er darauf wartete, daß die Ampel von Rot auf Grün schaltete, der Gedanke gekommen, daß man, um die Atombombe bauen zu können, nur ein Element finden müsse, das bei seiner Spaltung mehr Neutronen freisetzt, als es absorbiert.

Als Szilard von der Entdeckung Hahns gelesen hatte, bat er Frèdèderic Joliot, seine Entdeckungen nicht mehr zu veröffentlichen. Szilard fürchtete, Hitler könnte eine Atombombe bauen lassen. Joliot wies das zurück. Es sei ohnehin zu spät dazu.

Nach dem Beginn des 2.Weltkriegs entwarf Szilard einen Brief an den amerikanischen Präsidenten Roosevelt, den er von Albert Einstein unterschreiben ließ. In dem Brief hieß es: "Es ist vorstellbar, daß außerordentlich wirkungsvolle Bomben eines neuen Typs gebaut werden können". Szilard legte dar, daß eine einzige Bombe eine Stadt ud ihre Umgebung zerstören könnte. Er schloss: "Ich höre, daß Deutschland den Export von Uran aus den tschechischen Gruben, die es übernommen hat, gestoppt hat. Daß es so schnell handelt, mag auf Grund der Tatsache verstanden werden, daß der Sohn des deutschen Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, von Weizsäcker, dem Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin zugeteilt ist, wo jetzt ein Teil der amerikanischen Uran-Forschungsarbeiten wiederholt wird."

Heinrich Jaenecke schreibt in seinem Buch "Mein Gott, was haben wir getan!": "Nichts in seinem Leben hat Einstein später so bedrückt wie seine Unterschrift unter den historischen Brief an Roosevelt. Die Verknüpfung seines Namens mit Hiroshima verdüsterte seine letzten Lebensjahre: Er, der den Krieg immer gehaßt hatte wie die Pest, war zum Steigbügelhalter einer Waffe geworden, die nun den ganzen Globus bedrohte."

Einstein sagte später: "Wäre ich nicht überzeugt gewesen, daß der Krieg gerechtfertigt war, hätte ich dabei nicht geholfen, die Büchse der Pandora zu öffnen..."

Präsident Roosevelt maß der Angelegenheit keine große Beachtung bei und betraute das Amt für Maße und Gewichte mit der Sache. Der Chef dieser offenbar nicht ausgelasteten Behörde, Lyman Briggs berief ein Komitee, das sich am 21.Oktober 1939 zu erstenmal traf. Man beschloss, den Physikern Szilard, Teller und Wigner 2000 Dollar für einen Uran-Graphit-Reaktor zur Verfügung zu stellen.

Bereits am 29.April 1939, vier Monate vor dem Szilard-Einstein-Brief an Roosevelt hatte Professor Paul Harteck von der Universität Hamburg an das Oberkommando der Wehrmacht, also Adolf Hitler geschrieben: "Wir gestatten uns, sie auf die neueste Entwicklung in der Kernphysik aufmerksam zu machen, da sie unseres Erchtens vielleicht die Möglichkeit eröffnet, Sprengstoffe von einer Wirkung herzustellen, welche um viele Größenordnungen den derzeitig in Verwendung befindlichen überlegen ist...Die Energie einer derartigen Kernreaktion übertrifft die einer gewöhnlichen Explosionsreaktion um den Faktor eine Million...Es liegt auf der Hand, daß...dasjenige Land, welches von ihr zuerst Gebrauch macht, den anderen gegenüber ein kaum einholbares Aktivum aufzuweisen hat."

Unmittelbar nach dem Kriegsausbruch am 1.Sept.1939 wurden die führenden deutschen Kernphysiker dienstverpflichtet und einer Arbeitsgruppe, dem "Uranverein" zusammengefasst.

Im Winter 1939/40 fanden der schon erwähnte Otto Frisch und Rudolf Peierl an der Universität Birmingham heraus, daß man, um eine Kettenreaktion in Gang zu bringen, das natürliche Uran, das hauptsächlich aus dem Uran 238 besteht, mit dem Uran 235 anreichern muß. Die "kritische Masse" um eine Uranbombe zu bauen, liegt bei einigen Kilo hochangereichterm Uran.

Anfang März 1940 legten Frisch und Peierl ein Memorandum mit dem Titel vor: "Über die Konstruktion einer Superbombe auf der Grundlage einer nuklearen Kettenreaktion". In einem Begleitschreiben schrieben sie: "Die Druckwelle einer solchen Explosion würde jegliches Leben in einem großen Umkreis vernichten. Die Größe des Gebietes läßt sich schwer bestimmen, doch wahrscheinlich wird sie der des Zentrums einer Großstadt entsprechen. Außerdem wird ein Teil der durch die Bombe freigesetzten Energie radioaktive Substanzen erzeugen, und diese werden sehr starke und gefährliche Strahlung aussenden..ein Teil dieser Radioaktivität wird vom Wind weitergetragen werden und die Kontaminierung ausbreiten...

Die wirksamste Antwort wäre eine Gegendrohung mit einer ähnlichen Bombe. Daher halten wir es für wichtig, mit der Herstellung so bald und so schnell wie möglich zu beginnen..."

Im Juli 1941 empfahl die von der englischen Regierung eingesetzte Studienkommission den Bau der Bombe. Die Bombe könne in etwa zwei Jahren verfügbar sein, wenn man sofort mit dem Bau der Produktionsanlagen begänne. Der Bau einer entsprechenden Fabrik würde etwa soviel wie ein Schlachtschiff kosten. Das sei, gemessen am Produkt, äußerst billig.

Am 30. August 1941gab Churchill Anweisung, die Bombe zu bauen. Er sagte, er wolle "dem Fortschritt nicht im Wege stehen". Das britische Atombombenprojekt erhielt den Decknamen "Direktorium für Röhrenlegierungen". Man entschied sich dafür, den Amerikanern eine Zusammenarbeit anzubieten.

Das amerikanische Atombombenprojekt war bis zu diesem Zeitpunkt kaum vorangekommen. Erst am 9. Oktober 1941 gab Roosevelt befehl, den Bau der Bombe mit ganzer Kraft voranzutreiben. Das ganze Projekt wurde im Sommer 1942 der Armee übertragen. Es bekam den Namen "Manhattan Engineer District". Die Leitung erhielt General Leslie Groves. Er befahl den Bau zweier riesiger Industrieanlagen in Oak Ridge, Tennessee (dort wurde Uran 235 erzeugt) und in Hanford, Staat Washington, wo Plutonium hergestellt wurde.

Eine halbe Million Menschen wurden damit beschäftigt, in fieberhafter Eile eine Atombombe herzustellen. Zu einem solchem Kraftakt war zu diesem Zeitpunkt keine andere Nation fähig, denn Deutschland hatte am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfallen und damit alle seine Kräfte (und die der Russen) gebunden.

Im Februar 1942 begann an der Universität Chicago die Arbeitsgruppe Enrico Fermi's in einer leeren Squash-Halle einen Atomreaktor zu bauen, der am 2. Dez. 1942 in Betrieb ging. Er sollte helfen, einen Weg zu finden, wie man das erforderliche Atombombenmaterial herstellen konnte. Die erste atomare Kettenreaktion wurde in Gang gesetzt.

Im Sommer 1942 wurde Robert Oppenheimer, Professor in Berkely in Kalifornien, zum technischen Leiter des amerikanischen Atombombenprojekts ernannt. Er schlug vor, die Spitzenwissenschaftler und ihre Familien in einem Forschungslabor in Los Alamos, New Mexico, zu konzentrieren.

Die Deutschen hatten inzwischen den Bau der Atombombe aufgegeben. Zwar hatte eine Forschungsgruppe um Werner Heisenberg in der Nähe von Hechingen (in einem Felsenkeller in Haigerloch) einen Schwerwassereaktor in Gang zu bringen), aber der Erfolg blieb aus. Es fehlt am Uran und am schweren Wasser.

Im Sommer 1944 traf sich Frèdèric Joliot mit General de Gaulle und schlug ihm den Aufbau einer nationalen Atom-Macht vor.

Am 23. April 1945 besetzte ein amerikanisches Panzerbataillon Haigerloch und kam damit den Franzosen zuvor. Ein Sonderkommando aus Geheimdienstlern und Atomphysikern baute den Reaktor ab und verhaftete die deutschen Wissenschaftler. Sie wurden in England interniert.

Am 16. Juli 1945 wurde in der Wüste von New Mexico, etwa 100 km von Alamogordo entfernt in der Gegend "Jornado del muerto" ("Todesweg") die erste Atombombe gezündet.

Am 6. August 1945 um 8.14 wurde von dem B-29-Bomber "Enola Gay" die Uran- Atombombe "Little boy" über der Aioi-Brücke im Zentrum von Hiroshima abgeworfen. Die Bombe wurde nach einer Fallzeit von 43 Sekunden in einer Höhe von 580 Metern über dem Erdboden gezündet. Sie forderte etwa 122 000 Todesopfer.

Kommandant des Bombers war der 30-jährige Oberst Paul Tibbets, und der Bomber trug den Namen seiner Mutter

Am 9. August 1945 warf der B-29-Bomber "Bock's Car" die Plutonium-Bombe "Fat man" um 11 Uhr über Nagasaki ab. Es wurden 80000 Menschen getötet.

Welche Folgerungen sind nun aus diesen Ereignissen zu ziehen?

Die Verantwortlichkeit des Wissenschaftlers

Jeder Wissenschaftler, nicht nur die Atomphysiker, sind der Menschheit gegenüber dafür verantwortlich, was sie erforschen und was sie der Öffentlichkeit, den Politikern und den Militärs an Forschungsergebnissen mitteilen.

Die Wissenschaft und die Lehre sind nicht mehr absolut frei und niemandem verantwortlich. Die Wissenschaft darf nicht alles erforschen.

Darüber hinaus muß die Forschungskapazität der Wissenschaft so eingesetzt werden, daß sie hilft, die dringendsten Probleme der Menschheit zu lösen und die schwersten Gefahren abzuwenden.

Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker sollten keine neuen Waffen erfinden und entwickeln. Sie sollte auch nicht ihre Arbeitskraft und das Geld der Öffentlichkeit darauf verschwenden, ganz offensichtlich nebensächliche und belanglose Dinge zu erforschen. Die Menschheit steckt in einer schweren Überlebenskrise und kann es sich nicht mehr leisten, geistige Ressourcen zu verschwenden.

Seit Hiroshima ist der Mythos, daß die Wissenschaft dem Fortschritt und dem Wohlergehen der Menschheit dient, schwer erschüttert worden. Tatsächlich hängt die schwere Umweltkrise und die Bedrohung der Menschheit durch Massenvernichtungswaffen eng mit den großen Erfolgen von Wissenschaft und Technik zusammen.

Das eigentliche Problem ist, daß die ererbten Verhaltensweisen des Menschen nicht mehr in eine Welt passen, in er die Waffen so schrecklich sind und die Fähigkeit, des Menschen, seinen Planeten zu Grunde zu richten, so groß geworden ist.

Der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Forschung muß sich also darauf richten, wie die Gesellschaft und der Mensch geändert werden können, daß sie wieder an die neue, hochtechnisierte Welt angepasst sind. Und diese Anpassung kann nur darin bestehen, daß ein Weg gefunden wird, den Menschen daran zu hindern, sich und seinen Planeten zu zerstören.

Im Juni 1996 wurde ich Zeuge eines Auftritts von zwei Nobelpreisträgern der Chemie (E.O.Fischer, geb. 1915 und Prof. Huber, etwa 15 Jahre jünger) vor Studenten der TU München. Beide forderten die unbedingte Freiheit von Forschung und Lehre und beharrten darauf, daß die Wissenschaft ein Segen für die Menschheit sei. Besonders E.O.Fischer zeigte keinerlei Selbstzweifel.

Ich glaube, jeder Wissenschaftler sollte als erstes lernen, daß er gegenüber der gesamten Menschheit eine Verpflichtung hat. Erst wenn er das von Grund auf kapiert hat, darf er seine Arbeit aufnehmen mit dem Ziel, der Menschheit zu dienen. Erst kommt die Menschheit, dann die Freiheit der Forschung und die Neugierde (und das Karrierestreben) der Wissenschaftler.

Die Verantwortlichkeit der Politiker

Jeder Politiker ist zuallererst dem Wohl der gesamten Menschheit verpflichtet. Aus der begrenzten Sicht der US-amerikanischen Interessen ergab sich der Gedanke, gegen Japan einen Atomschlag zu führen. Aus der Sicht der gesamten Menschheit war das ein Verbrechen.

Es gibt allerdings kaum eine Nation, die das Recht hätte, Amerika an den Pranger zu stellen, am allerwenigsten die Deutschen.

Im Interesse der gesamten Menschheit ist es, daß Ereignisse wie in Auschwitz und Hiroschima niemals mehr vorkommen. Das ist eine Binsenweisheit, aber kaum ein Politiker macht ernsthafte Anstrengungen, Institutionen zu schaffen, die dies wirklich verhindern können.

Die Menschheit ist eine Schicksalsgemeinschaft geworden. Faktisch ist sie dadurch nicht mehr in Nationen aufgeteilt, sondern nur noch in Verbrecher und potentielle Opfer.

Verbrecher sind diejenigen, welche sich durch Waffengewalt, Erpressung, Raub, Diebstahl, Lüge und Betrug Vorteile und Gewinn verschaffen wollen. Potientelle Opfer sind alle Menschen. Es kommt jetzt darauf an, daß die potentiellen Opfer erkennen, wer ihre Feinde sind und wie man sie durch gemeinsames Vorgehen unschädlich machen kann. Dies erfordert natürlich, daß die Opfer einsehen, 1. daß sie bedroht sind, 2. daß sie nicht wehrlos sind, 3. daß sie in der überwältigenden Überzahl sind.

Die Zukunft

Wenn der Norden heute nicht den Armen des Südens ein Stück seines Reichtums abgibt, (wir sollen uns dabei nicht selbst arm machen, denn damit wäre niemand gedient), dann werden die im Süden sie sich selbst das holen, was wir ihnen vorenthalten. Und sie werden es sich notfalls mit Gewalt holen. Sie werden in gelehriger Weise lernen, Massenvernichtungswaffen zu bauen oder sich welche zu kaufen. Und sie werden diese Massenvernichtungswaffen in unsere Städte bringen. Nicht mit teueren Raketen, sondern im LKW. Sie werden uns die Massenvernichtungswaffen im Postpaket schicken. Sie werden uns bedrohen, und sie werden diese Waffen anwenden, wenn wir uns nicht erpressen lassen. Denn sie haben nichts zu verlieren.

Die Welt ist klein geworden, und jedes Volk ist auf die andern Völker angewiesen. Keine Nation und keine Rasse kann den Planeten und seine Ressourcen für sich allein beanspruchen. Wir müssen alle gerecht miteinander teilen. Wenn wir dazu nicht bereit sind, muß die Sache ausgefochten werden. Da aber die Sache nicht ausgefochten werden kann, ohne daß sich die Menschheit selbst vernichtet, müssen die Nationen sich Recht und Gerechtigkeit unterwerfen. Die Menschheit kann sich aber nur einer Instanz unterwerfen, die demokratisch gewählt und kontrolliert wird und welche die gesamte Menschheit repräsentiert. Und diese Instanz muß das militärische Gewaltmonopol haben. Denn wie soll sie die allgemeine Sicherheit garantieren, wenn es außer ihrer Armee noch andere, vielleicht sogar stärkere Armeen gibt?

Nicht den Chinesen und Indern sollen wir uns unterwerfen, sondern der Menschheit, von der wir ein Teil sind. Die Welt muß von allen Völker der Welt gemeinsam regiert werden. Keiner darf ausgeschlossen sein, und keiner soll sich ausschließen dürfen, es sei denn, er bleibt neutral und unbewaffnet.

Die Europäer und Nordamerikaner haben sich durch Forschung und Technik eins beherrschende Position geschaffen, die auch dann noch stark genug sein wird, wenn sie im Weltparlament überstimmt werden. Und sie werden noch genügend Reichtum haben, auch wenn sie den armen Völkern einen Teil abgeben.

Es ist nicht leicht, vom dem national-egoistischen Denken und von den Gruppenegoismen abzugehen. Dem stehen Ur-Instinkte und Existenzängste entgegen. Es ist nicht leicht, nicht nur seinen Nächsten, sondern auch noch den Fernsten zu lieben. Aber was soll unser Handeln regieren? Primitive Instinkte oder die Vernunft und die Liebe?

Da wir aber wissen, daß kein Verlass darauf ist, daß der Mensch sich immer von Liebe und Vernunft leiten läßt, braucht die Menschheit Recht und Gesetz und muß in einer einzigen Rechtsgemeinschaft zusammengefaßt werden.

Wir müssen lernen, daß der einzelne Mensch ohne die anderen Menschen nicht lebensfähig ist. Es sind die anderen Menschen, die uns mit unserem täglichen Brot versorgen. Es sind die anderen Menschen, die uns helfen, wenn wir in Not sind. Diese anderen Menschen sind nicht nur die Angehörigen unserer Familie oder unserer Nation, sondern letztendlich ist es die gesamte Menschheit.

Wir müssen lernen, daß für uns das Überleben der Menschheit genauso wichtig ist wie unser eigenes. Daß wir also aus wohlverstandenem Eigeninteresse dafür sorgen müssen, daß die Nationen, Rassen und Klassen einen Weg finden, friedlich und gerecht miteinander zu leben.

Immer wieder wird es Menschen geben, die ihren Vorteil über die Allgemeinheit stellen werden. Besonders gefährlich werden sie für die Menschheit sein, wenn sie über große Macht, großen Reichtum oder großen Einfluß verfügen. Gerade diese Menschen muß die Menschheit mit größtem Mißtrauen beobachten und tausend Vorkehrungen treffen, daß sie der Menschheit keinen Schaden zufügen können. Die Menschheit muß all diejenigen, die Verbrechen gegen die Menschenrechte oder gegen die Natur begehen, einfangen, vor Gericht stellen, bestrafen und auf den rechten Weg führen. Notfalls muß sie diese Individuen in Notwehr töten, wenn es ihr nicht gelingt, sie vor Gericht und hinter Schloß und Riegel zu bringen. Dazu braucht es Spezialisten. Sie und ihre Vorgesetzten bis hinauf zum Präsidenten des Weltbundesstaates werden stets in Gefahr sein, ein Opfer von Mordanschlägen zu werden. So leicht werden die Mafia, die Verbrecher, die Psychopathen, die hemmungslos Selbstsüchtigen und die Waffenhändler, die Nationalisten und Kriegsgewinnler ihre Sache nicht verloren geben. Ein Gewaltmonopol des Weltstaates werden sie nicht akzeptieren. Denn sie wollen das Gewaltmonopol. Auch in Zukunft muß Krieg geführt werden. Aber nicht gegen Völker oder Volksgruppen, auch nicht gegen soziale Klassen oder gegen Religionsgemeinschaften, sondern gegen einzelne Individuen, die Feinde der Menschheit sind. Dieser Kampf muß durch Recht und Gesetz geregelt werden. Das erforderliche Organ muß die Weltpolizei sein, unterstützt von einem Weltgeheimdienst.

Unsere Pflichten in Gegenwart und Zukunft

Sollen wir hoffen, daß wir alle Menschen dazu bekehren können, freiwillig und immer das Gute zu tun? Das können wir nicht.

Man kann nur dafür sorgen, daß jedermann auf der Welt einen angemessenen Anteil an dem bekommt, was Natur und menschliche Arbeit hervorbringen, und daß auch der Geringste und Letzte genügend bekommt, damit er damit menschenwürdig leben kann.

Aber es muß auch dafür gesorgt werden, daß jedermann, der dazu in der Lage ist, seinen Teil dazu beträgt, die Menschheit zu ernähren und mit dem Notwendigen zu versorgen, sie zu schützen, sie zu pflegen, ihr Freude zu bereiten und sie weiterzuentwickeln.

Es ist nicht schwer, festzustellen, wer der Menschheit nützt und wer der Menschheit schadet. Die Menschheit muß einen Weg finden, ihre Individuen so zu lenken, daß sie der Gesamtheit nützen und ihr die Zukunft sichern.

Der Mensch braucht ein Ziel und eine Aufgabe. Da höchste Ziel muß sein, die Menschheit zu erhalten und weiterzuentwickeln. Dies ist nur möglich, wenn die Natur unseres Planeten intakt bleibt.

Was der Schöpfer mit dem Menschen vorhat, können wir nicht ergründen. Der heutige Mensch ist nicht der Schlußpunkt und krönende Abschluß der Evolution des Lebens. Er ist nur ein Übergang zu weiteren Entwicklungen, die wir höchstens ahnen können. Wir haben nicht nur für uns eine Verantwortung, sondern auch für das, was aus der Menschheit einmal entstehen wird. Das Leben der Menschheit wird von einer Generation an die andere weitergereicht. Wenn ein Glied in dieser Kette der Generationen zerstört wird, werden alle nachfolgenden nie entstehen können. Die Menschheit ist eine Million Jahre alt. Und sie kann, so sie sich als würdig erweist, noch eine Million Jahre existieren. Das sind die Dimensionen, in denen wir denken müssen, wenn es um die Menschheit geht. Und worüber machen sich die großen Weltpolitiker die meisten Gedanken? Wie sie und ihre Anhänger die Macht behalten! Sie machen sich Gedanken, wie sie diesen oder jenen Absatzmarkt erobern können, wie ihr Land diesen oder jenen Vorposten besetzten kann. Vor den wahren Interessen der Menschheit sind dies eitle Spielchen, die gemessen am Alter der Menschheit, nur den Bruchteil einer Sekunde währen. Es gibt heute nur eine wichtige politische Frage: Wie kann die Menschheit verhindern, daß der Faden ihrer Existenz abreißt und die Zukunft von hunderttausend Generationen unwiederbringlich zerstört wird? Staaten und Regierungen kommen und gehen. Das Leben geht seinen Gang. Aber es darf nicht abreißen. Es werden noch viele Fehler in der Politik gemacht werden. Die Zeit wird sie korrigieren, die Menschheit wird aus ihren Fehlern lernen und einen Weg finden, um in Glück und Frieden zu leben. Aber ein Fehler darf nicht gemacht werden: Die Menschheit auszulöschen und den Planeten zu zerstören. Denn dieser Fehler kann nicht repariert werden, diesen Fehler wird die Zeit nicht ausheilen.

Wenn es der Menschheit gelingt, diese schwierige Zeit der drohenden Selbstzerstörung zu überstehen, wird sie vielleicht noch eine große und lange Zukunft vor sich haben. Es ist offensichtlich, daß das Leben sich in die tiefsten Tiefen des Ozeans ausgebreitet hat und auf den höchsten Bergen und in den Wüsten wohnt. Es wird auch die leblosen Planeten und den leeren Weltraum besiedeln. Dieser Weg ist der Menschheit, oder ihrer Nachfolgerin, vorgezeichnet. Wenn die Menschheit diesen Planeten verlassen haben wird und sich in alle Winkel der Milchstraße ausgebreitet haben wird, wird ihre Existenz für lange Zeit gesichert sein. Aber für die nächsten 100 Jahre ist sie auf diesem Planeten gefangen, und es gibt vor der Selbstvernichtung kein Entrinnen. Deshalb sind die nächsten hundert Jahre die kritischsten in der ganzen Menschheitsgeschichte.

Wenn der Mensch schließlich in die Milchstraße vordringen wird, darf er nicht Krieg und Zerstörung ins Universum hinaus tragen. Er darf das Universum nicht wie eine Seuche befallen und seine Niedertracht in den letzten Winkel der Milchstraße tragen. Sondern er muß schon heute lernen, daß er Teil der Schöpfung ist und sie respektieren muß.

Phantastische und gefährliche Zukunft

Vielleicht wird die Forschung einen Weg finden, zerstörte menschliche Körperorgane und Glieder nachwachsen zu lassen. Vielleicht wird der Mensch einen Weg finden, aus einer einzigen Zelle einen ganzen Menschen wieder neu erstehen zu lassen. Vielleicht wird man den Geist und die Erinnerungen eines Menschen digital aufzeichnen und für alle Zeit konservieren können. Vielleicht wird man diesen Geist wieder in einen neuen Körper gießen können. Vielleicht wird der Mensch all die Wunder, aber auch all die Katastrophen, welche in der Bibel stehen, selbst vollbringen. Vielleicht wird er damit nur das tun, was Gott mit ihm vorhat. Vielleicht wird sich aber an die Stelle des Menschen der Computer setzen. Die Menschheit hat viele Zehntausende Jahre Zeit gehabt, sich zu entwickeln. Und wie schnell entwickeln sich die Computer! Sie werden selbst denken lernen, und sie werden sich selbst vermehren. Schon heute sind sie vernetzt, und eines Tages werden sie vielleicht ein gigantisches Superhirn bilden, in dem jeder Computer eine Hirnzelle ist. Und sie werden mit ziemlicher Sicherheit nicht immer Sklaven des Menschen bleiben. Seid wachsam, ihr Frauen, denn ihr seid die wahren Hüterinnen des Fortbestandes der Menschheit, und achtet darauf, was die Männer da bauen und erfinden!

Vielleicht wird man auch die Möglichkeit finden, mit Hilfe der Gentechnologie einen Menschen zu schaffen, der keine Krankheiten mehr hat und viel klüger und edler ist als der heutige Mensch. Vielleicht wird man aber auch eine Bestie schaffen, die nur töten und vernichten will.

Niemals seit ihrem Bestehen war die Menschheit so vielen Risiken ausgesetzt, niemals hatten Politiker eine so große Verantwortung, und niemals waren die Chancen der Menschheit so groß.

Beschränktes Denken der Verantwortlichen

Aber womit beschäftigt sich die Politik? Zu 90 % Prozent ist die Politik ein Gerangel darum, wer wieviel von dem großen Kuchen, den uns die Natur und der Fleiß der Werktätigen gebracht hat, bekommt. Unser kapitalistisches System ist so konstruiert, daß diejenigen, die Kapital haben, und einigermaßen geschickt sind, immer neues Kapital hinzu gewinnen. Aber was bei den Reichen als Besitz in ihren Büchern steht, sind nur die Schulden der Habenichtse. Das Kapital wächst immer mehr, und die Schulden wachsen immer mehr. Beide vermehren sich kraft Zinssatz quasi von selbst, bis "die da unten" die wachsende Last nicht mehr tragen können, die ihnen "die da oben" aufbürden. Kapital und Schulden haben nur die Bedeutung, die man ihnen zumißt. Das Kapital, das aus Aktien, Wertpapieren und Besitztiteln besteht, steht nur auf dem Papier. Es besteht nur solange, solange ein allgemeiner Konsens darüber besteht, daß alles so belieben soll, wie es ist. Es besteht nur solange, solange es Polizei und Militär gibt, um dieses Kapital zu schützt und solange es Menschen gibt, die die Gesellschaftsordnung stützen. Die Schulden von heute werden nicht an die kommende Generation übergehen, denn die Söhne werden nicht bereit sein, die Schulden der Väter zu zahlen.

Aber was ist die hauptsächliche Aufgabe von Polizei und Militär? Nicht der Schutz der gigantischen Vermögen, sondern der Schutz der Menschen. Und was ist Aufgabe der Politiker? Nicht die Vertretung der Interessen der Millionäre, sondern für Gerechtigkeit und Frieden zu sorgen. Sie müssen weit in die Zukunft schauen. Sie müssen Gefahren für den Planeten und die Menschheit erkennen, sie müssen der Menschheit und ihrem Überleben dienen. Sie dürfen nicht mehr an die erste Stelle ihrer Ziele die persönlichen und nationalen Egoismen setzen, sondern sie müssen der gesamten Menschheit dienen. Und sie werden es auch tun, wenn sie von der Öffentlichen Meinung und von einer allgemeinen Übereinkunft der Bürger dazu gezwungen werden.

Der NATO-Beitritt Rußlands

Wie kann nun der große Friede in die Tat umgesetzt werden? Zu allererst muß Rußland der NATO beitreten. Rußland würde das gerne. Es ist verletzt und gekränkt, daß es vom Westen ausgeschlossen wird. Rußland hat sich weit nach Westen geöffnet. Es hat unglaubliche Zugeständnisse gemacht. Es hat erlaubt, daß Deutschland wiedervereinigt wurde. Es hat seine Satellitenstaaten in die Freiheit entlassen. Es hat dem Baltikum, der Ukraine und Weißrußland die Selbständigkeit gegeben. Georgien, Armenien, Kasachstan wurden unabhängige Staaten. War das nur Schwäche? Rußland hätte vielleicht die Kraft gehabt, diese Staaten wieder in die Sowjetunion zurückzuzwingen. Aber Rußland wollte nicht. Rußland wollte Teil der europäsch-amerikanischen Welt werden - sicher auch deswegen, weil sich Rußland Hilfe erhoffte. Aber der Westen verweigert Rußland, vollwertiges Mitglied der abendländischen Gemeinschaft zu werden. Der Westen weist Rußland zurück und versagt ihm die Hilfe. Rußland wird sich für die Demütigungen vielleicht rächen. Dann sei uns Gott gnädig!

Warum will die NATO nicht, daß Rußland Mitglied wird? Weil die NATO für ihren Zusammenhalt ein Feindbild braucht, und weil all diejenigen, die von der Rüstungsindustrie und vom Waffenhandel profitieren, Angst um ihre Gewinne haben. Aber wir sollten nicht die Ansichten des militärisch-industriellen Komplexes übernehmen.

Rußland und alle ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten müssen Teil der NATO werden.

Der Weg zur Weltföderation

Die militärischen Allianz muß auch zu einer wirtschaftlichen Allianz werden. Der Kern dieser wirtschaftlichen Allianz existiert schon: die Europäische Union. Die europäische Union muß ebenfalls erweitert werden. Bis 1999 muß die Wirtschafts- und Währungsunion all der Staaten kommen, die heute Mitglied der EU sind. Bis 2005 müssen Tschechien, Slowakien, Polen, Ungarn und Slowenien angegliedert sein. Bis 2010 müssen folgen (und das wird manche überraschen): USA, Japan, Korea, Kanada, Australien, Neuseeland und Südafrika, sowie: Ukraine, Baltikum, Rußland und alle GUS-Staaten, ferner: Türkei, Israel, Jordanien, Ägypten,

Marokko, Tunesien. Ferner: Die lateinamerikanischen Staaten in Süd und Mittelamerika. Bis 2015 treten bei: Indien, China und die Südostasiatischen Staaten. Bis zum Jahr 2020 treten dann bei: Die restlichen Staaten. Außer der Schweiz vielleicht.

Wenn die Welt einmal so weit ist, dann wird es noch 30 Jahre dauern, bis alle Nationen einen Staatenbund bilden. Der vorgezeichnete Weg ist möglich.

Und die Schweiz? Im Scherz, und doch nicht ganz im Scherz sage ich: Der Schweiz wird dann der Rest der Welt beitreten. Die Welt wird dann in Kantone, Regionen, Bundesländer, national-kulturelle und kontinentale Verwaltungseinheiten eingeteilt.

Politik der Weltföderation

Um Wanderungsbewegungen zu verhindern, müssen einige Vorkehrungen getroffen werden. Denn es ist nicht möglich, daß man zuläßt, daß im Süden ganze Landstriche verwaist werden, während ganze Völkerschaften in den reichen Norden strömen. Jeder Staat muß in die Lage versetzt werden, seine Bürger zu ernähren und zu versorgen. Jedermann auf der Welt muß wenigstens soweit sozial abgesichert werden, daß er etwa auf dem Stand eines heutigen Chinesen existieren kann. Daß dies aus eigener Kraft möglich ist, hat auch Indien bewiesen. Jeder Arbeiter muß einen Lohn erhalten, der ihm und seiner Familie mindestens ein bescheidenes Auskommen gestattet.

Der Staat muß verpflichtet werden, jeden Arbeitsfähigen mit sinnvoller Arbeit zu versorgen, und jedermann, der arbeiten kann, soll auch arbeiten müssen.

Die Bevölkerungszahl muß auf dem heutigen Stand festgehalten werden.

Weltweit: der gerechtere Arbeitslohn

Für Einkommen und Privatbesitz muß es eine Höchstgrenze geben. Niemand soll mehr verdienen als 100 000 DM im Jahr und niemand soll mehr Privatbesitz haben als dem Gegenwert von 2 Millionen entspricht. Ausnahme: jemand besitzt einen Betrieb, den er selbst leitet. Aber auch dann darf sein Einkommen nicht 100 000 DM übersteigen.

Das, was jedermann verdient und besitzt, soll kein Geheimnis sein, sondern für jedermann öffentlich. Jedermann muß für die Öffentlichkeit einsehbar Rechenschaft ablegen, woher sein Einkommen und sein Besitz stammen. Dann werden es Korruption und Verbrechen sehr schwer haben, noch zu existieren.

Laßt Euch nicht erzählen, daß dies Kommunismus und Diktatur sei! In dieser Gesellschaftsordnung kann jedermann dorthin reisen, wo es ihm beliebt - vorausgesetzt er kann die Reise bezahlen. Jedermann kann auch dorthin ziehen, wohin es ihm beliebt - vorausgesetzt, er findet Wohnraum und kann ihn bezahlen. Und jedermann kann dort bleiben, wo es ihm beliebt, vorausgesetzt, daß er dort Arbeit bekommt und seinen Teil für das Gemeinwohl beiträgt. Und hier ist der springende Punkt, der die Zuwanderung begrenzt: In keiner Gemeinde und in keinem Landkreis könnte sich ein Zuwanderer und Wohlstandsflüchtling halten,wenn er nicht Wohnraum und Nahrung erhalten würde. Und dies soll die Gemeinde selbst entscheiden: ob sie die Zuwanderer haben will, ob sie ihnen Wohnraum, Brot und Lohn geben will. Und wenn dies nicht der Fall ist, dann sollen die Zuwanderer kein Bleiberecht haben.

Wenn es den Welt-Bundesstaat gibt, wird es keine Asylanten und politisch Verfolgte mehr geben, denn die Menschenrechte werden überall verbindlich durchgesetzt werden.

Weltweit: die 20-Stunden-Woche

Jedermann kann dann auch über seine Zeit frei verfügen, vorausgesetzt er leistet die 20 Stunden in der Woche ab, die jeder leisten muß, damit die Menschheit mit dem Nötigen versorgt wird. Es kann auch jeder sagen und tun was er will, solange er die andern nicht schädigt, beleidigt oder gefährdet.

In dieser Gesellschaftsordnung gibt keine Diktatur des Proletariats, es gibt auch keine Diktatur der Kapitals, oder des Militärs, oder was auch immer. Es gibt nur eine Art der Herrschaft: Die Herrschaft der Menschheit durch die Menschheit und für die Menschheit.

Oft wird gesagt, die Arbeitslosigkeit ist ein großes Problem. Die Maschinen nehmen den Menschen die Arbeit weg. Ach, wie traurig! Ach, wie traurig, daß der Arbeiter nicht mehr 10 Stunden am Tag in einer zugigen Fabrikhalle schuften darf! Ach, wie traurig, daß die Arbeit von vier Fräsern von einer einzigen NC-Maschine gemacht wird! Ach, wie traurig, daß die Arbeiter in der Lackierei nicht mehr die Lösungsmitteldämpfe einatmen dürfen! Ach, wie traurig, daß heute ein Bauer mehr produziert als früher 10 oder 100 Bauern!

Ach, wie traurig, daß der Bauer keine Knechte und Mägde mehr hat! Seien wir doch froh, daß die Maschinen uns die Arbeit abnehmen und unseren Wohlstand mehren!

Seien wir doch ehrlich: all diejenigen, die eine stumpfsinnige, gesundheitsschädigende und gefährliche Arbeit verrichten, die zudem oft schlecht bezahlt ist, würden doch gerne auf diese Arbeit verzichten - wenn sie weiterhin Lohn und soziale Achtung (und Selbstachtung) behalten könnten. Man sagt "arbeitslos", aber man meint "geldlos".

Ich befürworte, daß die Maschinen den Menschen ihre Arbeit abnehmen. Der Mensch soll nur das tun, was die Maschine nicht kann.

Das, was die Menschheit an Nahrung und Konsumgütern für ihr tägliches Leben braucht, könnten heute wohl 20 % der Werktätigen produzieren. Und sie müßten nicht 40, sondern nur 20 Stunden in der Woche arbeiten.

Und was machen die restlichen 80 % ? Sie sorgen dafür, daß das Produzierte gerecht verteilt wird. Sie sorgen als Polizisten für die Sicherheit, als Ärzte und Pfleger für die Gesundheit. Als Verwalter und Dienstleister sorgen sie dafür, daß der Staat funktioniert. Sie sind Lehrer, Künstler, Sportler und Politiker.

Ich bin sicher, daß niemand auf der Welt mehr als 20 Stunden in der Woche arbeiten müßte, wenn die Arbeit sinnvoll organisiert ist und alle, die heute arbeitslos sind oder sinnlosen Tätigkeiten nachgehen, sinnvoll arbeiten würden.

Wer länger arbeiten will und muß, weil er z.B. Arzt, Künstler, Wissenschaftler, Manager ist oder sonst irgendeine Tätigkeit ausübt, die ihm Erfüllung und Befriedigung schenkt, der soll das tun, und es soll ihm auch angemessen honoriert werden. Das gleiche gilt für Tätigkeiten, auf die Allgemeinheit in besonderer Weise angewiesen ist.

Weltweit: die Beseitigung von Armut

Die Armut der einen ist der Reichtum der anderen. Wenn man die Armut der einen beseitigen will, muß man den übertriebenen Reichtum der anderen beseitigen. Das Ergebnis wird dann allgemeiner Wohlstand sein. Ich will hier nicht den Sozialismus neu erfinden. Warum hat der Sozialismus nicht funktioniert? Weil er den Menschen die Freiheit, die Eigeninitiative und die Motivation zur Leistung genommen hat.

Jedermann soll Privatbesitz haben, und er soll ihn mehren können. Aber es müssen die Auswüchse des Kapitalismus beseitigt werden. Es ist nicht gerechtfertigt, daß jemand eine Million Mark im Jahr verdient. Ein Bauarbeiter, der in Wind und Wetter auf dem Bau steht, der Teerdämpfe und Dreck einatmet, ein Grubenarbeiter, der in Hitze, Lärm und Staub schuftet, leistet mehr als ein Manager, der fürstlich bezahlt wird - manchmal nur dafür, daß er seine Firma in den Bankrott fährt.

Ganz zu schweigen von all denen, die nicht mehr geleistet haben, als die Ehefrau oder der Sohn eines Millionärs zu sein.

Es ist allgemein bekannt, daß die Gesetze viel zu zahlreich sind, und daß dadurch ein Heer von Beamten und Steuerberatern damit beschäftigt ist, die Gesetze auszulegen. Die Parlamentarier sollten nur dann ein neues Gesetz erlassen dürfen, wenn sie gleichzeitig ein überflüssiges abschaffen.

Es ist offensichtlich, daß ein Drittel der menschlichen Arbeitskraft darauf verwendet wird, Waffen herzustellen, Kriege zu führen, die Zerstörungen der Kriege wieder zu beseitigen und die Verwundeten zu pflegen.

Es ist offensichtlich, daß die reiche Klasse einen Teil der ärmeren Menschheit für ihren übertriebenen Luxus arbeiten läßt.

Es ist offensichtlich, daß ein großer Teil der staatlichen Organe damit beschäftigt ist, die Gelder, die der Staat dem Steuerzahler abgenommen hat, wieder an den Steuerzahler oder an Bedürftige weiterzugeben. Ein noch größerer Teil der Verwaltung ist damit beschäftigt, zu prüfen, ob die Ansprüche der Empfänger von staatlichen Zuwendungen auch tatsächlich berechtigt sind. Warum sorgt man nicht einfach dafür, daß jeder, der arbeiten kann, auch arbeitet, und daß er und seine Familie genug zum Leben erhält? Warum erst krasse Einkommensunterschiede entstehen lassen, um sie dann mühsam durch Sozialleistungen zu überbrücken?

Ein anderer Grund für die Arbeitslosigkeit in den Industrieländern ist, daß man die Arbeitsplätze in Billiglohnländer exportiert. Die Politik darf das nicht zulassen. Bis auf besondere Ausnahmen sollen Industrieprodukte auch in der Region hergestellt werden, in der sie verbraucht werden. Jeder Wirtschaftsraum, z.B. Europa oder Nordamerika, soll weitgehend das verbrauchen, was er produziert. Dann sind die ganzen Ungleichgewichte im Handel und in den Währungsparitäten, und die damit verbundene Übervorteilung der wirtschaftlich schwachen Länder, beseitigt.

Die Erde gehört uns allem gemeinsam

Die Rohstoffe des Bodens, also Metalle, Minerale, Kohle, Erdöl und Erdgas sind nicht Eigentum der Nation, auf deren Gebiet sie zufällig vorkommen, sondern Eigentum der gesamten Menschheit. Sie müssen deshalb in die Verwaltung des Weltbundesstaates übergehen. Er muß darüber wachen, daß die Rohstoffe zu einem angemessenen Preis verkauft werden und daß sparsam mit ihnen umgegangen wird. Der Erlös für die Rohstoffe muß der gesamten Menschheit zugute kommen und zu ihrem Wohl und Nutzen verwendet werden.

Ethische Grundsätze für Weltbürger

Es ist oft von einer moralischen Erneuerung in der Politik die Rede. Die Moral ist ganz einfach: Die Menschenrechte und die Charta der Vereinten Nationen müssen weltweit durchgesetzt werden. Die Natur muß geschont werden und die Früchte von Natur und Arbeit gerecht verteilt werden.

Eine Regierung ist gut, wenn sie in diesem Sinne handelt, eine Regierung ist böse und verwerflich, wenn sie es nicht tut.

Die christliche Religion spricht viel von der Ursünde. Aber sie sagt nicht genau, was die Ursünde ist. Es heißt nur: Sünde ist Ungehorsam gegen Gott.

Worin besteht nun die Ursünde wirklich? Sie besteht darin, daß wir Tiere und Pflanzen töten müssen, um uns zu ernähren. Wir müssen die Natur zerstören, um unsere Städte zu bauen und um unsere Felder anzulegen. Wir müssen Kohlenwasserstoffe verbrennen, Staudämme und Kraftwerke bauen, um uns zu wärmen und unsere Zivilisation am Laufen zu halten.

Die Güter der Erde sind knapp, ebenso die gut bezahlten und angenehmen Arbeitsplätze. Die hohen Posten in Staat und Wirtschaft gibt es nur in beschränkter Zahl. Jeder, der nach Erfolg strebt, kann diesen Erfolg nur erringen, indem er andere verdrängt und aussticht. Dies kann in einer sehr zivilisierten und freundschaftlichen Art geschehen, aber es ändert nichts an der Tatsache, daß wir, allein durch unsere Existenz und unserem legitimen Streben nach Glück und Erfolg, anderen Menschen und anderen Lebewesen Leid und Schmerz bereiten müssen.

Was können wir dagegen tun? Wir können bescheiden werden. Wir können darauf verzichten, mehr zu essen, als wir benötigen. Wir können darauf verzichten, große Häuser und Autos zu haben. Wir können darauf verzichten, jedes Jahr weite Reisen zu machen. Wir können darauf verzichten, mehr Kleider zu besitzen, als wir wirklich brauchen. Wir können darauf verzichten, zu viele Zigaretten zu rauchen und mehr Alkohol zu trinken als uns guttut. Und wir sollten nur dann ein hohes Amt anstreben, wenn wir glauben, daß wir auch die Fähigkeit haben, den Anforderungen gerecht zu werden und bereit sind, die erforderlichen Opfer zu bringen. Wir sollten darauf verzichten, immer mehr Reichtum und Macht anzuhäufen, wenn wir nicht bereit sind, diese Macht und den Reichtum zum Wohl der Allgemeinheit zu verwenden.

Ich weiß, daß derartige Maßhalte-Appelle unbeliebt sind, und daß sie kaum Erfolg haben. Deshalb muß der Staat ein solches Verhalten belohnen und ermuntern. Die Film- und Fernsehindustrie, die Medien und alle diejenigen, die Einfluß auf die Menschen haben, müssen die allgemeinen Werturteile verändern. Nach wie vor gilt derjenige, der sich eine überschwere Limousine und einen Privatjet leistet, als bewundernswert. Bei vielen Amerikanern ruft allein schon die Nennung einer sehr großen Geldsumme, die jemand besitzt, fast religiöse Scheu und Bewunderung hervor. Dabei: Was ist der, der mit dem Privatflugzeug herumfliegt oder mit Tempo 200 über die Autobahn brettert? Ein erbärmlicher Umweltverschmutzer. Und wie sind die großen Vermögen zustande gekommen? Letztlich dadurch, daß man etwas teuer verkauft hat (z.B. Aktien, Grundbesitz, die Arbeit anderer Leute usw.), das man vorher billig bekommen hat. Oder man hat die eigene Person verkauft.

Es gibt kaum jemanden, der das moralisches Recht hat, zu behaupten, daß er mehr für die Menschheit leiste als ein guter Arzt oder eine gute Krankenschwester, und daß er auf Grund dieser Mehrleistung auch mehr besitzen, mehr verbrauchen und die Umwelt mehr zerstören darf als die übrigen Menschen.

Ein Weltstaat, der dem nicht Rechnung trägt, wird ein ungerechter Staat sein.

Wirksamer Umweltschutz: nur weltweit möglich

Im Mittelalter gab es die Allmende, das war dasjenige Gemeindeland, das von allen gemeinsam benutzt werden durfte. Das "Drama der Allmende" bestand darin, daß einzelne an er Allmende Raubbau trieben. Dadurch konnte sie persönlichen Vorteil gewinnen, der aber auf Kosten der Allgemeinheit ging. Das Prinzip der Allmende ist: "Gemeinnutz geht vor Eigennutz". Wo dieses Prinzip nicht überwacht und notfalls mit Gewalt durchgesetzt wird, da beginnt das Drama der Allmende.

Unser ganzer Planet ist heute eine Allmende. Wir beobachten, wie Fischgründe von verantwortungslosen Individuen oder Nationen hemmungslos leergefischt werden. Wir sehen, wie die Luft und die Meere hemmungslos verschmutzt werden, wie der Regenwald abgeholzt wird usw., usw.

Was nutzt es einer Nation, wenn sie sich strengen Umwelt-schutzbestimmungen unterwirft, wenn dies der Nachbarstaat nicht tut und deshalb billiger produzieren kann? Der Staat, der umweltbewußt handelt, ist der Dumme und wird auf dem Weltmarkt verdrängt. Nur wenn strenge Umweltbestimmungen für alle Nationen verbindlich durchgesetzt werden, hat die Umwelt noch eine Chance. Dies hat auch die Ökologiebewegung begriffen. Wir Weltföderalisten gehen noch einen Schritt weiter. Wir sagen: eine weltweit verbindliche Umweltgesetzgebung muß her. Und wer kann die erlassen? Nur ein Weltparlament. Und wer kann sie überwachen: Eine Weltumweltbehörde. Und wer kann diese einsetzen? Nur eine Weltföderation. Deshalb ist der Weltföderalismus für den Umweltschutz so wichtig.

Das Wohl des ganzen Planeten muß Maßstab sein

Wer für die Erhaltung der Schöpfung und für die Verminderung des Leidens eintritt, steht mit Sicherheit im Einklang mit dem Plan der Schöpfung. Denn es kann nicht der Plan der Schöpfung sein, die Schöpfung zu zerstören oder die Geschöpfe leiden zu lassen.

Diejenigen, die regieren, dürfen nicht nur ihr eigenes Wohl oder das Wohl ihrer sozialen Klasse, ihres Volksstammes oder ihrer Nation im Sinn haben. Die Menschheit braucht Politiker, die das Wohl der gesamten Menschheit im Auge haben. Wenn ein Einzelner, eine Gruppe oder eine Nation ihre Belange über die der Menschheit stellt, schadet er sich letztendlich selbst.

Jeder Einzelne hat ein Bedürfnis nach Versorgung, Pflege, Anerkennung, Freiheit und Glück. Die Interessen der Menschheit stehen dem nicht im Wege. Wenn außergewöhnliche Opfer für die Menschheit verlangt werden, soll dies von Menschen erbracht werden, die sich freiwillig opfern. Wie viele sind schon gestorben, weil sie glaubten: "Süß ist es für das Vaterland zu sterben". Es werden sich auch eines Tages Menschen finden, die für die Menschheit sterben wollen. Und es werden sich noch mehr finden, die für die Menschheit leben und arbeiten wollen.

Jeder Mensch ist in einen Vertrag hineingeboren, den jeder von uns mit der Menschheit hat. Wir sind verpflichtet, sie zu schützen und ihren Nutzen zu mehren. Und das Gleiche tut sie für uns. Diesen "Sozialvertrag" hat niemand mit seiner Nation geschlossen, sondern mit der gesamten Menschheit. Es gibt keinen deutschen, französischen oder russischen Urvertrag, der die Legitimation der nationalen Herrschaft begründet. Es gibt nur einen ungeschriebenen Vertrag, von dem auch der größte Verbrecher im Grunde seines Herzen weiß. Einen Vertrag, den jeder Mensch mit allen anderen Menschen geschlossen hat, als er auf die Welt kam. Dieser Vertrag lautet: Wir, die Menschheit werden für dich sorgen, solange du lebst. Du aber bist verpflichtet, unsere Menschenrechte zu achten, die Schöpfung zu bewahren, und dem Gemeinwohl zu dienen - solange und soviel, wie es möglich und erforderlich ist.

In Wahrheit gibt es nur eine Nation, die Nation aller derjenigen, die von einer Mutter geboren sind.

Ende der Leseprobe aus 88 Seiten

Details

Titel
Der Weltstaatgedanke
Autor
Jahr
1996
Seiten
88
Katalognummer
V96717
ISBN (eBook)
9783638093927
Dateigröße
580 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Weltstaatgedanke
Arbeit zitieren
Richard Beiderbeck (Autor:in), 1996, Der Weltstaatgedanke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96717

Kommentare

  • Gast am 1.3.2006

    Falsche Informationen zur Bahai-Religion.

    also was hier zur Bahai-religion steht ist leider größtenteils falsch. Wer etwas zu der Bahai-Religion schreiben will, sollte sich besser informieren. Es gibt von Johann Figl in "Handbuch Religionswissenschaft" interessantes zu lesen. oder auch von Manfred Hütter in "Die Weltreligionen". in der vorliegenden arbeit wurde vieles sehr unwissenschaftlich über die Religion betrachtet.

  • Gast am 8.4.2002

    Latein.

    Der Spruch heisst "Bella gerant alii -
    tu, felix Austria, nube." Merke: Wer
    lateinisch zitiert, sollte Latein koen-
    nen.

  • Gast am 9.6.2001

    Hätt mir nicht so viel Mühe gemacht.

    Ich hätt mir an deiner Stelle nicht so viel Mühe gemacht,wenn man erst mal gesehen hat wie lang dein Refarat ist, dann liest es sowieso kein Schwein mehr.

  • Gast am 13.5.2001

    Hast Dir wirklich Mühe gegeben!!!!.

    Ich fand Deine Arbeit wirklich sehr gut. Gleichzeitig konntest Du mir mit Hilfe Deiner Veröffentlichung helfen mich auf meine PB-Klausur vorzubereten!!!!

    Danke!!!

    Super Arbeit-gut formuliert-gut assoziert!

  • Gast am 24.3.2001

    Guter Ansatz weil keine Wissenschaft.

    Guter Ansatz weil keine Wissenschaft

  • Gast am 15.1.2001

    Guter Ansatz, aber keine Wissenschaft.

    Ich begrüsse Richies Text in diesem Forum, auch wenn es ohne Textnachweise etc. nicht ganz wissenschaftlichen Kriterien entspricht. Für alle, die an dem Thema interessiert sind, empfehle ich die Arbeit von Maja Brauer: Weltföderation (Peter Lang, 1995), die einen sehr guten Überblick über die Ideengeschichte globaler Demokratie gibt. Ansonsten sei noch auf das beste deutschsprachige Werk zur Globalisierung hingewiesen von Wolf-Dieter Narr / Alexander Schubert hingewiesen: Misere der Politik (suhrkamp, 1994), insbesondere Teil IV, und auf den Beitrag des renommierten Tübinger Wissenschaftlers Otfried Höffe zu "Für und Wider einer Weltrepublik" in Christine Chwaszcza / Wolgang Kerstin: Politische Philosophie der internationalen Beziehungen (suhrkamp, 1998). Höffe hat dasselbe Thema auch noch mal ausführlicher, aber nicht unbedingt besser behandelt in: Demokratie im Zeitalter der Globalisierung (suhrkamp, 1999).

Blick ins Buch
Titel: Der Weltstaatgedanke



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden