Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung
1. Industrialisierung in England
- auch Industrielle Revolution: „Umwandlung einer Agrargesellschaft in eine Industriegesellschaft, gekennzeichnet durch schnelle Veränderungen in Produktionstechnik, Wirtschaft und Gesellschaft." - MS Encarta 99 plus
1.1 Zeitliche Einordnung
- 18./19. Jhd.
1.2 Ursachen
- große Handels- und Kolonialmacht (---> Kapitalreserven, billige Rohstoffe)
- Rohstoffe (Erze, Kohle, Holz) auch in Engl. vorhanden
- Ausbau des Verkehrsnetz (Meer, Flüsse, Kanäle, Straßen) durch Staat
- Calvinistische Lehre vermittelte Sparsamkeit und Profitdenken
- genügend Arbeitskräfte und investitionsfreudige Unternehmer
- Bevölkerungsexplosion (durch verbesserte medizin. Lage, keine Epedemien, Säuglingssterblichkeit ging drastisch zurück) ---> brauchen Industriegüter
- Eigentum war durch Gesetze gesichert
- Staat schuf nur Rahmenbedingungen für Industrie (lockte Investoren) nach Lehre von Adam Smith (1776)
- techn. Fortschritt durch zahlreiche Erfindungen (durch Wettbewerbe gefördert):
- 1705 Dampfmaschine (T. Newcomen)
- 1709 Kohle-Koks-Umwandlung (A. Darby)
- 1733 fliegendes Weberschiffchen (J. Kay)
- 1764 Spinnmaschine „Spinning Jenny" (J. Hargreaves)
- 1776 Hochöfen
- 1782 Dampfmaschine durch J. Watt entscheident verbessert (Drehbewegung, zuverlässiger und produktiver als Wasserkraft)
- 1785 mechan. Webstuhl (E. Cartwright)
- 1797 Drehbank (H. Mawkslay)
- 1803 erste Lokomotive (R. Trevithick)
1.3 Erscheinungsformen/Verlauf
- mech. Textilindustrie blühte auf (Engl. war schon vorher für Qualitätstextilien bekannt, jetzt auch noch sehr günstig da Produktivität durch Maschinen entscheident verbessert ---> führte (in vielen anderen Ländern) zu Armut unter Handwebern und Kollegen)
- Hüttenindustrie und Bergbau blühte auf (hohe Nachfrage nach Eisen durch napoleonische Kriege, Koks verbesserte Eisenhütten und lieferte besseres Eisen, durch Bahnen guter Transport)
- Landwirtschaft produktiver (Maschinen, Kunstdünger, größere Felder (mehrere Bauern), Fruchtwechselwirtschaft, Hecken um Felder, resistentere Tiere)
1.4 Gesellschaft während der Industrialisierung
- viele Bauern zogen von Land in die Städte oder Hüttenregionen (versprach besseres Leben), da Landwirtschaft unrentabel geworden war - Adel war großer Gewinner (ihm gehörte das meiste Land ---> Nutzungsrechte)
- Besitz- und Bildungsbürgertum hatte meist durch pol. und wirtschftl. Erfolge finanzielles Polster und Selbstbewusstsein
- Industriearbeiter (ihre traditionelle Lebensweise wurde zerstört, strenge Fabrikordnungen, geringe Löhne (ø1805--->1833 von 23 auf 6 Schilling/Woche), monotone Arbeitsabläufe nach der Uhr, soziale Abhängigkeit vom Arbeitgeber, 12h Arbeitszeit normal) ---> früher baute ein Arbeiter eine gesamte Maschine ---> heute jeder nur einen Prozess
- ca. 1/3 der brit. Bevölkerung lebte in Industriestädten (Rauch, Schmutz, fehlende Wasserversorgung, Verbrechen, Krankheiten)
- oft musste ganze Familie arbeiten um Existenz zu sichern
- jeder 10. Brite lebte am Existenzmin. (in 40er Jahren 1/2Mio. Handweber verhungert, in anderen Branchen ähnlich)
1.5 Auswirkungen
- Bsp.-Wirkung für (vorerst) Mitteleuropa und USA (erzwungener Maßen da Engl. Markt beherrschte)
- große Kluft zw. Arm und Reich
- soziale Frage entstand
2. Industrialisierung in Deutschland
2.1 Zeitliche Einordnung
- zeitl. Einordnung schwierig 1834/35 oder Anfang 50er (Gründe: Dtl. zersplittert (regionale Unterschiede), Def. schwierig), bis in's 20. Jhd.
2.2 Gründe der verspäteten Industrialisierung gegenüber England
- Startprobleme: Folgen des 30-jährig. Krieg - Kleinstaaterei (67 Zolltarife), kein selbstbewusstes Bürgertum (durch Absolutismus), Ständegesellschaft, agrarische Wirtschaftsstruktur, unterentwickeltes Bildungswesen, keine Kolonien (vorerst Rohstoffmangel), Kapitalmangel, ungünstige geografische Lage (kaum Küste), Merkantilismus (fast alle Gewinne der Arbeit gingen an Staat, Zoll, weniger Ein- als Ausfuhr von Waren, Steuern, staatl. Monopole)
2.3 Ursachen der Industrialisierung
- ähnlich Engl. (Bevölkerungswachstum durch verbesserte medizin. Lage, 1810 Gewerbefreiheit, 1811 Bauernbefreiung, 1834 dt. Zollverein, konkurrenzfähig auf Weltmarkt da niedrige Löhne und Lebenshaltungskosten in Dtl., Eisenerz/Kohle (in Elsaß-Lothringen, Ruhrgebiet, Oberschlesien), gut ausgebildete Fachkräfte (durch Bildungsreform), Kapital (Banken/AG's hatten sich etabliert), neue Produktionsverfahren und Maschinen (sowohl aus Engl. als auch Eigenentwicklungen), Wirtschaftsliberalismus Preußens setzt Maßstäbe für norddt. Bund (Förderung priv. Unternehmen und Wettbewerb, staatl. Musterbetriebe, preuß. Staatsbank gab Kredite, Monopole einschränken, freier Warenverkehr))
2.4 Verlauf
- Ausbau des Verkehrsnetzes (1820 Chauseen (befestigte Straßen) in Preußen und 1835 erste Eisenbahn Nürnberg-Fürth)
- sprunghafte Entwicklung der dt. Wirtschaft durch Aufblühen der Schwerindustrie (durch Eisenbahnbau) ab Mitte des 19. Jhd. ---> Ballungsräume und Großstädte ---> Binnenwanderung (Ost--->West)
- Eisenbahnbau ---> Schlüsselfunktion (für Schwerindustrie) wie in Engl. Textilindustrie ---> Grundlagen schon vorhanden durch Engl.
---> Aufbau einer dt. „Eisenbahnindustrie"
2.5 Gesellschaft während der Industrialisierung
- zuvor: Pauperismus (vorindustrielle Massenarmut durch: wenige Fabriken, Überangebot an Arbeitern, Kinder- und Frauenarbeit, keine soziale Absicherung) ---> bereits im 18. Jhd., in 30/40er Jahren des 19. Jhd. in Städten 60% der Menschen am Existenzmin.
- zu Begin der 50er Jahre im 19. Jhd rascher Wandel da Industrialisierung Arbeit bot, Rückgang der Arbeitslosigkeit, jedoch trotzdem Armut
2.6 Auswirkungen
- Dtl. sollte noch führendes Industrieland werden
- „deutsche Industrie" entstand (Elektro- und chem. Industrie)
- enge Verflechtung von Banken und Industrie
- Soziale Frage
Quellen:
- Walter Göbel, Abiturwissen Industrielle Revolution und Soziale Frage
- Klett, Geschichte und Geschehen
- Bertelsmann Discovery '97
- MS Encarta '99 plus
- mein Hefter Klasse 8
- div. Internetseiten
- Borchardt, Die Industrielle Revolution in Deutschland
Häufig gestellte Fragen
Was ist die Industrialisierung laut MS Encarta 99 plus?
Die Industrialisierung, auch Industrielle Revolution genannt, ist die „Umwandlung einer Agrargesellschaft in eine Industriegesellschaft, gekennzeichnet durch schnelle Veränderungen in Produktionstechnik, Wirtschaft und Gesellschaft."
Wann fand die Industrialisierung in England statt?
Die Industrialisierung in England fand im 18./19. Jahrhundert statt.
Welche Ursachen trugen zur Industrialisierung in England bei?
Zu den Ursachen gehören: Englands Rolle als große Handels- und Kolonialmacht, Rohstoffvorkommen, Ausbau des Verkehrsnetzes, calvinistische Lehre, genügend Arbeitskräfte, Bevölkerungsexplosion, gesichertes Eigentum, staatliche Rahmenbedingungen und technischer Fortschritt.
Nennen Sie einige wichtige Erfindungen der Industrialisierung in England.
Zu den Erfindungen zählen die Dampfmaschine (T. Newcomen, J. Watt), die Kohle-Koks-Umwandlung (A. Darby), das fliegende Weberschiffchen (J. Kay), die Spinnmaschine „Spinning Jenny" (J. Hargreaves), Hochöfen, der mechanische Webstuhl (E. Cartwright), die Drehbank (H. Mawkslay) und die erste Lokomotive (R. Trevithick).
Wie wirkte sich die Industrialisierung auf die Gesellschaft in England aus?
Viele Bauern zogen in die Städte, ein neues Bürgertum entstand, Industriearbeiter litten unter schlechten Arbeitsbedingungen, und es kam zu einer großen Kluft zwischen Arm und Reich. Etwa 1/3 der britischen Bevölkerung lebte in Industriestädten mit schlechten Bedingungen. Ca. jeder 10. Brite lebte am Existenzminimum.
Wann begann die Industrialisierung in Deutschland?
Die zeitliche Einordnung ist schwierig, aber es wird von 1834/35 oder den frühen 50er Jahren des 19. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert ausgegangen.
Welche Gründe gab es für die verspätete Industrialisierung in Deutschland im Vergleich zu England?
Gründe waren u.a. die Folgen des Dreißigjährigen Krieges, Kleinstaaterei, fehlendes selbstbewusstes Bürgertum, Ständegesellschaft, agrarische Wirtschaftsstruktur, unterentwickeltes Bildungswesen, Mangel an Kolonien und Kapital, ungünstige geografische Lage und Merkantilismus.
Welche Ursachen förderten die Industrialisierung in Deutschland?
Ähnlich wie in England gab es Bevölkerungswachstum, Gewerbefreiheit (1810), Bauernbefreiung (1811), den deutschen Zollverein (1834), niedrige Löhne und Lebenshaltungskosten, Eisenerz- und Kohlevorkommen, gut ausgebildete Fachkräfte, Kapital, neue Produktionsverfahren und Maschinen sowie den Wirtschaftsliberalismus Preußens.
Wie verlief die Industrialisierung in Deutschland?
Der Ausbau des Verkehrsnetzes (Straßen, Eisenbahn ab 1835) und die sprunghafte Entwicklung der Schwerindustrie ab Mitte des 19. Jahrhunderts führten zu Ballungsräumen und Binnenwanderung (Ost--->West). Der Eisenbahnbau hatte eine Schlüsselfunktion.
Wie wirkte sich die Industrialisierung auf die Gesellschaft in Deutschland aus?
Zunächst gab es Pauperismus, aber mit der Industrialisierung nahm die Arbeitslosigkeit ab, obwohl Armut weiterhin bestand. Es kam zu einem raschen Wandel.
Welche Auswirkungen hatte die Industrialisierung in Deutschland?
Deutschland entwickelte sich zu einem führenden Industrieland mit einer starken Elektro- und chemischen Industrie. Es entstand eine enge Verflechtung von Banken und Industrie, und die Soziale Frage wurde relevant.
Welche Quellen wurden für diesen Text verwendet?
Walter Göbel, Abiturwissen Industrielle Revolution und Soziale Frage, Klett, Geschichte und Geschehen, Bertelsmann Discovery '97, MS Encarta '99 plus, Hefter Klasse 8, div. Internetseiten, Borchardt, Die Industrielle Revolution in Deutschland, Herbert Prokasky - Das Zeitalter der Industrialisierung und die Utopie der bürgerlichen Gesellschaft.
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- Patrick Merla (Autor:in), 2000, Industrialisierung in England und Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96743