Das Scheitern der Grice`schen Konversationsmaximen


Hausarbeit, 1999

14 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


1 Implikatur - Klärung des Begriffs

Grice macht einen wichtigen Unterschied zwischen dem, was ein Sprecher meint oder andeutet und dem, was ein Satz oder ein anderer Ausdruck meint oder andeutet. Zur Untermauerung dieser Theorie führte er den Fachbegriff der Implikatur ein, welcher „den Akt etwas zu meinen oder anzudeuten, indem man etwas anderes sagt“ bedeutet. Implizieren bedeutet also, etwas mit bestimmten Absichten zu sagen.1

In Beispiel

(1) A: „ Where can I get gasoline? “

B: „ There ’ s a station around the corner. “ 2 hat B in seiner Antwort nicht gesagt, daß man an der Tankstelle Benzin kaufen kann, er implizierte es lediglich. Was er hingegen sagte, ohne es zu implizieren ist, dass sich die Tankstelle ums Eck befindet.

Mit Sagen meinte Grice nicht den reinen Sprechakt, bestimmte Worte zu äußern. Stattdessen konzentrierte sich Grice auf den illokutionären Akt zu sagen, dass etwas der Fall ist. Wenn B gesagt hätte: „There is a gasoline station around the corner, hätte er im illokutionären Sinn das gleiche gesagt, nicht aber im lokutionären Sinn.3

Bei den Implikaturen unterscheidet man zwei Arten:4

- Konventionelle Implikaturen

Implikaturen, die durch die konventionelle Bedeutung der geäußerten Worte erzeugt wurden, werden als konventional eingestuft. Der Sinn, was mit der Aussage gemeint ist, hat sich in der Vergangenheit herausgebildet. Sprachliche Konventionen sind sozial sinnvoll, da sie das gemeinsame Interesse an Kommunikation bekunden. Sie stellen die soziobiologische Funktion von Sprache dar.5

In folgendem Beispiel

(2) “ Bill is sick, so he should rest. “ 6 charakterisiert das Wort „so“ die konventionelle Implikatur.

- Konversationelle Implikaturen

Nicht konventionelle Implikaturen, die vom Gesprächszusammenhang abhängen werden als konversationell bezeichnet. Beispiel (1) liefert ein charakteristisches Beispiel dafür. Konversationelle Implikaturen haben die Eigenschaft, widerrufbar sein zu können. Beispiel (3) „ Some died. “ 7 impliziert, dass einige, aber nicht alle starben. Diese Standard-Implikatur kann durch den zulässigen Zusatz „indeed, all died“ zurückgenommen werden.

Diese Art der Implikaturen zieht Grice den konventionellen Implikaturen vor, da sie von unabhängig motivierten psychosozialen Prinzipien abgeleitet werden können (Grice’s Razor).8

Die Betrachtung der Implikatur findet ihre Bedeutung nun in der Tatsache, dass der Hörer, um einen Sprecher ganz verstehen zu können, wissen muss, was der Sprecher mit seiner Aussage implizieren möchte. Das Erkennen von Implikaturen ist kontextabhängig, d.h. es kommt auf die jeweilige Situation an, in der ein Satz geäußert wird.9 Die daraus resultierende Wichtigkeit der Implikatur ist unabhängig davon, welche Theorie der Implikatur vertreten wird.

Zum Gelingen einer Konversation fordert Grice die Einhaltung des Kooperationsprinzips und seiner Konversationsmaximen.10 Doch auch, wenn nicht alle seine Prinzipien eingehalten werden, kann eine Unterhaltung zum gewünschten Erfolg führen, wenn der Gesprächspartner weiß, was der Sprecher mit seiner Aussage implizieren möchte.

Dass eine sinnvolle Kommunikation nicht zwangsläufig auf der Einhaltung dieser Prinzipien basiert, führt zum Scheitern seiner Konversationsmaximen, was im folgenden erläutert werden soll.

2 Das Scheitern der Griceschen Konversationsmaximen

2.1 Konversationsmaximen von Grice

Die Gricesche Konversationstheorie läßt sich in zwei Arten von Grundsätzen gliedern. Den ersten Teil dieser Grundsätze bildet das Kooperationsprinzip, welches bedeutet, daß der Sprecher seinen Gesprächsbeitrag dem Zweck und der Richtung des Gesprächs anpassen soll.11

Den zweiten Teil der Grundsätze stellen die Konversationsmaximen dar, die festlegen, wie man sich in einem Gespräch kooperativ verhalten soll.12

Grice unterscheidet folgende vier Konversationsmaximen:

1) Qualität

Darunter versteht Grice, dass der Sprecher keine Aussage machen soll, die er für falsch hält oder wofür ihm angemessene Gründe fehlen.

2) Quantität

Dieser Grundsatz besagt, dass der Sprecher seinen Beitrag für den gegebenen Gesprächszweck so informativ wie nötig, aber nicht informativer als nötig gestalten soll.

Der Sprecher in Beispiel (3) würde gegen dieses Prinzip verstossen, wenn der wüsste, dass sogar alle gestorben sind, da der Satz für den Hörer implizieren, dass zwar einige, aber nicht alle gestorben sind.

3) Modalität

Diese Maxime verbietet Mehrdeutigkeit und fordert eine zeitlich chronologische Darlegung des erzählten Sachverhalts sowie den Verzicht auf Mehrdeutigkeit und vgl. Davis (1998, S.19) Weitschweifigkeit.

4) Relation

Dieser letzte Punkt fordert, dass nur relevante Information zur Aussage gebracht wird. Beispiel (1) würde implizieren, dass B weiss, dass A an der Tankstelle Benzin kaufen kann. Glaubte er das hingegen nicht, würde B die Maxime der Relation verletzen.

Die Konversationsmaximen spezifizieren also, was Gesprächspartner tun müssen, um sich innerhalb von Gesprächen maximal effizient und rational zu verhalten, nämlich aufrichtig, relevant und klar zu sprechen und genau die richtige Menge an Information liefern. Laut Grice verstoßen einige Implikaturen aber gegen diese Maximen. Beispiel (4) „ It is a fine day! “ 13, das bei einem Gewitter ausgesprochen wird, scheint gegen die Maxime der Qualität zu verstossen. Einige Stilmittel wie z.B. Ironie oder Metapher verstoßen also bewußt gegen die Maximen.

2.2 Erkennen von konversationellen Implikaturen

Zur Überprüfung, ob eine konversationelle Implikatur vorliegt, bezieht sich der Hörer auf folgende Gegebenheiten:14

Die konventionelle Bedeutung der gebrauchten Worte

Das Kooperationsprinzip sowie die Konversationsmaximen Den Kontext der Äußerung

Weiteres Hintergrundwissen

Die Tatsache, dass alle Inhalte der vorangegangenen vier Punkte beiden

Gesprächsteilnehmern in gleichem Maße bekannt oder bekannt zu sein scheinen.

Zum Erkennen einer konversationellen Implikatur gibt Grice folgendes Schema an:

„ He has said that q; there is no reason to suppose that he is not observing the maxims, or at least the Cooperative Principle; he could not be doing this unless he thought that p; he knows (and knows the I know that he knows) that I can see that the supposition that he thinks that p is required; he has done nothing to stop me thinking that p; he intends me to think, or is at least willing to allow me to think, that p; and so he has implicated that p; “ 15

2.3 Verständnis der Grice’schen Konversationsmaximen

Durch das Aufstellen seiner Konversationsmaximen macht Grice Annahmen, die die Gesprächsführung steuern.16 Aus dem alltäglichen Leben weiß man aber schnell, daß es sehr schwierig ist, immer alle Grundsätze einzuhalten. Grice verlangt aber auch kein buchstabengetreues Einhalten dieser Richtlinien, sondern fordert lediglich, daß der Mensch sich in der allgemeinen Rede und der Hörauffassung an diesen Prinzipien orientieren soll. Nach wörtlicher Auffassung würde das folgende Beispiel (5) A: „ Können Sie mir sagen, wie spät es ist? “ B: „ Nun, die Läden haben schon geschlossen. “ 17 gegen das Prinzip der Modalität verstoßen, da die Antwort nicht eindeutig ist. Klar ist lediglich, dass es bereits später als 20 Uhr ist, da die Geschäfte um diese Zeit schließen.

Dennoch könnte die Antwort dem Fragenden genügen, wenn er zum Beispiel lediglich die Uhrzeit wissen muß, um zu erfahren, ob er noch einkaufen gehen kann.

2.4 Scheitern der Grice’schen Konversationsmaximen

2.4.1 Scheitern der Grice’schen Konversationsmaximen bei bestimmten Arten von Implikaturen

2.4.1.1 Scheitern der Konversationsmaximen bei „close-but“ Implikaturen

Bei den „close-but“ Implikaturen impliziert der Sprecher die Verneinung einer Aussage, indem er eine andere Behauptung aufstellt, die der ersteren im Inhalt ähnelt, aber nicht die gleiche ist.18 Beispiel

(6) A: „ Did anyone get an A? “ B: „ Some got Bs. “ 19

impliziert, dass niemand die Bestnote erreicht hat, aber einige die Note B erhalten haben.

Orientiert man sich aber mit seinen Beurteilungsmaßstäben an den Grice`schen Konversationsmaximen, hätte dieser Sprechakt misslingen müssen: Die Aussage von B verstößt zum Ersten gegen das Kooperationsprinzip, das den ersten Teil der Grice`schen Konversationstheorie darstellt, zum Zweiten gegen die Maxime der Modalität. Der Antwortende gibt eine mehrdeutige Antwort. Wörtlich interpretiert schließt die Antwort, dass einige die Note B haben nämlich nicht aus, dass auch welche die Note A haben, obwohl der Zuhörer dieses Gesprächs im allgemeinen impliziert, dass niemand ein A hat. Somit scheitert die Grice`sche Konversationstheorie in diesem Fall als Beurteilungsmaßstab, ob ein Sprechakt gelungen ist.

2.4.1.2 Scheitern der Grice’schen Konversationsmaximen bei „tautology implicatures“

Unter Tautologien versteht man Aussagen, die stets den Wahrheitswert „wahr“ besitzen. Die Tautologie aus Beispiel

(7) „ War is war. “ 20

impliziert, dass der Sprecher ausdrücken möchte, dass ein Krieg fürchterlicher als der andere ist. Nach Grice`schem Verständnis besagt die Aussage, dass etwas offensichtliches ausgesagt wird, es wird also keine relevante Information gegeben, der Sprechakt müßte also misslingen.21 Die Grice`sche Konversationstheorie deckt also den Fall nicht ab, wie „tautology implicatures“ zu interpretieren sind. Dem Zuhörer wird nicht klar, ob der Sprecher mit oben genannter Aussage ausdrücken will, dass er jeden Krieg als überaus schrecklich empfindet oder ob seine Bemerkung ironisch gemeint ist und er seinem Gesprächspartner damit mitteilen wollte, dass nicht alle Kriege die gleichen schrecklichen Ausmaße besitzen.

2.4.1.3 Unvollständige Interpretationsbreite bei „conjunction implicatures“

Die Vertreter der Grice`schen Theorie interpretieren Aussagen wie in Beispiel

(8) „ John took off his trousers and went to bed. “ 22

als Ableitung der Maxime der Modalität: die durchgeführten Aktionen werden als aufeinanderfolgend interpretiert. John zog zuerst seine Hose aus und legte sich dann ins Bett. Grice`sches Konversationstheorie läßt aber außer Acht, dass die Konjunktion „and“ auch in anderen Zusammenhängen in nicht temporalem Gebrauch auftritt.23 Der Sprecher könnte seine Aussage in vorangegangenem Beispiel auch ironisch gemeint haben um damit auszudrücken, dass John immer bekleidet zu Bett geht.

Andere Sprachwissenschaftler haben aber festgestellt, dass die Konjunktion „and“ auch andere Implikationen nach sich zieht. Die Konjunktion verbindet zum Beispiel zwei Aussagen mit unterschiedlicher Priorität in einem Satz. In Beispiel (9) „ John set a record and jumped 20 feet. “ 24 ist wichtiger, dass John einen Rekord aufgestellt ist und nicht wie weit er gesprungen ist. Es ist nicht möglich, diesen Satz nach Grice`schem Verständnis sinnvoll zu interpretieren, es ist nicht der Fall, dass John erst einen Rekord aufgestellt hat und danach 20 Fuss weit gesprungen ist.

Durch „and“ verbundene Satzteile können auch völlig unabhängig von Prioritäten oder Reihenfolgen eine sinnvolle Aussage darstellen, wie Beispiel

(10) „ Paris is in France and Berlin is in Germany. “ 25 zeigt. Die Konjunktion verbindet hier lediglich zwei Hauptsätze miteinander und kann nicht nach Grice`schem Verständnis in einem zeitlichen Zusammenhang interpretiert werden. Mit Hilfe einer Interpretation nach den Grice`schen Konversationsmaximen würde der vom Sprecher gewünschte Sinn der Aussagen nicht erkannt.

2.4.1.4 Scheitern der Grice’schen Konversationstheorie bei „modal implicatures“

Mit Hilfe der Grice`schen Konversationsmaximen läßt sich nicht erkennen, wie modale Hilfswerben zu interpretieren sind.26 Es wird daraus nicht deutlich, dass und warum Beispiel (11) „ I must tell you how much I love you. “ 27 impliziert, dass der Sprecher sein Gegenüber sehr liebt, wohingegen Beispiel (12) „ I may tell you how much I love you. “ 28 dies nicht impliziert.

Auch die Frage, ob mit Beispiel (13) „ May I tell you how much I love you? “ 29 ein indirekter Sprechakt oder eine Implikatur getätigt wird, läßt sich mit Hilfe von Grice nicht eindeutig beantworten.

2.4.1.5 Scheitern der Grice’schen Konversationstheorie bei „disjunction implicatures“

Grice interpretierte das Wort „oder“ im Allgemeinen als inklusives „oder“. Bei ihm bedeutet die Aussage „A oder B“ folgendes: „entweder A oder B oder (A und B)“.30 Seine Ansicht schließt die ebenso häufig benutzte Verwendung von „oder“ im Sinne von „ich weiß nicht, welche Möglichkeit eintritt“ aus. Beispiel (14) A: „ Where is Kathy going this summer? “ B: „ France, or Germany, or some other European country. “ 31 impliziert, dass B nicht weiß, ob Kathy nach Frankreich oder nach Deutschland fährt oder sogar beide Länder besucht. Die Implikation, dass man nicht weiß welche Möglichkeit eintritt läßt sich nicht aus der Maxime der Quantität ableiten.

Auch die Interpretation von „oder“ als „entweder oder“ deckt die Grice`sche Theorie nicht ab.

2.4.2 Betrachtung von Implikaturen unter Berücksichtigung der Maxime der Quantität

Einige Sprachwissenschaftler haben festgestellt, dass die zur Herausarbeitung einer konversationellen Implikatur verwendeten und von Grice aufgestellten Regeln häufig auch zur Herausarbeitung gar nicht vorhandener Implikaturen verwendet werden können.32 Die von Davis als „quantity implications“ bezeichneten Implikationen geben zu verstehen, dass eine schwächere Behauptung aufgestellt wird, die dann die Ungültigkeit der daraus resultierenden stärkeren Behauptung implizieren soll. Laut Davis ist es aber aufgrund der oben genannten Definition falsch, dass die „quantity implications“ aus der Maxime der Quantität abgeleitet werden. Dennoch werden derartige Implikaturen häufig als Implikaturen definiert, die den Grundsatz der Quantität befolgen.33 Aus den „quantity implications“ folgt folgende Argumentation von Grice:

„ The speaker has said A(e2); if S was in a position to state that a stronger item on the scale holds - i.e. to assert A(e1) - then he would be in breach of the first maxim of Quantity if he asserted A(e2). Since I the addressee assume that S is cooperating, and therefore will not violate the maxim of Quantity without warning. I take it that S wishes to convey that he is not in a position to state that the stronger item e1 on the scale holds, and indeed knows that it does not hold. “ 34

Eine große Anzahl von Implikaturen ist nach dem Muster der „quantity implications“ aufgebaut.

Beispiel

(15) „ The food is warm. “ 35 impliziert, dass das Essen nicht heiß ist, wenn man davon ausgeht, dass der Sprecher die Maxime der Quantität befolgt hat. Man geht davon aus, dass der Sprecher, wenn er die stärkere Aussage wahrheitsgetreu hätte machen können, diese auch so gemacht hätte. Da er dies aber nicht getan hat, muss man davon ausgehen, dass die stärkere Aussage nicht gilt. In Beispiel (15) führt es auch noch nicht zu Problemen, dass die Aussage automatisch die Verneinung der stärkeren Aussage impliziert.

Betrachtet man aber andere Beispiele, wie zum Beispiel

(16) „ It is snowing. “ 36

Dieses Beispiel impliziert nicht automatisch die Verneinung von Satz

(17) „ It ist snowing and cold [wintry, cloudy,...]). “ 37

Der Sprecher befolgt in dieser Aussage zwar die Maxime der Quantität, dennoch kann hier die Verneinung der stärkeren Aussage aus Beispiel (16) nicht impliziert werden. Würde man aber analog der Definition vorgehen, dass „quantity implications“ aus der Maxime der Quantität ableitbar sind, kann man mit Hilfe der Grice’schen Konversationstheorie auch gar nicht vorhandene Implikaturen herausarbeiten.

2.4.3 Einschränkung der dichterischen Freiheit durch die Konversationsmaximen

2.4.3.1 Scheitern der Grice’schen Konversationsmaximen bei Verwendung von rhethorischen Figuren
2.4.3.1.1 Scheitern der Grice’schen Konversationsmaximen bei Ironie

Für Beispiele, die mit den Grice`schen Konversationsmaximen in Verbindung zu bringen sind, gilt, dass sie informationalen Zwecken dienen.38 Wendet ein Sprecher in seiner Aussage hingegen literarische Mittel an, so erfüllen die Aussagen häufig nicht mehr die Grice`schen Konversationsmaximen.

Die Betrachtung folgender Situation in Beispiel

(18) „ Angenommen, ein kleiner Junge ist seinem Vater schon eine ganze Weile durch die

Ingebrauchnahme seines neuen Spielzeugs auf die Nerven gefallen, und der Vater sagt: Du solltest unbedingt schön weitertrommeln! “ 39 liefert in wörtlichem Sinne eine Aufforderung. In Wirklichkeit ist diese Aussage natürlich ironisch gemeint, der Sprecher macht bewußt eine Aussage, die er für falsch hält, d.h. er verstößt absichtlich gegen die Maxime der Qualität. Mit der Bemerkung an seinen Sohn möchte der Vater das Gegenteil dessen bewirken, was er sagt: er möchte, dass der Junge aufhört, Lärm zu machen. Nach Grice würde die Bemerkung des Vaters den Konversationsmaximen nicht genügen und somit nicht zu einem Gelingen des Sprechaktes führen können.

Beispiel

(19) „ It is a fine day! “ 40

erfüllt die Grice`schen Bedingungen zum Gelingen eines Sprechakts, wenn es wörtlich gemeint ist. Möchte der Sprecher damit aber ironisch ausdrücken, dass das Wetter schlecht ist, müßte man es als Beispiel einordnen, das einen Sprechakt misslingen läßt, obwohl Ironie im allgemeinen Sprachgebrauch ein allgemein verständliches Stilmittel ist. Mit Ironie angereicherte Aussagen werden also von Gricesches Konversationsmaximen nicht berücksichtigt. Die komplette Bandbreite sprachlicher Ausdrucksmittel wird nicht abgedeckt.

2.4.3.1.2 Scheitern der Grice’schen Konversationsmaximen bei Metaphern

Die Metapher aus Beispiel

(20) “ My love is a red rose. “ 41 die in einem Gedicht als Liebeserklärung verstanden wird, kann unter einer Analyse mit Hilfe der Griceschen Konversationsmaximen nicht als sinnvolle Aussage aufrecht erhalten werden. Die Zuhörer können darin die konventionale Implikatur erkennen, dass der Dichter damit bildlich ausdrücken möchte, wie hübsch, gut riechend oder hochwertig seine Angebetete doch ist: er verwendet dafür eine Metapher. Da aber nicht alle Eigenschaften einer Rose auf den Menschen übertragen werden können, widerspricht diese Aussage dem Grundsatz der Relation: es wird nicht nur relevante Information zur Aussage gebracht.

Auch die Forderung nach Verzicht auf Mehrdeutigkeit und Weitschweifigkeit wird in diesem Beispiel verletzt. Rosen besitzen zum Beispiel keine Haare und keine Zähne. Man könnte die Aussage also auch so interpretieren, dass die Angebetete zahnlos ist. Da der Dichter mit seiner Aussage aber im allgemeinen positive Eindrücke wiedergeben möchte und dies mit seiner Aussage nicht eindeutig darlegen konnte, widerspricht er auch der Maxime der Modalität.

Auch das Stilmittel der Metapher wird somit durch die Grice`sche Konversationstheorie nicht gerechtfertigt.

2.4.3.2 Schwierigkeiten bei literarischem Sprachgebrauch

Wie bereits im Voraus erwähnt, werden Stilmittel wie Ironie und Metaphern von der Grice`schen Konversationstheorie nicht mit abgedeckt, da diese nur die Tatsachen klar und präzise ausgedrückt wünscht. Abgesehen von derartigen Stilmitteln wird die Grice`sche Konversationstheorie auch der künstlerischen Freiheit eines Dichters nicht gerecht: Ein Erzählstil eines Dichters, der die Grice`schen Konversationsmaximen befolgt, ist wirkt langweilig. Schmückt er hingegen sein Werk durch Stilmittel und andere kreative Zusätze aus, werden z. B. häufig die Maxime der Qualität verletzt, da er keine Aussage machen soll, für die er keine angemessenen Gründe hat, sowie die Maxime der Modalität, da der Dichter nach Grice keine mehrdeutigen Äußerungen machen sollte.

2.4.4 Keine eindeutige Interpretation allein anhand der Grice’schen

Konversationsmaximen

2.4.4.1 Beschränkung der Grice’schen Konversationsmaximen auf das reine Erscheinungsbild von Implikaturen

Mit Hilfe der Griceschen Theorie läßt sich lediglich ableiten, welche Voraussetzungen es wahr machen, dass beim Hörer etwas bestimmtes impliziert wird. Die Theorie läßt hingegen unberücksichtigt, warum der Sprecher einen Sachverhalt durch eine Implikation ausgedrückt hat.42 Es läßt sich durch bloße Betrachtung der Griceschen Theorie nicht feststellen, warum B in Beispiel (1) der Person A nicht direkt mitgeteilt hat, dass sie an der Tankstelle ums Eck Benzin kaufen kann.

Die bloße Betrachtung des Kooperationsprinzips und der vier Konversationsmaximen läßt auch in Beispiel

(21) „ Tom was driving 100 miles an hour. “ 43 nur implizieren, dass er damit vermutlich gegen ein Gesetz verstoßen hat, nicht aber seine Beweggründe, warum er das getan hat. Die Frage, ob er das nun getan hat, weil er es eilig hatte oder nur aus Spaß am schnellen Fahren, bleibt unbeantwortet. Ferner wird nicht klar, wie der Sprecher Dinge impliziert.

2.4.4.2 Fehlen von Faktoren zum Erkennen, wie die Aussage interpretiert werden soll

Da man mit Hilfe der vier Konversationsmaximen nur wörtlich gemeinte Aussagen beschreiben kann, wird die Formulierung von Aussagen mit Stilmitteln außer Acht gelassen. Da die Existenz derartiger auch sinntragender Äußerungen nicht abgestritten werden kann, bräuchte man, um Implikaturen herausarbeiten zu können, Faktoren, anhand derer der Hörer feststellen kann, ob der Sprecher mit seiner Aussage den wörtlichen Sinn meint, oder ob er ein rhetorisches Mittel wie z.B. Ironie oder Metapher verwendet.

Anhand der bloßen Aussage von Beispiel (19) wird nicht deutlich, ob der Sprecher seine Aussage ironisch gemeint hat oder nicht.

Um das Gelingen eines Sprechakts zu untersuchen benötigt man also auch Faktoren, mit deren Hilfe man prüfen kann, ob der Sprecher seine Aussage wörtlich, ironisch oder metaphorisch gemeint hat. Die Gricesche Konversationstheorie deckt also nicht alle Aspekte ab, die nötig sind, um jede Aussage richtig interpretieren zu können.

2.4.4.3 Fehlende Berücksichtigung von zur Sinnentnahme relevanter Betonung

Grice`sches Maxime der Quantität besagt, dass so viel Information wie nötig, d. h. nicht unbedingt so viel Information wie möglich, gegeben werden soll. Die Aussage in Beispiel

(22) „ Some bottles are cool. “ 44

würde nach Analyse mit Hilfe der Grice`schen Konversationstheorie zum Gelingen des Sprechakts führen. Durch bloße Untersuchung mit Grice`sches Argumenten kann aber der Sinn dieser Aussage nicht ermittelt werden, d.h. das Gelingen eines Sprechaktes ist nicht allein durch das Erfüllen des Kooperationsprinzips der Grice`schen Konversationsmaximen gewährleistet. Der Inhalt der Implikatur ist kontextabhängig. Oben genanntes Beispiel könnte

(a) „ Some bottles are cool. “

(b) „ Some bottles are cool. “ 45

Beispiel (a) würde implizieren, dass nicht alle Flaschen kühl sind, Beispiel (b) ließe darauf schließen, daß zwar einige Flaschen kühl, aber keine kalt ist.

2.4.4.4 Fragliche Interpretation bei Höflichkeit

In Beispiel

(23) „ Jane is not a bad philosopher. “ 46

verstößt der Sprecher, der den Satz in einem Empfehlungsschreiben für Jane geäußert hat, nicht gegen die Maxime der Quantität. Dennoch kann dieser Satz, der die Grice`schen Konversationsmaximen erfüllt, nicht eindeutig interpretiert werden. Es wird ohne weitere Hintergrundinformationen nicht klar, ob der Sprecher einen Litotes anwendet und implizieren möchte, dass Jane wirklich ziemlich gut ist, oder ob er damit implizieren möchte, daß Jane keine sehr gute Philosophin ist. Die zweite Interpretationsmöglichkeit zeigt, dass der Sprecher zur Darstellung eines eher negativen Sachverhalts der Höflichkeit halber eine positive Darstellungsweise verwendet hat.

Äußert zum Beispiel die Mutter den oben genannten Satz über ihre eigene Tochter, und ist sie der Ansicht, dass ihre Tochter eine hervorragende Philosophin ist, so könnte die Mutter die oben erwähnte Formulierung auch aus Höflichkeit verwendet haben, da sie auf ihre Zuhörer nicht unbescheiden wirken möchte.

Beide Interpretationsmöglichkeiten erfüllen die Maxime der Quantität, es wird aber nicht aus der Maxime heraus klar, welche Interpretionsmöglichkeit der Sprecher beabsichtigt hat.47

2.4.5 Gelingen eines Sprechakts auf „need to know“ - Basis trotz Missachtung der

Maxime der Quantität48

Bei der Äußerung von Beispiel

(24) „ Some died. “ 49 durch einen General wird, wenn man die Aussage unter Berücksichtigung der Grice`schen Konversationsmaximen interpretiert, impliziert, dass es zwar Tote gegeben hat, aber nicht alle gestorben sind. Geht man jetzt aber davon aus, dass der General zwar wußte, dass alle Leute, nach denen gefragt wurde, gestorben sind, aber der Ansicht war, dass seine Hörerschaft nur wissen wollte, ob es Tote gegeben hat, verstößt er zwar gegen die Maxime der Quantität, da er Informationen, die zu einer wörtlich richtigen Interpretation des Sachverhalts nötig wären verschwiegen hat. Somit müßte nach Grice`schem Verständnis der Sprechakt mißlingen. Dies ist hier aber nicht der Fall, da es der Hörerschaft nur auf die Tatsache ankommt, ob es generell Tote gegeben hat, und es für die Zuhörer nicht von Interesse ist, zu wissen, ob es Überlebende gab oder nicht.

3 Unbefriedigende Lösung der Frage über Implikaturen durch Grice

Wie aus den in dieser Hausarbeit herausgearbeiteten Problemen deutlich wird, ist das Grice`sche Schema, um Implikaturen herauszuarbeiten, nicht das einzig zutreffende. Auch andere Theorien haben ihre Berechtigung. Laut Wilson und Sperber können Grices Maximen in einem einzigen Prinzip ausgedrückt werden:

„ [...]the speaker tries to be as relevant as possible in the circumstances. “ 50

Durch stures Herausarbeiten mit Hilfe des Grice`schen Schemas können zum einen viele Implikaturen falsch interpretiert werden oder sogar nicht vorhandene Implikaturen fälschlicherweise als Implikaturen angesehen werden. Man kann Aussagen nicht durch bloße Anwendung bestimmter Schemata interpretieren, so wie mathematische Formeln angewandt werden, es kommt immer auf den Kontext des Gesprächs an. Der Zuhörer muss aus dem Gesagten Rückschlüsse ziehen können.

Die Frage wie es möglich ist, dass Hörer die gemeinten Implikaturen richtig verstehen oder wie ein Sprecher bestimmte Dinge implizieren kann, läßt sich nicht durch bloße Betrachtung einer einzigen Theorie über Implikaturen lösen.

Das Gelingen eines Sprechakts bzw. das korrekte Herausarbeiten einer Implikatur hängt nicht nur davon ab, ob der Sprecher die Grice`schen Konversationsmaximen befolgt, sondern auch von der Beziehung zwischen Sprecher und Zuhörer. Glaubt der Zuhörer nicht, was der Sprecher sagt, so misslingt der Sprechakt sogar, wenn der Sprecher die Grice`schen Konversationsmaximen und das Kooperationsprinzip befolgt hat. Hält die Person B aus Beispiel 1 ihren Gesprächspartner A für einen Lügner, da er oftmals nicht die Wahrheit gesagt hat, so ist es hier möglich, dass A auch in dem Fall, dass A wirklich korrekt geantwortet hat, die Antwort seines Gegenübers gar nicht ernst nimmt, analog dem Sprichwort: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht.“51

Bibliographie

Davis, Wayne A. (1998), Implicature Intention, convention, and principle in the failure of Gricean theory, Cambridge University Press, Cambridge

Drosdowski, G (1988), Duden Stilwörterbuch der deutschen Sprache, Dudenverlag, Mannheim

Eckard, R. (1994), Sagen und Meinen, Westdeutscher Verlag, Opladen

Grice, H.P. (1975), Logic and Conversation. In: Syntax and Semantics, 3: Speech Acts, Herausgeber: P.Cole und J.Morgan, Academic Press, New York

Raddatz, C. (1998), Alfred Schütz‘ Rahmenerwartungen und die Konversationsimplikaturtheorie von H. Paul Grice, Internet:

http://www.hausarbeiten.de/data/linguistik/ling-konversationsimplikatur.htm

Wilson, D., und Sperber, D. (1986), Inference and Implicature. In: Meaning and Interpretation, Herausgeber: C.Travis, Blackwell, Oxford

[...]


1 vgl. Davis (1998, S.4)

2 Davis (1998, S.5)

3 vgl. Davis (1998, S.5)

4 vgl. Davis (1998, S.8)

5 vgl. Davis (1998, S.133)

6 Davis (1998, S.7)

7 Davis (1998, S.9)

9 vgl. Davis (1998, S.126)

10 vgl. Davis (1998, S.11)

11 vgl. Davis (1998, S.11)

12 vgl. Raddatz (1998, S.5f)

13 Davis (1998, S.65)

14 vgl. Davis (1998, S.15)

15 Grice (1975, S.31)

16 vgl. Raddatz (1998, S.5)

17 Raddatz (1998, S.6f)

18 vgl. Davis (1998, S.75)

19 Davis (1998, S.75)

20 Davis (1998, S.88)

21 vgl. Davis (1998, S.88)

22 Davis (1998, S.46)

23 vgl. Davis (1998, S.46ff)

24 Davis (1998, S.91)

25 Davis (1998, S.91)

26 vgl. Davis (1998, S.107ff)

27 Davis (1998, S.108)

28 Davis (1998, S.108)

29 Davis (1998, S.108)

30 vgl. Davis (1998, S.145)

31 Davis (1998, S.146)

32 vgl. Davis (1998, S.33)

33 vgl. Davis (1998, S.35)

34 Davis (1998, S.34)

35 Davis (1998, S.34)

36 Davis (1998, S.36)

37 Davis (1998, S.36)

38 vgl. Eckard (1994, S.212)

39 Eckard (1994, S.212)

40 Davis (1998, S.65)

41 Davis (1998, S.71)

42 vgl. Davis (1998, S.23)

43 Davis (1998, S.23)

44 Davis (1998, S.87)

45 Davis (1998, S.87)

46 Davis (1998, S.97)

47 Davis (1998, S.98)

48 vgl. Davis (1998, S.80f)

49 Davis (1998, S.81)

50 Wilson und Sperber (1986, S.381)

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Das Scheitern der Grice`schen Konversationsmaximen
Hochschule
Universität Passau
Veranstaltung
Pragmatik
Note
1.0
Autor
Jahr
1999
Seiten
14
Katalognummer
V96784
ISBN (eBook)
9783638094597
Dateigröße
358 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit zeigt, dass die Grice`schen Konversationsmaximen einzeln betrachtet durchaus ihre Berechtigung haben, in der Realität aber schwierig einzuhalten sind
Schlagworte
Scheitern, Grice`schen, Konversationsmaximen, Pragmatik
Arbeit zitieren
Ina Klose (Autor:in), 1999, Das Scheitern der Grice`schen Konversationsmaximen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96784

Kommentare

  • Gast am 29.2.2004

    vielleicht etwas falsch verstanden.

    hallo,
    mit interesse habe ich diese arbeit gelesen und mich gefragt, ob du logic & conversation bzw. further notes on logic & conversation tatsächlich richtig gelesen hast. grice geht nämlich überhaupt nicht davon aus, dass seine maximen immer befolgt werden. er bietet folgende möglichkeiten, die zur implikatur führen:
    1. befolgung der maximen
    2. verstoß einer maxime zugunsten einer anderen (clash)
    3. absichtlicher verstoß gegen maximen (violation).
    grice geht davon aus, dass lediglich das kooperationsprinzip immer eingehalten wird.

    beste grüße
    sandra

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