Georg Elser - Die Tat eines Einzelnen und ihre Bedeutung


Referat / Aufsatz (Schule), 2000

10 Seiten


Leseprobe


Das Attentat des Johann Georg Elser: Die Tat eines Einzelnen und ihre Bedeutung

Heute abend werde ich über die Tat Georg Elsers referieren. Eine Tat, die lange Zeit nach seinem Tod erst als Widerstand anerkannt und gewürdigt wurde.

Im ersten Teil meines Referats möchte ich über die Ereignisse des 8. Nov. 1939 sprechen. Im zweiten Teil werde ich auf die Reaktionen des NS-Staats auf das Attentat eingehen. Im dritten Teil wende ich mich der Biografie Georg Elsers zu. Im vierten Teil werde ich Elsers Entschluß und Durchführung des Attentats erläutern um dann zu guter Letzt auf den Umgang der Forschung mit Elser einzugehen.

Nun aber zurück zum Anfang, zum ersten Teil: Ich möchte folgende Fragen beantworten:

1. Was passierte am 8. Nov. 1939? Wie sah das Attentat aus?
2. Warum kam Hitler mit dem Leben davon, so dass das Attentat scheiterte?
3. Wie kam es zur Verhaftung Elsers?

Nun aber zur ersten Frage: Dazu muß man die Vorgeschichte kennen: Seit 1933 traf Hitler jährlich im Münchner Bürgerbräukeller mit seinen sogenannten „Alten Kämpfern“ zusammen und feierte den mißlungenen Putschversuch von 1923 bei dem er an eben diesem 8. Nov. mit seinen Putschisten eine Versammlung des bayrischen Kabinetts im Bürgerbräukeller gestürmt hatte.

Der 8. Nov.1939, also der des Attentats, unterschied sich nun von denen der Vorjahre.

Einmal war Anfang September der zweite Weltkrieg ausgebrochen.

Hitler hatte Ende Oktober gegen den Widerstand der Generäle den Angriff im Westen beschlossen. Eine endgültige Entscheidung darüber sollte am 9. Nov. , also einen Tag nach den Feierlichkeiten in Berlin fallen.

Deshalb wollte Hitler in jenem Jahr das erste Mal nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen. Aus nicht näher bekannten Gründen entschied er sich aber spontan um. Trotzdem wollte er am nächsten Morgen zur Besprechung mit den Generälen wieder in Berlin sein. Dazu standen ihm Flugzeug oder Zug zur Verfügung. Da das Wetter ungünstig war und Hitler also nicht sicher sein konnte, ob er per Flug wieder rechtzeitig nach Berlin gelangen würde, blieb nur ein Sonderzug am 8. Nov. um 21:31 Uhr vom Münchner Hbf.

Aus diesem Grund und nur diesem Grund traf Hitler eine halbe Stunde früher als sonst, um 20:00 Uhr im Bürgerbräukeller ein.

Dort hielt er eine Rede, die über den Rundfunk verbreitet wurde. In dieser Rede hetzte und schimpfte er gegen England und wies ihm die Schuld am Ausbruch des Krieges zu.

Um 21:07 Uhr beendete Hitler seine Rede und verließ den Bürgerbräukeller in Richtung Bahnhof.

Um 21:20 Uhr kam es dann zu einer Explosion, die den Bürgerbräukeller in Schutt und Asche legte. Dort, wo das Rednerpult gestanden und damit auch Hitler gestanden hatte, war die Saaldecke heruntergebrochen und eine Außenmauer von 15 m Länge nach innen eingestürzt. Das Mobiliar war teilweise völlig zerstört.

Drei Menschen starben sofort, fünf weitere erlagen später ihren Verletzungen, hinzu kamen weitere 62 Verletzte.

Wo befand sich zu diesem Zeitpunkt der Attentäter Georg Elser? Elser machte sich am 8. Nov. auf den Weg nach Konstanz, mit dem Ziel dort illegal über die Grenze in die Schweiz zu gelangen. Er hatte die Absicht, dort Zuflucht als politisch Verfolgter zu finden.

Bei dem Versuch über ein Stück „Grüne Grenze“ in die Schweiz zu gelangen, wurde er von zwei Zollbeamten beobachtet und festgenommen.

Die Ursache seiner Festnahme ist darin zu sehen, dass Elser die Lage an der Schweizer Grenze im Jahre 1939 völlig falsch eingeschätzt hatte. Er hatte in seine Überlegungen nicht mit einbezogen, dass nach dem Ausbruch des 2. Weltkriegs die Grenzen schärfer überwacht wurden. Elser kannte die Grenze zur Schweiz nur aus den Jahren 1930 und 1938, also aus der Zeit vor dem Krieg. Es mag sein, dass das Grenzstück, das er sich zum Übertritt ausgesucht hatte, zu diesem Zeitpunkt noch unbewacht gewesen war.

Zum Verhängnis wird Georg Elser zudem, dass er bei seiner Festnahme eine Beißzange, Aufzeichnungen über die Herstellung und Eigenschaften von Granaten und Zündern, Teile eines Zünders, eine Ansichtskarte vom Bürgerbräukeller und versteckt ein früheres Rotfront-Abzeichen bei sich trug.

Anfänglich wurde Elser gar nicht mit dem Attentat in Verbindung gebracht, man hielt ihn eher für einen Wehrdienstverweigerer. Er wurde aber zur Gestapo nach München überstellt, wo er weiter verhört wurde und sich auch durch die Ermittlungen vor Ort die Verdachtsmomente von Tag zu Tag verdichteten. Erst 5 Tage nach seiner Verhaftung legte Elser schließlich ein Geständnis ab.

An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Schnitt machen und komme zum zweiten Teil meines Referats, in dem ich mich ja mit der Reaktion des NS-Staats auf das Attentat beschäftigen wollte.

Als die Bombe im Bürgerbräukeller explodierte, waren Hitler und mit ihm Goebbels bereits auf dem Weg zum Zug, der München kurze Zeit später Richtung Berlin verließ. Sie erfuhren erst bei einem Zwischenstopp in Nürnberg von dem gescheiterten Attentat.

Hitler hielt die Meldung vom Attentat zunächst für falsch, um das Ereignis dann wenig später ganz in seinem Sinne zu deuten: (Zitat) „Jetzt bin ich völlig ruhig. Daß ich den Bürgerbräu früher als sonst verlassen habe, ist mir eine Bestätigung, daß die Vorsehung mich mein Ziel erreichen lassen will.“

Hitler war von Anfang an davon überzeugt, dass hinter dem Anschlag der britische Geheimdienst stecken müsse - anscheinend stand auch er selbst noch unter dem Einfluß seiner haßerfüllten Rede gegen England. Auf jeden Fall instruierte Goebbels noch in der Nacht die Presse zu einer dementsprechenden Berichterstattung.

Der „Völkische Beobachter“ berichtete einen Tag nach dem Attentat, am 9.Nov., dass die Anstifter des Attentats in den Reihen des Secret Service zu finden seien. Hitler und viele andere Nationalsozialisten konnten sich auch einfach nicht vorstellen, dass ein Einzeltäter den Anschlag verübt haben könnte. So löste das Attentat denn auch wilde Spekulationen aus: Man vermutete jüdische Kreise, kommunistische Widerstandskämpfer oder eine gemeinsame Aktion des britischen Geheimdienstes und Gegnern Hitlers...

Es glaubten also weder die Gestapo noch die oppositionellen Kreise, dass Elser die Tat alleine ausgeführt habe. In der Opposition dachte man, das Attentat sei inszeniert worden, um die Unangreifbarkeit und Unbesiegbarkeit Hitlers und den Gedanken der Vorsehung propagandistisch ausschlachten zu können. Dies war auch tatsächlich der Fall: Da man jetzt im Krieg einen Attentäter aus dem Volk überhaupt nicht gebrauchen konnte, wurden in der Presse nicht zuletzt deshalb ausländische Hintermänner beschworen. Dies sollte in der deutschen Bevölkerung die Kriegsstimmung gegen England und Frankreich schüren und erst gar keinen weiteren Widerstand aufkommen lassen.

Nach den geheimen Lageberichten des SD verfehlte die Propaganda ihre Wirkung nicht. So ist es auch nicht verwunderlich, dass erst gut eine Woche nach Elsers Geständnis die Öffentlichkeit davon erfuhr. Ganz im Sinne der Propaganda wurde am gleichen Tag die Verhaftung zweier Agenten des britischen Geheimdienstes bekanntgegeben. Sie waren einen Tag nach dem Attentat von zwei SS-Agenten, die als Widerstandskämpfer getarnt waren, über die deutsche Grenze gelockt und dann verhaftet worden.

Als Verbindungsmann zwischen diesen beiden Agenten und Elser konstruierte die Presse dann Otto Strasser, einen linken Nationalsozialisten und Gegner Hitlers, der sich in der Schweiz aufhielt, zu zufällig genau dem Zeitpunkt als Elser dorthin fliehen wollte.

Von der Rolle, die die NS-Propaganda ihm zugedacht hatte, wußte Elser selber nichts. Nachdem die Verhöre abgeschlossen waren, wurde er noch 1939 in das KZ Sachsenhausen überstellt, wo er die ersten Jahre verbrachte. Die letzten Monate mußte er im KZ-Dachau verbringen. Seine privilegierte Unterbringung hatte ihren Grund darin, dass Hitler ihm und seinen britischen Hintermännern nach einem siegreich beendeten Krieg in einem „befreiten“ London einen Schauprozeß machen wollte. Als die Niederlage offensichtlich wurde, war Elser für das Regime nicht mehr interessant und wurde auf Weisung Himmlers ermordet.

Ich komme jetzt im dritten Teil zur Biografie Georg Elsers.

An den Anfang stellen möchte ich die Frage, aus welchen Quellen wir überhaupt etwas über Georg Elser erfahren.

Eine wichtige Quelle ist ein Verhörprotokoll, das im Reichssicherheitshauptsamt in Berlin während eines fünftägigen Verhörs entstand. Angemerkt sei dazu noch, das es sich dabei um ein zweites Verhör handelt, also nachdem Elser die Tat bereits in einem früheren Verhör gestanden hatte. Dies ist wichtig für die Interpretation, wenn man sich daran erinnert, das der NS-Staat gerne beweisen wollte, das es sich um ein vom britischen Geheimdienst gesteuerten Anschlag gehandelt habe. Dazu war der Gestapo jedes Mittel recht. So wurde Elser brutal gefoltert, auf die Einzelheiten werde ich hier nicht eingehen.

Eine weitere Quelle sind Aufzeichnungen der Gestapo im Rahmen ihrer weiteren Ermittlungen. Viele Angehörige wurden zeitweise in Sippenhaft genommen und verhört. Auch wurde die Leute aus dem Heimatort Elsers von der Gestapo verhört. Nun aber zur Biografie:

Georg Elser wurde am 4. Jan. 1903 in Hermaringen (Schwaben) geboren. Die Eltern zogen nach ihrer Heirat nach Königsbronn. Der Vater betrieb als Fuhrunternehmer mit seinen Pferden einen Holzhandel. Durch eine Erbschaft kam ein kleiner landwirtschaftlicher Hof dazu, um den sich vornehmlich die Mutter mit Hilfe der Kinder kümmerte.

Die Beziehung Georg Elsers zum Vater war traumatisch. Der alkoholkranke Vater kam oft erst spätabends nach Hause, um dann in betrunkenem Zustand die Familie auch mittels körperlicher Gewalt zu terrorisieren. Auch Georg Elser bekam diese physische und psychische Gewalt zu spüren. Von seinem Charakter her wird der Vater als auffahrend, verletzend, jähzornig, eifersüchtig und leicht zu provozieren beschrieben. Bedingt einmal durch seine Charaktereigenschaften, zum anderen durch seinen Alkoholismus ließ er sich bei Holzversteigerungen über den Tisch ziehen.

1910 zieht die Mutter mit ihren Kindern sogar für eine Woche woanders hin, um der Gewalt zu entgehen. Aufgrund solcher Erlebnisse entwickelte Elser ein starkes Gerechtigkeitsempfinden, was ein Grund für seine Ablehnung des Nationalsozialismus war.

Als ältestes Kind wurde Elser - wie es damals üblich war - zu den Arbeiten der Eltern hinzugezogen, d. h. er mußte im Holzhandel und in der Landwirtschaft helfen. Hinzu kam die Erziehung der jüngeren Geschwister. Darunter litt natürlich die Schulausbildung, der die Eltern keine Bedeutung beimaßen. Gerne hatte Elser in der Schule Fächer wie Schönschreiben, Rechnen und Zeichnen, in denen er auch gut war. In dem Berliner Verhör der Gestapo gibt er an, die meisten seiner Lehrer seien gerecht gewesen. Sein erster Lehrer habe ihn nur geschlagen, wenn es notwendig gewesen sei. In solchen Beurteilungen (in dem Verhör sind mehrere solcher Art zu finden) zeigt sich wieder, welche Bedeutung für Elser der Wert Gerechtigkeit für die Beurteilung anderer Menschen hat.

Im ersten Weltkrieg erlebte Elser die Dienstverpflichtung des Vaters und mußte auch Hunger leiden. Der Krieg prägte sich ihm ein als tiefer, unheilvoller Einschnitt. Er selber wurde aber nicht mehr eingezogen.

Sein bester Freund aus den ersten Schultagen Eugen Rau beinflußte ihn in seiner Berufswahl, so daß er nach Abschluß der Volksschule 1917 eine Lehre als Eisendreher begann.

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass Elser im Berliner Verhör einmal die Freundschaft zu Eugen Rau als nicht so besonders eng beschrieb und als zweiten Freund einen Hans Scheerer angab, der nach Amerika ausgewandert und verschollen sei. So versuchte er den einen aus der Sache herauszuhalten, der zweite war für die Gestapo sowieso unerreichbar. Andere Freunde, wie z.B. den Kommunisten Josef Schurr konnte er erfolgreich verschweigen. Elser zeigte also - wie viele andere prominentere Widerstandkämpfer auch - ein zutiefst sittliches Verhalten, er wollte möglichst niemanden mit in seine Tat hineinziehen.

In der Lehre bewies er technisches Talent, erhielt in der Gewerbeschule sogar für seine Erfolge eine Belobigung. In dieser Zeit erwarb er Grundkenntnisse in der Metallverarbeitung, die ihm später bei dem Bau des Sprengapparates helfen sollten. Aus gesundheitlichen Gründen war er gezwungen, 1919 die Lehre abzubrechen und eine Lehre als Schreiner aufzunehmen. Vor allem die anspruchsvollere Möbelschreinerei sagte ihm sehr zu, er bezeichnete sich selber denn auch gern als „Kunstschreiner.“ Die Gewerbeschule absolvierte er als Jahrgangsbester. Auch später kann man bei Elser immer wieder einen Berufsstolz entdecken, der sich darin zeigt, dass es ihm gar nicht so sehr auf die Höhe des Lohns ankommt. Wichtiger findet er, in den Dingen die er macht, sich selbst verwirklichen und selbstständig arbeiten zu können.

Bis zur Inflation im Jahre 1923 arbeitete er in diesem Beruf, um sich dann wieder auf den Hof der Eltern zurückzuziehen. Für Kost und Logis arbeitete er wieder im väterlichen Holzhandel und in der Landwirtschaft.

Es würde den Rahmen des Referates sprengen, würde ich die Biografie in allen ihren Einzelheiten fortsetzen. Deshalb möchte ich im folgenden mir wichtig erscheinende Punkte herausgreifen: Anfang 1925 beginnt ein neuer Lebensabschnitt Elsers. Ihn beschäftigte der Gedanke, „in die Fremde zu gehen“, nicht nur um sich beruflich weiterzuentwickeln, sondern auch, um der familären Situation zu entkommen. So gelangte er an den Bodensee und verbrachte dort eine Zeit, die geprägt war, einmal von kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen, die er kündigte oder die er aufgrund der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise verlor; und sie war zweitens geprägt von Wanderschaft, auf der er sich durch Ersparnisse immer ohne fremde Hilfe über Wasser halten konnte.

So arbeitete er auch in einer Konstanzer Uhrenfabrik (wichtig für die Konstruktion des Zeitzünders) und wohnte zusammen mit einem Kollegen, der ihn 1928 zum Eintritt in den Roten Frontkämpferbund bewegte.

Bei der Verhaftung trug er - wie erwähnt - ein Abzeichen des Bundes versteckt bei sich.

Wichtig für seinen Wunsch, nach dem Attentat Aufnahme als politischer Flüchtling in der Schweiz zu finden, war, dass er für kurze Zeit in einer Schreinerei in der Schweiz arbeitete, wo es ihm gut gefiel. Gemocht hat er wohl auch das freie Arbeitsklima, das sein Bild von der Schweiz prägte, so daß er sich umso mehr nach der Schweiz sehnte, je mehr ihn die Verhältnisse im NS-Staat zu stören begannen. Bei ihren Untersuchungen fand die Gestapo Zeugnisse eines originellen und für damalige Zeit progressiven Lebensstils Elsers: Er hatte nämlich die Angewohnheit - mit dem Einverständnis des Meisters - im Sommer bei schönem Wetter nachmittags schwimmen zu gehen, also während der eigentlichen Arbeitszeit, die er dann einfach abends nacharbeitete. In dieser Zeit verkehrte er auch in kommunistischen Kreisen, fühlte sich wohl auch als Sozialist. Und war doch auch gleichzeitig ein Individualist, drängte nach Selbstständigkeit, eigener Verantwortung und hatte ein starkes Freiheitsbedürfnis.

Dem teilweise klischeehaften Bild von Elser, er sei ein Sonderling gewesen, ein ruhiger, verschlossener, einzelgängerischer Mensch möchte ich entgegenstellen, das er in anderen Quellen, z. B. von Freunden aus einem Abstinenzlerverein, in dem er gerne verkehrte - er war nämlich Antialkoholiker - ihn beschrieben als: „Elser galt als flotter Bursche und war beliebt.“ Wahrscheinlich hatte er zwei Seiten: War einmal sicherlich still, wirkte schüchtern und verschlossen, liebte aber trotzdem die Gesellschaft ohne dabei im Mittelpunkt stehen zu wollen.

Die Perioden der Arbeitslosigkeit machten ihn zu einem ernsteren Menschen.

Da er nicht mehr in der Gegenwart seiner Mutter lebte, konnte er sich auch persönlich freier entwickeln und machte auch Erfahrungen in Liebe und Sexualität. So schlief er mit 22 Jahren das erste Mal mit einer Frau.

Seine Freundin Mathilde Niedermann gebar ihm am 13. Sep.1930 einen unehelichen Sohn, den er aber nie gewollt hatte und für den er auch nur unwillig aufkam, dies ging so weit, dass er sogar bevorzugt schwarz oder selbstständig arbeitete, um den Alimentenzahlungen zu entgehen.

Nach sieben Jahren, also 1932 kehrte er zu seinen Eltern nach Königsbronn zurück, weil seine Mutter ihn darum bat. Der zunehmend alkoholkranke Vater hatte mit seinem Holzhandel Schulden gemacht, die so hoch waren, dass die Familie 1935 ihr ganzes Anwesen verkaufen mußten.

Georg Elser war nach sieben Jahren am Bodensee mit einer klaren kommunistischen Grundeinstellung zurückgekehrt. Nach einem zeitweiligen Freund Anton Egetmaier sei Elser nie politisch hervorgetreten, habe nie ein politisches Gespräch geführt, aber aus Konstanz eine sehr harte politische Feindschaft gegen die NS-Herrschaft mitgebracht. Beim Berliner Verhör gestand Elser, immer die KPD gewählt zu haben, um etwas für die Interessen der Arbeiter zu tun. Gleichwohl sei er kein Mitglied der KPD gewesen. Mitglied war er in der linken Holzarbeitergewerkschaft, wo er den Kommunisten Josef Schurr kennenlernte, der sich 1947 in einem Leserbrief an eine Ulmer Zeitung, der von der Forschung lange Zeit übersehen wurde, an einen entschlossenen Elser erinnerte: „Er war immer stark interessiert an einer Gewaltaktion gegen Hitler und seine Trabanten. Hitler selbst bezeichnete er immer als einen Zigeuner. Man dürfe ja nur sein Verbrechergesicht ansehen. Wir kamen des öfteren auf das Thema zu sprechen, was wohl zu machen wäre und unbedingt gemacht werden müsse.“ Der Leserbrief enthält etliche Gedächtnisfehler, dürfte im politischen Kern dennoch zutreffend sein..

Es gibt weitere Zeugnisse Elsers Ablehnung Hitlers und des Nationalsozialismus, die sich - man würde heute sagen - in zivilem Ungehorsam zeigten: Elser verließ regelmäßig die Gaststätte, als es Pflicht wurde, dort Hitlers Radioreden anzuhören. Stattdessen hörte er lieber ausländische Radiosender. Es ist auch bezeugt, dass er den Hitlergruß und das Grüßen der Fahne verweigerte. Auch lehnte er die Teilnahme an Wahlen im Dritten Reich ab. Elser flüchtete sich vor der zunehmenden Durchdringung des gesellschaftlichen Lebens durch die Nationalsozialisten in Musik und Tanz, zumal er musikalisch begabt war.

Ich möchte damit zur nächsten Frage übergehen:

Wann und wie kam es schließlich zum Entschluß, Hitler durch ein Attentat umzubringen?

Die Gegnerschaft Elsers zum Nationalsozialismus ist in meinen Ausführungen ja schon deutlich geworden: In dem Berliner Verhörprotokoll gibt Elser Gründe an, die ihn schließlich den Entschluß zum Attentat fassen ließen: (Zitat) „Nach meiner Ansicht haben sich die Verhältnisse in der Arbeiterschaft nach der nationalen Revolution in verschiedener Hinsicht verschlechtert. So z.B. habe ich festgestellt, daß die Löhne niedriger und die Abzüge höher wurden.“ Im folgenden belegt Elser diese Beobachtung durch konkrete Zahlen. Dann führt er weiter aus: (Zitat) „Ferner steht die Arbeiterschaft nach meiner Ansicht unter einem gewissen Zwang. Der Arbeiter kann z.B. seinen Arbeitsplatz nicht mehr wechseln, wie er will, er ist heute durch die HJ nicht mehr Herr seiner Kinder und auch in religiöser Hinsicht kann er sich nicht mehr so frei betätigen Ich habe im Laufe dieser Zeit festgestellt, daß deswegen die Arbeiterschaft gegen die Regierung eine Wut hat.“ Außerdem war er der Meinung, daß es in Deutschland nicht bei dem Münchener Abkommen bleiben würde, dass (Zitat) „Deutschland anderen Ländern gegenüber noch weitere Forderungen stellen und sich andere Länder einverleiben wird und deshalb ein Krieg unvermeidlich ist...“

So entschloss Elser sich spätestens im Herbst 1938, als sich die Sudetenkrise zu einem Krieg auszuweiten drohte, Hitler und die Führung durch ein Attentat zu beseitigen.

Er hielt dafür die jährliche Feier im Bürgerbräukeller geeignet und nahm deshalb als Zuschauer an der Veranstaltung im Jahre 1938 teil.

Dabei kam ihm der Plan, Sprengstoff in eine Säule hinter dem Rednerpult einzubauen und durch eine Vorrichtung zur richtigen Zeit zur Explosion zu bringen.

Ich möchte nun die Vorbereitungen zum Attentat skizzieren:

Wieder aus München zurückgekehrt, begann er über mehrere Monate hinweg immmer kleine Mengen von Sprengstoff zu entwenden. Er arbeitete nämlich bereits seit Dez. 1936 in einer Armaturenfabrik, die auch eine Rüstungsabteilung besaß. So sammelte er insgesamt 250 Preßstückchen Sprengpulver, ohne dabei aufzufallen.

Ostern 1939 reiste er erneut nach München, notierte die Maße der Säule und fertigte eine Skizze an. Er hatte die Arbeit in der Armaturenfabrik gekündigt und in Königsbronn eine Stelle als Hilfsarbeiter in einem Steinbruch angenommen. Auch dort fiel es ihm leicht, sogar größere Mengen Sprengstoff beiseite zu schaffen. Nach einem Arbeitsunfall widmete er sich zeichnerisch und praktisch der Herstellung der Bombe und versuchte, die technischen Probleme zu lösen. Im Obstgarten seiner Eltern führte er sogar mehrere Sprengversuche durch. Viel Nachdenken verlangte ihm auch die Konstruktion des Zeitzünders ab. Hier und auch bei anderen technischen Fragen halfen ihm oft die Erfahrungen, die er an früheren Arbeitsstätten gemacht hatte.

Es kam durchaus vor, dass er von anderen bei seinen Arbeiten überrascht wurde. Sie bekamen dann zu hören, er arbeite an einer Erfindung.

Bei solchen Überraschungen und auch bei seiner verhaftung kam ihm zugute, dass er schon von seinen Zeitgenossen unterschätzt wurde. Er besaß eine Art, die es ihm möglich machte, auf andere einen harmlosen, freundlichen Eindruck zu machen. Anfang August 1939 zog er dann nach München um, er bewohnte in dieser Zeit ein Zimmer bei zwei verschiedenen Familien und lebte von seinen Ersparnissen. In einem großen Holzkoffer transportierte er das gesammelte Sprengpulver, Uhrwerke, eine Granathülse, Sprengkapseln und Sprengpatronen, jeweils in Geheimfächern untergebracht.

30 - 35 Nächte verteilt über die Monate August, September und Oktober arbeitete er im Saal des Bürgerbräukellers an der Installation des Sprengstoffs. Man fragt sich natürlich, wie so etwas unbemerkt vor sich gehen kann. Einmal kamen ihm die Örtlichkeiten zugute, der Saal diente als Abkürzung zwischen zwei parallel zueinander verlaufenden Straßen. Es betraten und verließen deshalb viele Menschen den Saal. Außerdem fiel es ihm auch nicht schwer, sich mit dem Personal etwas anzufreunden, so fiel seine häufige Anwesenheit denn auch nicht weiter auf.

An den Tagen, an denen er nachts im Saal arbeitete, nahm er zwischen 20:00 und 22:00 Uhr im Bürgerbräu ein Abendessen zu sich und wartete anschließend in einem Versteck, bis der Saal abgesperrt und alles ruhig war. Dann begann er zu arbeiten, meist bis zwischen zwei und drei Uhr. Die Zeit, bis der Saal wieder aufgeschlossen wurde und er ihn verlassen konnte, verbrachte er dösend. Allein bis Ende Oktober brauchte er, um die Säule kammerartig auszuhöhlen, auszumeißeln. Er verschloß diese Kammer nach außen hin mit einer selbstgebastelten Türe, so dass diese nicht auffiel.

Tagsüber beschäftigte er sich mit der Entwicklung des Sprengapparates. Dabei nahm er auch die Hilfe von Handwerkern in Anspruch, die allerdings über Elsers Pläne im Unklaren blieben.

Am 1.Nov. brachte er in der Kammer den Zündapparat und die gefüllten Sprengstoffbehälter unter. Einen Tag später schichtete er weiteres Schwarzpulver, Sprengpatronen, Sprengkapseln und Gewehrmunition in der Kammer auf. Am 5.Nov. installierte er dann zwei Uhren (zur Sicherheit) und stellte sie ein. Am 7.Nov. überprüfte er nocheinmal die Sprengvorrichtung.

Erst am 8. Nov. machte er sich auf den Weg zur Schweizer Grenze.

Zum Abschluß meines Referats möchte ich auf den langen Weg bis zur Anerkennung Georg Elsers als ein Widerstandskämpfer zu sprechen kommen. Obwohl die NS-Propaganda, bei dem Anschlag handele es sich um ein Komplott des britischen Geheimdienstes und Otto Strassers schnell widerlegt war, blieb bei vielen dennoch das Gefühl, den Nationalsozialisten sei alles zuzutrauen. Es wurde Georg Elser quasi zum Verhängnis, von den Nationalsozialisten nicht gleich sondern erst kurz vor Kriegsende umgebracht worden zu sein. Hinzu kam - wie bereits erwähnt - seine privilegierte Unterbringung im KZ. So entstand das Gerücht, Elser sei ein SS-Mann gewesen, der den Anschlag im Auftrag der NS-Führung ausgeführt habe. Dieses Gerücht wurde gerade auch von Pastor Martin Niemöller öffentlich seit 1946 verbreitet. Er mußte von dieser Aussage dann aber nach und nach abrücken, weil sie sich einfach nicht belegen ließ. Überhaupt rankten sich um Georg Elser viele Gerüchte, die teilweise von seinen Bewachern, dem Steinbruchbesitzer und anderen in Umlauf gebracht wurden, die selber daraus Kapital zu schlagen hofften.

Diese Gerüchte und Vermutungen fanden auch Eingang in das Standardwerk des Historikers Hans Rothfels zur deutschen Opposition gegen Hitler. Die Einschätzung Rothfels hielt sich auch in den historischen Werken der fünfziger und sechziger Jahre, z.B. bei Allan Bullock, Gerhard Ritter, Eberhard Zeller u.a. Dabei stellte sich in einem Untersuchungsverfahren angestrengt vom bayerischen Justizministerium 1950 gegen den einstigen Leiter des Zellenbaus in Dachau wegen Beihilfe zum Mord an Georg Elser seine Alleintäterschaft heraus.

In der DDR blieb Georg Elser bis zum Schluß tabu, er tauchte in keinem der Werke über den Antifaschismus auf.

Bis 1958 lagen im Bonner Bundesjustizministerium unbemerkt die Berliner Verhörprotokolle, die ich oben bereits einmal erwähnt habe. Diese Protokolle sind keine Wortprotokolle, also etwas salopp ausgedrückt, nicht der O-Ton Elsers. Es sind Ergebnisprotokolle, d.h. die Gestapokommissare diktierten der Sekretärin ihren Text.

Dies ist wichtig, wenn man sich daran erinnert, das der NS-Staat ja gerne beweisen wollte, das es sich um ein vom britischen Geheimdienst gesteuerten Anschlag gehandelt habe.

Dazu war der Gestapo jedes Mittel recht. So wurde Elser brutal gefoltert, auf die Einzelheiten werde ich hier nicht eingehen.

Interessant ist aber folgendes: Georg Elser wurde fünf Tage lang jeweils neun Stunden lang verhört, also insgesamt 45 Stunden. Analysiert man das Protokoll, findet man folgendes heraus: Die drei Kriminalkommissare benötigten durchschnittlich 21 Minuten für eine Protokollseite. Zum Vergleich: Das Vorlesen einer solchen Seite dauert gerade einmal 3 Minuten. Allein darin zeigt sich, der beharrliche Widerstand Elsers. Er ließ sich nicht von der Gestapo überrumpeln, vor allem was die Frage der Alleintäterschaft anging.

Im Rahmen dieses Referats kann ich nicht viel näher auf die Interpretation des Protokolls eingehen. Es ist beachtenswert, dass es Elser geschafft hat, an vielen Stellen diesem Protokoll seinen persönlichen Stempel aufzudrücken und damit der Nachwelt eine Art Testament zu hinterlassen.

Erst mit einem 1965 gesendeten Film mit anschließender Diskussion des NDR kam es zu einer grundlegenden Änderung der öffentlichen Meinung. Die Diskussionsteilnehmer hatten die Verhörprotokolle studiert. Bahnbrechend war der Aufsatz von Anton Hoch in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte 1969 und eine Edition des Berliner Verhörs durch Lothar Gruchmann 1969/70. Seit dieser Zeit entwickelte sich zögerlich auch ein öffentliches Gedenken an Georg Elser:

1971 wurde in Heidenheim/Schneitheim ein kleiner Park mit dem Namen „GeorgElser-Anlage“ versehen.

1983 Einweihung einer Gedenktafel am Verhaftungsort im Garten neben der Grenze in Konstanz

1989 Gedenktafel, dort wo die Säule des Bürgerbräukellers gestanden hat 1995 erst eine Gedenktafel in Königsbronn

1997 Einrichtung einer Georg-Elser-Gedenkstätte in Königsbronn

1997 Ausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin

Und inzwischen bestätigen auch die Lexikographen - wenn man so will - den Rang Georg Elsers. Denn heute ist er in wohl in jedem Lexikon zu finden.

Ende der Leseprobe aus 10 Seiten

Details

Titel
Georg Elser - Die Tat eines Einzelnen und ihre Bedeutung
Autor
Jahr
2000
Seiten
10
Katalognummer
V96779
ISBN (eBook)
9783638094542
Dateigröße
349 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Georg, Elser, Einzelnen, Bedeutung
Arbeit zitieren
Thomas Büttner (Autor:in), 2000, Georg Elser - Die Tat eines Einzelnen und ihre Bedeutung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96779

Kommentare

  • Gast am 26.3.2008

    Gratulation!.

    Lieber Thomas,
    Ihr Text ist ausgezeichnet - ich gratuliere (und verweise auf eine Filmkritik bei "Zelluloid").
    Gruß, A. Maurer

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Titel: Georg Elser - Die Tat eines Einzelnen und ihre Bedeutung



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