Die Arabella-Talkshow


Hausarbeit, 1997

33 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


0. Einleitung

Definition des Themas

Das Ziel dieser Hausarbeit ist eine nähere Betrachtung der Talkshows, die täglich im deutschen Fernsehen ausgestrahlt werden. Anhand des Beispieles der Talkshow „Arabella“ im Programm des Privatsender Pro Sieben soll eine Analyse der Redaktionsarbeit, deren Umsetzung in ein Konzept und die Wirkung auf Gäste und Zuschauer eine wissenschaft-liche Betrachtungsweise darstellen.

Dieses soll gelingen durch eine Inhaltsanalyse der Sendung vom 21. Februar 1997, bei der der Autor als Zuschauer im Studio teilgenommen hat. Es wurden zudem Interviews mit einer selbstgetroffenen Auswahl von Gästen der genannten Sendung geführt, die in Ihrer vollständigen Form im Anhang zu finden sind.

Am Ende sollen die Fragen beantwortet sein, wie sich die Moderation der Arabella Kiesbauer von der der klassischen unterscheidet, welche Beweggründe die Gäste haben, sich im Fernsehen derart zu prostituieren und welche Motivation den Zuschauer an den Bildschirm fesselt. Ferner wird die Frage behandelt, ob die Flut der Talksshows in Deutschland ein Indikator für die Verdummung und Verrohung der Gesellschaft oder nur eine neue Art der Unterhaltung darstellt und welche Entwicklung man erwarten darf.

Es wurde auf Primär- und Sekundärliteratur der Bereiche, Kommunikation, Publizistik, Soziologie und Psychologie zurückgegriffen, um eine ansatzweise facettenreiche Ausleuchtung zu bekommen.

Folgende Hypothesen werden aufgestellt:

1) Arabella Kiesbauer versucht, eine annehm- und umsetzbare Lösung für alle Beteiligten zu finden.
2) Der Gast sucht moralische Unterstützung durch seinen Schritt an die Öffentlichkeit.
3) Der Zuschauer sieht Talk-Shows, um einen tieferen Einblick in die Alltagsprobleme der Gesellschaft zu erlangen.

1. Hauptteil

1.1 Die Geschichte der Talkshow in Deutschland...

Die deutschen Programmacher taten sich mit der Idee einer Talksendung lange Zeit schwer. Es gab zwar schon in den 60ern erste Ideenausarbeitungen, die sich stark an den Programmen in den USA orientierten, doch den ersten Schritt wollte niemand so richtig wagen. Man glaubte einfach nicht, daß das deutsche Publikum an solch einer Sendeform Gefallen finden würde.

Erst 1972 wagte der WDR, eine sogenannte hausinterne Nullnummer zu produzieren, d.h. diese Sendung war dem Senderinternen vorbehalten, um einer möglichen öffentlichen Blamage zu entgehen. Die Resonanz hinter den Türen des WDR war jedoch gut, und am 4.März 1973 startete die erste bundesdeutsche Talkshow mit dem Titel„Je später der Abend“. Es dauerte nicht lange, bis die Sendung unter der Moderation des Österreichers Schönherr zum Zuschauermagneten avancierte und so eine Ausstrahlung im Zwei- Wochen- Rhythmus rechtfertigte. Die Sendung unterlag einem Konzept, in dem es noch gesittet und höflich zuging, in dem der eine den anderen ausreden ließ und jeder trotz eigener Meinung toleriert und akzeptiert wurde. Prominenz aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Sport gab sich die Ehre, um über öffentliche und gesellschaftsrelevante Themen durchaus kontrovers zu diskutieren Das Credo war im Gegensatz zu den meisten Sendungen heute und beeinflußt von den „revolutionären 60ern“: Rede- und Meinungsfreiheit für jeden.

Dieses Konzept des mehr oder weniger harmlosen und eher informativen Talks zog sich bis tief in die 80er Jahre hinein. Doch dann startete der Privatsender RTL im Jahre 1992 mit dem Moderator Hans Meiser die erste Talkshow des neuen Genres, in der Menschen „wie du und ich“ über private Angelegenheiten sprachen, die früher in dieser Art und Weise öffentlich nicht ausgesprochen - und schon gar nicht diskutiert - wurden..

Es lassen sich 4 Entwicklungsphasen ausmachen:

(1) Die Gründung der ersten Talkshow „Je später der Abend“
(2) Die Weiterentwicklung der Idee durch die Sendungen „III nach 3“ und „Kölner Abend“
(3) Die Etablierung der klassischen Promi-Talkshow Mitte der 70er und 80er Jahre
(4) Die innovativen Talk-Konzepte von RTL Ende der 80er Jahre. Sie läuten den Boom der Talkshow ein. Neben „Hans Meiser“ konnten vor allem „Explosiv- der heiße Stuhl“ und später „Einspruch“ mit Ulrich Meyer relativ hohe Einschaltquoten verzeichnen.

1.2 ...und erste ernsthafte Grundsatzdiskussionen

- 80 Talkshows und kein Gedanke -

„Hans Meiser“ hat inzwischen einige Nachahmer gefunden; grobe Schätzungen liegen zwischen 50 und 80 Talkshows auf den deutschen Kanälen. Auf die Frage, wer die Vielfalt an Themen und Themenwiederholungen überhaupt wissen wolle, meinte Meiser: „An jedem nur mittelmäßig bestückten Kiosk gibt es zweihundert Zeitschriften, da kann man sich genauso fragen, wer die alle lesen soll“. Anders gesagt: es wird immer genügend Abnehmer für ein Programm geben, solange es den Wünschen (bei Zeitschriften zeigt das Kaufinteresse die Attraktivität des Blattes) dessen entspricht, was der Zuschauer / Leser sehen oder lesen möchte, und wenn es noch so journalistisch minderwertig ist.

Manche sagen, es sei schlicht Unterhaltung und keine ernsthafte Diskussion in die Tiefe, was geboten werde, denn die Themen seien oft so unspezifisch und im Grunde so unwichtig für den Zuschauer, daß man getrost sagen könne, hier drehe es sich um Unterhaltung. Nun steht außer Frage, daß Themen wie „Autos sind besser als Sex“, „Ich will eine Hausfrau werden“, „Liebe ist Quatsch, nur der Sex zählt“, „Ich hasse schöne Männer“ etc. wirklich nicht von öffentlichem Interesse sind und daß hier eher die Unterhaltung im Vordergrund steht. Ein Großteil der schreibenden Zunft ereifert sich in bösartigen Kritiken, in denen sie die Unkultur der Talkshow anprangert. Kritiker wie Fritz J. Raddatz sprechen ironisch von „wahrlich stupenden Informationen, ohne die unser Leben nicht zu meistern wäre“ und die „an der Leidplanke des Offenbarungsgewäschs entlang schrammen“

Doch es gibt auch Befürworter der Talkshow: „ Solche Sendungen sind für Zuschauer gemacht, die sich [...] mit Sorgen plagen - aber natürlich auch für solche, die froh sind, jene Sorgen gerade nicht zu haben, statt dessen aber jede Menge Spaß an den normalen Kuriosi-täten dieser Welt“(Barbara Sichtermann, Die Zeit, Ausgabe Nr. 42). Demnach besteht Unterhaltung aus „Werten, Problemen, Schwächen, Größen, Ängste, Möglichkeiten und geheime Wünsche kollektiver und individueller Existenz“ (Bosshart, 1979, S.18). Also ist die Talkshow ein Schaufenster in das eigene Ich und in das Wesen der Gesellschaft? Hat sie gar Aufklärungscharakter?

Um dies näher zu erörtern, und um herauszufinden, welche Seite denn nun Recht hat oder ob es jeweils nur Teilwahrheiten sind, die hier veröffentlicht werden, soll zu einem späteren Zeitpunkt eine Inhaltsanalyse der Talkshow Arabella mit folgenden Komponenten Aufschluß geben:

1. Messung der Sendebeitragslänge,
2. Beschreibung der Darstellungsform,
3. Bestimmung der Themen,
4. Beschreibung der Einstellungsgrößen und Kameraperspektiven
5. Sendungsprotokoll

1.3 Ein Blick auf die Fernsehlandschaft

1.3.1 Das Umfeld des Senders

In der Bundesrepublik gibt es 18 inländische Fernsehprogramme, die per Kabel und Satellit empfangen werden können; davon sind acht öffentlich-rechtlich und zehn privat Hier entfällt der größte Teil der Fernsehnutzung auf ARD, ZDF, RTL und SAT 1, gefolgt von Pro 7, dem DSF und den dritten Programmen der ARD.1 )

Das private Fernsehen wird von zwei Medienkonzernen beherrscht: auf der einen Seite Bertelsmann/CLT mit RTL, bei Zuschauern und Werbeeinnahmen die Nummer eins, mit Beteiligungen an RTL2, Vox und Super RTL. Gegenspieler ist Leo Kirch mit SAT 1, DSF, dem neu gestarteten digitalen Fernsehsender DF1 und Pro 7. Außerdem sind beide Gesellschafter bei dem Pay-TV-Sender Premiere2 )

An Pro Sieben sind nach Angaben des Senders Leo Kirch und sein Sohn Thomas mit 60% , der Handelskonzern Rewe mit 40% beteiligt. Ende diesen Jahres wird Pro Sieben an die Börse gehen, um eine zusätzliche Finanzkraft zu erlangen.

1.3.2 Das Programumfeld

Arabella wird täglich von Montag bis Freitag jeweils um 14.00 Uhr gesendet. Das ist zu einer Zeit, zu der die meisten Zuschauer der Zielgruppe, die später noch genauer definiert wird, zu hause sind und zumindest die Möglichkeit haben, den Fernseher einzuschalten. Arabella ist eingebettet in ein Programmumfeld, welches von Sendungen wie zum Beispiel „Matlock“, das Trendmagazin „SAM“, „Unsere kleine Farm“ , „Die Schlümpfe“, „Tom und Jerry“, „Alf“, „Roseanne“ und „Eine schrecklich nette Familie“ eingebettet ist,. Dies sind alles Ausstrahlungen, von denen aus man beinahe schon blind auf die redaktionell gewählte Zielgruppe der Talkshow schließen kann.

1.4 Die Vorbereitung der Talkshow

1.4.1 Die Struktur der Redaktion

Die „Arabella“-Redaktion in Unterföhring ist in drei Teams aufgeteilt. Jedes Team besteht aus circa 4 Redakteuren, zwei Volontären und einem Chef vom Dienst. Nur wenn letzterer seinen Segen für ein vom zuständigen Redakteur vorgelegtes Konzept gibt, darf dieser es der Moderatorin präsentieren. Arabella Kiesbauer hat die Möglichkeit, letzte Änderungen vorzunehmen, wenn ihr etwas nicht zusagt. In besonderen Fällen kann die Produktion auch gestoppt werden.3 )

1.4.2 Die Zielgruppe

„Arabella“ ist als Jugend-Talkshow konzipiert. Der Begriff der „Jugend“ ist jedoch ungenauer, als man ahnt. Selbst die Brockhaus Enzyklopädie ist sich dessen nicht ganz sicher, was denn nun die Jugend auszeichnet. Rechtlich sind es die 14-17jährigen, bei emipirschen Froschungen können die Menschen bis 25 oder 30 Jahren durchaus noch als jugendlich gelten.

Es gibt nicht umsonst das Sprüchlein „Man ist immer so jung, wie man sich fühlt“. Das bedeutet hier, daß durchaus auch Menschen, die nicht zur Allgemeindefinition des Jugendlichen, die 14-18jährigen, gehören, die Show sehen. Interessanterweise wollen Erwachsene immer jünger und Jugendliche immer älter sein, als sie wirklich sind. Daher ist auch die Zielgruppe weit gefaßt; man kann nicht sagen, es sind hauptsächlich die 14- 18jährigen, die die Talkshow erreichen möchte, sondern eher alle, die sich noch „jung,dynamisch und frisch“ fühlen. Stolz verweist eine Arabella-Imagemappe auf folgende Zahlen: „Bei den 14-49jährigen erreicht sie einen Marktanteil von 20 Prozent, bei den 20-29jährigen sieht inzwischen jeder dritte täglich „Arabella“.“ Ob diese Zahlen nun der Wahrheit entsprechen oder eher Augenwischerei sind, bleibt dahingestellt. Anzweifeln kann man sie jedoch durchaus, da der Sender Pro 7 nicht über die 10% Marktanteil hinauszu-kommen scheint 4 ) die Talkshow selbst erreicht als Spitzenwerte 12,7% Marktanteil und einen Wert von 0,99 Millionen Zuschauern.. Dies ist jedoch eher die Ausnahme; der durchschnittliche Marktanteil im Jahre 1996 liegt bei 11,5%, die Zuschauerbeteiligung bei 0,77 Mio5 ). Ein kurzer Vergleich hierzu: „Hans Meiser“ erreicht durchschnittlich 2,82 Mio. Zuschauer, „Ilona Christen“ 2,15 Mio., selbst einen konservativen Moderator wie Jürgen Fliege wollen immerhin noch 1,63 Mio. Zuschauer sehen6 )

1.4.3 Auf der Suche nach Themen und Gästen

Liest man sich die Themen der letzten und nächsten zwei Wochen durch, ist man versucht zu sagen „War alles schon mal da“. Tatsächlich wird es immer schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich, bei einer Konkurrenz von 80 Talkshows ein Thema zu präsentieren, welches nicht schon mal in gleicher oder ähnlicher Art in einer Show abgehandelt wurde. So trifft man sich in der „Arabella“-Redaktion alle 2 Monate zum „Brain-Storming“, um alle nur erdenklichen Ideen auszuschöpfen, zu diskutieren und dem jeweiligen Redakteur zuzuteilen.7 ) Auch die Zuschauer können sich bei der Redaktion melden, wenn sie ein besonderes „Wunschthema“ haben. Dies ist nur der seltene Idealfall, denn hier bekommt man sozusagen ein direktes Feedback der Zielgruppe.

Das Motto ist: je origineller, je extremer und „abgedrehter“ das Thema, desto besser. Doch es gibt eine Grenze, die selbst die Redaktion nicht überschreiten möchte. Themen über Inzest, Sodomie und ähnliche von der Gesellschaft verurteilte Perversitäten finden bei der Planung keine Beachtung, vor allem wegen des Zielpublikums.8 ) Man mag jetzt sagen, dies sei nur Heuchelei, denn schließlich komme es den Sendern auf die Einschaltquoten und nicht auf die Moral an, doch es wäre im Augenblick für das Publikum in Deutschland zu schockierend, einen Vater und dessen von ihm mißbrauchte Tochter einzuladen - vor allem in einer Jugendsendung! Diese Zustände sind vorerst den Sendern in der USA vorbehalten.

Praktisches Beispiel ist das Herausschneiden eines Gästestatements der anfangs angesprochenen Sendung vom 21. Februar. Ein eingeladener Gast im Publikum erzählte von seinen Schuppenflechten am Körper und daß sein Arbeitgeber ihn scheinheilig gefeuert habe. Daraufhin protzte ein Gast am Tresen: „Weißt du, was ich dem gesagt hätte? Fick dich ins Knie, hätt ich dem gesagt!“ Zudem hatte jener letztgenannte Gast zu einem anderen Zeitpunkt seinen Naseninhalt auf den Boden des Studios befördert. Diese verbalen und augenscheinlich abstoßenden Unzulänglichkeiten wurden in der Ausstrahlung herausge-schnitten. Wiederum könnte man mutmaßen, dies sei nur geschehen, um einer öffentlichen Zensur zu entgehen und das Image der Show nicht zu gefährden. Der für diese Sendung zuständige Redakteur Uli Schmidt bezog in einemTelefonat mit dem Autor wie folgt dazu Stellung: „ Es ging ja an sich schon recht eklig zu, das Thema hieß nicht umsonst „Schuppen, Schweiß und Mundgeruch - du bist eklig“. Diese Szenen hab’ ich aber herausschneiden müssen, denn das war einfach zuviel. Es gab schon ab und zu Anzeigen, und hier wäre es berechtigt gewesen“.

Demzufolge achtet man nicht aus einem Verantwortungsgefühl heraus auf ein Nicht- Überschreiten der Grenze des Annehmbaren, sondern vor allem aus Image-Gründen. In diesem Fall war wohl keine Publicity besser als eine schlechte.

Sind die Themen gefunden, wird nach geeigneten Kandidaten gesucht, die das Für und Wider des einzelnen Sendeinhalts gut repräsentieren. Abgesehen davon ,daß sich manche Gäste dem Sender direkt anbieten, findet der Großteil der Suche über Anzeigen in Trend- magazinen und Zeitschriften, über Videotext, durch sog. „Stringer“, „Booker“ und „Talkhunter“(sprich Kenner der Szene) oder durch Casting-Agenturen statt. Mit letzteren arbeitet „Arabella“ trotz manch anders lautender Aussagen zusammen, jedoch nur begrenzt, denn hier werden Gäste geordert, die sehr wahrscheinlich über die Agentur auch an andere Sendungen vermittelt werden.9 ) Dieses will man jedoch unbedingt vermeiden, daher auch nur der bedingte Kontakt zu den Agenturen. Ein weiterer Grund dafür ist möglicherweise auch die Tatsache, daß die Presse davon Notiz genommen hatte und man den Eindruck in der Öffentlichkeit vermeiden wollte, dem Zuschauer werde nur etwas vorgemacht, da die Gäste engagiert worden seien.

Ein wichtiger Aspekt bei der näheren Auswahl der Kandidaten ist die Frage, wie sich der Zuschauer Vertreter einer bestimmten Meinung vorstellt. Anders gesagt, das allgemeine Klischee des Zuschauers muß bedient werden, um ihn an die Sendung binden zu können. Schließlich ist im Grunde jede Talk-Show Unterhaltung, und ganz besonders Talk-Shows dieser Mach-Art. Der Kandidat muß einfach plakativ sein, weil der Zuschauer keine große Interessiert sich die Redaktion für einen Kandidaten, wird per Telefon die Artikulations- fähigkeit, Schlagfertigkeit u.ä. festgestellt. Sind diese Faktoren zufriedenstellend, darf der Kandidat in spe ein Foto schicken und wird dann bei einem Engagement benachrichtigt. Dieses ganze Procedere erinnert etwas an ein Bewerbungsgespräch, bei dem nur das „fähig-ste Material“ angenommen wird. Seitens des Senders ist das durchaus legitim, nur darf man nicht vergessen, daß dadurch die Realität und Normalität verzerrt wird. Doch dies liegt in erster Linie an der Themenauswahl, die Gästeaquirierung ist „nur“ eine Folge davon.

1.5 Die Umsetzung

1.5.1 Der Ort der Talkshow

Gedreht wird im Studio 7 der SZM Studios in Unterföhring. Bei Betreten des Studios wird eine Leibesvisitation vorgenommen, da man durch den Briefbombenanschlag auf Arabella Kiesbauer inzwischen höchste Vorsicht walten läßt. Auch ist es beinahe unmöglich, hinter die Kulissen der Show zu kommen, da der Zutritt nur durch eine Sicherheitskarte oder Überredungsakrobatik möglich ist. Dem Verfasser ist dies zwar gelungen, doch es läßt sich kaum etwas davon berichten, da man in den einzelnen Räumen selbst nicht erwünscht war und sich so „nur“ ein paar Kontakte zu den Gästen und dem bereits erwähnten Redakteur Uli Schmidt knüpfen ließen, die sich kurzzeitig auf dem Gang aufhielten.

Um das Jugendliche der Show zum Ausdruck zu bringen, muß auf jedes Detail geachtet werden, denn je gezielter die Umsetzung ist, desto glaubwürdiger erscheint sie dann auch dem Rezipienten. Das „Arabella“-Team hat gründliche Arbeit geleistet.

Das Studio besteht aus den Farben orange, blau und rot, die lebhaft ineinander verlaufen. Markenzeichen des Designs ist der schwungvolle orangene Schlenzer, mit dem der Arabella Schriftzug unterlegt ist. Der Kleidungstil der Moderatorin bewegt sich in den Bereichen Teenie-Mode - also enge, knallige Oberteile mit einer abgeschnittenen Jeansjacke darüber - und einer etwas seriöseren, eleganteren Art der Twens z.Bsp. einen längeren Rock mit dezentem Oberteil und Seidenweste. Ein Zusammenhang zum jeweiligen Thema konnte nicht festgestellt werden.

Im Studio hat man auf feststehende Kameras gänzlich verzichtet, um so eine eigene Dynamik zu erzeugen. Tatsächlich müssen die 4 Kameramänner einiges an Dynamik aufweisen, um den schnellen Richtungswechseln der wirbelnden Moderatorin folgen oder ausweichen zu können. Diese 4 Kameras sind so aufgeteilt, daß eine immer nur Arabella Kiesbauer ins Bild nimmt (diese Kamera ist auch die wichtigste, der alle anderen Kameramänner ausweichen müssen), zwei nehmen die Gesprächspartner auf, jeweils von der Seite und aus dem Rücken des Gastes, und die letzte ist für die Publikumsaufnahmen zuständig. Durch die ständige Bewegung des Bildes wird eine immense Lebhaftigkeit suggeriert, die in diesem Ausmaß vom Studiopublikum nicht erfaßt werden kann. Hohe Schnittfrequenzen beim Talk bringen durch das ständige Wechseln von einem Gast zum nächsten, dann zum Publikum, wieder zurück zur Moderatorin usw. zusätzlich Leben in die Show.

Auch der einleitende Jingle der Show wirkt sehr lebendig, sehr jugendlich. Dies liegt vor allen Dingen an der Stimme der Sängerin, die herausfordernd und animierend klingt. Der Text ist unverfänglich, da er auf ein freudiges „Singin’ nanana“ beschränkt ist. Zudem wurde darauf geachtet, daß musikalisch ein deutlicher Kontext zur Moderatorin zu hören ist: die Stimme klingt sehr nach einer farbigen Sängerin, Bongos und afrikanische Panflöten tragen ebenfalls zur unbewußten Imagebildung beim Zuschauer bei. Knallig- bunte Hintergrundfarben und die schnelle Einblendung von lebendig-freundlichen Snapshots Arabella Kiesbauers stimmen auf die Umgebung des Studios und die Art der Moderatorin ein.

1.5.2 Die Moderation im allgemeinen

Die Rolle des Moderators hat sich in den letzten Jahren 20 Jahren deutlich verändert. Anfangs spielte er ausnahmslos die Rolle des Gesprächsleiters, der bei zügigem Fluß des Gesprächs in den Hintergrund trat und nur Stichworte, in Fragen verpackt, einwarf, wenn der Gesprächsfluß ins Stocken geriet. Er gab sich im wahrsten Sinne des Wortes „moderat“ (lat: moderare - leiten, führen, gleichstellen ). Doch spätestens seit der Einführung der konzeptionell neuen Talkshows durch die privaten Fernsehanstalten tritt der Moderator stärker in den Vordergrund. Er stachelt an, kitzelt provokative oder erschütternde Statements heraus und scheint es manchmal regelrecht darauf anzulegen, emotionale Reaktionen zur Aufbesserung des Unterhaltungswertes zu suchen. Ein kurzes Beispiel: Hans Meiser lud eine Frau in seine Sendung ein, die bereits zwei mal abgetrieben hatte, nachdem sie von ihrem Liebhaber vergewaltigt worden war. Nun werden ja immer die berüchtigten „Wie“-Fragen gestellt. „Wie haben Sie sich damals gefühlt?“ „Wie kommen Sie heute damit zurecht?“ „Beschreiben Sie doch einmal kurz, wie das Ganze angefangen hat“ usw. In einem Interview gab sich Hans Meiser dann sehr überrascht, als die Frau während der Sendung zusammenbrach und lange Zeit nicht zu beruhigen war:“ Meine Kolleginnen, die vorher mit ihr gesprochen hatten, waren sicher, daß sie ihre Gefühle unter Kontrolle halten könne. Aber dann brach alles wieder in ihr auf. [...]Sie hat noch hinterher bitterlich geweint. Mit dem Zusammenbruch hatten wir nicht gerechnet.“10 )

Fehlt es den meisten Moderatoren heute also an Feingefühl? Nachweisbar sind sie doch auch alle Menschen Sie suchen wohl eher den Unterhaltungswert, den der Zuschauer geliefert haben möchte, und versuchen , das eigene Handeln damit zu rechtfertigen. So klammerte sich auch Vera Int-Veen in einem Interview mit Studenten der Universität Leipzig an das Alibi-Statement: „Wir machen Unterhaltung, sonst nichts“.

Die Rolle der Moderatoren geht heute über die eigentliche Leitung einer Show hinaus. Die Popularität einer Talkshow ist eng mit der Persönlichkeit des Gastgebers verbunden. Er ist Imageträger für Sendung und Sender; da sich die Inhalte der einzelnen Ausstrahlungen gleichen, muß der Moderator der Show seinen individuellen Stempel aufrücken. Nicht umsonst heißen die Sendungen nicht „Alltagsprobleme und ihre Lösungen“, „Private goes public“ oder „Was sie schon immer mal von Ihrem Nachbarn wissen wollten“.

Nein, die Namen der Moderatoren dienen dem Titel der Sendung, um sich durch scheinbare Individualität von den Konkurrenzerzeugnissen abzugrenzen. Anders formuliert: die Themen jeder Sendung sind austauschbar, die Show lebt allein von dem Zentrum der Show, und das ist der Charakter des Moderators. Christof Sebald, Chefredakteur der SAT1-Sendung „Vera am Mittag“, bringt es auf den Punkt: „Nur über dessen (des Moderators, Anm.d.A.) Profil kann man heute noch Talk-Shows verkaufen“ und vergleicht es gar mit dem Wetterbericht: „Alle haben dieselbe Vorhersage, aber jeder präsentiert sie etwas anders.“11 )

1.5.3 Die Moderation der Arabella Kiesbauer

Arabella Kiesbauer wurde am 8.April 1969 in Wien als Tochter der Berliner Theaterschau- spielerin Hannelore Kiesbauer und des ghanaischen Maschinenbauingenieurs Sammy Amissa geboren. Nach der Scheidung der Eltern wuchs sie bei Ihrer Großmutter auf, besuchte das französische Lycèe und studierte nach dem Abschluß des Abiturs Publizistik und Theaterwissenschaft an der Wiener Universität. Schon während des Studiums wurde Arabella vom ORF entdeckt und moderierte kurz darauf die Jugendsendung „X-Large“. Bald zeigten auch andere Sender ihr Interesse an der Studentin, unter anderem 3 SAT, für welchen sie später das Städtemagazin „Inter-city“ und ein weiteres Reisemagazin präsentierte. Im August 1991 wurde sie, zunächst für die Moderation des Abend- programmes, von Pro Sieben verpflichtet. Es folgte das mehrteilige Magazin „Rund um Hollywood“, bis sie schließlich in das Konzept einer Nachmittags-Talkshow integriert wurde, die Ihre erste Austrahlung am 6.Juni 1994 fand. Seit Februar 1996 moderiert sie zudem die Sendung „Arabella night“

Arabella kam bei Publikum und Kritikern gut an. Noch im Jahr 1994 wurde sie mit dem „Bayrischen Fernsehpreis“ ausgezeichnet. Ein Jahr darauf verlieh ihr die Programmzeitschrift GONG und die Deutschen Telekom als Auszeichnung für die beliebteste TalkNewcomerin „Das Goldene Kabel“.

Seitdem bemühen sich Pro Sieben und der PR-Manager Christian Seidel verstärkt um eine Imagefestigung der Person Arabella. Im Internet ist auf der Homepage von „Arabella“ unter anderem eine Rubrik mit Titel „Arabella von A-Z“ zu finden. Das Gesamtbild. Welches hier vermittelt wird, stellt sie als sportliches, musikalisch und politisch interessiertes, aufgedrehtes („Turbogetriebene Fröhlichkeit“), intelligent-spontanes („Arabella benötigt keinen Teleprompter“ - entspricht sogar der Wahrheit) Allround-Talent dar.12 ) Sie ist somit ein Objekt der Bewunderung und verkörpert all die Ideale, die man sich selbst am meisten wünscht und die Verkörperung der Ideale der Zielgruppe im besonderen: sie sieht gut aus, zieht sich „trendy“ an (oft etwas zu jugendlich für ihr Later, aber zielgruppengerecht), ist lebendig und wirkt aufgeschlossen.An diesem Image wird durch verschiedene Aktivitäten außerhalb des Studios weitergearbeitet. Ihre Sportlichkeit bewies sie Fitnesstrainerin in der Zeitschrift „Prinz“ („Fit mit Arabella“), mit ihrer Schmuck-kollektion in Zusammenarbeit mit „Dugena“ erfreut sie wohl eher das Publikum zwischen 20 und 30, da die Preise zwischen 150 und 400 DM für Teenager zu hoch sind; ihre verabtwortungsbewußte Seite soll in der Gründung der Hilfsorganisation „Arabella- Help“ zum Ausdruck kommen und schlußendlich zeigte sie auch ihre feminine Seite in einem Photo-Shooting des Playboy (Ausgabe 07/95).

Ihr Stil der Moderation ist keiner im klassischen Sinne, denn sie stellt sich selbst permanent in den Vordergrund. Die Auswertung der Talkanteile von Arabella ( 45%) und ihren Gästen (55%), spricht für sich. Arabella wartet erst gar nicht den Moment ab, in dem sich das Statement des einzelnen in der Belanglosigkeit verliert, sondern unterbricht schamlos die Rede ihres Gastes mit dem für sie typischen aggressiv-spitzen Tonfall; und da sie die Autorität in der Sendung ist, gibt der Kandidat in der Regel auch klein bei. So bleibt einem Gast nichts anderes übrig, als seine ohnehin schon kurzatmige Meinung in Phrasen und verbalen Kraftformulierungen regelrecht hinauszukatapultieren.

Dem Zuschauer wird dies gar nicht so recht bewußt, denn ihre Dominaz und Autorität spielt sie mit dem für Arabella schon beinahe stigmaartigen Personenkontakt aus. Im Gesamteindruck hinterläßt dies ein Bild der sympathischen, zuvorkommenden und toleranten Gastgeberin. Doch Handlungsmuster wie das Handauflegen beim Kandidaten bewirken, daß der Gast sogleich innehält; dies ist keine Geste der Sympathie, sondern schlicht der Ruhigstellung. Sie erreicht damit zusätzlich eine persönliche Bindung des Kandidaten an die Moderatorin, der dem Charme und vor allem der Autorität fast schon hilflos ausgeliefert ist. Daß dies nicht ausschließlich nur Show ist, konnte in den Werbepausen festgestellt werden, in denen sie auf einzelne Kandidaten zuging, mit ihnen die Köpfe zusammensteckte und gleichzeitig die Hand desjenigen hielt, mit dem sie gerade sprach.

Eine Ausnahme gab es in der Sendung vom 23. Dezember 1996. Hier war eine Psychologin eingeladen worden, um einen kurzen Umriß oder eine Erklärung für Angewohnheiten und „Macken“ der Kandidaten zu geben. Arabella ging zu ihr, die Dame durfte sitzenbleiben (!)

und ihr gehörte dann auch das Wort. Respektvoll hielt sich Arabella auch mit dem Handauflegen zurück, es waren sozusagen für einen kleinen Augenblick vertauschte Rollen der Autorität. Denn kaum hatte die Psychologin ihre Analyse beendet und war aus dem Bild, galt wieder das Wort der Moderatorin.

Als guter Moderator sollte man dem Gesprächsthema neutral gegenüber eingestellt sein, jeder Seite objektiv genug Zeit geben, die eigenen Belange darzulegen. Letzteres ist, wie schon beschrieben, kaum vorhanden, und auch die mit der Neutralität hat Arabella Kiesbauer ihre Probleme. Es gibt praktisch kein Thema, zu dem sie nicht einen subjektiven Kommentar verlauten läßt, und am besten eignet sich das „Schlußwort“ der Moderatorin am Ende jeder Sendung. Hier faßt sie das Thema und dem Verlauf der Sendung noch einmal zusammen und läßt ihre subjektive Sicht deutlich zum Vorschein kommen, falls dies nicht schon während der Sendung geschehen ist. Als Beispiel kann die Abmoderation der analysierten Sendung, aber auch jeder anderen, dienen: „ Das letzte Wort in der Sendung habe immer ich. Hm!. Schlußendlich. Komme ich auch irgendwann mal dazu, etwas zu sagen [...] Es gibt zum Glück, kann ich ihnen nach dieser Sendung wirklich sagen, noch kein Geruchsfernsehen. Aber ich möchte doch schlußendlich noch mit auf den Weg geben, daß -äh- nun mal die Nase des ein oder anderen vielleicht doch ein bißchen heikler ist und wir einfach unseren Mitmenschen zuliebe doch ein bißchen Rücksicht auf deren Nase nehmen sollten. Gut riech. Ich kann sie auf jeden Fall riechen. Bis zum nächsten Mal. Tschüß“

Diese Abmoderation ist nun wahrscheinlich etwas sanfter ausgefallen, da es in der Sendung an sich recht turbulent zuging, leider wurden manche Stellen herausgeschnitten, und so wirkte alles etwas harmlos, Schlußwort inklusive.

Konkrete Ergebnisse werden durch die Moderation nicht erreicht, diese sind auch nicht der Sinn einer Konfrontation. Ein Bekannter des Verfassers meinte nach der Aufzeichnung: „Weißt du, was das Sinnloseste ist? Hier geht keiner (der Gäste, Anm.d.Verf.) raus und sagt: Oh ja, ich will mich ändern, ihr habt mich überzeugt“ Im Grunde trifft diese Aussage den Kern recht eindrücklich; es geht nun mal nicht darum, ein ernsthaftes Pro und Contra gemeinsam abzuwägen, sondern es ist nur wichtig, die eigene Position gut vertreten zu haben. (siehe auch Interviews im Anhang). Man darf zudem nicht übersehen, daß Kandidaten mit einer toleranten Einstellung gegenüber ihren „Mit-Talkern“ keinen Konfrontationskurs eingehen und somit die Sendung langweilig für den Zuschauer wird. So geschehen bei einer Aufzeichnung mit dem Thema „Drag-Kings“. Frauen, die sich als Männer schminkten, kleideten und zum Teil auch eine Geschlechtsoperation anstrebten, füllten den Steh-Tresen aus. Es herrschte großes Verständnis zwischen den Teilnehmern, die sich wohl aus der ohnehin nicht breiten Szene her kannten; am Ende der Sendung, in den Gängen der Redaktion , war dann zu hören, daß es noch nicht so sicher sei, ob die Aufzeichnung überhaupt gebracht werden würde...

Ein großes Manko und weiteres Indiz dafür, daß man von Unterhaltung sprechen muß, ist das chronische „Nichtlösen“ von den individuellen Problemen der Gäste. Arabella sagt zwar: „Es ist mir ein Anliegen, die Probleme meiner Generation direkt und unverblümt zur Sprache zu bringen.“13 ), und das ist nicht einmal gelogen, denn zur Sprache im wörtlichen Sinne werden sie tatsächlich gebracht. Durch verbale Phrasen werden die Problemchen und Attitüden der Kandidaten an die Oberfläche befördert, doch dort bleiben sie dann - bedauert oder belächelt - liegen. Es gibt grundsätzlich nie die Frage des „Warum“, sondern immer nur des „Wie“, womit eine Plakativität, wie sie die Gästeerscheinungen darstellen, nicht durchbrochen werden kann. Wettgemacht wird dies durch die Pseudo-Betroffenheit und scheinheilige Anteilnahme der Moderatorin, die in einem Moment während des Gesprächs mit Kandidat A verständnisvoll dreinblickt und im nächsten schon mit dem Kandidaten B nebendran witzelt oder gar zur Werbung abgibt.

Der Umgang hinter der Kamera mit den Gästen kann als kurz, aber freundlich umschrieben werden. Arabella trifft die Kandidaten vor der Show, um ihnen etwas die Scheu und Nervosität zu nehmen. Die Gäste haben die Möglichkeit, ein paar Worte mit der Moderatorin zu wechseln. Es werden noch gemeinsame Fotos gemacht, und danach wird der Gast in die Maske gebeten.

1.5.4 Die Gäste

Die Gäste sind neben der Moderatorin die zweite Komponente der Attraktivität und Objekt des Amüsements.. Schließlich sind sie die Verkörperung der Zuschauererwartungen zum jeweiligen Thema. In gleicher Weise gilt hier: je ausgefallener und extremer, desto unterhaltsamer für den Zuschauer. Dieser Faktor erhöht sich immens, wenn sich die Kandidaten dazu noch auf eine Art die Meinung sagen, die man normalerweise nur pflegt, wenn man alleine im Auto sitzt und ein anderer Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt mißachtet. Die Gäste dienen entweder als „Buhmänner vom Dienst“ oder als bewunderte und beklatschte Außenseiter. Sie neigen dazu, sobald die Kamera läuft, sich gegenseitig anzufauchen. Nur selten kommt es zu Konfrontationen hinter den Kulissen (siehe Interview mit Ronny Eschenborn) oder in den Pausen.

Jeder Gast scheint ein oder zwei Statements zu haben, die er zum Besten geben darf oder soll und die seinen Standpunkt kurz und prägnant zum Ausdruck bringen („Ich find dich eklig“). Übrige Aussagen und Kurzbeschreibungen werden im nachhinein von der Redaktion eingeblendet, um ein möglichst ausgebautes und doch eindimensionales Bild des Kandidaten zu gewährleisten und um Zuschauer, die später zugeschaltet haben, sehr schnell über die Fronten aufklären zu können, damit sie sofort im Geschehen - wenn auch nur passiv - involviert sind.

Im Gespräch mit Arabella gibt es 3 Grundeinstellungen, die durch Schwenken oder zoomen leicht verändert werden können. 1. Die Aufnahme aus dem Rücken der Moderatorin heraus, bei Zoom ist nur der Kandidat zu sehen 2. Die Aufnahme aus dem Rücken des Gastes heraus, bei Zoom ist nur Arabella zu sehen 3. Die Aufnahme seitlich der beiden Gesprächspartner, bei Zoom kann man wahlweise auf Arabella oder den Kandidaten gehen. So entsteht beim Rezipienten der Eindruck, er sei sehr nahe am Gesprächsgeschehen; die Kamera kann das Gesicht des Gastes so nah zeigen, daß man in ihm jede Reaktion ablesen kann, sofern sie im Gesicht zu sehen ist.

1.5.4.1 Motivation der Gäste

„Das Motiv ist manchmal ganz simpel: Ich will ein Star sein.“ (Hans Meiser über die Gäste)14 )

Es ist nicht anzunehmen, daß so viele Menschen einen derart ausgeprägten Drang zum Exhibitionismus haben, daß sie sich, in der Gefahr ausgelacht zu werden, einem großen Publikum stellen und diesem aus den Intimitäten ihres Lebens erzählen. Man kann vielmehr von einer Lust an Selbstdarstellung ausgehen, die das Medium Fernsehen durch seine große Reichweite garantiert. Das Publikum ist anonym und würde den Kandidaten - außer er hat ein extrem auffälliges Äußeres - später auch nicht auf der Straße erkennen, daher bezieht sich die Selbstdarstellung und das Gefühl des „Kicks“ fast ausschließlich auf den Moment der Aufzeichnung und vor allem der Ausstrahlung. Natürlich wird man es im Bekannten-kreis immer wieder erzählen und in diesem Augenblick etwas von dem Charisma eines Fernsehstars zur Schau stellen. Die erste Reaktion ist erst einmal: “Wirklich? Du warst im Fernsehen?“; in diesem Moment fühlt man sich abgehoben und als etwas Besonderes. „Das Ausgeben von Performanzfähigkeit bringt Anerkennung, die in Identifikationsprozessen in sozialen Systemen eine Rolle spielen“(Staubmann, 1995, Seite 254).

Anders ausgedrückt: durch die Performanz im Medium Fernsehen bekommt man zusätzliche Anerkennung zugesprochen, die den Menschen selbst aus dem Gros der Menge heraushebt und er auf diese Weise einen, wenn auch kurzweiligen, Status des Besonderen erlangt. Die Sucht, sich zu präsentieren, führt auf den Drang nach Abgrenzung von anderen zurück. Manche gehen nachweislich sogar so weit, sich eine Außergewöhnlichkeit zuzulegen, nur um ins Fernsehen zu kommen und Aufmerksamkeit zu heischen. Erst konnte der Kölner Max Sarbin als Vertreter ausgedachter Rollen in ARD und ZDF auftreten sowie bei RTL und Sat.1 ("Die wollten Lügengeschichten hören, also erzählte ich Lügengeschich-ten"); dann wurde der Berliner Student Thomas Brunk (23) als Nachahmer geoutet. Brunk gerierte sich im ARD-"Herzblatt" als Homosexueller und bei Sat.1 in "Riskier was" als Fetischist, der auf Frauenlocken steht. Dem Schweizer Magazin Facts gestand er: "Es ist einfach ein irrer Thrill, in eine Sendung zu latschen, Mist zu erzählen und dafür Geld zu bekommen." Natürlich geben sich auch in diesen Fällen die verantwortlichen Redaktionen ahnungslos. Andreas Geier, Leiter von Schwartzkopf TV, einer Firma, die "Kerner" für SAT 1 produziert, hat ein ruhiges Gewissen: "Wir hören uns auch die Geschichten an und können uns dabei meistens auf unser Gefühl verlassen, Lügen haben wenig Chancen."15 ) Möglicherweise ist es auch gar nicht so wichtig, ob die Gäste authentisch sind oder nicht.

Umberto Eco bedauert, daß der Klatsch inzwischen als aussterbende Kunst gelte, da das Fernsehen durch seine direkte Gegenüberstellung mit den Beklatschten den Zauber des “Ich weiß etwas über dich und du weißt es nicht, daß ich es weiß“ erstickt. Doch er erkennt den Vorteil für das „Opfer“ der Neuzeit: “[...] aber man kann sie auch nicht mehr bedauern; sie haben aus ihrem Selbstgeständnis einen beneidenswerten Vorteil gezogen: die öffentliche Selbstdarstellung.“ Und doch bezeichnet er sie letzten Endes als „Selbst- verstümmler“, die man „in der Glotze“ sieht.16 ) Und damit hat er im Grunde Recht. Die Wirkung des Fernsehzaubers wird nicht lange anhalten, und was letzten Endes schwerer wiegt - die Selbstdarstellung oder das Gefühl des Intimitätsverlustes - ist nicht allgemein voraussagbar. Zudem muß man diese Aussage einschränken, denn Menschen, die sich ohnehin in der Öffentlichkeit zu ihrer Art oder Abart bekennen, haben keinen Intimitätsverlust zu befürchten. Jedoch ist hier wiederum die Frage, ob die ständige Selbstdarstellung nicht doch den Verlust des eigenen Ich und der eigenen Intimität übertünchen soll. Leider würde eine nähere Betrachtung den Rahmen der Hausarbeit sprengen, ferner gehört es zweifellos nur in Teilen zum Thema.

1.6 Die Zuschauer

1.6.1 Das Publikum im Studio

Das Publikum im Studio ist für die meisten Talkshows schon unverzichtbar geworden. Es verändert allein durch seine Anwesenheit die Atmosphäre im Studio und ist für die Gäste der Indikator, wie die eigene Einstellung bei der Öffentlichkeit ankommt. Nach Meinung vieler Kritiker verleitet das Studiopublikum Kandidaten dazu, besonders beifallheischend zu agieren. Das reicht von harmlosen Schlagabtäuschen über Konkurrenzverhalten bis hin zur „offenen Rivalität um die Gunst des Studiopubikums“ (Steinbrecher, 19xx, Seite 59).

Vor der Aufzeichnung der analysierten Show durch die junge mädchenhafte Warm- upperin Andrea bereits das „Igitt!“- und „Buuh“ -Rufen und hämisches Gelächter mit dem Studiopublikum trainiert, damit man gleich wußte, wie es später zu klingen hat. Die Warm- Upperin kam auch in den Werbepausen nach unten, unterhielt sich in normaler Lautstärke ohne Mikrofon mit Leuten aus dem Publikum, die die üblichen Fragen nach Autogrammen der Gastgeberin oder anders stellten. Hatte ein Gast eine Frage an die Gäste, mußte er sie erst Andrea sagen, und sie entschied dann, ob man sie fragen durfte oder ob sie nicht griffig genug war.

Beachtung sollte man jedoch dem Umstand schenken, daß das Publikum nur begrenzt dem Gast seine allgemeine Akzeptanz anzeigen kann, da es leichter zu motivieren ist und zu positiven Reaktionen gebracht werden kann. Und doch ist es Repräsentant des Zuschauers zuhause.

Die Motivation, Besucher einer Talkshow zu sein, ist die gleiche wie beim Gast. Man will die Moderatorin einmal live sehen, schließlich ist sie auch ein Fernsehstar, und hofft, von der Kamera einmal bildlich mitgenommen zu werden, um selbst auch im Fernsehen zu sein.

1.6.2 Das Publikum vor dem Bildschirm

Der Zuschauer zu hause ist der Richter darüber, ob eine Sendung steht oder fällt. Nun ist die Frage, ob es den typischen Talk-Show-Rezipienten und den notorischen „Nicht-Seher“ gibt. Empirische Forschungen würden Klarheit schaffen, doch momentan kann nur spekuliert werden. Wahrscheinlich ist, daß Menschen mit kulturellen und politischen Interessen und Schwerpunkten Talk-Shows weniger attraktiv finden und sich lieber den politiklastigeren Themen wie „Talk im Turm“ zuwenden. Doch wird es in dieser Gruppe sicherlich auch „schwarze Schafe“ geben. Denn andererseits hat Wilensky recht, wenn er sagt, daß „[...] Personen mit höherer Schulbildung nur eine schwache Tendenz zu einem besseren Geschmack erkennen lassen“ (Wilensky, 1985, Seite 309) Im Grunde kann man nur sagen: diejenigen Leute, die Interesse an einer konstruktiven Diskussionsrunde mit sachlichen Fragestellungen haben, werden die Talk-Show eher meiden. Ansonsten läßt sich über „Talk-Show-Verweigerer“ wenig sagen. Die Gruppe der typischen Talk-Show- Rezipienten ist ebenfalls sehr weit gefaßt. Allgemein spricht man von den Hausfrauen, die mittags bügelnd oder kochend in ihrer Wohnung stehen und um jede Unterhaltung froh sind. Auch wenn dies ein Vorurteil ist, einen Funken Wahrheit beinhaltet sicher auch diese Behauptung. Eine weitere Gruppe sind die Schüler, die nach dem Schulstreß sich durch Nichtssagendes zerstreuen und belustigen lassen wollen Denn die Themen können den Zuschauer nicht wirklich berühren, da sie zu weit entfernt vom persönlichen Erleben sind. Insgesamt muß man, was die Zuschauertypisierung betrifft, eine beachtliche Grauzone feststellen.

Wenn wir davon ausgehen, daß Talk-Shows Unterhaltung sind, muß auch klar sein, daß eine gewisse Integration und Parteiergreifung dabei ist , um in das, was auf dem Bildschirm abläuft, involviert zu sein, auch wenn es unbewußt geschieht. Um dies zu erreichen, versucht die Kameraführung und die Schnittfolge dem Zuschauer , ihn direkt anzusprechen und eine Meinung zu suggerieren. Arabella wird bei ihrer An- und Abmoderation in einem Übergang von Nah- auf Großaufnahme gezeigt, und ist damit dem Rezipienten subjektiv sehr nahe, spricht ihn direkt an. Das Mittel zur subtilen Meinungsbeeinflussung oder zumindest zur Wertung einer Gastaussage sind die Einblendungen von Publikums-reaktionen auf nach Statements der Kandidaten. Ein simples frei erfundenes Beispiel: eine Frau sagt, sie liebe und ehre ihren Mann noch immer, obwohl er wegen einer Vergewalti-gung im Gefängnis sitzt. Zeigt die Kamera nun ein freundlich nickendes Gesicht mit einem verständnisvollem Lächeln auf den Lippen, ist die vermittelte Emotion: „Das ist eine Frau, die zu ihrem Mann hält, auch wenn er Probleme hat,. Das finde ich gut“. Bringt man jedoch jemanden ins Bild, der verständnislos den Kopf schüttelt oder gar hämisch lacht, vermittelt dies: „Wie kann man nur so kurzsichtig und beschränkt denken. Es gibt doch mehr dumme auf der Welt, als man gemeinhin glaubt.“ Da die Kamera das Auge des Zuschauers darstellt, ist es diesem schlicht nicht möglich, einen eigenmotivierten „Rund-um-Blick“ zu initiieren. Daher kann hier unumwunden von Manipulation des Zuschauerblickfeldes und somit auch seiner Sichtweise gesprochen werden.

Ganz gefährlich wird es, wenn jüngere Zuschauer noch keine gefestigte Meinung zu einem Thema haben und daher leicht zu beeinflussen sind. Hier wird das Medium, noch stärker als sonst, zum gnadenlosen Meinungsbildner, der den Vorurteilen der Gesellschaft zusätzlichen Nährboden verschafft.

Allgemein kann man zwei Arten von Motivation unterscheiden, die im Kontext des TalShow-Rezipienten zu nennen sind. Die eine Seite ist der Voyeurismus, den ein großer Teil der Menschen, wenn nicht alle, in sich tragen. Die Lust, sich am Habitus anderer zu ergötzen, erhebt in den Status des unbekannten Mitwissers. Das Gefühl des Ich-kenne- deine-geheimsten-Wünsche-und-Gedanken und das anonyme Beobachten kann zu einer Sucht werden, wenn durch das Aufsaugen der Obsession des Beobachteten der Rausch der geheimen Superiorität überhand nimmt.

Die zweite Art der Motivation, sich an Talk-Shows zu ergötzen, liegt schon etwas tiefer. Allgemein tendiert der Mensch dazu, sich von anderen abzugrenzen, und dies kann er nur, indem er seine eigene Individualität findet oder sein zumindest sein Selbstwertgefühl steigert. Am besten eine Kombination aus beiden. Bedienen Seifenopern noch die heile Welt und rufen dadurch ungewollt eine geringe Selbsteinschätzung und eine allgemeine Unzufriedenheit hervor (Vitouch, 1993, Seite 25), vertauschen Talk-Shows die Rollen. Was sie dem Zuschauer vermitteln können, ist im Grunde einfach: sie zeigen, was es für bedauerns-, belächelns- oder bespottenswerte Subjekte in der Welt gibt, und man hat bis zur Werbepause etwas Mitleid mit ihnen, schmunzelt über ihre Kuriosität oder verhöhnt ihre Lebens- oder Gesellschaftsunfähigkeit. Nicht der Zuschauer, sondern der Gast ist entfremdet. Über die „Drag-Kings“ kann man noch müde oder amüsiert lächeln, über den Mann, der eine „Freude am Stinken, Rülpsen, Furzen und Rotzen“ hat (Löli bei „Arabella“, Pro7, 21.2.97), lacht man sich kaputt. Doch alle Phänomene haben eines gemeinsam: man fühlt sich überlegen. Gedankenstränge wie „Ein Glück geht’s mir nicht so mies“, „Der / die ist ja schon ganz ulkig, aber doch irgendwie krank im Kopf“ oder „Mein Gott, ist der übel, da bin ich ja harmlos dagegen!“ gehen ihren Weg im semi- bewußten Denken. Leider verpuffen sie bald wieder, und hier liegt die Chance und der Grund für die massive Flut der Talk-Shows. „Solche leicht erhältlichen, wenn auch kleinen Belohnungen können unter bestimmten Bedingungen stärker begehrt, möglicherweise sogar notwendig werden (Tannenbaum, 1978, Seite 192).

In der Psychologie gibt es dafür den Begriff der erlernten Hilflosigkeit. Das oben beschriebene Phänomen beschreibt die Unkontrollierbarkeit der unbewußten Vorgänge in einer individuellen Situation des Menschen. Durch die Befriedigung des Bestätigungsbedürfnisses tritt eine Passivität ein, da der Wunsch nach baldiger Wiederholung der Befriedigung permanent vorhanden ist. Die Motivation zur Kontrolle des eigenen Verhaltens ist gering, man ist praktisch hilflos in diesem Vorgang gefangen.

1.7. Die Werbung

Während der Arabella-Show werden insgesamt 4 Werbeblöcke geschaltet. Diese bestehen ausschließlich aus Produktspots, die der Zielgruppe der Show gerecht werden.Die am häufigsten beworbenen Produkte sind Waschmittel, Knabbergebäck, Produkte für die körperpflege und Musik-CDs aus dem Techno-Bereich.

Einschaltquote und Marktwert der jeweiligen Sendung sind eng miteinander vebunden, denn nur bei einer relativ hohen Quote läßt sich für den Sender Geld verdienen. Die werbetreibende Wirtshaft finanziert ein Programm natürlich nur dann, wenn sie mit ihrer Botschaft ein für sie ideales Publikum erreicht. Der Kreislauf kann wie folgt beschrieben werden. Talkshow x muß ein möglichst großes Stammpublikum y haben, damit der Werbetreiber z die Sendung finanziert.

Wie bereits erwähnt, findet man zielgruppengerechte Werbespots im Werbeblock der Show. Auffallend dagegen ist, daß in zehn Sendungen im Zeitraum vom 3. - 14. Februar 1997 kein Problemspot, wie zum Beispiel der Krebshilfe, des Kinderschutzbundes oder von Misereor („Brot für die Welt“) gesendet wurde. Nicht einmal die bundesweite AIDS- Kampagne, die ja gerade solche Zielgruppen wie die der Arabella-Talk-Show ansprechen sollte, fanden einen Platz. Bei letztgenannter Kampagne ist bekannt, daß wahrscheinlich das Geld des Bundes fehlt und sich die öffentlich-rechtlichen Sender bereiterklärt haben,kosten-los Werbezeit zur Verfügung zu stellen.17 ) Man könnte den Schluß ziehen, die Redaktion vermeide diese Art von Werbung, da realere Probleme den Unterhaltungswert der Talkshow verringern. Gesichert ist diese Vermutung leider nicht. Es besteht lediglich die These, „daß die angstbesetzten, ungewohnten Inhalte auch bei Rezipienten mit adäquatem Angstbewältigungsstil zu einer abwehrenden Informationsaufnahme führen“. Entweder denkt die Redaktion, Angst im weitesten Sinne sei kontraproduktiv zur Sendung, oder die oben genannten Organisationen sehen ihre Spots im Umfeld einer Talk-Show als fehl am Platz an, da sie nicht dem restlichen Umfeld entsprechen und auf kein ernsthaftes Interesse stoßen. Dies sind alles nur Vermutungen, die nicht bewiesen und nicht widerlegt werden konnten; Fakt ist nur: es gibt, leitet man von den zehn beobachteten Sendungen auf die Gesamtstruktur ab, keine Problemspots in den Werbeblöcken der Talkshow „Arabella“.

Nach Meinung von Nikolaus von Festenberg haben die Talk-Show und deren Werbezeiten eines gemeinsam. Die Werbung „ schafft es, daß sich Jugendliche über Kultobjekte gemeinsam erleben können und zugleich unterscheiden von anderen - den Alten. Werbung und die Unterhaltung füllen die Lücke auf, die entstanden ist, seit gesellschaftliche Abkunft nicht mehr mit Kultur versorgt: Sie beliefern den modernen Menschen, der nun zum kulturellen Selbstversorger geworden ist, mit Identität.18 )

Man kann ihm nur begrenzt zustimmen; daß die Show zur Identitätsabgrenzung dienen kann, wurde unter dem Absatz „Das Publikum vor dem Bildschirm“ schon festgestellt. Nur hat er eines vergessen: die „Alten“ (=Eltern) sehen diese Sendungen ebenfalls, schließlich werden in der Werbung auch Waschpulver und Faltencremes angeboten; d.h. selbst die Werbebranche geht davon aus, daß “Arabella“ nicht nur von Jugendlichen im juristischen Sinne konsumiert wird.

2. Schluß

Prüfung der Hypothesen und Perspektiven

Eingangs wurden Kritiker wie Befürworter der Talk-Show erwähnt, die jeweils unverrückbar ihre Position mit Argumenten belegten. Man kann auch durchaus einen Mittelweg der Standpunkte vertreten, indem man sagt: „Die Talkshows rufen den Voyeur in uns hervor, dienen den Gästen in erster Linie als Mittel zur Selbstdarstellung und dem Moderator zur Profilierung als Fernsehstar. Doch es ist Unterhaltung, die im Moment des Zuschauens von eigenen und globalen Problemen ablenkt. Die Sendungen „Arabella“, „Hans Meiser“, „Ilona Christen“ etc. heißen nicht umsonst Talk-SHOW und nicht Talk- Runde.

Im 19. Jahrhundert waren es die Groschenhefte, Bunte Abende mit Musik und Tanz oder volkstümliche Stücke im Theater. Auch zu dieser Zeit gab es bereits Diskussionen über die „Schmutz- und Schundliteratur, die überraschende Parallelen zur kulturpessimistischen Debatte über das Fernsehen in den 50er Jahren aufweist.“(v.Rüden/Würzberg,1979, Seite13) Heute sind es neben Action-und Horror-Filmen und den Seifenopern im Fernsehen eben auch die Talk-Shows. Sie töten nicht grundsätzlich das Interesse des Menschen an relevanten Vorgängen und Situationen seiner realen Umwelt. Es ist in Mode gekommen, auf die Shows zu schimpfen, so wie auf Boulevard-Zeitungen auch, doch der Erfolg spricht für sich. Man darf nicht nur über die Inhalte der Shows wettern, denn genau genommen sind sie das, was der Mensch als Gesellschaftsorgan sehen möchte.

Doch gibt es ein bedenkenswertes Faktum: die Redaktionen merken, daß alles schon einmal da war und es zunehmend schwieriger wird, Neues und Reizvolles dem Zuschauer zu präsentieren. Stagnation allerorten, wie zu der Zeit, bevor sich RTL zur ersten Talkshow Deutschlands in diesem Format entschloß. So muß man fürchten daß wieder jemand den ersten Schritt tätigen wird und Themen präsentiert, die über die heutige Geschmacksgrenze hinaus gehen. Das Beispiel von Festenberg mit dem Mann, der einen Hund beißt, ist treffend„Einmal gemeldet, ist die Neuigkeit alt. Wenn nun wieder ein Mann einen Hund beißt, kann das mediale System, geleitet durch sein Gedächtnis, den Vorgang nicht mehr so als vermischte Neuigkeit seinen Konsumenten servieren wie beim ersten Mal.

Diese Thematik ist anschlußfähig: Experten äußern sich, Politiker warnen, kulturkritische Verteidiger des Hundebeißens warnen vor den Warnungen der Politiker. Und irgendwann geht das Thema mangels neuer Perspektiven ein. Seine Karriere ist beendet. Das Gedächtnis meldet Sättigung, die Karawane zieht weiter.“19 )

Und hier liegt die Gefahr: die „Karawane“ ist schon oft weitergezogen und hat schon viele Neuigkeiten aufgenommen und weitererzählt, doch inzwischen gibt es eigentlich keine mehr, die wirklich . Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich viele der Shows aus dem Sendealltag wieder entfernen, außer solche, deren Moderator/in eine Persönlichkeit in der Fernsehlandschaft darstellt. Sicher, die Hausfrauenthemen und -Shows werden bleiben, doch lange wird es nicht mehr dauern, bis sich der erste Sender - um durch die negative Publicity neue Zuschauer anzuziehen - mit einer neuen Talk-Show heiklen Themen zuwendet. Dies muß nicht unbedingt in naher Zukunft sein, doch voraussehbare Zukunft ist es trotzdem.

Eine zweite Vermutung ist, daß Arabella Keisbauer die Moderation ihrer Sendung in den nächsten 3 oder 4 Jahren ab- oder aufgeben wird, denn dann ist sie über 30 Jahre alt und wird möglicherweise ihren Schwerpunkt auf eine ältere Zielgruppe, wie die der „Arabellanight“-Show, legen wollen.

Die Lust an der Sensation und am Outing ist so unbezähmbar wie allgemein. Dies schien schon immer ein Wesenszug des Menschen gewesen zu sein, der durch die Talk-Shows in neue Formen gebracht wird.

Keine Frage: die anfänglich gestellten Hypothesen waren provokativ. Doch dadurch ist es noch besser gelungen, die wirklichen Sachverhalte und Hintergründe zu erkennen und zu beschreiben. Aus den Hypothesen können nun folgende Thesen geformt werden:

1) Arabella Kiesbauer führt die Moderation bewußt so, daß keine Antworten auf den Hintergrund, auf das „warum“, gegeben werden können.
2) Die Gäste sehen sich selbst als Teil der Show, als Stars auf Zeit in der Welt des Fernsehens.
3) Der Zuschauer mutiert zum Voyeur, der sich an Problemen oder Eigenarten der Gäste ergötzt. Eine echte Betroffenheit kann nicht erzeugt werden.

Sendeprotokoll der Sendung „Arabella“ vom 21.2. 1997, Pro 7 , 14.00 Uhr

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3,9 % sind Zeitüberschuss, der sich aus den zeitlichen Überlagerungen (z.Bsp.Teaser + Hotline-Einblendung) ergibt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Literaturverzeichnis:

Vitouch, Peter: Fernsehen und Angstbewältigung - Zur Typologie des Zuschauerverhaltens.Opladen: Westdeutscher Verlag GmbH, 1993

Rüden, P.v./Würzberg, G.: Fernsehunterhaltung - Therapeut oder Weißwäscher?- Eine Einführung. In: Rüden, P.v. (Hrsg.): Unterhaltungsmedium Fernsehen. München, 1979.

Europäisches Medieninstitut: Fernsehen und Zuschauerinteressen - Untersuchungen zur verantwortlichkeit europäischer Fernsehsender.Baden-Baden: Nomos-Verl.Ges., 1995

Bosshart, L.: Dynamik der Fernsehunterhaltung. Eine kommunikationswissenschaftliche Analyse und Synthese. Freiburg, 1979

Staubmann, Helmut: Die Kommunikation von Gefühlen, Soziologische Schriften Bd.16.Berlin, Duncker & Humblot GmbH, 1995

Kessler, Tobias: Maul und Plauderseuche. In: Focus Ausgabe Nr. 4/96

Franzen, Tobias: „Ich mache eben Gebrauchsfernsehen“. In: Focus Ausgabe Nr. 18/96

Führung verteidigt. In: Der Spiegel Ausgabe Nr. 01/97

Journalist leimte TV-Magazin. In: Der Spiegel Ausgabe Nr. 04/96

Nikolaus von Festenberg: Niklas Luhmann entdeckt „Die Realität der Massenmedien“. In: Der Spiegel, Ausgabe Nr. 41/96

Di Lorenzo, Giovanni: Fünf vor zwölf oder III nach 9. In: Spiegel Ausgabe Nr. 19/96

Raddatz, Fritz J.: Achtzig Talk-Shows und kein Gedanke. In: Die Zeit, Ausgabe Nr. 14/96 Eco, Umberto: Der Klatsch als aussterbende Kunst. In: Die Zeit, Ausgabe Nr. 30/96

Lilienthal, Volker: Eine kleine Sittengeschichte des Fernsehjahres 1996. In: Die Zeit, Ausgabe Nr. 4/97

Hans Meiser über Schamgrenzen in Talkshows. In: Der Spiegel, Ausgabe Nr. 5/96

Sichtermann, Barbara: Die Talkshow ist besser als ihr Ruf. In: Die Zeit, Ausgabe Nr. 42/96

http://www.pro-sieben.de/ar/ar00011.htm

Meister, Susanne: Eine Inhaltsanalyse, Hausarbeit Juli 1996

Dummes Zeug kann man viel reden, kann es auch schreiben, wird weder Leib noch Seele töten, es wird alles beim alten bleiben

Dummes aber vors Aug’ gestellt, hat ein magisches Recht,

weil es die Sinne gefesselt hält, wird der Geist den Knecht

(Johann Wolfgang v. Goethe)

Fragen an Kandidaten

1. Wie definieren Sie Ihre Rolle als Kandidat? Aufgaben, Auftreten etc.

2. Haben Sie sich als Programmgestalter gesehen?

3. Welche Empfindungen, Gedanken u.u. haben Sie während der Aufzeichnung empfunden?

4. Wie haben Sie den Wandel vom Medienlaien zur Fernsehpersönlichkeit erlebt?

5. Beschreiben Sie ihre Gefühlslage nach dem Auftritt (Sieger, Verlierer)

6. Welchen Einfluß auf das Selbstbewußtsein hatte die Show?

7. Nehmen Sie zu folgendem Statement Stellung: der Kandidat ist Mittel zum Zweck

8. Beschreiben Sie den Kontakt zu Arabella hinter den Kulissen (Unterschiede zwischen vor und nach der Show)

9. Werden Statements vorgegeben?

10. Wie wirkt Arabella auf Sie?

a. beruhigend
b. aufgedreht
c. souverän
d. dominant
e. jugendlich
f. erwachsen

11. Würden Sie Arabella als TV-Star bezeichnen? Begründen Sie Ihre Meinung.

12. Glauben Sie, Arabella hat Ihnen die Möglichkeit gegeben, Ihre Position ausreichend darzulegen?

13. Waren Sie schon einmal Gast einer Talkshow? Welche Damaliges Thema? Hauptunterschied?

14. Kannten Sie die Meinung der anderen Talk-Gäste und haben Sie vorher Gelegenheit, Kontakt mit Ihnen aufzunehmen?

15. Waren Sie im Grunde toleranter als gezeigt?

16. Entspricht Ihre Position der Wahrheit oder wurde noch etwas seitens der Redaktion hinzugefügt?

17. Weshalb die Zusage? Reiz ins Fernsehen zu kommen? Geld?

Daniel Trescher, 21

Gast der Aufzeichnung am 13. Februar 1997

Thema „Schuppen, Schweiß und Mundgeruch - du bist eklig“

Geführt am 26. Februar 1997, 18.32 Uhr

Antworten:

1. Also, i fand, i war so a bisle der Retter vo dem Ganzen Ja, des kannst schreiben, des klingt doch cool, oder? . Des war doch alles a bisl trübe, oder? Da kam no mal Stimmung nei, als i kam.

(Zwischenfrage: Also siehst du dich auch als Entertainer der Show) ja, klar, i hab ja schließlich die Leute au unterhalten.

2. Wie gesagt, i hab die Leut halt unterhalten, die haben ja au wegen mir glacht, da bin i ja dann scho au Mitgestalter, oder?

3. Also i fand des einfach lustig, so nervös oder so war i net, i bins au gwohnt, im Mittelpunkt zu stehen, i bin immer so mit den Bikern unterwegs, auf Festen und so, und da bin i dann au meistens irgendwann auf der Bühne. Also nervös kam mer net sage.

4. Empfand i gar net so, ‘s war halt ‘n Spaß, i hab des Spritgeld au no glei versoffe mit de Kumpels und so.

5. keine konkrete Angabe, da er erst Mitte des letzten Drittels in die Show kam (Stichwort Kondomschlucker) und so kaum noch die Möglichkeit hatte, zu diskutieren.

6. Nein, keinen. ‘s war halt ‘n Spaß. ‘s isch scho was b’sonders, irgendwie, aber so fürs Selbstbewußtsein...nö.

7. Ja, auf jeden Fall. Ich mein’, du wirst in der Show ja angeprangert für deine Spinnerei, oder. Und des gefällt ja auch den Leuten.

8. I kam so ne Stunde vor der Show dahin. Da hatten wir dann die Möglichkeit, uns kurz vorzustellen, und dann no schnell ‘n Foto mit der Arabella gmacht, zum Beweis, daß i au neben ihr gstande bin. Nach der Show war se no bisle mit im Raum, da hat se bisle mit uns glabert und war dann schnell weg, weil se ne Besprechung hatte.

9. keine konkrete Angaben, siehe 5.

10. a. ja
b. nein
c. was is des? (kurze Erklärung) ja
d. nein
e. ja
f. ja

(Zwischenfrage: Was denn nun? Eher jugendlich oder eher erwachsen?)

Na, sie ist beides, sie kann sich drauf einstellen und ist zu jedem gleich

(Zwischenfrage: Glaubst du, sie zeigt ihre eigene Meinung?)

Sie bringt ihre Meinung scho rüber, aber halt net so direkt, weil man kann sie ja eh net angreifen.

11. Ja, sie is ja au jeden Tag drin, dann is sie ja schließlich n Fernsehstar, oder?

12. Nein, i war ja au zu kurz in der Sendung. I hätt gern mit den Mädels no a bisle diskutiert.

13. Nein

14. Mir sind von den anderen abgetrennt worden, mehr kann i dazu net sage. Mir ham uns halt bisle unter uns unterhalte

15. Die Einstellung von den anderen fand ich eigentlich voll ok, au die von den Mädels oder so. Nur dieser Punk und der Löli waren Scheiße. Und der typ linker Hand( Ronny Eschenbronn, folgendes Interview, Anm.d.Verf.), der war au Kacke.

16. Wie gsagt, i hab ja gar net viel sagen können, ich hab halt meine Show durchzogen und fertig.

17. Ums Geld gings mir gar net, i wollt au nix haben, nur ‘s Spritgeld halt, und des hab i ja au glei versoffen. Im Fernsehen zu sein, is halt mal lustig, ge. Aber ‘s war halt Spaß, und sonst nix.

Ronny Eschenborn, 21

Gast der Aufzeichnung am 13. Februar 1997

Thema „Schuppen, Schweiß und Mundgeruch - du bist eklig“

Geführt am: 26. Februar 1997, 20.14 Uhr

Anmerkung: Gekürzte Fassung des Interviews, da das gesamte Gespräch über eine Stunde in Anspruch nahm

1. Das is alles nur ne Show, ne einzige Show. Im Grunde bist du nur eine Puppe im Rahmen des Konzepts. Ich kam mir schon so ein bißchen vor wie das Objekt, mit dem man Geld verdient.

(Zwischenfrage: War dir das vorher schon klar?)

Nein, mir war das davor nicht so klar. Die Leute dort sind an deiner Geschichte gar nicht interessiert, du wirst einfach nur vermarktet, darum geht’s, um sonst nichts.

2. Schon, ja. Da kommt’s aber auf die Einteilung an, ich meine, wenn man von der Treppe kommt, hat man eine bessere Startposition, als wenn man von Anfang an unten steht. Da muß man sich erst selbst ins Gespräch bringen, sonst passierts, daß du die ganze Sendung nichts sagst. Man kommt sich schon „wichtiger" vor, wenn man da die Treppe runter-kommt, und irgendiwe war ich schon auch für diesen Programmteil mitverantwortlich.

3. Da muß ich erst einmal sagen: die Situation war an sich schon komisch, weil ich hatte mich gleichzeitig bei Vera am Mittag beworben, ohne daß ich die Themen von vorneherein wußte. Als ich dann von beiden angenommen wurde, war es wirklich komisch. Mir wurde dann erst das genaue Thema der Sendung gesagt. Und da hab ich mir dann überlegt: wie argumentierst du überhaupt. Ich war schon ein bißchen aufgeregt. Aber die Arabella hat schon etwadavon nehemn können, vor der Show

4. Ich hatte schon als Kind den Spleen, mal Schauspieler zu werden. Ich bin mit meinem jetzigen Beruf, ich war Handelskaufmann, einfach nie richtig zufrieden gewesen. Als ich dann als Zuschauer mal bei so einer Sendung war, dachte ich: das wolltest du, das ist es. Ich bin auch nicht kamerascheu oder so, Spaß muß halt schon auch dabei sein. Aber ich fand das schon toll, so im Fernsehen zu sein, muß ich schon sagen.

5. Mehr als Sieger, auf jeden Fall. Die anderen waren ja nicht einmal fähig, sich einigermaßen auszudrücken. [...] Die von der Redaktion haben dann danach auch gesagt: du warst der einzige, der was sagen konnte. Von daher... Naja, der andere da, der in der Sendung gesagt hat, daß er mich nicht leiden könne, kam nachher zu mir her und hat gemeint: das war nicht so gemeint, das war doch alles nur gespielt. Aber, he, auf solche Typen kann ich verzichten. Das hab ich ihm dann auch gesagt.

6. Nach der Show weniger, aber während her fühlt man sich schon so als kleiner Star. Man denkt dann danach: na, wie hast du so argumentiert, und ich habs doch ganz gut rübergebracht. [...] Aber dann hab ich gedahct, ich bin gar nicht so scharf drauf, daß die das senden, weil es einfach nur Schmutz war , mit dem man da rumgeworfen hat. Grausam.

7. Richtig. Grundsätzlich richtig. Hätte ich mir mehr Gedanken gemacht, wäre ich da wohl auch draufgekommen. Du bist einfach nur Mittel zum Geldverdienen, und mit diesen 300,- Mark, die ich da bekommen habe, das ist zwar ein guter Stundenlohn, aber nix gegen das, was - ich weiß jetzt nicht, ob ich dir das sagen darf, ob das dem Uli (Uli Schmidt, Redakteur der Sendung, Anm. d.Verf.) -Naja, die kriegen so um die 10.000.- Mark pro Werbesekunde, das muß man sich mal vorstellen, was die an einem 30- Sekunden-Werbespot verdienen!

(Zwischenfrage: Woher weißt Du das denn mit den 10.000 Mark? Von der Redaktion?)

Naja, ich hab das halt so mitbekommen, hab so ein bißchen rumgefragt und so.

8. War gut. Sehr angenehm, im Vergleich zu Vera am Mittag. Man hat sich in der Stunde vor der Show ein bißchen mit ihr unterhalten können und so. Und sie nimmt einem ziemlich die Nervosität. Vor der Kamera wirkt sie oft großkotzig, aber da hat sie einen auch ausreden lassen, war wirklich angenehm. Ich hab ja keine gute Meinung von ihr gehabt, so was man im Fernsehen von ihr gesehen hat, fand ich sehr unsympathisch. Aber da, als Mensch, war sie richtig angenehm.

9. Es wird nichts vorgegeben. Ich hab aber gelogen, was das angeht. Ich hab denen im Brief geschrieben, daß ich’s manchmal besser find, wenn man vor dem Küssen nen Kaugummi im Mund hatte.Und auch da hatte ich schon maßlos übertrieben, denn ich wußte, nur so komm ich irgendwo rein. Daß ich aber von meiner Freundin verlange, daß sie sich die Zähne vor jedem Kuss putzen soll, hab ich nie gesagt .Die hat mich (nach der Austrahlung, Anm .d.Verf.) gefragt, ob ich total bescheuert sei! Ich dachte, ich hör nicht recht, als ich auf diesem Monitor mitbekam, ich würde meine Freundin nur mit geputzten Zähnen knutschen. Naja, in dem Moment dachte ich, entweder du spielst mit oder du versaust es. Und dann hab ich halt mitgespielt und maßlos übertrieben.[...] Aber ich hatte Spaß an der Sache, war alles nur Show. Da hat man gesehen, daß es den Leuten wirklich scheißegal ist, was du für ein Schicksal hast. Ich glaube, daß niemand die dort Wahrheit sagt. Diese beiden Idioten (Löli und Thomas, Anm.d.Verf.) waren Penner, beide waren obdachlos und haben das in der Probe auch gesagt. In der Sendung hatten sie auf einmal eine Wohnung, nachdem sich der Redakteur noch einmal mit ihnen unterhalten hatte. Der andere Typ, der anscheinend stinkt (Easy, siehe Transkription, Anm. d.Verf.) Hat überhaupt nicht gestunken, der war absolut sauber, ihm ging’s nur darum, ins Fernsehen zu kommen, der war nur argumentativ überhaupt nicht vorbereitet

10. a. nein
b. ja
c. ja
d. ja. Das kannst du viermal unterstreichen, wenn du möchtest.
e. weniger
f. ja

Sie weiß genau, was sie da tut, sie ist souverän und erwachsen in der Sendung

11. Nein, sie hat nicht das Zeug dazu. Wenn sie was anderes machen würde, wäre sie einfach nicht glaubwürdig genug[...] Ich glaub, sie macht ja auch nichts anderes. Es gehört mehr dazu als nur eine Talkshow, da muß man mehr bringen. [...] Sie ist auch eigentlich nur ihrer Persönlichkeit wegen beim Sender, schätz ich mal. Sie ist kein Star. Auch weil sie in der Rpesse nicht präsent ist, das zeigt doch schon alles, nicht wie Juhnke oder so.

12. Nein. Kann sie auch nicht. Es sind einfach zu viele Leute, da funktioniert das richtige Diskutieren nicht. Sie hat das Besterben, sich hervorzuheben, immer hat sie was gesagt oder war im Bild. Das haben nachher auch die anderen bemängelt; niemand könnte was sagen, sie läßt dich einfach nicht ausreden [...].Entweder haben die beiden Idioten reingelabert, oder sie hat gequasselt.

(Zwischenfrage: Hast du dich dann innerlich dazu gebracht gefühlt, deine Meinung schnell und präkant rauszuschleudern?)

Du mußt ordinär sein, oder unheimlich schlagfertig. Ich mein, das bin ich ja einigermaßen. So...möglichst knapp, und je ordinärer, desto besser.

13. Wie gesagt, man hat mich beinahe gleichzeitig auch bei „Vera am Mittag“ angenommen. Und ich muß sagen ,daß ich dort mehr das Gefühl hatte, bei einer ernsthaften Diskussion dabei zu sein. Man hatte die Möglichkeit, auch mal etwas längere Sätze zu sagen, ohne gleich von ihr unterbrochen zu werden. Das fand ich gut; dafür kamst du dir noch mehr als Ware vor, als das bei „Arabella“ der Fall war. Ich wurde da anfangs in einen Raum gesteckt, und dort hab ich erst mal 20 Minuten gewartet, bis überhaupt jemand zu mir Kontakt aufgenommen hat. [...] Bei „Arabella“ wurde ich vom Flughafen abgeholt, bekam Essen und Trinken, und das wirklich gut, nicht so ein Fraß, sondern wirklich gut. Und dauernd kam jemand rein und hat sich mit mir unterhalten, wie’s mir geht und ob ich noch was will. Das war sehr angenehm, so kam man sich wenigstens nicht ganz nur als Ware vor.

14. Wir waren getrennt untergebracht, diese beiden Parteien. Da konntest du dich halt nur mit deinesgleichen sozusagen unterhalten. Auf dem Gang ist mir dann dieser Löli entgegen gekommen, und ich hab mir natürlich provokativ meine Krawatte umgebunden, weil ich ja wußte, was da für Typen kommen. Der hat dann in seinem Ohr gebohrt und es an mir abgeschmiert, und dann haben wir uns gekloppt. (Diese Aussage ist, so unglaublich sie klingt, vom zuständigen Redakteur bestätigt worden, Anm.d.Verf.) Die waren ja beide total besoffen, dieser Punk und der mit der Kappe (Thomas und Löli, Anm.d.Verf.).

15. Ja, ich wurde durch dieses reingedrückte Statement natürlich noch mehr in die Ecke gedrängt. Klar, diese extreme Position vertrete ich in Wirklichkeit gar nicht, aber was solls, es heißt ja auch Talk-SHOW.

16. Siehe andere Aussagen

17. Es war, wie gesagt, schon ein Reiz. Ich wollt einmal sehen, wie das so dort abläuft. Außerdem hab ich einen Flug bezahlt bekommen, den hätte ich mir sonst nicht leisten können.

[...]


0 ) Quelle: Focus, Ausgabe Nummer 18 / 96, Seite 218

1 ) Quelle: Europäisches Medieninstitut

2 ) Quelle: Die Zeit Ausgabe Nr.6, Seite 32 und Spiegel, Ausgabe Nr. 1, Seite 68

3 ) Quelle: Hausarbeit Susanne Meister, Juli 1996, Seite 9 Verantwortlich für die Sendung ist der Chefredakteur Gerd Berger, der 1976 beim WDR einstieg. Die wichtigsten Eckpfeiler seiner bisherigen Laufbahn sind die Konzeption und Leitung von „ZAK“ (1988), Chefredakteur bei „Stern TV“ (1990) und „Schreinemakers live“ (1993). Im Februar 1995 wechselte Berger zu Pro Sieben.

4 ) Quelle: Spiegel Ausgabe Nr.1, Seite 68

5 ) Quelle: GfK Fernsehforschung / ProSieben Media Research

6 ) Quelle: media control Durchschnittswerte vom 1.Januar bis 19. April 1996

7 ) Hausarbeit Susanne Meister, Juli 1996, Seite 9

8 ) Quelle: Hausarbeit Susanne Meister, Juni 1996, Seite 9

9 ) Quelle: Telefonat mit Uli Schmidt, Redakteur bei Arabella, 089 / 9507 - 7540 Lust und aufgrund der einseitigen Kommunikation schon gar nicht die Möglichkeit hat, einen Charakter in der Tiefe zu erfassen. In der Natur der Sache liegt, daß bei einer Dissonanz von Vorstellung des Zuschauers und Darstellung des Charakters der Unterhaltungswert sicherlich niedriger einzuschätzen ist als bei einer Entsprechung, sonst würden die Redaktionen nicht so peinlich genau darauf achten.

10 ) Quelle: Spiegel Nr. 05/96, Seite 176

11 ) Quelle: Stern Nr.8/96, Seite 36

12 ) Quelle: http://www.pro-sieben.de/ar/ar00011.htm Arabella schlägt die Brücke zwischen Jugendlichkeit und Reife durch ihr Zwitterdasein und ist sozusagen der mediale Idealtypus für das Konzept von Pro Sieben.

13 ) Quelle: http://www.pro-sieben.de/ar/ar00011.htm

14 ) Quelle: Spiegel Nr. 05/96, Seite 176

15 ) Quelle: Die Zeit, Ausgabe Nr. 4/97

16 ) Quelle: Die Zeit, Ausgabe Nr. 30, 19.07.1996

17 ) Quelle: Dr. Müller, Pressesprecher Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Tel.: 0221 / 8892 -346

18 ) Quelle: Der Spiegel, Ausgabe Nr. 41/96, Seite 274

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Die Arabella-Talkshow
Note
1,8
Autor
Jahr
1997
Seiten
33
Katalognummer
V96844
ISBN (eBook)
9783638095198
Dateigröße
416 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arabella-Talkshow
Arbeit zitieren
Lutz Leukhardt (Autor:in), 1997, Die Arabella-Talkshow, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96844

Kommentare

  • Gast am 8.11.2003

    Sehr hilfreich.

    Im Web gibt es bislang kaum Texte, die sich analytisch mit Talkshows auseinander setzen. Die vorliegende Arbeit tut dies in ausgezeichneter Weise, sie gewährt einen Blick hinter die Kulissen, die dem normalen TV-Seher unbekannt sind. Dank dieser Arbeit konnte ich eine Unterrichtsreihe über Talkshows mit fundiertem Hintergrundwissen gestalten! Dankeschön!

Blick ins Buch
Titel: Die Arabella-Talkshow



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