Widerstandsrecht bei Thoman von Aquin


Hausarbeit, 1999

27 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG

2 VITA DES THOMAS VON AQUIN MIT EINER HISTORISCHEN EINORDNUNG IN DIESE EPOCHE
2.1 VITA DES AQUINATEN
2.2 EINE HISTORISCHE EINORDNUNG

3 DER FÜRSTENSPIEGEL „DE REGIMINE PRINCIPUM“
3.1 DAS WERK „DE REGIMINE PRINCIPUM“
3.2 DIE FÜRSTENSPIEGEL

4 DAS THOMISTISCHE STAATSVERSTÄNDNIS

5 DIE WIDERSTANDSLEHRE
5.1 DER THEOLOGISCH REVOLUTIONÄRE SCHRITT
5.2 DULDUNG ODER AUFLEHNUNG?
5.3 WIDERSTAND DURCH PUBLICA AUCTORITAS
5.4 CHRISTLICH-GERMANISCHE HERRSCHAFTSAUFFASSUNG
5.5 JA ZUM WIDERSTAND - JA UND NEIN ZUM TYRANNENMORD

6 THOMAS‘ BEDEUTUNG UND WIRKUNG

7 LITERATURANGABEN

1 Einleitung

Immer wieder, von der Antike über das Mittelalter bis zur Gegenwart, haben Philosophen, Theologen und Staatsdenker Position bezogen zum Thema Widerstand, das in seiner letzten Konsequenz auch den Tyrannenmord be- rührt. Eine Lehrautorität in diesem Bereich war und ist Thomas von Aquin, mit dessen Gedanken zum Widerstand sich u.a. auch die Generalität der deutschen Wehrmacht im Zusammenhang mit der moralischen Rechtferti- gung des versuchten Hitler-Attentates beschäftigt hat. Erich Kordt schreibt dazu u.a.: „Vielleicht wäre durch die Tat eines einzelnen das Notwehrrecht eines ganzen Volkes vollzogen worden [...] Heißt es nicht in der Summa theologica: ‚Wenn es keine Berufung auf einen Oberen mehr gibt, dann ist selbst der Tyrannenmord zur Befreiung des Vaterlandes lobenswert‘“.1

Nachstehend sollen nach einem knappen Abrisses der Vita des Thomas von Aquin, einer historischen Einordnung seiner Stellung im 13. Jahrhundert, eine Skizze der mittelalterlichen Fürstenspiegel und seines Staatsbegriffes folgen, um dann die Vorstellungen des mittelalterlichen Denkers zum Widerstandsrecht zu behandeln. Unter Widerstandsrecht wird in Anlehnung an das Vorlesungsverzeichnis „die normativ begründete Gegenwehr gegen illegitime Herrschaft und staatliches Unrecht“ verstanden.

2 Vita des Thomas von Aquin mit einer historischen Einordnung in diese Epoche

2.1 Vita des Aquinaten

2 Thomas wurde in die Familie der Grafen von Aquino geboren, die ihren Stammsitz auf dem Schloss Roccasecca oberhalb des Ortes Aquino im Kö- nigreich Sizilien hatten. Das in der Nähe von Neapel gelegene Schloss der Familie gilt als Geburtsort Thomas‘. Aus Mangel an urkundlich belegbaren Daten zum Geburtstag Thomas‘ gehen die Zahlenangaben bezüglich des Termins weit auseinander. Mit genauer Sicherheit wird dies wahrscheinlich nie festgelegt werden können, aber nach den haltbarsten und wahrschein- lichsten Thesen lässt sich seinen Geburtsjahr auf um 1224/25 festlegen.

Als jüngster Sohn von ungefähr neun Kindern wurde Thomas nach einer sehr häufig praktizierten Sitte Gott dargebracht. Im Jahr 1230 oder 1231 wurde er der berühmten Benediktinerabtei von Monte Cassino übergeben, um gemäß der Benediktiner in die Praxis der Regeln eingeführt und in den Grundfächern unterrichtet zu werden.

Um 1239 begab sich Thomas an die von Kaiser Friedrich II. gegründete U- niversität von Neapel, wo er mit Petrus von Hibernia die damals bestmögli- che Ausbildung in den artes liberales erhielt. Spätestens dort in Neapel, jen- seits der klösterlichen Abgeschiedenheit des Monte Cassinos, müssen die zwei große neue geistige Strömungen dieses Jahrhunderts den jungen Tho- mas von Aquin beeinflusst haben. Einerseits der radikalen Evangelismus der Armutsbewegung, gestützt auf die neu entstandenen Mendikantenorden. Andererseits das neu aufkommende Interesse an den Realitäten des Lebens, eine bis dahin völlig neue Weltlichkeit der Dinge, die in dem Gesamtwerk des Aristoteles eine wichtige Unterstützung findet. Jede dieser neuen gegen- sätzlichen Bewegungen war revolutionär genug, um das geistige Ordnungs- gefüge des mittelalterlichen Denkens zu zerstören. Das bemerkenswerte ist, dass sich der junge Thomas nicht für eine dieser gegensätzlichen Strömun- gen „entschied“, sondern, wie Pieper es schreibt: „[...] dass er gerade nicht wählte zwischen den beiden extremen Möglichkeiten, sondern dass er sie beide wählte, und dies nicht in der Weise einer faktischen Addition, sondern indem er die Zusammengehörigkeit [...] erfasst und erweist“.3 In Neapel hat- te Thomas reichlich Gelegenheit, die Dominikaner, die dort lebten und un- terrichteten, kennen zu lernen und ihre Lebensweise zu beobachten. Der 1215 vom hl. Dominikus gegründete Orden verpflichtet sich zu einem Le- ben in apostolischer Armut, dem Studium und der Betrachtung gewidmet, ausgerichtet auf Unterrichtung und die Verteidigung des Glaubens. Thomas entschied sich für den Eintritt in den Orden 1244, da diese Grundsätze, das Armutsideal und das Lehrende, seinen Vorstellungen entsprachen.

Im selben Jahr trat Thomas, beauftragt vom Ordensgeneral Johannes von Wildeshausen, seine Reise nach Paris zu den höheren Studien an. Die fran- zösische Hauptstadt war zu diesem Zeitpunkt der kulturelle und geistige Mittelpunkt des Abendlandes, den Albert der Große „die Stadt der Philoso- phen „ nannte, und Armandus von Bellovisu als „die erste Stätte theologi- schen Wissens“ bezeichnete. Auf seinem Weg nach Paris wurde Thomas von seiner Familie für nahezu 1 Jahr festgesetzt, um seinen Eintritt in den Mendikantenorden zu verhindern. Man erhoffte sich von ihm eine Kariere beim weltlichen Klerus, die der Familie Ausbreitung ihres Einflussbereiches garantiert hätte. 1245 erreichte Thomas Paris, und lernte dort u.a. bei Alber- tus Magnus. Als dieser 1248 durch das Pariser Generalskapitel damit beauf- tragt wurde, ein Generalsstudium, bzw. eine Ordensuniversität in Köln zu errichten folgte Thomas ihm und verbrachte dort viele weitere Jahre des Studiums. Albertus Magnus hatte auf die wissenschaftliche Entwicklung Thomas eine große Einwirkungen, wie aus einigen vatikanischen Anschrif- ten hervorgeht.

1252 kamen Thomas wieder nach Paris, wo er als Bakkalaureus unter dem Magister Elias Bruneti O.P. seine akademische Lehrtätigkeit antrat und über Bücher der Heiligen Schrift las. In diese Zeit fällt der Ausbruch des soge- nannten Mendikantenstreites, den die Pariser Professoren aus dem Weltkle- rus gegen ihre wissenschaftlich bedeutenderen Kollegen aus dem Domini- kaner- und Franziskanerorden führten. Inhalt der Auseinandersetzungen war das Armutsideal der Bettelorden. Seine offizielle Aufnahme in den Profes- sorenstand verzögerte sich so bis 1256. Wie aus vielen Schriften und Questionen hervorgeht, nahm er die Aufgabe der Lehrtätigkeit überaus ernst, welche als solche ein Ideal des Dominikanerordens darstellt. Sie brachte ihm viele Schüler und ein hohes Ansehen an der Pariser Universität ein. 1259 überließ er seinen Lehrstuhl einem Ordensgenossen und kehrte nach Italien zurück.

Im gleichen Jahr konnte Thomas auf einem Generalkapitel die Studienord- nung für die Dominikanerschulen festlegen. Ebenso wurde die Dominika- nermission Spaniens erörtert. In diesem Zusammenhang hat Thomas eines seiner größten Werke verfasst, die Summa contra Gentiles, die zwischen 1259 und 1264 entstand. Die sechziger Jahre verbrachte er in Italien, wobei er größtenteils in der Nähe des päpstlichen Hofes weilte. Durch den Kontakt mit seinem sehr sprachkundigen Ordensgenossen Wilhelm von Moerbeke, der viele Klassiker Griechenlands übersetzte, gewann Thomas eine philolo- gische Sicherheit mit den Schriften des Aristoteles, die sich in seinem Um- gang mit ihnen sowie in seinen Aristoteleskommentaren zeigt. Die beiden Päpste, Urban IV. und Clemens IV., in deren Umgebung sich Thomas auf- hielt, schätzten ihn außerordentlich und Letzterer bot ihm den erzbischöfli- chen Stuhl von Neapel an, den der Aquinat aber zugunsten seiner wissen- schaftlichen Arbeit und Lehrtätigkeit ablehnte. Zwischen 1265 und 1269 leitete er kurzzeitig das Ordensstudium der römischen Provinz und arbeitete dann wieder als Lektor am päpstlichen Hof. Die Zeit, die ihm hier mehr blieb als in Paris, nutzte Thomas zu zahlreichen literarischen Arbeiten, be- sonders auch zur Inangriffnahme seines grandiosesten Werkes, der Summa theologica, sowie seinem Fürstenspiegel De regimine principum.

Zum Beginn des Jahres 1269 wurde Thomas von seinen Ordensoberen wie- der als Professor der Theologie an die Universität Paris berufen. Dieser zweite Pariser Aufenthalt von 1269 bis 1272 bedeutete den Höhepunkt des wissenschaftlichen Arbeitens in seinem Leben. Es waren Jahre äußerst fruchtbaren literarischen Schaffens, aber zugleich auch schwerer Auseinan- dersetzungen. Die seit 1256 geführten Auseinandersetzungen der Professo- ren aus dem säkularen Klerus gegen die Mendikantenorden flammten erneut auf. Von ungleich größere Tragweite war die Auseinandersetzungen mit dem averroistischen Peripatetismus. Die Anhängerschaft Averroes verstie- ßen in ihren aristotelischen Interpretationen maßgeblich gegen die Dogmen der Kirche, sodass Thomas sich in seinen Schriften im schärfsten Maße ge- gen sie stellte.

Nach dreijährigem Magisterium in Paris kehrte Thomas nach Italien zurück, wo er, vom Orden beauftragt, ein studium generale in Neapel gründete. Im Dezember 1273, vielleicht bedingt durch einen gesundheitlichen Zusam- menbruch nach den langen Jahren übermenschlicher Anstrengungen, stellte Thomas sämtliche Arbeiten ein. Er diktierte nicht mehr, noch verfasste er selber Schriften. So sind mehrere Arbeiten unvollendet geblieben. Im Auf- trag des Papstes, der den Rat des geschätzten Theologen brauchte, machte er sich Ende Januar 1274 auf den Weg zum zweiten Konzil von Lyon. Ein Un- fall zwang den bereits kranken Thomas, die Reise abzubrechen. Er suchte ein auf seinem Weg liegendes Franziskanerkloster bei Fossanova auf. In der Obhut der Mönche starb er am 7. März 1274. Zunächst dort begraben, wur- de sein Leichnam 1369 in die Jakobinerkirche zu Toulouse überführt.

Die Lehren des Thomas von Aquin waren zu sein Lebzeiten schon be- und umstritten, so wurden sie dann auch 1277 von den Universitäten Oxford und Paris verurteilt und aus dem Lehrprogramm gestrichen. Dies wurde widerru- fen, als Thomas von Papst Johannes XXII. am 18. Juli 1323 heilig gespro- chen wurde. Damit war etwas in Gang gekommen, das sich dann weiter bes- tätigte und entfaltete, darin nämlich, dass Thomas 1567 zum Kirchenlehrer erklärt wird. Institutionalisiert wird er, indem er 1918 in das große Gesetz- buch Codex Iuris Canonici aufgenommen wird, mit der Bestimmung, dass die Priester der katholischen Kirche ihre theologische und philosophische Bildung gemäß der Methode, der Lehrer und den Prinzipien des Thomas von Aquin erhalten sollen. Der Titel Doctor communis, der ihm schon kurz nach seinem Tode verliehen wurde, ist neuerdings mit Nachdruck wieder aufgegriffen worden. Pieper: „ [...] man möge ihn, Thomas, dessen Lehrer die Kirche zu ihrer eigenen gemacht habe, den Doctor communis seu uni- versalis nennen, den allgemeinen, universalen Lehrer“.4

2.2 Eine historische Einordnung

Thomas bringt in seinem Fürstenspiegel „ De regimine principum “ die neuen Überlegungen auf den Punkt. Gottzman vertritt die Auffassung, dieser Fürs- tenspiegel könne als Summe der herrschaftsideologischen Diskussion des 13. Jahrhunderts gelten. Thomas verteidigt in dieser Schrift die Unterord- nung aller weltlichen Mach unter den Papst. Zwar hat die weltliche Gewalt ihren eigenen Ursprung und ihre eigene Zielsetzung. Aber es handelt sich um eine endliche Zielsetzung. Das bonum commune hingegen steht unter dem jenseitigen Zweck, auf den die gesamte Menschheit hin vom Papst ge- ordnet wird. Die weltliche Gewalt hat unter dieser Hinordnung eine relative Autonomie. „Diese relative Autonomie war ein geschichtliches Novum, ei- ne Folge der Aristoteles-Rezeption [...] Viele Forscher überbetonen jedoch den Zugewinn aus Selbständigkeit. Sie ,retten‘ Thomas für die Gegenwart, indem sie die Unterordnung aller politischen Gewalt unter den Papst unter- belichten“.5

Das 13. Jahrhundert ist das auf besondere Weise „abendländische“ Jahrhun- dert. Josef Pieper, der bekannte, vor einigen Jahren verstorbene Münsteraner Philosophieprofessor, wagt die Behauptung, „das spezifisch Abendländische sei eben in diesem Jahrhundert zur endgültigen Konstituierung gebracht worden, und zwar durch Thomas von Aquin selbst.“6 Die geistige Dynamik dieses Jahrhunderts wird bestimmt durch zwei Kräfte. Einerseits wird die Bibel durch die Armutsbewegung, die Bettelorden, neu entdeckt und zur Richtschnur christlicher Lehre und christlichen Lebens gemacht. Anderer- seits erhält das Interesse an den Realitäten des Lebens durch die gerade ent- deckten Werke des Aristoteles, die auf abenteuerlichen Wegen durch Über- setzungen aus dem Arabischen ins Lateinische zurück ins Abendland ge- kommen waren, einen mächtigen Impuls. Diese völlig neue, geschlossene aristotelische Weltsicht tritt der ebenfalls einigermaßen geschlossenen christlichen Weltsicht entgegen. Thomas unternimmt es, den Bogen zwi- schen beiden Sichtweisen zu spannen und den Aristotelismus -neben den des Neuplatonismus - mit der Bibel zu verbinden. Zu diesem Punkt meint Flasch: „Die Formel vom christlichen Aristotelismus des Thomas übersieht leicht die Bedeutung, die Dionysius für Thomas hatte“.7

3 Der Fürstenspiegel „De regimine principum“

3.1 Das Werk „De regimine principum“

Thomas von Aquin war einer der produktivsten und meist zitierten Schrei- ber des Mittelalters. Das von ihm noch erhaltene Schriftgut ist äußerst reichhaltig und groß. Hier von Interesse, und darum auch im Mittelpunkt stehend, ist sein Werk " De regimine principum ". Die Politik spielte für Thomas zwar eine untergeordnete , aber doch wieder sehr wesentliche Rol- le. " Über die Herrschaft der Fürsten " ist nicht das einzige oder auch nur das größte politische Werk des Thomas von Aquin. Daneben gibt es um- fangreiche politische und rechtsphilosophische Abhandlungen in den großen Werken „ Summa theologica" und „ Summa contra gentiles" sowie vor allem die Kommentare zur „Ethik" und „Politik“ des Aristoteles. „ De regimine principum “ unterscheidet sich in Stil und Darstellungsweise erheblich von den übrigen wissenschaftlichen Arbeiten des Thomas von Aquin. Es erweist sich einer besonderen Literaturgattung zugehörig: dem Fürstenspiegel (nä- heres zum Fürstenspiegel im folgenden Kapitel).8

Der Entstehungszeitraum des Fürstenspiegels wird von den meisten For- schern auf ca. 1265 gelegt. Der Entstehungsort war entweder Rom oder Or- vieto. Da es das einzige Traktat ist, welches Thomas über die Beziehung vom Kirche und Staat geschrieben hat, gilt „ De regimine principum “ in der Forschung als heftig umstritten. In gedruckter Form umfasst das Werk vier in Kapitel eingeteilte Bücher. Es gab Forscher, die der Authentizität des ge- samten Textes zustimmten oder es abgelehnten. Grabmann und die meisten modernen Autoren sind der Meinung, dass der Text bis Buch II, Kapitel 4, der mit den Worten „ ut animi hominum recreentur" schließt, echt ist.

Ungeklärt ist, warum das Traktat des Thomas von Aquin fragmentarisch blieb. Weisheipl geht in seiner Biografie des Thomas der Überlegungen nach, dass das Geschenk an den König von Zypern, so die Einleitung, unvollendet blieb, weil dieser im Dezember 1267 starb. Weisheipl: " Möglicherweise wurde das Werk eingestellt, als Thomas die Nachricht vom Tode des Königs erhielt ".9 Andere Forscher wie Grabmann oder Eschmann bestehen darauf, dass der Empfänger nicht Heinrich, sondern Hugo II. oder III., ebenfalls Könige des Kreuzfahrerstaates Zypern, sei.

Thomas von Aquin setzte nicht nur in philosophisch-theologischen Belangen neue Standards, sein Fürstenspiegel „Über die Herrschaft der Fürsten“ wird der im Mittelalter meistverbreitete überhaupt.10

3.2 Die Fürstenspiegel

Bei einem Fürstenspiegel handelt es sich um ein in paränetischer Absicht an einen König oder Regenten gerichtetes Werk. Die Paränese kann sich in di- rekten Ermahnungen zur Gestaltung der herrscherlichen Ethik oder Amts- führung ausdrücken. Darüber hinaus bezieht er sich auf die staats- und ge- sellschaftstheoretischen Zusammenhänge, die die Person des Empfängers angeht. Angesiedelt zwischen Sein und Sollen des herrscherlichen und poli- tischen Bereichs ist der Fürstenspiegel klar Abzuheben von publizistischen, staatstheoretischen und sozialphilosophischen Traktaten. Wobei sie die Ü- berlegungen von politischer Ethik gemeinsam haben. Im Frühmittelalter wa- ren ausschließlich Könige Empfänger der Fürstenspiegel. Inhalte dieser Phase sind die Darlegungen der ethischen Normen für Person und Amt des Herrschers, doch finden sich schon Erörterungen zu den Grundlagen des Gemeinwesens und zum Gewaltenverhältnis. Die Partikularisierung von Herrschaft in späterer Zeit ist Ursache für im 13. Jahrhundert entstehenden Fürstenspiegel für Monarchen als auch solche für territoriale und städtische Herrschaftsträger. Inhaltlich herrscht nun der durch grundsätzliche Reflexi- on gekennzeichnete Gattungstyp vor. Die Überlegungen der klassischen griechischen Theorie über den Staat als Organismus (Platon / Aristoteles) gewannen im Hochmittelalter an Aktualität. Diese traten, gerade bei Tho- mas von Aquin, in Kontakt mit dem bis dahin entstandenen theokratischen mittelalterlichen Denken.11

Im Mittelpunkt der Fürstenspiegel bis vor etwa 1220 steht die ethische und soziale Integrität der Herrscherpersönlichkeit, nicht des „civis“. Der König - und insofern stellen die Fürstenspiegel umfangreiche Tugendkataloge für den Herrscher auf - muss seinem Volk Vorbild sein. Das Volk ist aufgefor- dert, der Tugendhaftigkeit des Herrschers nachzueifern. Durch sie wird die pax, der Frieden, gewährleistet, wobei Frieden gleichbedeutend ist mit Ge- rechtigkeit. Die mittelalterliche Staatsauffassung - soweit hier von Staat die Rede sein kann - war eine theokratische und geprägt durch die Auffassung: „Alle Obrigkeit kommt von Gott, der Herrscher ist ein minister Dei und der Bürger ist ein subditus, der keine autonome Stellung besitzt“12. Von daher werden die Bürger eines Landes in den Fürstenspiegeln nicht besonders er- wähnt. Sie sind im tugendhaften, vorbildlichen Herrscher mit einbegriffen. Im Laufe des 13. Jahrhunderts, dem Jahrhundert des Thomas von Aquin, ändert sich diese rein personale Herrschaftsauffassung, in der die soziale Komponente ganz in die Persönlichkeit des jeweiligen Herrschers gelegt ist. Diese geänderte Auffassung findet ihren Niederschlag ebenfalls in den Fürs- tenspiegeln. Gründe waren tiefgreifende politische, kulturelle und theolo- gisch-philosophische Veränderungen. Der fortschreitenden Territorialisie- rungsprozess des mittelalterlichen Reiches sowie die Änderung des Kö- nigswahlrechts (Goldene Bulle) hatten eine Lösung vom individualbezoge- nen Herrschaftsverständnis als Folge. Das Gemeinwesen, seine Mitglieder, Aufgaben und mögliche Formen des Gemeinwesens rückten in den Mittel- punkt der Betrachtungen. An dem Personenverbandsstaat, der gekennzeich- net war durch gegenseitige Rechte und Pflichten von Lehnsherren und Lehnsmann bzw. Vasall, ändert sich zwar nichts, aber in bezug auf die Herr- schaftsverhältnisse rückt anstelle der integralen Herrschaftsauffassung eine duale. Der einzelne Mensch und die Interdependenz des Wirkens von König und Untertanen rücken in der Staatsbetrachtung gleichgewichtig neben die Position des Königs. „Es tritt nun langsam ein Säkularisierungsprozess ein, der die Lösung der Herrschaft aus ekklesiologisch-theokratischer Verklam- merung einleitet“13. Die Lehre Platons, die das Individuum im Staat mit eingeschlossen sieht, wird allmählich von der aristotelischen Staatsauffassung und des Menschen als eines „homo animal sociale“ verdrängt. Der einsetzende Individualisierungsprozess räumt dem einzelnen Menschen eine eigenständige Stellung im Staatsgefüge ein. Er ist nicht mehr länger in der Persönlichkeit des Herrschers aufgehoben.

4 Das thomistische Staatsverständnis

Martin Grabmann, der für Pieper „der in der ganzen Welt bekannte und anerkannte Meister der Scholastik-Forschung“14, beurteilt die thomistische Staats- und Gesellschaftslehre wie folgt: „Es haben moderne Denker zugestanden, dass so manche Sätze der Rechtsphilosophie, der Gesellschaftsund Staatslehre, die man als Errungenschaften unserer Zeit feiert, sich schon in den Schriften des hl. Thomas finden.“15

Thomas vertritt wie Aristoteles die Auffassung, der Mensch sei von Natur ein auf Gesellschaft und Staat ausgerichtetes Wesen. „Es ist aber die natür- liche Bestimmung des Menschen, das für gemeinschaftliches und staatliches Leben erschaffene Geschöpf zu sein, das gesellig lebt, weit mehr als alle anderen Lebewesen.“16 Der Mensch hat durch Vernunft und Sprache eine gegenüber allen anderen Lebewesen exponierte Position. Aus der Natur des Menschen leitet Thomas den Ursprung des Staates und der Staatsgewalt ab: „Der Mensch nun hat ein Ziel, dem sein ganzes Leben und sein Handeln zu- strebt, denn er handelt nach seiner Vernunft, und diese kann offensichtlich nur im Hinblick auf ein Ziel tätig sein.“17 Aus der Verschiedenheit mensch- licher Handlungen und Bestrebungen ergibt sich für ihn, dass die Menschen das gesteckte Ziel auf unterschiedliche Weise zu realisieren versuchen. Da- her, folgert er, brauche der Mensch etwas, das ihn zum Ziel hinführt. Denn wenn der Mensch isoliert leben würde wie die Tiere, brauche er keine Lei- tung. Da aber die natürliche Bestimmung des Menschen auf Gesellschaft hin gerichtet ist, „so muss unter den Menschen etwas sein, wodurch die vielen gelenkt werden“18, nämlich die Regierung.

Wird eine gerechte Regierung durch eine Mehrheit ausgeübt, bezeichnet sie Thomas als Politie. Ist die Regierung in der Hand von wenigen kompetenten und qualifizierten Männern konzentriert, die durch ihre Begabung hervortre- ten, nennt er die Regierungsform Aristokratie. „Wenn aber die gerechte Herrschaft einem einzigen zusteht, wird dieser im eigentlichen Sinne des Wortes König genannt.“19 Den Begriff des Königs präzisiert Thomas mit einem Wort des Propheten Hesekiel, wonach David König sein werde über alle. Und er allein, David, werde dem Volk ein Hirte sei. Ein König ist also jemand, der anderen als Herr vorangesetzt ist, „und doch wie ein Hirte wirkt, indem er das Gemeinwohl der Gesellschaft, nicht aber den eigenen Vorteil im Auge hat“20. Als Oligarchie bezeichnet er die Ausübung un- gerechter Herrschaft durch wenige. Wird ungerechte Herrschaft hingegen von vielen ausgeübt, handelt es sich um Demokratie.

Der König verkörpert für Thomas die beste Form der Regierung, sein Wi- derspiel, der Tyrann, die schlechteste. Wenn eine Gemeinschaft von Freien unter ihrem König auf das Gemeinwohl der Gesellschaft hin gesteuert wer- de, so werde diese Regierung gerecht sein. Wenn hingegen sich die Leitung der Regierung nicht das Gemeinwohl, sondern den persönlichen Vorteil zum Ziel setze, werde die Herrschaft ungerecht und wieder die Natur sein.21 Thomas zitiert wiederum Hesekiel: „Wehe den Hirten, die sich selbst weide- ten“.22

5 Die Widerstandslehre

5.1 Der theologisch revolutionäre Schritt

Friedrich Schoensted, auf den wiederum Kern zurückverweist, fasst in seiner Arbeit „Der Tyrannenmord im Spätmittelalter“, den Begriff Tyrann genauer, um auf der Basis einer präziseren Begriffsbildung das Thema Widerstand und Tyrannenmord zu erarbeiten.

Tyrann ist für die Griechen des 6. und 5. Jahrhunderts v. Chr. ein staats- rechtlicher, kein moralischer Begriff. Das Gegenbild des guten Herrschers ist der Usurpator, der König, der die Herrschaft mit Gewalt an sich gebracht hat. Der Begriff des Tyrannen wandelt sich mit dem Begriff der Freiheit und auch die Anschauungen über die Zulässigkeit des Tyrannenmordes wandeln sich mit sich ändernden religiösen und politischen Anschauungen und Ord- nungen. Im Alten Testament wurde der Tyrannenmord ebenso bejaht wie in der Antike, in Griechenland und Rom. Die Christen setzten diesen Gedan- ken die Vorstellung der Duldung entgegen. Widerstand erfolgt nicht durch Mord, sondern durch das Martyrium. Denn entscheidend ist für sie das Wort des Apostels Paulus: Non est enim potestas nisi a Deo, quae autem sunt, a Deo ordinate sunt. Die Frage der Zulässigkeit des Tyrannenmordes, führt Schoenstedt in diesem Zusammenhang grundsätzlich weiter aus, sei nicht allein abhängig von der Bewertung der Tyrannis, die Entscheidung müsse aus der Sittenordnung der Zeit heraus getroffen werden.

Der Tyrann sei für Thomas gekennzeichnet durch Ungerechtigkeit, Eigen- sucht, Gewalttätigkeit. Die Tyrannis sei das Zerrbild der guten Herrschafts- form, der Monarchie, und insofern absolut verwerflich. Grundsätzlich aber für die Beurteilung einer derartigen Problematik sei nach Thomas für die Christen der Römerbrief des Apostels Paulus, in dem die Vorstellung vom göttlichen Ursprung aller Gewalt und die darauf beruhende Gehorsams- pflicht formuliert wird.

„Entscheidend aber und für die gesamte Tyrannislehre grundlegend ist nun das secundum quid, die Einschränkung, die Bestimmung gewisser Grenzfäl- le, darinnen Gottes Wille nicht wirkt.“23 Diese Wendung wird von Schoenstedt als ein theologisch revolutionärer Schritt bewertet. Nur rechtlich erworbene und entsprechend realisierte Gewalt dürfe sich auf göttliche Stiftung berufen, interpretiert Schoenstedt Thomas weiter. Eine Herrschaft ohne diese Inhalte sei keine wahre Herrschaft. Gott als Quelle der Herrschaft, andererseits aber ganz offensichtlich auch unzähliger Ge- walttaten, führe zur Ausgliederung bestimmter Formen der Herrschaft. Das bedinge zwei Arten von Tyrannen, von denen einer von Gott verlassen wer- de. Ihm werde deswegen der Charakter rechtmäßiger Obrigkeit abgespro- chen.

5.2 Duldung oder Auflehnung?

Wie aber solle sich in diesem letzteren Falle das bedrängte Volk verhalten? Soll es dulden oder sich auflehnen? Hier ergebe sich für Thomas zunächst die Frage, ob ein Aufruhr eine Todsünde sei. Die Antwort: Ein Aufruhr in einem derartigen Falle sei keine Todsünde, weil die Ablösung eines tyran- nischen Herrschers ohne Revolution nicht möglich sei. Sie könne sogar als löbliche Tat gesehen werden. Denn die Tyrannis sei ein unrechtes Re- giment. Insofern habe die Beseitigung des Tyrannen nicht den Charakter des Aufruhrs, d.h. in anderen Worten, die Auflehnung gegen den Tyrannen sei zulässig. Die Zerstörung einer solchen Herrschaft sei eine Tat im Dienste des Rechts. Allerdings weist Schoenstedt darauf hin, bei der von ihm ange- führten Thomas-Stelle sei nichts ausgesagt darüber, um welche Art von Ty- rannei es sich handele. Deshalb stellt er weiterführende Überlegungen an.

Thomas schlage vor, den Tyrannen eine Zeitlang zu ertragen, und zwar mit der Begründung, wem geholfen wäre mit einer fehlgeschlagenen Revoluti- on. Würde der Tyrann sich anschließend nicht noch grausamer und wüten- der verhalten? Deshalb sei Widerstand nur bei sicheren Erfolgsaussichten sinnvoll. Doch selbst bei einer erfolgreichen Revolte bleibe die Frage, ob die Tyrannei beendet sei oder nicht insofern, weil sich unter den Parteien Streit um die Herrschaft entwickeln würde. Am Ende käme jemand, über- nehme die Regierung mit Gewalt und werde am Ende noch schlimmer als sein Vorgänger. Das hieße, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Also nutze mannhaftes Einschreiten gegen ein Unrechtsregime auch nichts. Im übrigen, argumentiert Thomas nach Schoenstedt weiter: „Der privata aucto- ritas ist überhaupt grundsätzlich die Erlaubnis, gegen Tyrannen vorzugehen, entzogen.“24

5.3 Widerstand durch publica auctoritas

Daraus ergibt sich nun die Frage, ob das Volk dulden muss oder ob es andere zulässige Mittel gegen den Tyrannen in der Hand hat. Die Antwort heißt ja - nämlich der Widerstand der publica auctoritas.

Schoenstedt unterscheidet bei Thomas drei Widerstandsarten. Erstens darf das Volk die Gewalt des Herrschers einschränken, wenn ihm, dem Volk, die Wahl des Herrschers zusteht und dieser dem Volk die Treue brach. Gehört das Gemeinwesen aber - zweitens - zu denen, denen von den Oberen, von einem superior, beispielsweise dem Papst, die Herrschaft gesetzt wurde, be- steht keinerlei Möglichkeit zur Selbsthilfe. Es kann den superior um Abhilfe bitten. Letztendlich bleibt aber nur ertragen und dulden. Drittens geht es um das Verhältnis des Volkes zum Usurpator, dem unrechtmäßig zur Gewalt gelangten Herrscher. Diesem fehlt bei der Institutionalisierung seiner Herr- schaft die göttliche Mitwirkung. Schoenstedt bezieht sich bei der Beantwor- tung der Frage Widerstand auf den Sentenzenkommentar und meint, im letz- teren Falle sei Tyrannenmord nicht nur erlaubt sondern verdienstlich.

Schoenstedt kommt also unter Bezug auf die Schrift „ De regimine princi- pum “ und auf den Stentenzenkommentar zu folgendem Ergebnis: Die Er- mordung des tyrannus exercitio, also des Tyrannen, der sich im Verlaufe seiner Herrschaft zu einem solchen entwickelte, ist unter keinen Umständen erlaubt deswegen, weil seine Herrschaft göttlichen Ursprungs war. Als ein zwar äußerstes, aber rechtmäßiges Hilfsmittel wird von ihm die Beseitigung des Usurpators gebilligt. Und zwar, weil dessen Herrschaft nicht von Gott stammt. Sie ist eine Folge des perversus appetitus hominis, eine Ausgeburt menschlicher Herrschsucht. Einer derartigen Herrschaft aber bedarf keines rechtmäßigen Widerstands. „Das ethische Mordverbot wird der Notwendig- keit der Beseitigung des gott-, also rechtlosen Tyrannen geopfert, der Usurpator darf fallen, und zwar durch eines Jeden Hand.“25

Das an anderer Stelle von Thomas ausgesprochenen Tötungsverbot nisi publica auctoritate steht gegen die obige Sichtweise. Schoenstedt folgert jedoch aus der Schärfe, mit der Thomas von dem Usurpator abrückt und durch „die Kluft, die er zwischen Gott und jenem legt“26, die Tötungserlaubnis im Sinne einer theologischen Rechtfertigung.

In der Mitte des 13. Jahrhunderts löste sich die alte theokratische Vorstel- lung auf, ein Gottesgnadentum war im Anfangsstadium der Entwicklung. „Souverän war das Volk“. Schoenstedt geht in diesem Zusammenhang der Frage, ob Thomas Verfechter oder Verneiner der Volkssouveränität gewe- sen sei, nicht weiter nach. „Dass die Volkssouveränität zum mindestens je- doch in der Konsequenz seiner Gedanken liegt, ist wohl kaum bestreitbar“.27 Schoensteds Auffassung wird im Grundsatz von Peter Meinhold geteilt. A- ber, So Meinhold zu Thomas‘ Beurteilung des Tyrannenmordes: „Seine Stellungnahme zu diesen Fragen ist keineswegs so eindeutig, wie es nach jenem Wort erscheinen könnte, auf das sich Erich Kordt, wie eingangs er- wähnt, in seinem Buche berufen hat.“28 Er bezieht sich ebenfalls auf drei Stellen des gesamten Thomas-Werkes, die diese Frage ausführlich behan- deln.

Meinhold führt aus: Dieser Frage habe Thomas, ausgehend vom Problem des Aufruhrs, zunächst in seiner „ Summa theologica “ behandelt. Dabei sehe er den Aufruhr in bezug auf die Gedanken der Gerechtigkeit und des Ge- meinwohls als einen Verstoß gegen beide an. Die Frage des Tyrannenmor- des ergebe sich hieraus als eine untergeordnete Frage. Eine Regierung, de- ren politische Zielsetzung nicht am Gemeinwohl orientiert sei, sondern auf das private Wohl des Herrschers, definiere Thomas als ungerecht. Deshalb könne die Abschaffung einer derartigen Regierung auch kein Aufruhr sein. „Unter diesen höchst sorgsam abgewogenen Prämissen hat sich Thomas in seiner großen Summe für die Beseitigung eine tyrannischen Regiments ausgesprochen, ohne es freilich an dieser Stelle deutlich zu sagen, ob diese auch durch die Ermordung des Herrschers - er gebraucht den Ausdruck ,Störung`(pertubatio) - zu geschehen hat.“29

Meinhold leitet weiter zu der Schrift „Über die Herrschaft der Fürsten“ und kommt nach der Interpretation der entsprechenden Textstellen, wobei die Frage des Rechts bzw. des Treuebruchs entscheidend ist, zum gleichen Er- gebnis wie Schoenstedt. Allerdings spreche Thomas in diesem Zusammenhang nur von „Absetzung“ und gebe keineswegs der Ermordung das Wort.

Erst an dritter Stelle, in dem Kommentar zu den Sentenzen des Petrus Lom- bardus, verstehe Thomas den Tyrannen nicht nur als göttliche Zuchtrute, mit der das Volk bestraft werde, sondern als Usurpator, der sich aus Machtgier mit Gewalt an die Spitze der Regierung gesetzt habe. Die Beseitigung des Tyrannen sei nach Thomas dann erlaubt, wenn dem Volks kein Rekurs mehr auf eine übergeordnete Autorität möglich ist. Meinhold zitiert die Sentenzen des Thomas: „Denn dann wird jeder, der zur Befreiung des Vaterlandes den Tyrannen tötet, gelobt und belohnt“.30

John Finnis vertritt die Auffassung, die Differenzierung des Thomas zwi- schen tyrannus exercicio und Usurpator beziehe sich lediglich auf die mitt- lere Schaffensperiode von Thomas. In den Arbeiten seiner letzten Periode scheine Thomas das Interesse am Gegensatz zwischen Usurpator und ande- ren Tyrannen verloren zu haben. In jeder Art von Tyrannei gebe die Unge- rechtigkeit des tyrannischen Regimes dem Tyrannen den moralischen Status eines Briganten, eines Räubers. Thomas von Aquins These, die in seinen späteren Schriften nicht negiert worden sei, ein Tyrann könne, legitimiert durch öffentliche Autorität, getötet werden, stehe und falle mit dessen Auf- fassung über die Todesstrafe. Aber selbst wenn man diese, Thomas` Mei- nung zur Todesstrafe, beiseite lasse, bleibe genügend Spielraum für Aktio- nen gegen eine Regierung, die nicht nur tyrannisch, sondern darüber hinaus noch gewalttätig sei und die auf andere Weise nicht an ihrer Unterdrückung gehindert werden könne. Finnis kommt auf das Attentat Graf Stauffenbergs auf Hitler zu sprechen. Sicherlich kitzele es die Phantasie zu sagen, Graf von Stauffenberg habe seine Bombe unter Hitlers Schreibtisch platzieren können ohne die genaue Absicht, den Diktator zu töten. Doch was der Plan erfordert habe, sei gewesen, Hitler unfähig zur weiteren Teilnahme an der Nazi-Tyrannei zu machen, dessen mörderischen Gewalttaten er leitete. Eine genaue Analyse der Überlegungen und Wahlmöglichkeiten lege den Gedanken nahe, die Attacke auf Hitler hatte - oder könnte die gleiche Inten- tion gehabt haben wie die eines Soldaten, der sein Gewehr benutzt, um An- griffe feindlicher Soldaten abzuwehren.31

5.4 Christlich-germanische Herrschaftsauffassung

Hella Mandt hebt auf die Stellung des Rechts ab und interpretiert Thomas ähnlich, hält den Tyrannenmord im äußersten Falle ebenfalls für legitim. Sie sieht die Entgegensetzung in den Fürstenspiegeln zwischen König und Ty- rann in der Art und Weise der Herrschaftsausübung und unterscheidet zwi- schen einer instituto recta oder instituta corrupta der Herrscher, also zwi- schen einer gerechten und korrupten Herrschaft und bringt neben dem christlich-aristotelischen Weltbild einen dritten geistesgeschichtlichen Strang in die Thomas-Auslegung, die christlich-germanische Herrschafts- auffassung, die ihre wirkungsreichste Ausdrucksweise in der Thomas- Schrift „ De regimine principum “ gefunden habe.

Herrschaft sei ein von Gott verliehenes, mit Rechten und Pflichten ausges- tattetes Amt. Das Recht sei souverän, nicht hingegen der Herrscher oder das Volk. Recht müsse von Herrscher und Volk im concilium, im Rat, gefunden werden.

Eine einseitige Interpretation des Rechts durch den Herrscher sei ein Ver- stoß und eine Verletzung gegenseitiger Treuepflicht und Treuebindung. Ei- ne Vernachlässigung der Rats- und Konsensgebundenheit begründe das Wi- derstandsrecht durch die res publica. Tyrannenmord sei im äußersten Fall ein legitimes Hilfsmittel. „Die fideles eines Wahlreiches dürfen bei Miss- brauch der königlichen Gewalt das Absetzungsverfahren einleiten, weil die Wahl ein pactum der Treue zwischen Herrscher und Volk ist und infolge- dessen das pactum hinfällig, die Treueverpflichtung des Volkes gegens- tandslos, sobald der Gewählte die Treue nicht einhält, die sein Amt erfor- dert“.32

5.5 Ja zum Widerstand - Ja und Nein zum Tyrannenmord

Insgesamt ist die Auffassung der herangezogenen Autoren zum Thema Wi- derstand klar, zum Tyrannenmord als Extremform des Widerstandes nicht ganz eindeutig. Widerstand gegen eine ungerechte Herrschaft ist unter be- stimmten Bedingungen zulässig, beim Tyrannenmord als letzte Konsequenz des Widerstands spannt sich der Meinungsbogen von einem klaren Nein bis zum Ja aber.

Dieser Interpretationsspielraum wird von Schoenstedt auf die Tatsache zu- rückgeführt, dass sich einige Interpreten lediglich auf die Schrift „Über die Herrschaft der Fürsten“ (De regimine principum) bezögen und sich anderer- seits im gesamten umfangreichen Thomas-Werk keine eindeutigen Belege für oder gegen das Widerstandsrecht bzw. den Tyrannenmord fänden. Man müsse einzelne Belegstellen im Zusammenhang des gesamten Werkes in- terpretieren. Die gleiche Auffassung vertritt Flasch: „Thomas muss in sei- nen Bedingungen, in seinen nachweislichen Gesprächszusammenhängen aufgesucht werden; sein Denken hat sich entwickelt, und wir müssen es in seiner Entwicklung nachvollziehen. Dazu ist es nötig, die logische Struktur, die literarische Eigenart, die Quellen und den konkreten Text seiner Texte zu studieren. Das ist bislang nur in Ansätzen geschehen, da viele Untersu- chungen zu Thomas von Aquino ihn zum Höhepunkt der Scholastik und zum überzeitlichen Meister aller Zeiten stilisierten. Dazu hat man ihm eine Einheitlichkeit angesonnen, die er nicht besitzt und die er nicht gesucht hat. Er schrieb situationsbezogen, mehr als seine Erklärer wahrhaben wollten“.33 Zum Widerstand und als letzte Konsequenz dem Tyrannenmord ganz ein- deutig ist die Einschätzung Grabmanns, der sich bei seinem Urteil auf die Schrift „ De regimine principum “ bezieht. „Wird die Tyrannis unerträglich, so kann das Volk, soweit es tunlich, vorgehen, besonders wenn es sich um eine Wahlmonarchie handelt. Die Tötung des Tyrannen ist jedoch nie ges- tattet. Die zuerst von dem Pariser Theologen Jean Petit (1407) aufgestellte und später mehrfach wiederholte Behauptung, Thomas lehre oder begünsti- ge den Tyrannenmord, hat keinerlei Stütze im Wortlaut und Gedankengang seiner Werke“.34

Bei schwerwiegenden Verstößen gegen das Recht durch eine ungerechte Regierung ist grundsätzlich Widerstand erlaubt. So zumindest das „Lexikon für Politik“. In der Tyrannislehre in „ De regimine principum “ habe Thomas entwickelt, gegen wen und unter welchen Umständen Widerstand erlaubt sei. Kern beruft sich auf Schoenstedt, wonach Thomas das Recht des Ein- zelnen bestreitet, den Gewaltherrscher zu töten. Allerdings bezeichne er einmal in Anlehnung an Cicero die Ermordung eines Usurpators als lo- benswert.

Eine leicht abgewandelte Auffassung zu diesem Punkt vertritt Hans-Georg Schmidt-Lilienberg. Thomas nehme entschieden Stellung gegen den Tyran- nenmord, wenn er von einem Einzelnen verübt werde, verteidige aber eine allgemeine Revolution, als deren Folge möglicherweise der Tod des Tyran- nen in Kauf genommen werde. Schmidt-Lilienberg schränkt sogleich wieder ein: „Dass es ihm aber auch hiermit nicht ganz ernst ist, zeigt der Umstand, dass er jene Möglichkeit nicht weiter verfolgt, sondern sie nur zu einer Verwarnung der Fürsten verwendet“.35

Bevor nun zu einer abschließenden Betrachtung übergeleitet wird, werden nachstehend die entscheidenden Passagen in „ De regimine principum “ zitiert. Dort heißt es: „Schließlich muss man aber Sorge tragen, wie dem Fall, dass ein König den Abweg zu einer Tyrannei beschritten hat, begegnet werden kann.“36 Dieser Satz lässt sich wohl dahingehend interpretieren, dass im Falle einer Tyrannis die unrechtmäßige Herrschaft von der Gemeinschaft nicht ohne weiteres hingenommen zu werden braucht.

Thomas modifiziert diese Aussage aber sofort wieder. Es sei besser, einen Tyrannen eine Zeit lang mit Geduld zu ertragen, als durch ein Auftreten ge- gen ihn sich ihn Gefahren zu verwickeln, die schlimmer seien als die Tyran- nei selbst. Denn falls der Anschlag gegen den Tyrannen gelinge, entstünden meist noch ärgere Zustände als früher. Behalte der Tyrann hingegen seine Gewaltherrschaft, wäre es möglich, er wütete noch schlimmer als vorher. „In der Gewaltherrschaft pflegt es nämlich so einzutreffen, dass die spätere noch drückender wird als die vorhergehende; der Tyrann lässt von den Be- drückungen, die vor ihm geschahen, nicht ab und denkt noch selbst neue aus der Böswilligkeit seines eigenen Gemüts hinzu.“37 Thomas bekräftigt sein Argument mit einem Wort des Apostel Petrus, der lehre, nicht nur guten und maßvollen, sondern auch harten Herren geziemend untertan zu sein. „Denn das ist eine Gnade, weil Gott es so will, Trauriges ungerecht zu erleiden.“

Einige Absätze später revidiert der Aquinate seine Aussage, nachdem er sich zunächst mit dem Martyrium der Christen, die ohne Widerstand und geduldig den Tod erlitten, sowie mit der Tötung des Joas, des Königs von Juda, durch einige Wenige beschäftigt. Es sei für das Volk und seine Führer eine Gefahr, wenn aufgrund persönlicher Überlegungen irgendwelche Leute einen Anschlag auf die Regierung planten, auch wenn es sich um eine ty- rannische Herrschaft handele. „Es ist also wohl besser, gegen die grausame Bedrückung der Tyrannen nicht nach dem persönlichen Dafürhalten, son- dern nach allgemeinem Beschluss vorzugehen. Denn wenn es erstens zum Recht eines Volkes gehört, sich selbst einen König zu bestimmen, so kann mit vollem Recht der eingesetzte Könige von ebendemselben Volke von seinem Platz entfernt oder seine Macht eingeschränkt werden, wenn er die königliche Gewalt in tyrannischer Weise missbraucht.“38 Er räumt also durchaus die Möglichkeit des Widerstandes gegen eine Tyrannenherrschaft ein, aber nur durch einen öffentlichen, allgemeinen Konsens.

Man dürfe nicht glauben, fährt Thomas fort, dass ein solches Volk ver- tragswidrig handele, denn der Tyrann habe das Schicksal seiner Absetzung dadurch hervorgerufen und verdient, dass er selber seinem Volk, so wie es seine Pflicht als König gewesen wäre, die Treue nicht gehalten habe. Thomas verweist in diesem Zusammenhang auf das Schicksal des Taquinius Superbus, der von den Römern zum König gewählt worden war. Wegen seiner ungerechten Regierung sei vom Volk abgesetzt und durch eine kon- sularische Gewalt ersetzt worden. Domitian, Nachfolger Vespasians und Ti- tus‘ , sei sogar vom römischen Senat ermordet worden, „und alles, was er in verkehrter Weise den Römern auferlegt hatte, durch Senatsbeschluss für nichtig erklärt“.39

Wenn hingegen ein Oberer, also der Papst, das Recht habe, dem Volk einen König zu setzen, sei auch von diesem Abhilfe gegen Unrecht und Untauglichkeit des Tyrannen zu erwarten. Sei keinerlei menschliche Hilfe gegen ein Unrechtsregime zu erwarten, müsse sich das Volk an Gott wenden, in dessen Macht es liege, den Tyrannen zu ändern.

Diese Passagen haben, wie der Übersetzer des Thomas-Textes anmerkt, lange im Mittelpunkt komplizierter Erörterungen gestanden, insbesondere bei der Ermordung des Herzogs von Orleans im Jahre 1407. Bei dieser Gelegenheit behauptete der Pariser Theologe Jean Petit unter Berufung auf Thomas, diese Tat sei gerechtfertigt. Wie die obigen Zitate eindeutig belegen, verweist Thomas in einer derartig schwierigen Situation jedoch klar ein eine übergeordnete Autorität bzw. auf Gott. Nach dem Text ist es nicht gestattet, aus eigenem Ermessen den Tyrannen zu töten. Domitian wurde, um es zu wiederholen, auf Senatsbeschluss hingerichtet.

An anderer Stelle des „Über die Herrschaft der Fürsten“ jedoch schreibt Thomas ausdrücklich: „Die Herrschaft des Tyrannen aber kann nicht von langer Dauer sein, denn sie ist der Menge verhasst. Und nicht, was gegen die Wünsche der vielen ist, kann sich auf die Dauer behaupten [...] In einer schwierigen Lage aber kann es nicht an Gelegenheit fehlen, sich gegen den Tyrannen zu erheben. Wo immer eine Gelegenheit ist, wird unter den vielen auch der eine sein, der die Gelegenheit benützt. Jenen aber, der sich erhebt, wird das ganze Volk mit seinen Wünschen begleiten, und nicht leicht wird der Erfolg bei dem ausbleiben, was unter der Zustimmung der Menge ins Werk gesetzt wird. So wird es sich kaum ereignen, dass sich die Herrschaft eines Tyrannen auf lange Zeit erstreckt.“40

Diese Argumentation scheint - zumindest auf den ersten Blick - ein Wider- spruch zu der Bemerkung zu stehen, ein tödlicher Anschlag auf die Regie- rung dürfe nicht nach einer persönlichen Erwägung irgendwelcher Leute erfolgen, d.h., vor einem Anschlag oder einer Revolution ist ganz offen- sichtlich ein allgemeiner Beschluss der Öffentlichkeit erforderlich. Nun könnte dieser Widerspruch folgendermaßen aufgelöst werden: Ganz offensichtlich ist der Widerstand gegen eine Gewaltherrschaft, die zu einem „besonderen Übermaß“ ausartet und „gewisse Grenzen“ überschreitet, statt- haft. Ein derartiger Widerstand aber muss Erfolg haben, weil einerseits Wi- derstand grundsätzlich zwecklos wäre, insofern auch die Billigung des Wi- derstandes durch Thomas, und andererseits die Teilnehmer beispielsweise einer Rebellion von den repressiven Maßnahmen des Herrschers voll getrof- fen würden. Ein allgemeiner Beschluss aber vor beispielsweise einer Revo- lution gegen eine Tyrannei würde das Unternehmen von vornherein gefähr- den. Insofern könnte der allgemeine Beschluss, die Billigung der Ausfüh- rung durch das Volk nach der Tat, erklärt werden. Aber auch diese Schluss- folgerung ist - wie ganz offensichtlich auch die Überlegungen der Exegeten - eine Interpretation offener Thomas-Formulierungen.

6 Thomas‘ Bedeutung und Wirkung

„Mächtig war der Einfluss, den Augustin auf die christliche Philosophie und Theologie ausübte und der Gedanke, welcher die Höhe des Mittelalters be- herrscht, die ganze Christenheit als ein großes Reich unter der Doppelherr- schaft von Kaiser und Papst aufzufassen, rührt aus einer Vermischung des augustinischen Gottesreiches mit Erinnerungen an das römische Weltreich her. Aber bevor der große Federkrieg seinen Anfang nahm, den die Imperia- listen für die Souveränität des Kaisers gegenüber dem Papste unter dem hef- tigen Widerspruch der römischen Kurie führte, trat Thomas von Aquin mit seiner Staatslehre auf, den Vorgänger weit überschattend. Er bildet nicht nur die Fortsetzung eines der beiden...Fäden heidnischer oder christlicher An- schauung, sondern bei ihm laufen die beiden Quellen mittelalterlicher Staatsphilosophie zusammen wie zu einem geordneten Ganzen, wie er sich denn überhaupt weniger durch selbständiges und geniales Denken als durch die vollendetste Verbindung der aristotelischen Philosophie mit der Kirchli- chen Orthodoxie seinen Ruhm erwarb.“41 Johannes Spörl kommt zu einem ähnlichen Ergebnis und in bezug auf das Widerstandsrecht formuliert er: „...und auch für das Widerstandsrecht eine abgewogene, vernünftige Ordnung aufzeigt.“42

Meinhold zieht ebenfalls einen Bogen von der Gegenwart bis ins hohe Mit- telalter, und in dem angeführten Zitat Erich Kordts in Zusammenhang mit der Rechtfertigung des Hitler-Attentats „klingen alle Motive auf, die eine jahrhundertelange christliche Diskussion beherrschen: ,Tyrannenmord‘ - ,Tat eines einzelnen in höchster Verantwortung‘ - ,Notwehrrecht des Vol- kes‘ - ,Vollstreckung des Strafgerichts durch den einzelnen‘.“43

„Das Werk Thomas von Aquins steht unter dem Leitwort: ,Des Weisen Amt ist: ordnen“.44 Unmittelbar nach seinem Tod, führt Störig weiter aus, kam es zu einer erbitterten Auseinandersetzung und Kontroverse um den Stel- lenwert des Thomismus im Orden und in der gesamten katholischen Welt. Einige seiner Lehrsätze wurden durch den Bischof von Paris verurteilt, sein alter Lehrer Albertus hingegen erklärte ihn für das Licht der Kirche.

Thomas wurde 1322 heiliggesprochen. Zuvor bereits war seine Lehre zur offiziellen Philosophie des Dominikanerordens geworden. Einige hundert Jahre später, 1879, wurde der Thomismus offizielle Philosophie der katholischen Kirche. 1931, bei der Neuordnung des kirchlichen Hochschulunterrichts, wurde durch den Papst angeordnet, Philosophie und spekulative Theologie seien nach den Lehren des Thomas vorzutragen.

„Im 19. Und 20. Jahrhundert erlebe der Thomismus eine bedeutende Re- naissance. Es entstand eine neue thomistische Philosophie, die die Grundla- gen des katholischen Weltbildes, das von Thomas gelegt wurde, mit den neuesten Ergebnissen von Wissenschaft und Philosophie zu verbinden sucht.“45

Der Einfluss von Thomas auf die aktuelle Politik, insbesondere auf die So- zialpolitik, ist schwer abzuschätzen. Sicher ist, dass seine Gedanken einen bedeutenden Einfluss auf die katholische Soziallehre gewannen. Im Zu- sammenhang mit der Darstellung der Geschichte von bzw. vor „Quadrage- simo anno“ und dem Subsidaritätsprinzip bezieht sich Oswald von Nell- Breuning ebenfalls auf Thomas. Zwar finde sich der Name und die genaue Formulierung des Subsidaritätsprinzips erstmals in der Enzyklika „Quadra- gesimo anno“ vom 15.5.1931. Die darin ausgesprochene Erkenntnis aber sei uralt.

„Wenn der Individualismus und Liberalismus des 19. Jahrhunderts sich das Verdienst zuschreibt, ihm sei das Subsidaritätsprinzip zu verdanken, so ist dem zu entgegnen, er komme viel zu spät. Schon bei den führenden Geis- tesmännern des Mittelalters finden sich die Gedanken ausgesprochen, die zum mindesten sich mit dem Subsidaritätsprinzip eng berühren. Thomas von Aquin bemerkt, ein Übermaß an Vereinheitlichung und Gleichschaltung bedrohe den Bestand des ,aus verschiedenen Gebilden zusammengesetzen Gemeinwesens‘ in ähnlicher Weise wie ,Sinfonie und Harmonie der Stim- men schwinden, wenn alle den gleichen Ton singen.‘“46

7 Literaturangaben

Quellen:

THOMAS VON AQUIN: De regimine principum, Übers. Friedrich Schreyvogl: Über die Herrschaft der Fürsten, Stuttgart 1999

Literatur:

ANTON, HANS H, Artikel: Fürstenspiegel A, Lexikon des Mittelalters Bd. 4, (1999) Sp. 1040-1049

CHESTERTON, GILBERT KEITH: Der heilige Thomas von Aquin, Salzburg 1956

ELDERS, LEO J., Artikel: Thomas von Aquin, Lexikon des Mittelalters Bd. 8, (1999) Sp. 706-711

FINNIS, JOHN: Aquinas Moral. Political and Legal Theorie, Oxford 1998

FLASCH, KURT: Das philosophische Denken im Mittelalter, Stuttgart 1986

GOTTZMANN, CAROLA: Aspekte der Staatsauffassung des Thomas von A- quin, in: ZIMMERMANN, ALBERT (Hrsg.): Thomas von Aquin. Werk und Wirkung im Licht neuer Forschung, Berlin 1988

GRABMANN, MARTIN: Thomas von Aquin, München 1913

MANDT, HELLA: Tyrannislehre und Widerstand, Darmstadt 1974

MATZ, ULRICH: Nachwort, in: THOMAS VON AQUIN: De regimine principum, Stuttgart 1999

MEINHOLD, PETER: Revolution im Namen Christi, in: KAUFMANN, ARTHUR (Hrsg.): Widerstandsrecht, Darmstadt 1974

NELL-BREUNING, OSKAR VON: Baugesetze der Gesellschaft, Freiburg, Basel, Wien 1990

PIEPER, JOSEF: Thomas von Aquin. Leben und Werk, München 1986

PESCH, OTTO HERMAN: Thomas von Aquin. Grenzen und Größen mittelal- terlicher Theologie, Mainz 1988

SCHMIDT-LILIENBERG, HANS-GEORG: Die Lehre vom Tyrannenmord, Aalen 1964

SCHOENSTEDT, FRIEDRICH: Der Tyrannenmord im Mittelalter, Berlin 1938

SPÖRL, JOHANNES: Gedanken um Widerstandsrecht und Tyrannenmord im Mittelalter, in: KAUFMANN, ARTHUR (Hrsg.): Widerstandsrecht, Darm- stadt 1974

STÖRIG, HANS-JOACHIM: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Stuttgart 1998

WEISHEIPL, JAMES A.: Thomas von Aquin. Sein Leben und seine Theologie, Graz u.a. 1980

[...]


1 MEINHOLD, PETER: Revolution im Namen Christi, S. 256

2 Zur Vita folgende Literatur: CHESTERTON, GILBERT: Der Heilige Thomas von Aquin ELDERS, LEO, Artikel: Thomas von Aquin GRABMANN, MARTIN: Thomas von Aquin WEISHEIPL, JAMES: Thomas von Aquin

3 PIEPER: Thomas von Aquin, S. 50/51

4 WEISHEIPL, JAMES: Thomas von Aquin, S. 317

5 FLASCH: Das philosophische Denken, S. 333

6 PIEPER: Thomas von Aquin, S. 13

7 FLASCH: Das philosophische Denken, S. 335

8 MATZ, ULRICH: Nachwort, S. 78

9 WEISHEIPL, JAMES, A.: Thomas von Aquin, S. 178

10 ANTON, HANS H, Artikel: Fürstenspiegel

11 ANTON, HANS H, Artikel: Fürstenspiegel

12 GOTTZMANN, CAROLA: Aspekte der Staatsauffassung des Thomas von Aquin, S. 287

13 ebd., S. 291

14 FLASCH: Das philosophische Denken, S. 20

15 GRABMANN: Thomas von Aquin, S. 187

16 THOMAS VON AQUIN: Herrschaft der Fürsten, S. 6

17 ebd. S. 5

18 ebd. S. 7

19 THOMAS VON AQUIN: Herrschaft der Fürsten, S. 9

20 ebd., S. 9

21 ebd., S. 8

22 ebd., S. 8

23 SCHOENSTEDT: Tyrannenmord, S. 37

24 SCHOENSTEDT: Tyrannenmord, S. 39

25 SCHOENSTEDT: Tyrannenmord, S. 46

26 ebd. S. 45

27 SCHOENSTEDT: Tyrannenmord, S. 46

28 MEINHOLD, PETER: Revolution im Namen Christi, in: KAUFMANN (Hrsg.): Widerstandsrecht, S. 256

29 ebd., S. 257

30 MEINHOLD, PETER: Revolution im Namen Christi, in: KAUFMANN (Hrsg.): Widerstandsrecht, S. 258

31 FINNIS: Aquinas Moral, S. IX.4., ff

32 MANDT: Tyrannislehre, S. 76

33 FLASCH: philosophisches Denken, S. 325

34 GRABMANN: Thomas von Aquin, S. 144

35 SCHMIDT-LILIENBERG: Tyrannenmord, S. 33

36 THOMAS VON AQUIN: Herrschaft der Fürsten, S. 22

37 ebd. S. 23

38 THOMAS VON AQUIN: Herrschaft der Fürsten, S. 24

39 ebd., S. 25

40 THOMAS VON AQUIN: Herrschaft der Fürsten, S. 42

41 SCHMIDT-LILIENBERG: Tyrannenmord, S. 28

42 SPÖRL, JOHANNES: Gedanken um Widerstandsrecht und Tyrannenmord im Mittelalter, S. 106

43 MEINHOLD, PETER: Revolution im Namen Christi, S. 256

44 STÖRIG: Philosophie

45 ebd., S. 261

46 NELL-BREUNING: Gesellschaft, S. 87/88

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Widerstandsrecht bei Thoman von Aquin
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Autor
Jahr
1999
Seiten
27
Katalognummer
V96777
ISBN (eBook)
9783638094528
Dateigröße
399 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Widerstandsrecht, Thoman, Aquin
Arbeit zitieren
Marcus Müsse (Autor:in), 1999, Widerstandsrecht bei Thoman von Aquin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96777

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