Embryonenschutz


Seminararbeit, 1998

13 Seiten


Leseprobe


Embryonenschutz

Philipp Kampfmann

1. Die Fragestellung

Im Proseminar wurde neben anderen Dokumenten der medizinischen Ethik auch die Menschenrechts-konvention zur Biomedizin des Europarates besprochen. Deutschland hat sich zur allgemeinen Verwunderung bei der Schlußabstimmung enthalten. Dies wurde damit begründet, daß in Deutschland, speziell im Embryonenschutz und beim Schutz nichteinwilligungsfähiger Personen ein höherer Schutz besteht, als ihn die Konvention vorsieht. Mich interessierte, inwiefern die deutschen Gesetze schärfer sind. Um ein Ausufern zu verhindern, beschränkte ich mich auf den Embryonenschutz.

Die Bedeutung dieses Themas läßt sich daran erkennen, daß seit 1959 im Zusammenhang mit der Reproduktionsmedizin in der Medizin diskutiert wird, wie die Menschenwürde bei In-vitro Embryonen geschüzt werden kann und wie die Mediziner mit Embryonen umgehen sollen. Die Forschung schreitet aber immer weiter voran, so daß sich neue Möglichkeiten, damit aber auch Fragen und Probleme ergeben. Es gibt noch lange keine endgültige Lösung . Auf politischer Ebene beschäftigt sich der Europarat seit 1982 mit diesen Fragen. Dies führte zur Biomedizinkonvention von 1997. In Deutschland wurde seit 1984 ein Gesetz erarbeitet und 1990 verabschiedet, um diese Probleme zu lösen und menschenunwürdige Forschung zu verhindern.

In dieser hausarbeit vergleiche ich diese beiden Texte und untersuche, wie sie die ethischen Probleme angehen.

2. Die Rechtslage

2.1 Die Konvention

Der Embryonenschutz wird in der europäischen Konvention nur in einem Artikel behandelt, welcher sich auf In-vitro-Embryonen und Forschung beschränkt. Ein Embryo ist nicht explizit als Mensch definiert. Forschungen an Embryonen sind erlaubt, solange „ ausreichender Schutz“ gewährleistet ist. Offen bleibt die Frage, was unter diesen Schutz fällt und wie dieser Schutz gestaltet werden soll. Theoretisch ist also Klonen, Züchten und bewußtes Mutieren von Menschen, Hybrid- und Chimärenbildung, also die Kreuzung von Mensch und Tier sowie andere Versuche während der ersten 14 Tage der Entwicklung erlaubt. Dies soll in späteren Protokollen behandelt werden.

Dahingegen ist nur die Erzeugung von menschlichen Embryonen zu Forschungszwecken verboten.

Aber auch gegen dieses Verbot können alle Staaten, die der Konvention beigetreten sind, gemäß Artikel 36 Vorbehalte anmelden .Die Menschenwürde der Embryonen wird nur im erklärendem Anhang als schützenswertes Gut erwähnt. Der Embryonenschutz wurde weitgehend in ein Protokoll, daß noch verfaßt werden muß, verlagert.

Die Konvention liegt seit dem 4.4. 1997 zur Unterzeichnung auf. Danach muß sie noch ratifiziert werden. Sie ist also noch nicht in Kraft.

2.2 Das deutsche Recht

Im deutschen Recht gibt es neben dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) noch eine Reihe flankierender Gesetze wie das Adoptionsvermittlungsgesetz , das Leihmutterschaften verbietet, um die Gleichheit von genetischer und sozialer Mutter sicherzustellen, die §§ 218 und 219 StGB sowie den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem 3. Lebensjahr zur sozialen Sicherung des Kindes , um die Zahl der Abtreibungen zu verringern. Es soll also jeder Embryo geschützt werden, egal ob im Mutterleib oder im Labor. Ebenso wird nur in den deutschen Gesetzen Bezug auf die Würde des Menschen genommen. Allerdings gilt ein Embryo In-vitro erst seit 1989 als Mensch, vorher gab es für ihn - außer in Kommentaren zu § 1 BGB - keinen juristische Definition; er war weder Mensch noch Gegenstand und damit vollkommen schutzlos. Dies wurde relativ früh erkannt und auf verschiedenen Ebenen in Bund und Ländern zu beheben versucht. Als Ergebnis entstand das ESchG, so daß Embryonen strafrechtlich geschützt werden.

Das ESchG verbietet :

- Die Übertragung einer fremden, unbefruchteten Eizelle auf eine Frau. Damit wird sichergestellt, daß dis Tragemutter auch die genetische Mutter ist.
- Die Übertragung von mehr als drei Embryonen auf eine Frau im selben Zyklus. Dadurch wird die Mehrlingserzeugung pönalisiert.
- Befruchtung zu anderen Zwecken als der Herbeiführung einer Schwangerschaft. So soll das Entstehen überflüssiger Embryonen, die für Forschungszwecke verwandt werden, verhindert werden.
- Die Entnahme eines Embryos vor der Einnistung, um ihn einer anderen Frau einzpflanzen oder ihn zu nicht seiner Erhaltung dienenden Zwecken zu verwenden. Dadurch soll wieder die Einheit von genetischer und Tragemutter sowie verbrauchende Forschung verhindert werden.
- Die künstliche Befruchtung bei Leihmüttern.
- Künstliche Befruchtung, die nicht eine Schwangerschaft zum Ziel hat. Dieses Verbot pönalisiert wieder die Befruchtung zu Forschungszwecken.
- Mißbräuchliche Verwendung, d.h. alles, was nicht dem Erhalt des Embryos dient.
- Geschlechtswahl, wenn nicht dadurch bestimmte Krankheiten, die an das Geschlecht gebunden und als schwerwiegend anerkannt sind, verhindert werden sollen.
- Das künstliche Herbeiführen einer Schwangerschaft, wenn nicht beide genetischen Eltern zugestimmt haben. Dies schreibt das Prinzip des informed consent fort und soll die Entstehung unerwünschter Kinder und damit wieder überflüßige Embryonen verhindern.
- Die künstliche Mutation von Keimbahnzellen. Davon ausgenommen sind Zellen, die nicht zur Befruchtung verwendet werden können, oder nicht einem Menschen übertragen werden können. Somit können also reine Zellkulturen mutiert werden, wenn sie sich nicht weiterentwickeln. Mutationen als Nebenwirkungen einer Behandlung sind ebenfalls straffrei.
- Klonen. Dabei wird allerdings ein Klon als 100% erbgleich mit einem anderen Menschen definiert, so daß die mitochondrale DNA nicht berücksichtigt wird. Das Klonverfahren, das bei dem Schaf Dolly angewandt wurde, wäre also in Deutschland erlaubt, wie ich unten noch zeigen werde.
- Chimären- und Hybridbildung. Damit wird jede Kreuzung, an der ein Mensch beteiligt ist, verboten.

Künstliche Befruchtungen, Übertragungen der Embryonen und ihre Konservierung darf nur ein Arzt vornehmen. Kein Arzt muß aber an diesen Handlungen teilnehmen. Als Embryo gilt jede befruchtete und totipotente Zelle.

1 In Kommentaren zu § 1 BGB wird das ungeborene Kind, das als Nascarrius bezeichnet wird, als Träger von Rechten anerkannt. Allerdings gilt er nur als Rechtsträger allgemein, „ die Frage eines deliktrechtlichen Schutzes des Nascarrius haben die Gesetzesverfasser dabei nicht im Auge gehabt.“2

Ansprüche aus Verletzungen erwachsen dem Kind erst nach der Geburt. Ein Embryo, an dem verbrauchende Forschung betrieben wird, ist also nur durch das ESchG geschützt. Auch die Literatur und die Rechtsprechung zum §1 BGB geht von der Kernverschmelzung als Beginn der Existenz aus. Die künstliche Insemination wird der natürlichen gleichgesetzt. Es gibt aber keine besondere zivilrechtliche Stellung von In-vitro-Embryonen. Aus der Gleichsetzung läßt sich ableiten, daß es sich nicht um Sachen handelt. Die Gleichstellung der Embryonen mit natürlich gezeugten ist aber umstritten. Manche Juristen sehen sie mit der Kernverschmelzung als rechtsfähg an, andere erst mit der Einpflanzung. In-vitro-Embryonen wird aber verfassungsrechtlicher Schutz der Menschenwürde zuerkannt.

Das ärztliche Standesrecht3 läßt seit 1985 die künstliche Insemination nur zur Behandlung der Sterilität zu. Ärzte dürfen diese Behandlungsmethode aber auch ablehnen. Wenn sie sie durchführen, müssen sie ihr Vorhaben der Ärztekammer anzeigen. Wissenschaftliche Forschung solle berufsrechtlich nur nach Prüfung durch eine Ethikkommission und gemäß gesonderter Richtlinien durchgeführt werden. Diese „ Richtlinien zur Forschung an frühen menschlichen Embryonen “ sind aber kein Bestandteil der Berufsordnung . Sie sind aber durch die Generalpflichtklausel der Berufsordnungen mit dieser verbunden und somit sanktionsfähig. Ein Verstoß kann von der Verwarnung bis zur Berufsunwürdigkeiktserklärung alles bewirken. Manche Landesärztekammern ersetzten die Soll-Vorschrift, eine Ethikkommission zu befragen, durch eine Muß-Vorschrift. Seit 1988 sind laut Berufsordnung die Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken und Gentransfer, Forschung an Embryonen grundsätzlich - d.h. mit Ausnahmen - unmittelbar berufsrechtlich verboten.

Die Richtlinien erklären bestimmte Forschungsvorhaben für ethisch unzulässig, sagen aber nichts über die Zulässigkeit andere Vorhaben. Auch werden Embryonen als Zellen nach der Kernverschmelzung definiert. Die Richtlinien unterscheiden zwischen diagnostischer oder therapeutischer Forschung und Grundlagenforschung sowie nach Maßnahmen, die „das Leben des Embryos nach Möglichkeit erhalten“4 und solchen, die den Tod des Embryos in Kauf nehmen. Als Fragestellungen kommen für die Embryonenforschung laut Richtlinien folgendes in Frage:

- Verbesserung der In-vitro-Fertilisation bzw. der Embryonentransfermethoden.
- Erforschung von Erbkrankheiten
- Aufklärung der Mechanismen der Konzeption und ihrer Störungen, das heißt über die Frage, wie es zu Behinderung oder Fehlentwicklungen kommt.
- Verbesserungen der Lebensbedingungen des einzelnen Embryos, die gleichfalls einen allgemeinen Nutzen haben.

Die Richtlinien legen Wert darauf, daß nicht alles erlaubt ist, was nicht verboten ist. In den Fragen, die nicht explizit ausgeschlossen werden, soll der Arzt nach seinem Gewissen einen Konsens zwischen dem wissen-schaftlichen Interesse und den gesellschaftlichen Wertanschauungen herbeiführen.Verboten ist Forschung, die

- im Tierversuch betrieben werden kann,
- keinen unmittelbaren oder mittelbaren klinischen Nutzen zum Ziel hat,
- nicht hohen Standards in Methode und Wissenschaft entspricht

Ebenso müssen die genetischen Eltern über die Forschung aufgeklärt worden sein und ihre Zustimmung gegeben haben. Der Embryo darf nicht weiter als 14 Tage entwickelt sein. Die Konservierung eines Embryos ist von einem Kontrollgremium zu genehmigen. Embryonen dürfen nicht routine- oder serienmäßig in Prüfverfahren füe Arzneimittel verwendet werden. Klonen, Hybrid- und Chimärenbildung wurde verboten. Ebenso dürfen Keimzellen oder Embryonen nicht weitergegeben werden, wenn die Einhaltung der Richtlinien nicht sichergestellt ist.

Um zu gewährleisten, daß die Anforderungen erfüllt werden, muß jedes Forschungsvorhaben durch eine Ethik-kommission der Fakultät oder der Landesärztekammer geprüft und genehmigt werden. Daneben findet noch eine Kontrolle durch die Kommission der Bundesärztekammer statt. Im Kommentar zu den Richtlinien wird auf die Lückenhaftigkeit derselben hingewiesen. Sie fassen nur das zusammen, was unumstritten war. Die Forschung an Embryonen wird befürwortet, um Behandlungs-möglichkeiten zu verbessern. Hiermit ist vor allem die Sterilitätsbehandlung, die Präimplantationsdiagnostik und die Verhinderung von Aborten gemeint. Fremdnutzige Forschung an Embryonen soll ein Nebeneffekt der Forschung zum Nutzen des jeweiligen Embryos bleiben. Geforscht werden darf nur an überzähligen Embryonen. Deren Zeugung soll aber so weit wie möglich vermieden werden. Um sie für die Forschung freizugeben, muß die Übertragung auf eine Frau ausgeschlossen sein und die Einwilligung der genetischen Eltern vorliegen. Ausnahmen von dieser Regel - z. Bsp. wenn zur Forschung mehr Embryonen gebraucht werden, als überzählig sind- müssen von der Zentralen Kommission genehmigt werden. Das Klonierungsverbot in den Richtlinien schließt auch Klonen durch „Einpflanzen der Kerne aus Körperzellen in entkernte Eizellen“5 mit ein. So ist in Deutschland auch diese Art des Klonens verboten, wenn auch mit einer geringeren Verbindlichkeit.

3. Die Entstehungsgeschichte

3.1 Die Entstehungsgeschichte der Konvention

6 1982 gab es eine erste Empfehlung zur Anwendung gentechnischer Maßnahmen an menschlichen Embryonen, die 1986 ersetzt wurde. Diese neue Empfehlung unterscheidet zwische Diagnose und Therapie. Eine Diagnose soll am lebenden Embryo und Fötus erlaubt sein, wenn sie seinem Wohl dient. Therapien sollen nur bei bestimmten Krankheiten, für die es eine schlechte Prognose und keine Alternativbehandlung gibt, erlaubt sein. Tote Embryonen und Föten dürfen zur fremdnutzigen Therapie bei seltenen und nicht anders therapierbaren Krankheiten verwendet werden. Empfohlen wird das Verbot von Klonen, Chimärenbildung, Hybridbildung, die Implantation eines Embryos in ein Tier, bewußte Geschlechtswahl und Forschung an lebensfähigen Embryonen. Die Empfehlung geht also klar über die Konvention hinaus. 1989 wurde eine weitere Empfehlung herausgegeben, in der einige 1986 offen gebliebene Fragen geklärt wurden. So wurde Forschung an Gameten erlaubt, wenn diese nicht zum Befruchten eingesetzt wurden. In den Fragen der Embryonenforschung bestätigt die Empfehlung die vorhergehende. Mißbräuchliche Verwendung von Embryonen in utero soll aber unter Strafe gestellt werden. Dieser strafrechtliche Hinweis fehlt aber bei der mißbräuchlichen Verwendung von Prä-implantationsembryonen.

Erlaubt werden solle aber nach Genemigung durch nationale Stellen

- Genforschung, wenn sie weder Mutter noch Kind verletzen,
- Herstellung von Arzneien in angemessener Menge, solange keine anderen Quellen gefunden werden,
- Geschlechtswahl bei geschlechtsgebundenen Erbkrankheiten
- Untersuchung der DNA

Aus diesen Empfehlung wurde der Diskussionsentwurf zur Konvention, über den bis zum heutigen Stand verhandelt. Sie tritt dabei hinter die Empfehlungen der Versammlung zurück.

3.2. Die Entstehungsgeschichte des ESchG

Es gibt keine direkten Vorläufer des ESchG, aber auf berufsständischer Ebene gab es seit 1959 erste Regelungen zur Erzeugung von Embryonen in vitro, wobei diese auf die Behandlung der menschlichen Sterilität beschränkt bleiben sollte. Über Forschung wird nichts gesagt, wohl weil sie als grundsätzlich verboten galt. Zum Schutz des Embryos im Mutterleib gab es den alten § 218 StGB, der nur eine Indikationslösung vorsah und erst im Zuge der Wiedervereinigung zur Fristenlösung des §219 StGB, der eine eingeschränkte Fristenlösung vorsieht, wurde. Wie schon oben erwähnt, hatten Embryonen-In-vitro keinen eigenen Rechtsstatus und keinen Schutz. 7 Seit 1984 gab eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe „ In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie“ der Bundesministerien für Justiz und für Forschung und Technologie, die sich mit den rechtlichen und ethischen Aspekten dieser Methoden befaßte. Diese Arbeitsgruppe wurde nach ihrem Vorsitzenden Benda benannt und legte 1985 ihren Abschlußbericht vor. Deren Vorschläge wurden 1986 in einem Diskussionsentwurf zum ESchG zusammengefaßt und in einigen Punkten überschritten. Auf der Grundlage dieses Entwurfes wurde bis 1988 unter Einbeziehung der Länder ein Arbeitsentwurf entwickelt, aus dem der Regierungsentwurf von 1989 wurde.

In diesem Entwurf wurde zusätzlich verboten:

- Die heterologische Befruchtung, d.h. künstliche Befruchtung bei Nichtverheirateten oder Ledigen.
- Die Erzeugung überflüssiger Embryonen, wobei keine Obergrenze festgelegt wurde, wie viele Eizellen befruchtet werden dürfen. Dies bleibt dem Ermessen des Arztes freigestellt.

1991 wurde das ESchG in der oben dargelegten Form verabschiedet.

4. Kritik

4.1 Kritik an der Konvention

Der Deutsche Bundestag kritisierte am ersten Entwurf „insbesondere den Schutz einwilligungsunfähiger Personen, die Forschung an menschlichen Embryonen, Eingriffe in die menschliche Keimbahn, prädikative genetische Tests sowie datenschutzrechtliche Aspekte.“8 Er forderte, daß sich die Konvention an den Regelungen von Staaten mit hohem Schutzniveau orientiere und es so zu einem wirksamen Schutz komme. Ebenso sollte jede verbrauchende Forschung an Embryonen, Chimärenbildung, Klonen und Eingriffe in die menschliche Keimbahnen für immer expressis verbis verboten werden.

9 Allgemein wurde die Konvention in Deutschland begrüßt, da sie als notwendig galt. Durch die Konvention sollte ein völkerrechtliches Dokument geschaffen werden, um rechtliche Unterschiede in Standortbedingungen für die Forschung zu beheben und einen gemeinsamen Nenner zu finden, der größer ist als der kleinste gemeinsame Nenner der nationalen Gesetze. Sie sollte vielmehr ein „ gehaltvoller rechtlicher Rahmen, der von einem ethischen Konsens getragen ist, der im Menschenrechtsgedanken seinen Kern hat“10 sein. Kritik gab es allerdings am Namen. So wurde der Titel Bioethikkonvention abgelehnt, weil er negativ konnotiert wird und vor allem unklar ist. Bioethik bezieht sich auch auf Pflanzen und Tiere, meint also nicht nur die Menschen.11 Außerdem wurde so der rechtliche Charakter der Konvention nicht klar genug. In unserem Rechtssystem ist nämlich der Rückgriff auf ethische Prinzipien zur Klärung von Rechtsfragen nur über Umwege über das Bundesverfassungsgericht üblich, während dies im angelsächsischen Recht durchaus Usus ist. Daher wurde Wert auf den Titel „ Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin ( Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin)“ gelegt.

Negativ wurde auch gesehen, daß das Dokument teilweise geheim war und es durch den Konsens zu unklaren Begriffen kam.

Besonders wurde kritisiert, daß der Entwurf der Konvention „ eine unvollständige Auswahl der erforderlichen rechtlichen Prinzipien und ... auch im Aufbau verbesserungbedürftig“12 sei. Dies könne aber in Kauf genommen werden, da der Entwurf der Anstoß zu einem Prozeß sein soll. Es fehlen unter anderem Themen wie Euthanasie, Sterbehilfe, Schwangerschaftsabbruch oder Reproduktionsmedizin. Auch die Verbote des deutschen ESchG wie Geschlechtswahl, Klonierung, Chimären- und Hybridbildung sollen erst in Protokollen geregelt werden. Diese Protokolle muß aber kein Staat unterzeichnen, sodaß durch sie nicht unbedingt eine Gleichstellung der Standortbedingungen erreicht wird.

Die Adressaten der berufsethischen Standards in Artikel 3 „sollten genauer bestimmt werden . ( ... ) Die in Artikel 2 Satz 2 getroffene Einschränkung des Schutzes des Individuums durch übergreifende Ansprüche ... ist im Zusammenhang der vorliegenden Konvention zu weitgehend. “13 Speziell der Artikel zur Embryonen-forschung wird als zu schwach kritisiert. So wird der Begriff human being nicht definiert, obwohl ursprünglich geplant war, den Schutz der Menschenwürde schon vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an zu gewähr-leisten und zu definieren. Darauf wurde von einer Mehrheit verzichtet. Embryonen sind damit relativ schutzlos. Ihr Menschsein wird nur im Kommentar anerkannt. Es wird eine negative Signalwirkung auf Staaten mit hohem Embryonenschutz befürchtet, den Schutz zu verringern und so die Standortbedingungen für die Forschung zu verbessern. Geplant ist, Forschung auf Embryonen, die jünger als 14 Tage und nicht lebensfähig sind, zu beschränken.In diesem Stadium gibt es noch kein differenziertes Nervengewebe. Das Verbot der Erzeugung von menschlichen Embryonen zu Forschungszwecken sei zu leicht zu umgehen, um einen wirksamen Schutz darzustellen. Die Frage ist, wieso Embryonen, die im Kommentar als Menschen anerkannt werden, nicht den gleichen Schutz genießen wie nichteinwilligungsfähige Personen.

Auch bei genetischen Tests werden größere Einschränkungen, wie genetische Beratung und Freiwilligkeit als Grundvoraussetzungen gefordert. Ebenso wird ein besserer Datenschutz gefordert.

14 Da es bei einem verbesserten Entwurf nur noch Kritik an der Möglichkeiten zur Forschung an einwilligungsunfähigen Personen geübt wurde,lehnte Deutschland die Konvention nicht ab. die Bundesrepublik enthielt sich aber der Stimme. Dies wurde damit begründet, daß es in Deutschland noch Diskussionsbedarf gebe. Man stimmte aber nicht gegen die Konvention, da sie insgesamt als positiv für Staaten, in denen es keine einschlägigen Gesetze gibt, bewertet wurde . Bei der Abstimmung wurde die Verhandlungsbereitschaft der Partner gelobt. Außerdem wurde die Hoffnung geäußert, in Protokollen den Schutz - insbesondere bei der Embryonenforschung - zu verbessern. Die Nicht-Zustimmung wurde mit dem höheren deutschen Schutzniveau begründet, das nicht ausgehöhlt werden sollte.

4.2 Kritik am ESchG

15 Kritisiert wird die Definition des Zeitpunktes, an dem menschliches Leben beginnt. Dies sei - ähnlich wie Sterben - ein kontinuierlicher Prozeß. Beim Tod hätte man aber eine allgemein praktizierte und akzeptierte Definition gefunden, ohne zum Strafgesetz greifen zu müssen. Ein neuer genetischer Code sei erst zum Zeitpunkt der Verschmelzung der Vorkerne vorhanden. Das Vorkernstadium, das der Gesetzgeber schützen will, sei also kein neuer Mensch. Wenn schon das Vorkernstadium geschützt werde, sei dies international gesehen ein sehr früher Zeitpunkt, da andere Länder die Embryonen erst ab dem Zeitpunkt der Implantation schützen und wieder andere erst nach der Differenzierung von Nervengewebe, was zu einem noch späteren Zeitpunkt geschähe. Dies sei inkonsequent, da der Gesetzgeber In-vitro-Embryonen schützt, gleichzeitig aber durch Tolerierung der „ Pille danach“ natürlich entstandene Embryonen, die gleich weit entwickelt seien, untergehen ließe. Dies gelte auch für Intrauterinpessare, die ebenso im Körper der Frau die Entstehung von Präimplantationsembryonen zulassen, aber die Einnistung - die Implantation- verhindern. Auch würden durch die §§ 218 und 219 StGB aus „ relativ nichtigen Gründen ca. 200000 Schwanger-schaften (...) weit ( Wochen) nach der Implantation “16 abgebrochen. Für Embryonen im Mutterleib sei der Schutz also geringer als für In-vitro-Embryonen. Als Hauptargument gilt aber der frühe Zeitpunkt der Schutzwürdigkeit. Trochnow lehnt auch das Verbot der Gefrierkonservierung von Embryonen ab, da durch sie Frauen, deren Eierstöcke durch Krankheiten in absehbarer Zeit zerstört werden, die Fruchtbarkeit erhalten bleiben kann.

Kritisiert wird auch das Verbot von Präimplantationsdiagnostik, da durch sie kranke Embryonen nicht eingepflanzt würden und Frauen so eine nicht erfolgreiche Schwangerschaft erspart bleiben würde.

Das Verbot der verbrauchenden Forschung wird als medizinisch nicht aktuell und damit unnötig abgelehnt.

Es bleibt aber zu fragen, warum der Schutz für In-vitro-Embryonen auf das Schutzniveau für natürlich entstandene Embryonen abgesenkt werden soll, statt das für natürlich entstandene anzuheben. Auch kann der in anderen Ländern später einsetzende Schutz nicht als Argument dienen, den Schutz in Deutschland zu verringern. Beim Verbot der Präimplantationsdiagnostik stellt sich die Frage nach dem Mißbrauch, wenn es aufgehoben würde. Welche genetischen Defekte führen zum Verwurf und damit zum Tod des Embryos ? Daß die verbrauchende Forschung derzeit nicht geplant sei und deshalb nicht verboten werden muß, ist ein Scheinargument, da die Forschung schneller als der Gesetzgeber fortschreitet. Dadurch könnte es bei einem Nichtverbot wegen mangelnder Aktualität doch zu verbrauchender Forschung kommen, wenn die Fragestellung eintritt und der Gesetzgeber zu spät handelt.

5. Die aktuelle Klondebatte

Nachdem in Schottland ein Schaf geklont wurde, kam es international zu einer Diskussion, ob dies auch mit Menschen möglich sei. Es wurden viele Verbote, z. Bsp. in der EU oder in Deutschland gefordert, da die künstliche Herstellung von Menschen als nicht mit der Menschenwürde vereinbar gilt. Diese Ängste und Hoffnungen wurde in der Presse mit Schlagworten und Theorien wie „Homo xerox“, „geklonte Hitler oder Einsteins“ oder „menschliche Klonen als Ersatzteillager“ geschürt. Die Diskussion ist verständlich, da das Schaf biologisch eng mit dem Menschen verwandt ist und es von einem Säugetier auf das andere nur ein kleiner Schritt zu sein scheint. In dieser Diskussion geht aber weitgehend unter, daß schon 1993 in den USA Embryonen geklont wurden. Auch in den Niederlanden scheint es nach Zeitungsberichten einen Fall von unabsichtlichem Klonen gegeben zu haben. Neu an den Experimenten mit Dolly und den 274 anderen, nicht erfolgreichen Klonversuchen ist aber, daß aus den Zellen erwachsene Tiere geklont wurden. Dabei wurden hochspezialisierte Zellen verwandt,während sonst nur Gameten zur Erzeugung von Leben verwendet werden konnten. Bei Dolly wurde der Zellkern einer Euterzelle der genetischen Mutter als Zellkern für die Eizelle eines anderen Schafes genommen und diese einem dritten Schaf eingepflanzt. So scheint es möglich zu sein, aus jeder beliebigen Körperzelle einen Klon zu schaffen.

Es gab widersprüchliche Berichte über das Alter des als neuer Zellkern in die Eizelle eingepflanzten Zellkerns. Einige berichten, das entsprechende Schaf lebe noch, andere, es wäre seit Jahren tot. Sollten letztere Recht haben, so wäre theoretisch das Klonen Verstorbener möglich.

Es gab natürlich auch in Deutschland die Frage, ob klonen bei Menschen erlaubt sei. Das EschG enthält zwar einen Paragraphen, der Klonen verbieten soll, aber in ihm wird Klonen als Erzeugung eines Embryos, der erbgleich mit einem anderen Menschen ist, definiert und unter Strafe gestellt. Bei den Versuchen in Schottland wurde aber nur der Zellkern übernommen, der alle Erbanlagen enthält, nicht aber die Zellorganellen. Das geklonte Schaf Dolly unterscheidet sich also durch das Erbgut dieser Organellen, also deren DNA, die mitochondrische DNA von ihrer genetischen Mutter. Diese mtDNA umfaßt nach manchen Berichten 1%, nach anderen 0,4 % des gesamten Erbgutes. Diese Differenz von max. einem Prozent wurde vom deutschen Gesetzgeber nicht berücksichtigt. Somit besteht eine Reglungslücke im Gesetz. Dies lag wohl daran, daß diese Art zu klonen dem Gesetzgeber nicht bekannt war, obwohl sie durch die Richtlinien der Mediziner erfasst und verboten ist.

Diese Lücke soll so schnell wie möglich geschlossen werden.

6. Beurteilung

6.1 Beurteilung der Konvention

Die Konvention schreibt das Prinzip des informed consent fort und regelt verschiedene Fragen der medizinischen Forschung. Diese sind aber relativ willkürlich ausgesucht und, da es sich um ein internationales Konsenspapier handelt, sehr allgemein gehalten. Es wird nur von Forschung gesprochen ohne konkret zu sagen, was verboten ist und was erlaubt werden könnte. Viel Umstrittenes wurde in Protokolle verlagert, so daß es erst in einigen Jahren zu einem ausreichend festgeschriebenen Schutz der Embryonen kommen kann. Die Durchführung wird durch einen Bericht an den Generalsekretär des Europarates über das nationale Recht gewährleistet. Jeder Staat kann aber auch Vorbehalte gegen Teile der Konvention geltend machen und sie so in Teilen für ungültig erklären. Positiv ist allerdings, das die einzelnen Staaten verschärfte Schutzbestimmungen erlassen können. Damit wird die Konvention zu einem relativ unverbindlichen Papier, das Abweichungen des Schutzniveaus noch oben und unten zuläßt. Besonders auffällig ist, daß das Ministerkomitee des Europarates in der Konvention hinter die Empfehlungen der parlamentarischen Versammlung zurück geht. In der Empfehlung der Versammlung von 1986 ist noch genau aufgezählt, was verboten werden soll. In der verbindlicheren Konvention ist nur noch von ausreichendem Schutz die Rede. Auch die Zustimmung der genetischen Eltern wurde nicht mehr aufgenommen, ebensowenig die nationalen Ethikkommissionen. Insgesamt wurde der Schutz also so stark verringert, daß er kaum noch vorhanden ist.

6.2 Beurteilung des deutsches Rechts

Das deutsche Recht ist dagegen wesentlich ausführlicher. Embryonen dürfen nur zur Herbeiführung einer Schwangerschaft oder Maßnahmen zu ihrem Erhalt verwendet werden. Damit ist jede fremdnutzige oder gar verbrauchende Forschung ausgeschloßen und nur neue Behandlungsmethoden, um die Überlebenschancen der Embryonen zu sichern erlaubt. Trotzdem wird das Forschungsverbot präzisiert. Durch den Artztvorbehalt wird verboten, Embryonen in der biologischen Forschung einzusetzen und versucht, an die Standesethik der Mediziner anzuknüpfen. Sie werden also soweit wie möglich geschützt. Bei der derzeitigen Debatte um das Klonen von Menschen wurde deutlich, daß ein weitgehender Schutz angestrebt wird, bei dem auch die Ergebnisse neuere Forschung berücksichtigt werden. Ebenso gibt es durch die Richtlinien der Ärzte einen Standard, der für alle potentiellen Forscher verbindlich ist, und zumindest die Lücke des Klonverbots vorläufig schließt. Dieser Standard wird aber nicht strafrechtlich flankiert, so daß die Gesetzeslücke bald geschlossen werden muß. Fraglich ist der Schutz durch § 1 BGB, da ein Kind erst geboren werden muß, um sich auf ihn berufen zu können. Auch kann man daraus nur Schadensersatzansprüche ableiten, aber kein Verbot von Forschung. Dies ist bei Schäden durch verbrauchende Forschung fast ausgeschlossen, so daß hier der Grundsatz gilt, daß nicht gerichtet wird, wenn nicht geklagt wird. Offen bleibt auch die Frage, wer die Strafverfolgung bei Verstößen gegen das ESchG veranlaßt.

Nicht zu bestreiten ist, daß Embryonen In-vitro besser geschützt werden als solche In-Utero, da diese abgetrieben werden können oder durch Hilfsmittel ihre Einnistung legal verhindert werden kann. Man müßte also hier den Schutz verbessern, um die Menschenwürde sicherzustellen.

[...]


1 Vgl. zum Folgenden: Habermann, Norbert / Weck, Günter in: Coing, Helmut / Habermann, Norbert / Weick, Günter, J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen. Einleitung zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Erstes Buch. Allgemeiner Teil. §§ 1-12; Verschollenheitsgesetz. Berlin 1995, S 163. ff

2 Ebda. S. 164 Hervorhebung im Orginal

3 Vgl. zum Folgenden: Eser, Albin / Koch, Hans-Georg / Wiesenbart,Thomas, Regelungen der Fortpflanzungsmedizin. Ein internationaler Vergleich.Band 1. Frankfurt/New York 1990, S. 67 ff

4 Ebda, S.145

5 Ebda, S. 151

6 Vgl.zum Folgenden: Ebda. S. 278ff

7 Vgl.zum Folgenden:Ebda.S. 39ff

8 Bundestagsdrucksache 13/1816

9 Vgl. zum Folgendem: Honnefelder, Stellungnahme zum Entwurf der Biomedizinkonvention

10 Ebda., S. 298

11 Ebda. S. 299

12 Ebda. S. 299

13 Ebda. S. 300

14 Vgl. zum Folgenden: Presseerklärung des BMJ; Europarat beschließt Text der Biomedizin-Konvention, Bonn 1996

15 Vgl. zum Folgendem: Trotnow, Jürgen in: Coester-Waltjen, Dagmar und Trotnow, Siegfried; Möglichkeiten, Gefahren und rechtliche Schranken befruchtungstechnischer und gentechnischer Eingriffe unter besonderer Berücksichtigung des Entwurfes eines Embryonenschutzgesetzes; Schriftenreihe der Kölner juristischen Gesellschaft, Bd. 10/11, Bergisch Gladbach / Köln 1990

16 Ebda. S. 9

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Embryonenschutz
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Autor
Jahr
1998
Seiten
13
Katalognummer
V96943
ISBN (eBook)
9783638096188
Dateigröße
353 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Embryonenschutz
Arbeit zitieren
Philipp Kampfmann (Autor:in), 1998, Embryonenschutz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96943

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