Indonesien zwischen ersten Demokratieerfolgen und nationalem Separatismus


Hausarbeit, 2000

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Historische Einführung
2.1 Einführung in die Parlamentarische Demokratie 1945 - 1957
2.2 Die „Gelenkte Demokratie“ unter Sukarno 1957 - 1965/66
2.3 Die „Neue Ordnung“ des Militärs unter Suharto 1968 - 1998

3. Die ersten Demokratisierungsprozesse
3.1 Suhartos Rücktritt im Jahre 1998
3.2 Die kurze Ära Habibie
3.3 Die demokratischen Wahlen im Jahre1999

4. Die Inhomogene Bevölkerung Indonesiens und deren Problematik
4.1 Die Ethnisch-soziale Vielfalt der Bevölkerung
4.2 Die Auseinandersetzung der ethnischen Gruppierungen

5. Fazit

6. Literaturliste

1. Einleitung

„Indonesien zwischen ersten Demokratie-Erfolgen und nationalem Separatismus“, lautet die These dieser Hausarbeit. Denn nach dem Sturz des militärischen Gewaltherrschers Suharto wurde der Weg zu ersten Demokratisierungsprozessen frei.

Zunächst soll einer kurzer historischer Überblick aufzeigen, warum es bisher als unmöglich galt, in Indonesien ein demokratisches System zu installieren. Daran anschließend soll der Zeitraum nach Suhartos Abtritt unter demokratischen Gesichtspunkten bewertet werden, insbesondere die 17-monatige Amtszeit Habibies und die ersten freien Wahlen demokratischen Charakters im Jahre 1999. Parallel dazu werden aber auch die gewaltsamen Ausschreitungen der ethnischen Gruppierungen und Milizen im Wahljahr 1999 aufgezeigt.

Aus diesem Grunde war es notwendig, aufgrund der Aktualität der Thematik, auf die Tagespresse zurückzugreifen, da es auf diesem Gebiet noch an Fachliteratur mangelt. Im anschließenden Fazit wird dann die zukünftige Entwicklung Indonesiens skizziert unter Berücksichtigung der immensen ethnologischen Probleme des Archipels.

2. Historische Einführung

2.1 Einführung in die Parlamentarische Demokratie 1945 -1957

Die Zeit der parlamentarischen Demokratie war geprägt von dem Bemühen, die vielen Ethnien und das verwirrende Parteiensystem des Landes unter einer zentralen Autorität zu einigen. Die Rahmenbedingungen erschwerten folglich das Etablieren einer planmäßigen wirtschaftlichen Stabilisierung bzw. eines funktionierenden demokratischen Staates. Auch die Tatsache, dass die Wirtschaft überwiegend durch Fremde gelenkt wurde, insbesondere durch die Niederländer und die Chinesen, wobei die Niederländer die ökonomischen Besitzrechte inne hatten und die Chinesen sich um Handel und Kleinindustrie kümmerten, war wenig förderlich. Indonesien war zu diesem Zeitpunkt nicht viel mehr als ein Wirtschaftsapparat, der stets zu funktionieren hatte und wo die Entwicklung einer Demokratie keinerlei Priorität genoss. Zudem verfügte der indonesische Staat weder über die personellen noch über die finanziellen Mittel, um die Lenkung der Wirtschaft in die eigenen Hände zu nehmen. In dieser ersten Phase wären Programme zur Stabilisierung der Wirtschaft auch nicht dem Volk zu Gute gekommen, sondern vielmehr den Niederländern und den Chinesen. Somit blieb nur die Möglichkeit, den noch verbliebenen bodenständigen, jedoch ertragsarmen, Wirtschaftsbereich zu verbessern, um wenigstens zu gewährleisten, dass das Volk eine Existenzgrundlage hat.1

2.2 Die „Gelenkte Demokratie“ unter Sukarno 1957 - 1965/66

Durch die Enteignung und Nationalisierung des gesamten niederländischen Eigentums, leitete Sukarno 1957 die „Gelenkte Demokratie“ ein. 1959 löste das Präsidialsystem dann auch formell die schwache Parlamentarische Demokratie ab2. Diese neue Staatsform sah zudem große Machtbefugnisse für Sukarno vor, die auch obligat für die Durchsetzung der gelenkten Wirtschaft waren. Die hierfür notwendigen Maßnahmen wurden zu einem großen Teil auch mit Hilfe des Militärs durchgesetzt, das ohnehin zu einem immer wichtigeren Machtfaktor wurde3. Die Abkehr vom Liberalismus, innenpolitische Schwierigkeiten mit separatistischen Bewegungen, die außenpolitische Konfrontation anlässlich der Vereinigung Malaysias und schließlich das rücksichtslose Vorgehen gegen die Holländer und Chinesen im Rahmen der „Gelenkten Wirtschaft“, führten zum ökonomischen Kollaps und weiterer Verarmung der Landbevölkerung Indonesiens.4

2.3 Die „Neue Ordnung“ des Militärs unter Suharto 1968 - 1998

Infolge des gescheiterten Putschversuches der Kommunisten am 01.10.65 begann die „Neue Ordnung“ des Militärs unter General Suharto. Sukarno blieb vorerst noch im Amt, bis er 1966 von Suharto entmachtet wurde. 1968 wählte der Volkskongress Suharto zum Staatspräsidenten. Die daraus resultierende Entwicklungskonzeption war als völlig konträr zur „Gelenkten Wirtschaft“ zu bewerten, denn sie wurde von Wirtschaftswissenschaftlern, welche in den USA studiert hatten, konzipiert und impliziert Stabilisierung der Währung, Rehabilitierung der Staatsbetriebe und Entwicklung als 3-Punkte-Programm, wobei sich jenes in Ansätzen an westlichen Werten orientierte.

Kritik im Ausland riefen die umstrittene Integration Westirians 1969 sowie die gewaltsame Annexion Osttimors 1975 hervor5.

Wirtschaftlich ging es mit Indonesien in den 80er und 90er Jahren rasch aufwärts, politisch war das Land jedoch noch immer weit von einer Demokratie entfernt. Ein einschneidendes Beispiel lieferte hierfür das Jahr 1996, als auf Anweisung Suhartos die Zentrale der oppositionellen Demokratischen Partei (PDI) geräumt und die Parteivorsitzende Megawati Sukarno, Tochter des ersten Präsidenten der Republik Indonesiens, abgelöst wurde, kam es in Jakarta zu den schwersten Unruhen seit Jahrzehnten. Bei Protestkundgebungen, die von Militäreinheiten niedergeschlagen worden sind, forderten die Gegner des Suharto-Regimes politische Freiheit und Demokratie6.

3. Die ersten Demokratisierungsprozesse

3.1 Suhartos Rücktritt im Jahre 1998

Die im September 1997 von Thailand ausgehende asiatische Wirtschaftskrise zeigte die ersten Auswirkungen in Indonesien. Die Rupiah geriet infolge dessen unter Druck und verlor zeitweise bis zu 80 % ihres Wertes, was zu rapide ansteigenden Preisen für die Grundnahrungsmittel führte. Derweilen brachen in mehreren Städten und Regionen sporadische soziale Ausschreitungen aus. Die Regierung proklamierte, sie werde vorläufig sämtliche Investitionen stoppen und eine Bankreform durchführen.

Am 8. Oktober rief die indonesische Regierung den Internationalen Währungsfond IWF zur Hilfe, der daraufhin ein Hilfspaket in Höhe von 43 Milliarden US-$ in Aussicht stellte. Die Auszahlung sei aber an eine graduelle Umsetzung zahlreicher Klauseln gebunden, die vor allem politische und wirtschaftliche Reformmaßnahmen vorschrieben.

Präsident Suharto sicherte am 9. Januar 1998 US-Präsident Clinton seine Entschlossenheit zur Durchführung der politischen und wirtschaftlichen Reformen zu.

Rund zwei Monate später verschob der IWF die Auszahlung von 3 Milliarden US-$, da eine Umsetzung der Reformen immer noch nicht eingeleitet wurde, worauf sich in der Bevölkerung große Verärgerung breit machte und auch die Studentenproteste immer massiver wurden. Trotz der landesweiten Proteste, in denen eine Ablösung der Staatsführung gefordert wurde, trat Suharto am 11. März auf der Basis der Schlussabstimmung des MPR eine weitere 5-jährige Amtsperiode an. Eine Umbildung des bisherigen Kabinetts, bestehend aus loyalen Gefolgsleuten und Familienangehörigen, wurde nicht vorgenommen. Dieser Tatsache folgend, forderten Studenten und prominente Oppositionelle eine Sondersitzung des MPR, in welcher unter Mitbestimmung der Bevölkerung ein neuer Präsident gewählt werden solle. Der Oberbefehlshaber des Militärs, General Wiranto und 14 Kabinettsmitglieder forderten am 18. April führende Studentenaktivisten zu einem Dialoggespräch auf, jedoch boykottierten die Studenten zunächst den geforderten Dialog, da dieser in ihren Augen lediglich einem königlichen Zeremoniell gleichkäme und keinerlei handfeste Resultate verspräche. So wurden sie schließlich von der Armee gewaltsam zur Teilnahme gezwungen, was zur Folge hatte, dass keine Übereinkünfte erzielt wurden. Neun Tage später sagte der Studentenaktivist Pius Lustrilanang vor der Menschenrechtskommission (Komnas HAM) über seine Entführung und Folterung durch die Armee aus, was eine weite Empörungswelle zur Folge hatte.

Die landesweit angespannte Lage verschärfte sich, als Suharto am 1. Mai kundgab, dass die Reformen bis zum Jahr 2003 warten müssten. Er befürwortete zwar die Reformmaßnahmen vor 2003, ohne allerdings ein konkretes Konzept vorzulegen. Näheres wurde zunächst nicht bekannt. Am 4. Mai wird eine IWF-Klausel erfüllt: Die Staatlichen Subventionen von Mineralöl, Strom und Wasser wurden zurückgenommen, was eine Preissteigerung von bis zu 71 % zur Folge hatte und die wirtschaftliche Lage eines Großteils der Bevölkerung entscheidend verschlechterte. Der Parlamentsvorsitzende Harmoko befürwortete zwar Reforminitiativen, sagte aber, dass es keine Grund gäbe, eine außerordentliche Versammlung des Parlaments einzuberufen. Am 9. Mai flog Suharto nach Kairo zu einer Gipfelkonferenz der G-15-Gruppe und rief in einer Fernsehrede die Nation zur Besonnenheit auf.

Als am 12. Mai sechs Studenten bei einer friedlichen Demonstration auf dem Kampus der Universität Trisakti in Jakarta von der Polizei erschossen wurden, brachen landesweite Unruhen aus, während Suharto sich in Kairo zum Rücktritt bereit erklärte.

Als Suharto am 15. Mai vorzeitig aus Kairo zurückkehrte, widerrief er seine Bereitschaft zurückzutreten. Indessen erklärte er sich zwei Tage später dazu bereit, dass Kabinett umzubilden. Einige werten diese plötzliche Bereitschaft als erstes Anzeichen, dass er nun doch die Absicht hege, abzutreten.

Zahlreiche Aktionsgruppen bereiteten sich nun auf eine Konfrontation mit dem Regime am 20. Mai vor, da dies der Tag der nationalen Unabhängigkeit ist. Und so besetzten am 20. Mai Studenten das Parlamentsgebäude, allerdings friedlich, und drängten die Parlamentsmitglieder, einen Beschluss zu fassen. Hierauf rief Harmoko Suharto erneut auf, bis Freitag, den 22. Mai zurückzutreten, denn anderenfalls würde das Parlament ein Absetzungsverfahren einleiten. Am 21. Mai war es nun soweit. Die Gewaltherrschaft unter General Suharto war beendet. Seine Abdankungsrede und die Vereidigung seines Nachfolgers Habibie dauerten gerade mal sieben Minuten und die 32 Jahre lang währende Suharto-Ära erlosch7.

3.2 Die kurze Ära Habibie

Nach den ersten hundert Tagen seiner Amtszeit fiel es schwer, ein klares Bild von Präsident Habibie zu zeichnen. Zweifler und Kritiker hielten ihn nach wie vor für einen schwachen Präsidenten und warfen ihm vor, er habe kein klares politisches Konzept und verstehe zu wenig von ökonomischen Zusammenhängen. Unbestritten blieb, dass Habibie in den letzten Monaten versucht hatte, seinen Willen zur Reform zu beweisen. Dazu gehörten etwa die Freilassung einiger politischer Gefangener, der Truppenrückzug aus der Provinz Aceh in Nordsumatra, oder auch die Einleitung eines Militärgerichtsverfahrens gegen Suharto-Schwiegersohn General Prabowo, dem vorgeworfen wurde, hinter den Entführungen von Regimekritikern und möglicherweise auch den Ausschreitungen im Mai gestanden zu haben. Ein weiteres Verdienst war mit Sicherheit auch, dass er der Presse nun mehr Freiheit zugestand, und dass er ein funktionierendes Mehrparteiensystem konstituierte.

Dass Habibie den vor 4 Jahren mit Militärgewalt ins Amt gehobene PDI-Parteichef Soerjadi unterstützte, trübte das Bild vom reformüberzeugten Präsidenten und zeigte eine deutliche Inkonsistenz seiner politischen Linie. Kritische Stimmen forderten zudem eine gerichtliche Untersuchung Suhartos Vermögens und dessen Herkunft, was Habibie unter Hinweis auf die enge Freundschaft zu seinem Vorgänger ablehnte. Auch seine anfänglichen Reformaktionen blieben nach einiger Zeit stecken in einer diffusen Mischung aus Schein-Aktionismus und ad hoc- Entscheidungen8.

Letztlich besiegelte aber die Krise in Osttimor Habibies politisches Schicksal. Zu Hause wurde ihm verübelt, dass er die Abtrennung der ehemaligen portugiesischen Kolonie von Indonesien zugelassen hat. Dies könnte zu Balkanisierung des gesamten Archipels führen. Im Ausland wurde ihm angelastet, er habe seinen Armeechef und Verteidigungsminister Wiranto nicht früher zur Mäßigung gerufen, als Militärs und Milizen auf der Kaffeeinsel nach dem Unabhängigkeitsreferendum verbrannte Erde hinterließen.

Für Juni 1999 hatte Habibie die Wahl angekündigt, bei der er natürlich auch kandidieren wollte. Doch soweit sollte es gar nicht erst kommen. Als das erweiterte Parlament den Rechenschaftsbericht Habibies gerade 17 Monate währenden Regentschaft verwarf, zog Habibie die Präsidentschaftskandidatur zurück.

3.3 Die demokratischen Wahlen im Jahre 1999

Ein Jahr nach dem Sturz Suhartos fanden am 7. Juni in Indonesien landesweite Wahlen statt. In den Medien wurde die Wahl als erste demokratische Wahl seit 1955 bewertet. Nachdem unter Suharto nur drei Parteien zugelassen waren, waren es nun 141 Gruppierungen, die um Sitze im Parlament kämpften. Allerdings erhielten nur 48 Parteien die staatliche Genehmigung zur Wahlteilnahme. Die kommunistische Partei Indonesiens (PKI) wurde weiterhin verboten.9

Entscheidend bei der Wahl waren vor allem Bindungen an Personen. Als Politikerin mit dem stärksten Wählerpotential (30 - 35 %) galt die Vorsitzende der Indonesischen Demokratischen Partei (PDI), Megawati Sukarnoputri. Abdurrahman Wahid, Führer der stärksten Muslimgruppierung des Landes (Nahdlathul Ulama) steht, wie Sukarnoputri auch, für einen säkularen, ethnisch toleranten, multireligiösen Staat und rechnet mit ca. 20 % der Stimmen. Als dritte Hauptfigur hatte sich Amien Rais etabliert; ein "moderner" - sprich: auf stärkeren Einfluss der Moslems setzender - Politiker, dessen Nationale Mandatspartei 20 bis 30 Prozent der Stimmen erhalten konnte. Er versuchte offenbar eine Annäherung an moslemische Splitterparteien, die durchweg eine stärkere Rolle des Islam und seiner Gesetze - bis hin zum Alkoholverbot - fordern. Auch die vierte Kraft, die Golkar-Partei, hielt er als Bündnispartnerin für möglich.10

Drei Wochen vor den Parlamentswahlen flammten die Unruhen überall wieder auf: Kämpfe zwischen Christen und Moslems auf den Molukken, Ausschreitungen im "Garten Mekkas", der Provinz Aceh auf Sumatra, blanker Terror auf Osttimor. Hier sollte die Bevölkerung am 8. August in einem Referendum über Autonomie oder Unabhängigkeit entscheiden. Bewaffnete proindonesische Milizen wollten um jeden Preis verhindern, dass das einst portugiesische, von Jakarta 1976 annektierte Osttimor den Weg der Unabhängigkeit ginge.11 Trotz des unerwartet friedlichen Verlaufs der Parlamentswahlen in Indonesien ist die Gefahr von Unruhen nicht gebannt. Hinter der schleppenden Stimmenauszählung, witterten Oppositionsgruppen den Versuch einer Manipulation. Zwar bestand kein Zweifel mehr, dass die PDI-P von Megawati Sukarnoputri als stärkste Fraktion ins Parlament einzog, aber das Regierungsbündnis Golkar von Präsident Habibie folgte mit geringem Abstand. Die Partei des Ex-Diktators Suharto hatte in den abgelegenen Provinzen erhebliche Stimmenanteile verbuchen können. So könnte er wichtige Reformvorhaben einer künftigen PDI-P-Regierung blockieren. Erst nach zwei Monaten wurde dann das Wahlergebnis bekannt gegeben, wobei sich Habibie über die Wahlkommission hinwegsetzte, die bis dahin noch immer keine Entscheidung gefällt hatte. Hiernach fuhren die Demokraten eine relative Mehrheit von 33,7 % und die regierende Staatspartei Golkar etwa 22 % ein.

Habibie erklärte anschließend, dass die Wahlen als durchaus frei und fair gewertet werden könnten. Dieser Meinung schlossen sich auch ausländische Beobachter an. Proteste gab es jedoch von den 27 Splitterparteien, die keinen Parlamentssitz erhielten, und warfen der Regierung Wahlbetrug vor.

Gemessen am Verlauf dieser Wahl, zeichnet sich doch eine demokratische Entwicklung ab, wobei man sich nun den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen widmen muss.

Unmittelbar vor der Wahl gab es keinen klaren Favoriten. Es zeichnete sich aber ab, dass Amtsinhaber Habibie in der Gunst der Wähler, wegen seiner Nähe zum gestürzten Staatschef Suharto, eines Korruptionsskandals und des Chaos in Osttimor erhebliche Stimmenanteile einbüssen musste.

Währendessen wurden ca. 40.000 Sicherheitskräfte mobilisiert, um den stattfindenden Demonstrationen in der Hauptstadt Herr zu werden.

Nachdem die Beratende Volksversammlung den von Habibie vorgelegten Rechenschaftsbericht ablehnte, zog Habibie wenige Stunden vor der Wahl seine Kandidatur zurück. Somit waren nur noch zwei Kandidaten im Rennen: Megawatiputri und Wahid. Versuche der Golkar einen Ersatz zu finden scheiterten.12

Der moslemische Gelehrte Wahid wurde überraschend zum neuen Präsidenten Indonesiens gewählt. Überschattet wurde dieses demokratische „Ereignis“ von Straßenschlachten und Bombenattentaten. Rund 10.000 Anhänger Megawatis lieferten sich blutige Schlachten mit der Polizei, die damit protokollieren wollten, dass dieses Resultat nicht im Sinne der Einwohner von Indonesien sei.13

Infolgedessen wurde Megawati zur Vizepräsidentin gekürt, was die Anhänger besänftigte. Sie feierten einen zwar nicht ganz so triumphalen Sieg, aber können sich in der Hoffnung wiegen, dass sie es sein wird, die einmal das höchste Amt des Staates bekleiden wird. Denn nach bereits zwei Schlaganfällen ist der jetzige Amtsinhaber Wahid nahezu erblindet und befindet sich auch sonst in labiler körperlicher Verfassung.

Aber vor allem die einfachen Leute verehren Wahid wie einen Heiligen. So wie Megawati als Erbin ihres Vaters Sukarno von den Armen gefeiert wird, profitiert Wahid davon, aus einer Familie von Religionsgelehrten zu stammen. Doch auch ausländische Beobachter sehen in Wahid einen Mann, der sich der bevorstehenden Problematik bewusst stellen wird. In religiösen Fragen ist Wahid, kein Dogmatiker. Stets hat er betont, dass in der säkularen Gesellschaft des Inselarchipels staatliche Politik um des inneren Friedens willen nicht mit Religion vermengt werden dürfe.14

4. Die Inhomogene Bevölkerung Indonesiens und deren Problematik

4.1 Die Ethnisch-soziale Vielfalt der Bevölkerung

Die indonesische Republik umfasst 13677 Inseln, auf denen ca. 200 Millionen Menschen leben. Nominell sind etwa 85 % aller Indonesier Anhänger des Islam, 6,5 % Protestanten , 3,1 % Katholiken, 1,9% Buddhisten und Konfuzianer und eine kleine Anzahl von Naturreligionen. Daher ist die Bevölkerungsstruktur als durchweg heterogen einzustufen, da die auf mehr als 6000 bewohnten Inseln lebenden Indonesier, in noch mal mehrere hundert Ethnien zu unterteilen sind.15

Allerdings leben etwa 60 % der indonesischen Staatsbürger auf Java. Die restlichen 40 % verteilen sich auf den Archipel. Somit wird deutlich, dass eine weitgehende Homogenität lediglich auf Java vorzufinden ist, aber eine Einung der vielen Ethnien auf den tausenden von Inseln, wie sie vom Staat angestrebt wurde, auf Dauer nicht erreicht werden kann.

Eine Demokratie kann nur dann unter der Berücksichtigung der vielen Kulturen und Religionen erfolgreich eingeführt werden, wenn man Staat und Religion trennt.16

4.2 Die Auseinandersetzung der ethnischen Gruppierungen seit 1997

Am 29.05.1997 fanden die Wahlen zum Unterhaus statt. Neben der regierenden Gologan Karya (Golkar) waren nur die muslimische Vereinigte Demokratische Partei (PPP) und die christliche Demokratische Partei (PDI) zugelassen, deren Kandidaten jedoch vom Staatspräsidenten genehmigt werden mussten. Die populäre Oppositionspolitikerin Megawati Sukarnoputri war bereits am 21.06.1997 auf Druck der Regierung als PDI-Vorsitzende abgelöst und ihr damit die Möglichkeit zur Kandidatur entzogen worden. Aus der Wahl, in deren Verlauf es vor allem in der Hauptstadt zu gewaltigen Demonstrationen kam, die über 300 Tote kosteten, ging die Golkar- Partei des Präsidenten erwartungsgemäß als stärkste Kraft hervor: Mit 76,5 % errang sie das beste Ergebnis ihrer Geschichte. Die offizielle Wahlbeteiligung wurde mit 89,9 % angegeben. Indonesische Wahlbeobachter sprachen von einer massiven Beeinflussung des Ergebnisses. Auch nach den Wahlen gingen die gewaltsamen Konflikte weiter. Mitte Juni fanden in Ost- und Zentraljava, Gebieten, die von Armut und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet sind, eine Reihe militanter Demonstrationen statt. In den Städten Bangkalan und Pasuruan kam es zu Plünderungen und Brandstiftungen.

Bereits im Oktober 1996 war das ostjavanesische Situbondo Schauplatz von Unruhen, bei denen christliche Schulen und Klöster von Muslimen niedergebrannt wurden.

Auch die kulturellen Konflikte zwischen Angehörigen verschiedener Regionen ließen nicht nach. In der Provinz West-Kalimantan, dem indonesischen Teil Borneos, entwickelte sich im Februar 1997 eine wochenlange Auseinandersetzung zwischen den sozial deklassierten Ureinwohnern (den christlichen Dayak) und muslimischen Zuwanderern von der Insel Madura, die u.a. im Rahmen der vom indonesischen Staat geförderten Migrationsprogramme in den 70er und 80er Jahren auf die Insel gekommen waren. Hintergrund der Feindschaft waren Landnahme und die Zerstörung der Regenwaldwirtschaft der Dayak. Die Ausschreitungen forderten zahlreiche Opfer, vor allem unter den Maduresen.

Ähnliche Konfliktstrukturen herrschen in Irian Jaya, dem indonesischen Teil Neuguineas, wo die Papua-Ureinwohner als Folge der staatlichen Einwanderungsprogramme mit knapp 200.000 Neuansiedlern konfrontiert sind, vorwiegend muslimische Bauern aus Java. Aber nicht nur zwischen Christen und Muslimen gibt es Konflikte, sondern auch zwischen Muslimen, und der wohl wichtigsten Minorität, den Chinesen. Der wirtschaftliche Erfolg der Chinesen und ihr gruppenkonzentriertes Verhalten haben immer wieder zu Spannungen geführt. Das beste Beispiel hierfür lieferten die antichinesischen Ausschreitungen militanter Moslems ende der 80er, weil man aufdeckte, dass das Kommando Jihad im Jahre 1981 versucht hatte, die Regierung Suharto zu stürzen, um eine islamische Republik auszurufen.

Die natürliche Integration wird immer wieder durch separatistischen Bewegungen, wie die auf Irian Jaya, und die Fretelin auf Osttimor, um nur einige Beispiele zu nennen, gehemmt. Auch das Bemühen, durch die Staatssprache Bahasa Indonesia, die Integration zu fördern scheiterten bisher im Archipel der über 13.000 Inseln.17

5. Fazit

In den 50 Jahren seit der formalen Unabhängigkeit 1949 war die indonesische Bourgeoisie niemals in der Lage mit demokratischen Mitteln zu regieren. Die Ergebnisse der ersten und einzigen offenen landesweiten Wahlen im Jahre 1955 wurden nur zwei Jahre später von Sukarno vollständig über den Haufen geworfen, als er das Parlament und die gewählte konstituierende Versammlung abschaffte. Auf der Grundlage der Verfassung von 1945 etablierte er die sogenannte „Gelenkte Demokratie“. Dies war eine Umschreibung seiner persönlichen Herrschaft in Zusammenarbeit mit Militärchefs, Staatsrepräsentanten und nicht-gewählten politischen ersönlichkeiten, worunter sich auch Repräsentanten der Kommunistischen Partei Indonesiens befanden.

In vielerlei Hinsicht weist die Periode der später 50er, frühen 60er Jahre eine bedenkliche Ähnlichkeit mit dem heutigen Indonesien auf. Das Land war in einer Wirtschaftskriseversunken, Arbeiter, Kleinbauern und die verarmte Stadtbevölkerung kämpften für ihre Forderungen mit Hilfe von Streiks, Landbesetzungen und Protesten. Sukarno beging einen politischen Drahtseilakt, der im Militärputsch in den Jahren 1965/66 endete.

Das gewaltige Ausmaß der Repression und die Tatsache, dass das Suharto-Regime auf willkürliche Verhaftungen, Folter, Gefängnisse und Mord angewiesen war, spiegelt die Unmöglichkeit wider, die Klassenwidersprüche zwischen der winzigen privilegierten Elite und den unterdrückten Massen Indonesiens zu versöhnen. Während Suhartos 32jähriger Herrschaft hat sich erwiesen, dass das Bürgertum nicht in der Lage war, irgendeine Art von nennenswerter Opposition gegen seine Herrschaft zu schaffen.

In Folge des Rücktritts von Suharto war das gesamt Regime genötigt eine neue, demokratischere Färbung anzunehmen, um in den Augen der Massen überhaupt noch glaubwürdig zu wirken. Leute der Regierungspartei, Bürokraten aus dem Staatsapparat und skrupellose Generäle traten auf einmal für demokratischen Wandel und „Reformasi“ ein. Habibie war gezwungen eine Reihe von kleineren Zugeständnissen zu machen, daher wurden bestimmte politische Gefangene entlassen, eine breitere öffentliche Debatte zugelassen und vorgeblich Untersuchungen zu einigen von Suhartos „Exzessen“ eingeleitet.

Nun beginnt eine neue Zeitrechnung im Inselreich, denn durch die ersten freien Wahlen seit 1945 im Jahre 1999 wurde erstmals der Weg zu ersten Demokratisierungsprozessen frei. Der moslemische Gelehrte Abdurrahman Wahid gewann im vergangenen Oktober die Präsidentenwahlen in Indonesien. Vizepräsidentin, und mögliche Nachfolgerin des schwerkranken Wahid, ist die Tochter des ehemaligen Staatspräsidenten Sukarno Megawati Sukarnoputri.

Wahid ist somit ein Hoffnungsträger, nicht nur für Indonesiens Bevölkerung sondern auch für die westliche Welt. Oft hat er betont, dass in der säkularen Gesellschaft den Inselreichs staatliche Politik um des inneren Friedens willen nicht mit der Religion vermengt werden dürfe. Auch für radikale Muslime hat nichts übrig, die seit Jahrzehnten zum Kampf gegen Christen aufrufen. Man kann also sicher sein, dass Wahid zunächst alles daran setzen wird, damit in seinem Land der innere Frieden gewährleistet sein wird.

Allerdings bleibt es abzuwarten, was sich in den nächsten Jahren tun wird. Momentan kann man leider noch keine Aussage über Indonesiens zukünftige Entwicklung machen, da das Land zu einem von den Aufständen in den Provinzen Aceh, Molukken und Irian Jaya geschüttelt wird und zum anderen der Umbruch erst vor drei Monaten stattgefunden hat.

Laut eines Spiegel-Interviews vom 24.01.99 mit Wahid, gibt sich dieser aber optimistisch. Die gewaltigen Aufstände seien „die letzten Zuckungen“. Und sein Zukunftsplan lässt hoffen:“ Ein wichtiger Punkt ist die Sicherung der Rechtsstaatlichkeit. Überdies muss die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Volk klar erkennbar sein. Allen Bürgern muss Gleichheit garantiert werden, unabhängig von ihren religiösen, kulturellen, ethnischen oder politischen Besonderheiten und Überzeugungen. Hinzu kommt das Recht auf freie Meinungsäußerung.“18

Literaturliste

Fremerey, Michael: Indonesien, in: Dieter Nohlen / Franz Nuscheler (Hrsg.): Handbuch der Dritten Welt. Südasien und Südostasien, Bd. 7, 2., völlig neu überarb. u. erw. Aufl., Hamburg 1983, S. 311 - 360

Graf, Arndt: Demokratisierungsblockaden in Indonesien. Die Presseverbote von 1994 und der Machtkampf um die Nachfolge Suhartos, in: Gunter Schubert (Hrsg.): Blockierte Demokratien in der Dritten Welt, Opladen 1998, S. 333 - 365

Heruschka, Wolfgang: Die Präsidentschaftswahlen in Indonesien vom 26. Oktober 1999, in: KAS / Auslandinformationen, 15 (1999), H. 11, S. 74 - 87

Magnis-Suseno, Franz: Perspektiven indonesischer Demokratie, in: Ingrid Wessel (Hrsg.): Indonesien am Ende des 20. Jahrhunderts, Hamburg 1996, S. 11 - 18

Nohlen, Dieter (Hrsg.): Lexikon Dritte Welt. Länder Organisationen, Theorien, Begriffe, Personen, vollst. überarb. 10. Neuauflage, Hamburg 1998

Rüland, Jürgen / Werz, Nikolaus: Mehr Chancen für Demokratie in der Dritten Welt?, in: Peter Opitz (Hrsg.): Grundprobleme der Entwicklungsländer, München 1991, S. 245 - 266

Treuheit, Werner: Sozialismus in Entwicklungsländern. Indonesien, Burma, Ägypten, Tansania, Westafrika, Köln 1971, S. 17 - 44

Internet

www.spiegel.de

www.welt.de

www.wsws.org/de

www.zeit.de

[...]


1 vgl.Fremerey, Michael: Indonesien, in: Dieter Nohlen / Franz Nuscheler (Hrsg.) Handbuch der Dritten Welt. Südasien und Südostasien, Bd. 7, 2., völlig neu überarb. u. erw. Aufl., Hamburg 1983, S. 314-315

2 ebd.

3 vgl. Graf, Arndt: Demokratisierungsblockaden in Indonesien. Die Presseverbote von 1994 und der Machtkampf um die Nachfolge Suhartos, in: Gunter Schubert (Hrsg.): Blockierte Demokratien in der Dritten Welt, Opladen 1998, S. 341-342

6 vgl. Nohlen, Dieter (Hrsg.): Lexikon Dritte Welt. Länder, Organisationen, Theorien, Begriffe, Personen, vollständig überarb. Neuausgabe, Hamburg 1998, S. 359-362

5 ebd.

6 vgl. Die Wahlen in Indonesien und der Kampf für Demokratie, in: www.wsws.org vom 21.05.99 6

7 vgl. Erbs, Walter: In Indonesien herrscht Ratlosigkeit, in: www.dse.de vom 25.05.98

8 vgl. Kein Titel, in: www.dse.de

9 vgl. Die Wahlen in Indonesien und der Kampf für Demokratie, in: www.wsws.org/de vom 21.05.99 7

10 vgl. Jahn, Olaf: Wahlgesetz in Vorbereitung - Habibie orientiert sich am deutschen Modell, in: www.welt.de vom 11.01.99

11 vgl. Weidenhiller, Marta: Indonesien trägt schwer an der Erblast der Suharto-Ära, in: www.welt.de vom 19.05.99 8

12 vgl. Habibie gibt auf, in: www.spiegel.de vom 20.10.99

13 vgl. Straßenschlachten nach Präsidentenwahl, in: www.spiegel.de vom 21.10.99

14 vgl. Sanftes Gesicht des Islam, in: www.spiegel.de vom 30.10.99 9

15 vgl. Graf, Arndt: Demokratisierungsblockaden in Indonesien. Die Presseverbote von 1994 und der Machtkampf um die Nachfolge Suhartos, in: Gunter Schubert (Hrsg.): Blockierte Demokratien in der Dritten Welt, Opladen 1998, S. 334-335

16 ebd.

17 vgl. Nohlen, Dieter (Hrsg.): Lexikon Dritte Welt. Länder, Organisationen, Theorien, Begriffe, Personen, vollständig überarb. Neuausgabe, Hamburg 1998, S. 359-362

18 vgl. Überall gab es Korruption, in: Der Spiegel vom 24.01.00

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Indonesien zwischen ersten Demokratieerfolgen und nationalem Separatismus
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Veranstaltung
Integrierter Studiengang Sozialwissenschaften - FB Politikwissenschaft
Note
1,3
Autor
Jahr
2000
Seiten
15
Katalognummer
V96719
ISBN (eBook)
9783638093941
Dateigröße
405 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Indonesien, Demokratieerfolgen, Separatismus, Integrierter, Studiengang, Sozialwissenschaften, Politikwissenschaft
Arbeit zitieren
Marco Ginzel (Autor:in), 2000, Indonesien zwischen ersten Demokratieerfolgen und nationalem Separatismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96719

Kommentare

  • Gast am 28.6.2002

    Fehler.

    Man sollte jeden Gedanken (und vor allem alle Daten) eigens nachprüfen, um schlimme Fehler zu vermeiden.

  • Gast am 15.4.2002

    Daten.

    Viele Daten sind leider schlichtweg falsch

Blick ins Buch
Titel: Indonesien zwischen ersten Demokratieerfolgen und nationalem Separatismus



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