Rollenverhalten von Alleinerziehern und ihren Kindern


Seminararbeit, 2000

49 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Definition: „Alleinerzieher“

3. Die Methode
3.1. Die Fallauswahl
3.2. Das familiengeschichtliche Interview
3.3. Der Forschungsverlauf

4. Der Fall
4.1. Familie Hafner
4.1.1. Beziehungen nach innen - expressive Funktion
4.1.2. Beziehungen nach außen - instrumentale Funktion
4.1.3. Die vertikale Beziehung
4.2. Familie Gold

5. Diskussion
5.1. Das Modell von Talcott Parsons
5.2. Zusammenfassung

6. Literatur

7. Anhänge
7.1. erstes einführendes Gespräch mit Frau Hafner
7.2. Einführung in die Familiengeschichte der Familie Hafner
7.3. Interview Frau Hafner
7.4. Beobachtungsstudie Geburtstagsfest Frau Hafner
7.5. Interview mit Vera und Ruth Hafner/Interview mit Frau Hafner
7.6. Interview mit Herrn Hafner
7.7. Interview mit Frau Gold
7.8. Lebenskurve Frau Hafner
7.9. Lebenskurve Frau Gold

1. Einleitung

„1998 wurden 17.848 Ehen geschieden. Eine Ehe, die heute geschlossen wird, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 38,6% in den nächsten 40 Jahren geschieden.“ (österr. Familienbericht, 1999, S. 25)

„Kinderlos war 1998 ein Drittel (34%) der geschiedenen Ehen. Seit 1995 erlebten jedes Jahr rund 20.000 Kinder die Scheidung ihrer Eltern, während es Anfang der 70er Jahre 11.000 waren. Im Durchschnitt sind von jeder Scheidung 1,1 Kinder betroffen. Das „Scheidungsrisiko“ für Kinder und Jugendliche bis zum 19. Geburtstag liegt bei fast 20%. 1980 waren es erst 14%.“ (österr. Familienbericht, 1999, S. 25 f.)

Schon alleine diese, für Österreich für das Jahr 1998 ausgewiesenen Zahlen, zeigen, dass Scheidung ein gewichtiges gesellschaftliches Problem darstellt, das so weit geht, dass oft schon die Frage gestellt wird, ob es sich bei Familie im traditionellen Sinne nicht ohnehin um ein „Auslaufmodell“ (LUCZAK, S. 40) handelt.

Nicht alleine die psychischen Folgen der Auseinandersetzungen vor, während und nach einer Scheidung sowohl bei Erwachsenen als auch bei Scheidungskindern sind beachtenswert, sondern auch die Frage, wie denn die betroffenen Menschen ihren nunmehr veränderten Alltag bewältigen, wie sich ihr Verhältnis zu der sie umgebenden Umwelt darstellt, wie sie ihre neuen Rollen in dieser, aber auch in der noch verbleibenden Kernfamilie spielen.

Warum gerade dieses Verhältnis wichtig ist, formuliert PARSONS so: „Besonders im Hinblick auf die Beziehung zwischen gesellschaftlichen Systemen und Persönlichkeitsstrukturen ihrer Mitglieder meinen wir, daß die Erforschung der Sozialisationsprozesse in der Familie von strategischer Bedeutung ist.“ (T. Parsons. Family, Socialization and Interaction, London 1956, S. VIII, zit. bei CLAESSENS, 1972, S. 5). Familie stellt für PARSONS ein eigenes Subsystem des gesamten Gesellschaftssystems dar und zwar eines von elementarer Wichtigkeit. Es besteht aus bestimmten Systemelementen und bestimmten Funktionen, die einerseits das System Familie und andererseits das übergeordnete System Gesellschaft im Gleichgewicht halten. Sozialisation bedeutet in diesem Zusammenhang die Tradierung von Werten aus der Erwachsenengesellschaft an die nachkommende Generation, das heißt, an die Kinder. Um diese Wertetradierung zu gewährleisten, benötigt die Familie eine bestimmte Struktur, die mit bestimmten Positionen besetzt ist und von Individuen eingenommen werden, um die damit verknüpften Funktionen wahrzunehmen. Was geschieht nun, wenn eine dieser Personen seine Position verlässt und damit seine Funktionen in diesem System nicht mehr erfüllt, ja sich überhaupt aus dem System Familie hinausbegibt, wie etwa im Falle einer Scheidung? Dieser grundlegenden Frage soll hier nachgegangen werden, wobei eines zu bedenken ist, wie DYER (1986, S. 589) festhält: „Es gibt kaum ein allgemein akzeptiertes Rollenmodell für die geschiedene Mutter.“ Somit fehlt auch eine genaue Definition der Mutterrolle ohne Partnerschaft, es fehlt mithin an gesellschaftlichen Orientierungspunkten.

Die Formulierung „bis dass der Tod euch scheidet“ wurde in den österreichischen Standesämtern bereits auf den Wortlaut „bis dass die Liebe endet“ abgeändert und so kann man heute davon ausgehen, dass Scheidung bei Schließung der Ehe als mögliche Option gesehen wird. Dieser Weg ist auf Grund der immer weiter zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft gangbar geworden, in der eine traditionelle Vorstellung der Ehe als von Gott gegebene und daher unauflösliche Institution von anderen Vorstellungen abgelöst worden ist. So wird Ehe als Gemeinschaft zur Bedürfnisbefriedigung und Abkommen zur Erlangung gemeinsamen Glücks und Zufriedenheit betrachtet. Kann dies mit dem einen Partner nicht erreicht werden, so steht nun der Weg offen zu einem anderen. Hierin liegt auch der Kern des Übergangs vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip. Dennoch wird kaum jemand ernsthaft eine Ehe schließen, um sich wieder scheiden zu lassen (sieht man von der Möglichkeit einer Scheinehe ab). In aller Regel wird es sich bei Scheidung also nicht um ein Ereignis handeln, das von vorneherein so geplant war und daher freiwillig passiert. Die betroffenen Personen, Erwachsene wie Kinder, werden also in eine Rolle gedrängt, die sie so nicht gewollt und sich auch nicht ausgesucht haben.

In der vorliegenden Untersuchung soll die Struktur sogenannter „Ein-Eltern- Familien“, das Verhältnis und die Rollenverteilung zwischen dem „Ein-Eltern- Teil“ und deren Kindern betrachtet werden und die Frage der Auswirkungen auf das System Familie und in weiterer Folge auf das System Gesellschaft. Keine Berücksichtigung hat hier die Möglichkeit gefunden, dass „AlleinerzieherInnen“ eine derartige Lebensform bewusst gewählt haben könnten. Dass ein derartiger Weg gangbar erscheint, zeigte sich am medienspektakulären Fall der Pop-Sängerin und Schauspielerin Madonna. Einer Untersuchung von NAVE-HERZ (1992) zufolge handelt es sich hierbei allerdings lediglich um Einzelfälle und nicht um ein gesellschaftlich relevantes Lebenskonzept, wiewohl ein derartiges für die Zukunft nicht auszuschließen sein wird. Zudem wird diese Untersuchung ausdrücklich auf Scheidungsfamilien beschränkt und kann daher keine Rücksicht auf diese, zweifellos zahlreichen Fälle nehmen, in denen unverheiratete ledige Mütter mit ihren Kindern zusammenleben. Sowohl Parallelen wie auch Unterschiede müssten daher Gegenstand einer eigenen Untersuchung sein.

2. Definition: „Alleinerzieher“

Wenn wir von „Alleinerziehern“ sprechen, so müssen wir erst definieren, was in dem hier gemeintem Zusammenhang damit gemeint ist. Zunächst besteht die Vorstellung davon, dass es sich um eine Person handelt, die infolge Scheidung oder lediger Mutterschaft mit ihren Kindern alleine lebt und sie erzieht. Wobei unter „Erziehung“ im Allgemeinen eine Mischung zwischen Anstandsregeln und Hinführung zur Gehorsamkeit verstanden wird.

Eine Definition aus der Psychologie sieht in Erziehung: „... im engeren Sinne (der HERBARTianer) eine absichtliche planvolle Einwirkung auf einen jungen Menschen zum Zweck der Unterweisung des Willens, vielfach gleichgesetzt mit Charakter und Gesinnung, im Gegens. zur Unterweisung des Verstandes (=Unterricht); im weiteren Sinne das Handeln Älterer an Jüngeren im Rahmen bestimmter Erziehungsnormen und Zielvorstellungen (DErziehungsziele), das in der Absicht geschieht, dem Jüngeren zu eigenverantwortlicher Lebensführung zu verhelfen;“ (HÄCKER, STAPF; 1998, S. 245).

Im Gegensatz dazu wird unter Sozialisation ein Prozess verstanden, „durch den ein Individuum in eine soziale Gruppe eingegliedert wird, indem es die in dieser Gruppe geltenden sozialen Normen, insbesondere die an das Individuum als Inhaber bestimmter Positionen gerichteten Rollenerwartungen, die zur Erfüllung dieser Normen und Erwartungen erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowei die zur Kultur der Gruppe gehörenden Werte, Überzeugungen usw. erlernt und in sich aufnimmt.“(KLIMA, 1995, S. 615)

Weder Erziehung, noch Sozialisation wird von einer einzelnen Person ausgeübt. Auch dann nicht, wenn diese mit dem Kind alleine lebt. Einflüsse seitens des nicht mit dem Kind zusammenlebendenden Elternteils, seitens der Mitglieder der Herkunftsfamilien, der Freundesgruppen, Kindergärten, Schulen, aber auch der Massenmedien, sind nur dann zu verhindern, wenn sich der Alleinerzieher mit seinem Kind auf eine einsame Insel zurückzieht. Somit rückt der Begriff „Alleinerzieher“ in den Bereich des Unbrauchbaren.

Hingegen erscheint die Bezeichnung „Ein-Eltern-Familie“ als zielführender, weil dieser eher die Struktur als die Intention markiert. Es geht nicht um Erziehung im oben genannten Sinne, sondern um die Einführung der nachwachsenden Generation in die Struktur und das Rollenbild der Gesellschaft unter den Bedingungen, dass einer der beiden Elternteile durch Scheidung die Familie verlassen hat. Diese ist dadurch zu einer Familie geschrumpft, die aus den Kindern und eben nur noch einem Elternteil besteht, der über die volle rechtliche, wie auch praktische Kompetenz verfügt, die Kinder in die Gesellschaft einzugliedern. In weiterer Folge wird jedoch der Begriff „Alleinerzieher“ weiterverwendet, da dieser im Allgemeinen besser verstanden wird, jedenfalls aber weiter verbreitet ist als der Begriff „Ein-Eltern-Familien-Vorstand“. Soll die Familienform bezeichnet werden, so wird von „Ein-Eltern-Familie“ gesprochen.

3. Die Methode

Hinter all den Zahlen, die in der Statistik ausgeworfen werden, die für eine Beurteilung des Gesamtbildes einer Gesellschaft sicher notwendig sind, stehen jedoch, und das sollte gerade in diesem Bereich nicht vergessen werden, Einzelschicksale von Menschen, die von Scheidungen und deren Folgen betroffen sind. Hier findet sich auch einer der Kritikpunkte an der rein quantitativen Forschung wieder, wie sie von LAMNEK (1995a) formuliert worden sind, nämlich, dass quantitative Messungen alleine soziales Handeln nicht wirklich erfassen können. Zahlen und Prozente können nicht sagen, wie der Mensch wirklich handelt und wie seine Interpretation des Handelns aussieht.

Um der Problemstellung, eben der Erforschung des Verhältnisses zwischen Alleinerziehern und deren Kindern gerecht zu werden, erschien es als die beste Vorgehensweise, einzelne Schicksale herauszugreifen und sich dieser Form des Zusammenlebens im Zuge einer Einzelfallanalyse zu nähern. Mit dieserm Forschungsansatz ist auch diejenige Flexibilität und Offenheit dem Forschungsgegenstand gegenüber gewährleistet, die gerade eine derart sensible und quantitativer Forschung nur beschränkt zugängige Thematik erfordert. Die Beschäftigung mit Scheidung und deren Folgen für Alleinerzieher und deren Kinder bringt es unvermeidlicherweise mit sich, dass der Forscher tief in das Privatleben des Untersuchungsobjektes eindringen muss, dass eventuell kaum oder noch nicht verheilte Wunden aufgerissen werden und Dinge ans Licht der Oberfläche dringen können, die den „beforschten“ Personen selbst so noch nicht bewusst gewesen sind. Neue Erkenntnisse und neue Einsichten für die Betroffenen selbst können sich auftun und somit Anregung für neue Verhaltensweisen bieten. Ja, es liegt geradezu im Sinne der qualitativen Forschung, dass Forscher und Objekt in eine Interaktion treten, „in dem sich Forscher und Gegenstand verändern, in dem subjektive Bedeutungen entstehen und sich wandeln.“ (Mayring, 1990, S.20)

Die Einzelfallanalyse bietet darüber hinaus die Möglichkeit, auf verschiedene Ergebnisse im Zuge der Forschung schnell zu reagieren und flexibel unterschiedliche Methoden anzuwenden, je nachdem, wie es eben gerade die jeweilige Situation erfordert. Das bedeutet, dass der Forscher sich in eine Art Abenteuer begibt. Eine Art Expedition in den Dschungel des Alltags. Als Kompass mögen ihm die bisherigen Erkenntnisse zum Thema dienen. Als Werkzeug, um sich durchs Dickicht voran zu arbeiten, bieten sich ihm die verschiedenen Methoden an, die er von Situation zu Situation unterschiedlich handhaben muss, um sich seine Schneise schlagen zu können sich und eine Lichtung zu roden, in die das Licht der Erkenntnis fallen möge. Dort kann er dann seine Siedlung bauen, seine Häuser der Theorie errichten. Möglicherweise stellt sich dann sogar heraus, dass sein bisheriger Kompass doch nicht so genau den Weg vorgegeben hat, sondern nur die ungefähre Richtung.

Die so gewonnenen Erkenntnisse werden mit dem Modell von T. PARSONS (1968) unter Verwendung von Daten aus einer empirischen Studie zum Thema „Ein-Eltern-Familie“ von R. NAVE-HERZ (1992) verknüpft.

3.1. Die Fallauswahl

Als Fall ausgewählt wurden von mir zwei Familien aus meinem persönlichen Umfeld. Dies bringt zwar ein stärkeres Einbezogensein mit sich und eine größere Nähe zum Fall, womit eine größere Involviertheit und wohl auch eine geringere Objektivität einhergeht. Eine Gefahr, die im vorliegenden Fall bewusst in Kauf genommen worden ist, denn andererseits kann dies auch gerade dazu führen, dass von Seiten der Betroffenen eine größere Offenheit besteht, worin die Möglichkeit zu einem tiefergehendes Fallstudium bestehen kann und eventuell Einblicke in höchst private Bereiche gegben werden, die sonst nicht, oder nur mit einem erheblichen Mehraufwand erreicht werden könnten. Auch versetzt diese Auswahl in die Lage, verschiedene offene Punkte durch bereits bestehendes Wissen über die Familiensituation ergänzen zu können. Darauf wird gegebenenfalls verwiesen.

Die Verlaufsformen der Biographien sind zwar äußerst unterschiedlich, weisen aber dennoch, und gerade trotz ihrer Unterschiedlichkeit, gemeinsame für Scheidungsfamilien typische Merkmale auf, wodurch sich diese beiden Familien als Forschungsobjekte besonders eigneten. Die Unterschiedlichkeit liegt einerseits in der Biograpie der beiden Familien, in den unterschiedlichen „Startbedingungen“, andererseits aber auch in der unterschiedlichen Bewältigungsstrategie dieses Ereignisses, wodurch sich auch Differenzen in der Organisation des Alltags und Wahrnehmung der unterschiedlichen Funktionen ergeben. Im Zuge von Vorgesprächen wurde mit den betroffenen Familien die Zielsetzung dieser Studie, nämlich die Analyse der Rollenverteilung innerhalb von Scheidungsfamilien, die Anonymisierung und der Ablauf besprochen. Die Anonymisierung wird selbstverständlich auch in der Präsentation des Falles aufrecht erhalten. Die angegebenen Namen und Orte entsprechen daher nicht der Wirklichkeit, sondern sind willkürlich gewählt.

3.2. Das familiengeschichtliche Interview

Start- und Angelpunkt der Studie waren familiengeschichtliche Interviews. Eine Scheidung hinterlässt einen deutlichen Einschnitt in einer Lebensbiographie, bricht aber dennoch nicht so plötzlich von heute auf morgen über die Beteiligten herein, sondern geht aus einer Entwicklung hervor und ist aus der je spezifischen Geschichte der Familie zu verstehen, aus deren Interaktionsablauf, der noch dazu von den beteiligten Personen unterschiedlich wahrgenommen wird (vgl. WATZLAWICK, BEAVIN, JACKSON, 1996, S. 57 ff.). Eine Betrachtung von Scheidung und deren Folgen für das Verhältnis der Familienmitglieder zueinander und nach außenhin ohne Berücksichtigung des bisherigen Verlaufes der Biographie ist daher unvollständig und kann zu fehlerhaften Analysen führen. Um den Fall der beiden Scheidungsfamilien möglichst vollständig darzustellen ist daher eine möglichst genaue Kenntnis der Familiengeschichte Voraussetzung. Die gegenwärtige Familienstruktur kann nur verstanden werden, wenn man auch die vergangene in Betracht zieht.

3.3. Der Forschungsverlauf

Nach der Auswahl der beiden Familien und den absolvierten Vorgesprächen, wurde zunächst ein erstes einführendes Gespräch mit Frau Hafner durchgeführt. Dieses, wie alle anderen Gespräche mit Frau Hafner wurden im Haus von Frau Hafner arrangiert, wodurch die Gezwungenheit der Interviewsituation möglichst entschärft werden sollte und zudem der Lebensraum der Familie beobachtet werden konnte. Dennoch war spürbar, dass eine gewisse Künstlichkeit in der Situation lag, und zwar obwohl die Familie Hafner und meine Familie uns schon seit einigen Jahren gut bekannt sind. Lediglich die Gespräche mit Frau Gold und Herrn Hafner wurden in meinem eigenen Haus durchgeführt.

Im Anschluss an das erste, einführende Gespräch (Anhang 7.1.) wurde ein familiengeschichtliches Interview durchgeführt. Dies konnte jedoch, auf Grund technischer Schwierigkeiten, lediglich mitgeschrieben (Anhang 7.2.) werden. Zum Zweck einer Tonbandaufnahme wurde dieses zu einem späteren Termin wiederholt. Im Anschluss daran wurde das aufgenommene Gespräch transkribiert (Anhang 7.3.). Unterschiede zwischen den beiden Interviews haben sich insoferne ergeben, als in ihnen je unterschiedliche Details genannt worden sind. Die Familiengeschichte wurde, wie von Frau Hafner selbst so bezeichnet, im zweiten Interview nur noch im „Zeitraffer“ widergegeben. Dafür wurden wieder neue Details sichtbar, sodass insgesamt gesagt werden kann, dass beide Befragungen zusammen eine gute, wenn auch so nicht von vorneherein geplante gegenseitge Ergänzung darstellen. Im Zuge des zweiten Interviews konnte dann auch schon gezielt auf die derzeitige Rollenverteilung innerhalb der Familie eingeganen werden. Im Anschluss an die Transkription wurden diese analysiert und die, für die Themenstellung wesentlichen Bestandteile herausgefiltert1.

Diese familiengeschichtlichen Interviews wurden als narrative Interviews geführt, um möglichst unbeeinflusst zu einem Selbstbild von Frau Hafner über ihre Situation und ihre Familie zu gelangen. Im Erzählen sollten die Orientierungsmuster des Handelns der Familie Hafner rekonstruiert werden (vgl. LAMNEK, 1995b, S. 70ff.). Dies impliziert eine Bewertung durch die Erzählerin selbst. Sie wird hier sozusagen als Expertin für ihr eigenes Leben befragt, als diejenige, die am kompetentesten darüber Auskunft zu geben im Stande ist.

In einem weiteren Interview wurden zunächst die Kinder zur Alltagsstruktur befragt (in Abwesenheit, aber mit Einverständnis von Frau Hafner) und dann ein weiteres Interview mit Frau Hafner durchgeführt, um verschiedene offene Fragen zu klären. (Anhang 7.5.)

Zudem ergab sich die Möglichkeit zu einer Beobachtungsstudie (Anhang 7.4.) am Geburtstagsfest von Frau Hafner (ihr 40. Geburtstag), wo speziell ihre Außenbeziehungen sichtbar wurden. In Ergänzung zum familiengeschichtlichen Gespräch konnte noch der Ex-Gatte, Herr Hafner, zu einem Interview gewonnen werden, wodurch auch die zweite Seite der Scheidung beleuchtet werden konnte (Anhang 7.6.). Für die Fragestellung der Struktur und Funktionsaufteilung innerhalb von Alleinerzieherfamilien brachte dieses Gespräch keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn, lediglich über die Hintergründe der Scheidung und über die Lebensorientierung von Herrn Hafner.

Parallel dazu wurde ein familiengeschichtliches Interview mit Frau Gold geführt, um zu einer vergleichbaren Scheidungs- und Familienbiographie zu gelangen (Anhang 7.7.). Auch Familie Gold ist seit längerer Zeit mit unserer Familie gut bekannt, sodass sich hierbei die gleichen Probleme, aber auch die gleichen Vorteile wie in der Kontaktsituation zu Familie Hafner ergab.

Um einen weiteren Eindruck vom Verlauf der Biographie der beiden Familien zu gewinnen, wurde sowohl von Frau Gold, wie auch von Frau Hafner eine „Lebenskurve“ gezeichnet. (Anhänge 7.8. und 7.9.)

4. Der Fall

4.1. Darstellung der Familie Hafner

Familie Hafner bewohnt ein Einfamilienhaus am Rande einer kleinen Gemeinde, etwa zehn Kilometer von der nächsten Großstadt entfernt. Frau Hafner ist 1960 geboren, ist Englisch- und Sportlehrerin an einer Hauptschule in Graz. 1979, nach Beendigung ihrer Ausbildung hat sie ihren späteren Mann kennen gelernt. 1982 haben sie ihre erste gemeinsame Wohnung bezogen und schließlich 1987 geheiratet. 1995 ist es wieder zur Scheidung gekommen. Seither lebt Frau Hafner mit ihren beiden Kindern (Vera, 1988 geboren und Ruth, 1991 geboren) in ihrem Haus.

Während der Zeit des Zusammenlebens vor der Ehe und der ersten drei Ehejahre ist Frau Hafner diejenige gewesen, die alleine für den Unterhalt der Familie gesorgt hat. Erst nach Beendigung des Studiums von Herrn Hafner und Absolvierung des Präsenzdienstes hat er die Rolle des Unterhalters der Familie übernommen, während sie, infolge der Geburt des ersten Kindes zu Hause geblieben ist. Zunächst also war eine Umkehrung der Rollen zum üblichen Rollenbild als Ernährer und Familienversorger gegeben. Dies änderte sich jedoch unmittelbar nachdem Herr Hafner in das Berufsleben eingetreten ist.

In dieser Situation wird von Frau Hafner auch der Beginn der Krise gesehen.

„Und dann hat sich einfach das umgekehrt. Früher habe ich zum Lebensunterhalt beigetragen und er war zu Hause und hat studiert und jetzt hat eben er gearbeitet und ich war zu Hause. Das war eigentlich schon der Beginn einer Krise.“ (Anhang 7.3, Zeile 41-43)

Die berufliche Situation von Herrn Hafner brachte es mit sich, dass er jeweils zwei Wochen in Bulgarien verbrachte und zwei Wochen in Graz. Und obwohl bereits 1990, also unmittelbar nach Beendigung der Ausbildung von Herrn Hafner, ein Grund zum Bau eines Hauses gekauft worden ist, ist die Familie dennoch 1994 nach Bulgarien übersiedelt, was insoferne verwunderlich ist, als Herr Hafner in seinem Interview angegeben hatte, dass seine Zukunftsvorstellung die einer Familie mit Kindern und eigenem Haus wäre. Aber auf Grund der Arbeitssituation ist es wohl zu einer Entfremdung der Familie gekommen, wodurch dieses Wunschbild auch in den Hintergrund gedrängt worden sein mag.

In Bulgarien hatte Herr Hafner zunächst ein Verhältnis mit einer anderen Frau, das nach der Übersiedlung von Frau Hafner und den Kindern nach Bulgarien beendet worden ist. Später wurde dieses Verhältnis von neuem begonnen, worauf es 1995 zur Scheidung gekommen ist. Frau Hafner ist wieder nach Österreich übersiedelt, erst nach Graz und anschließend nach Gratkorn, einem Ort in der Randlage von Graz. Dort hat sie 1997 das Einfamilienhaus bezogen, in dem sie heute lebt. 1996 hat Herr Hafner wieder geheiratet und lebt seither in Peking, wohin er von seiner Firma beordert worden ist.

Heute scheint es eine Wiederannäherung zu geben. Es wurden schon gemeinsame Urlaube verbracht, es werden gemeinsam zukünftige Ferien geplant. So hat die Familie im Untersuchungszeitraum sowohl die Winterferien, als auch die Osterferien gemeinsam verbracht. Für die Sommerferien gibt es bereits konkrete Planungen. Beide geben ihrem Wunsch Ausdruck, wieder zusammen zu kommen, wobei dies jedoch besonders für Frau Hafner nicht bedingungslos ist, sondern an ein neues schrittweises Kennenlernen geknüpft ist. Herr Hafner hat seine Bereitschaft angedeutet, sich von seiner derzeitigen Frau in China scheiden zu lassen und einen Job in Österreich suchen zu wollen. Auch zum Fest anlässlich des 40. Geburtstages von Frau Hafner ist er anwesend gewesen. Allerdings wurde er dabei von Frau Hafner auf Distanz gehalten.

Vera, die ältere Tochter, besucht die erste Klasse eines englischsprachigen Gymnasiums in Graz und Ruth, die jüngere, die 3. Klasse Volksschule in Gratkorn. Beide sind sehr gute Schülerinnen.

4.1.1. Beziehungen nach innen - expressive Funktion

Die Binnenstruktur wurde von Frau Hafner einmal so charakterisiert: „Mama, Mama und immer wieder Mama,“ womit sie zum Ausdruck bringen wollte, dass letztlich jede Verantwortung alleine bei ihr liege und dass schließlich sie alleine für alles zuständig wäre. Auch für die Gestaltung der Beziehung nach innen, also zwischen ihr und den Kindern. Die Rollenverteilung erscheint für Frau Hafner auf den ersten Blick so, dass sie alleine alle Rollen, die mit verschiedenen Positionen innerhalb einer Familie verknüpft sind, innehat. Allerdings zeigte sich, dass Frau Hafner durchaus auch Ansprüche an die Kinder stellt, deren Befriedigung ansonsten vom Partner erwartet wird, wie sich exemplarisch schon im ersten einführenden Gespräch gezeigt hatte. Der Wunsch nach gezeigter Gegenliebe etwa oder der Wunsch nach einem „vernünftigen“ Weihnachtsgeschenk, also kein typisches Geschenk, wie man es von seinen Kindern sonst bekommt (Krawatte für den Vater, Parfum für die Mutter, oder selbst Gebasteltes aus dem Werkunterricht).

Zu einem entsprechenden Ergebnis kommt auch NAVE-HERZ (1992, S. 93 ff.) in ihrer empirischen Studie, in der sie unter anderem auch nach zukünftigen Partnerwünschen und deren Begründung fragt. Sie kommt zu dem Schluss, dass eine neuerliche Partnerschaft von der überwiegenden Zahl der von ihr Befragten AlleinerzierherInnen eine neuerliche Partnerschaft gewünscht wird, und zwar „nicht wegen der materiellen Versorgung, und nicht um für die Kinder einen Vater, bzw. eine Mutter zu finden, ..., sondern aus psychischen (bei Männern auch noch verstärkter: aus sexuellen) Gründen." (S. 95)

Der Wunsch nach emotionaler Nähe kommt auch in ihrer Zukunftssicht einer möglichen neuerlichen Ehe mit ihrem geschiedenem Mann zum Ausdruck. Seine täglichen Anrufe und Aufmerksamkeiten werden von ihr als solche Nähe gewertet und auch im Vergleich zu andere Alleinstehende gesehen.

„Aber trotzdem, es ist wieder das im Kopf da, es ist nämlich ein Unterschied, ob man ganz alleine ist und weiß, es ist keiner da, der einem einmal sagt, ich habe dich lieb, ganz egal, ob da jetzt eine Bindung da ist, oder nicht, oder ob man weiß, ...naja, man hat ja da ohnehin einen im Hinterkopf.“ (Anhang 7.3, Zeile 344-346)

Wie auch aus der Biographie hervorgeht, ist diese Lebensform von Frau Hafner nicht freiwillig gewählt worden, sondern aus einer Entscheidung heraus entstanden, die gegen ein weiteres Zusammenleben mit Herrn Hafner in der gelebten Form gerichtet war. Dies zeigt sich auch in dem Wunsch nach einer neuerlichen Partnerschaft mit ihrem Ex-Mann, allerdings nicht um jeden Preis.

„Und ich sage, ich möchte keine solche Ehe mehr, wie wir sie vorher geführt haben. Obwohl alle gesagt haben, wir führen eine gute Ehe. Aber ich sehe, dass da ... das ist mir zu oberflächlich. Ich möchte etwas anderes.“ (Anhang 7.3., Zeile 68-70)

„Weil ich möchte ihn nicht der Kinder wegen zurück, sondern wirklich, wenn es da eine Möglichkeit gibt, dann muss das ... die Person für mich so interessant sein, dass ich sage, da verbringe ich den Rest meines Lebens mit dieser Person. Und wenn er das nicht ist, bleibe ich lieber alleine.“ (Anhang 7.3., Zeile 75-77)

Ein erklärtes Ziel in der Erziehung ihrer Kinder ist die Erziehung zur Selbständigkeit, die sich auch darin äußert, dass sie die Kinder dazu anhält ihre Schulaufgaben selbständig zu erledigen und im Haushalt bestimmte Aufgaben zu übernehmen. Letzteres liegt wohl noch eher in der Zukunft als Erziehungsziel, denn als bereits eingetretene Realität. Allerdings ist es wohl auch eine Notwendigkeit, die sich aus dem Zusammenleben ergibt, in dem der zweite erwachsene Partner fehlt. Wie schon oben ausgeführt, fehlt es an der emotionalen Zuwendung und somit auch an der Bestärkung im Handeln, an der Unterstützung im Alltag. Die Selbständigkeit der Kinder wird von Frau Hafner jetzt als die größte Unterstützung angesehen.

Trotz aller Schwierigkeiten, Entsagungen vor allem emotionaler Art, aber auch trotz aller geäußerter Zukunftswünsche wird die derzeitige Situation von Frau Hafner dennoch positiv beurteilt. Ein gewichtiger Grund scheint vor allem darin zu liegen, dass Frau Hafner ihre Vergangenheit, ihre Scheidung und die damit einhergehenden Belastungen, impliziten wie expliziten Schuldzuweisungen aufgearbeitet und bewältigt hat, sodass es möglich wurde, die „Ein-Eltern- Familien“-Form bewusst auch als solche zu gestalten und zu leben.

„ Und für mich war das damals so, ich aber mir das oft gedacht: Mein Gott, ich würde viel lieber mit einer Krebskranken tauschen, die in einer heilen Familie lebt. Eigentlich, sagen wir, ein Wahnsinn, weil es ohnehin egal ist, der eine hat Krebs, der andere hat eine Scheidung, der nächste hat den Verlust eines Kindes die Krise ist egal im (K) jetzt im Nachhinein muss ich sagen, die Krise war für mich genau das, dass ich jetzt so leben kann wie ich jetzt lebe; im Positiven. Und es hat sich eigentlich das Negative zum absolut Positiven entwickelt. Und ich stehe ganz anders da wie damals...“ (Anhang 7.3., Zeile 256-262)

Diese durchaus positive Betrachtungsweise der derzeitigen Situation kommt bei Frau Hafner auch in der von ihr gezeichneten Lebenskurve (Anhang 7.7.) zum Ausdruck, die seit der Ehekrise im Jahr 1993 einen kontinuierlichen Aufwärtstrend zeigt. Selbst die Scheidung liegt bereits in dieser Aufwärtskurve, die zum jetzigen Zeitpunkt einen Höhepunkt erreicht hat. Als Kommentar hat sie zum Jahr 2000 geschrieben: „alleine und glücklich“.

Ein Wandel vom Negativen zum Positiven, den die Kinder in dieser Form nicht nachzuvollziehen imstande waren. Dies mag zum größten Teil darin liegen, dass Kinder im allgemeinen keine Chance zur Einflussnahme auf die elterlichen Beziehungen haben und dass sie die Verhältnisse so hinnehmen müssen, wie sie eben durch die Eltern vorgegeben werden. Dies war im Falle der Familie Hafner nicht anders. Im Gespräch mit den Kindern zeigte sich auch, dass sie keine Eheschließung von Frau Hafner wünschten, vordergründig, weil sie der Gedanke an Stiefgeschwister abschreckte. Dennoch ist eine Sehnsucht nach einer vollständigen, also einer Familie mit Mutter und Vater zu erkennen.

4.1.2. Beziehungen nach außen - instrumentale Funktion

Die Zeit nach der Scheidung wird von Frau Hafner so beschrieben, als wäre es ein Versagen und eine Schande, geschieden zu sein. Einerseits im Vergleich zu anderen Frauen, die es trotz ihres Aussehens geschafft haben eine bestehende Ehe zu führen, andererseits in der Wahrnehmung seitens der Umwelt.

„H: Und es ist in unserer Gesellschaft ist das, das war (K) habe ich so erlebt, wie ich den Ehering weggetan habe, ich habe das nie geglaubt, was das für eine Bedeutung hat, wenn du den Ring wegtust. Und du gehst einkaufen, und ich habe eine Zeit lange geschaut, hat die einen Ring, hat die einen Ring, ah, diese „Schiache“, sogar die hat einen erwischt2. (lacht) ja Und jetzt ist das was, wenn du mich schnell fragen würdest, ich wüßte nicht einmal, wo du den Ehering trägst I: mhm, H: .. Oder wenn ich fortgegangen bin, wenn3 ich wieder einmal fortgegangen bin, die sehen mir das alle an, dass ich verlassen worden bin, dass ich alleine bin, dass ich geschieden bin. Wie wenn du einen Stempel oben hättest4 (lacht) (längere Pause) ... das ist, das ist, eine Scheidung vollzieht sich nämlich ... zuerst auf dem Papier und dann einmal lange im Kopf.“ (Anhang 7.3., Zeile 352-362)

Dazu kam das Gefühl, unerwünschter, unbrauchbarer Besuch zu sein, das fünfte Rad am Wagen. Auch hier fehlt die Anerkennung und die emotionale Zuwendung von Personen, die außerhalb des eigenen Familienverbandes leben. Dieser Zustand wird erst durch den Wiedereinstieg in das Berufsleben überwunden, wo sie eben die Anerkennung, unabhängig vom Familienstand erfahren kann. Schon im ersten

Familiengespräch hatte sie sich selbst als „Workaholic“ (Anhang 7.2.) bezeichnet.Die Abhängigkeit von der Arbeit zeigt sich gerade hier, wo sie die von ihr gesuchte Anerkennung und Zuwendung erfahren kann, ohne sich ständig erklären zu müssen.

Eindrucksvolles Beispiel der bestehenden Außenbeziehungen von Frau Hafner war das Fest anläßlich ihres 40. Geburtstages. Es wurde in der Nähe ihres Hauses auf einem Bauernhof gefeiert. Geladen waren etwa 100 Gäste, die nahezu ausnahmslos gekommen waren. Aber nicht alleine die Tatsache des Kommens an sich war das Aussagekräftige dieses Ereignisses, sondern das Wie des Feierns. Von den Nachbarn wurde ein Schauspiel einstudiert, das verschiedene Stationen ihres Lebens beinhaltete, von den Lehrerkollegen wurde ein Gedicht vorgetragen und vom Hausherrn ein Lied, das ebenfalls das Leben von Frau Hafner beinhaltete. Alles in allem kann gesagt werden, dass die Biographie von Frau Hafner unter den Nachbarn und Kollegen gut bekannt ist und dass allgemein eine rege Anteilnahme besteht. Frau Hafner kann als sehr kommunikatives und nach außen hin offenes Wesen charakterisiert werden.

Ein weiteres Ereignis aus der Vergangenheit, das diesen, nach außen hin offenen Charakter trägt, ist das Einstandsfest, das sie anläßlich ihrer Übersiedlung nach Gratkorn gegeben hat. Es war ein Straßenfest, zu dem alle Nachbarn eingeladen waren. Durch dieses Fest erhielt sie Zugang zu einer ansonsten geschlossenen Clique innerhalb der Siedlung, im Gegensatz zu anderen, wie sie des öfteren betont hatte, schon länger dort ansässigen Bewohnern.

Die grundsätzliche Offenheit in den Außenbeziehungen ist jedoch keine Erscheinung der Scheidungskonstellation, sondern war auch schon vorher gegeben und wurde durch das Ereignis der Scheidung nicht verändert, sondern lediglich in andere Bahnen gelenkt.

Was die Zielorientierung betrifft, hat es im Leben von Frau Hafner doch einige Kurskorretkuren gegeben. Wie sie im ersten Interview (Anhang 7.2.) angegeben hat, war sie diejenige, die für das Familieneinkommen gesorgt hatte und somit auch sie dazu imstande war, die Richtung vorzugeben. Erst nach Beendigung des Studiums von Herrn Hafner hat sich diese Situation geändert, was auch zum Beginn der Krise geführt hatte. Auch DYER (1986, S. 584) sieht in dem Kampf der Frauen um eine gleichberechtigte Partnerschaft, dass diese nicht mehr bereit sind, sich mit Ehen abzufinden, die ihren persönlichen Zielen nicht entsprechen. Die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen stellt daher einen wesentlichen Faktor für die zunehmende Scheidungshäufigkeit dar. Von nun an also bestimmte die berufliche Situation von Herrn Hafner den weiteren Lebensweg der Familie, bis dieser an der Scheidung eine weitere Wendung gefunden hatte. Dann war es wieder Frau Hafner, die den eigenen Weg und den ihrer Ein-Eltern-Familie vorgab.

4.1.3. Die vertikale Dimension

Frau Hafner ist die alleinige Erziehungsberechtigte und Herrin des Hauses. Sie ist, abgesehen von den Alimentationszahlungen des Vaters der Kinder, zuständig für das Familieninkommen, für die Organisation des Alltags, einfach dafür, dass das Leben in seinen geordneten Bahnen verläuft. Sie sieht sich selbst auch in dieser Position der „Macht“, wenn sie den Unterschied zu anderen Familien aufzeigt und dabei ihre Eigenständigkeit in der Erziehung betont und das Alleinesein in dieser Hinsicht geradezu als Vorteil sieht.

„oder jetzt fragen wir die Mama, die sagt das, und wenn uns das nicht passt, fragen wir den Papa. Das fällt bei uns weg. Das was ich sage, das gilt Das(K) sie schimpfen zwar oft mit mir, dass ich sehr streng bin, aber ich denke mir, lieber sie schimpfen und ich habe eine Ruhe und wir können friedlich auskommen, als ich ließe ihnen alles durchgehen und wir haben ... unseren wöchentlichen ... Kleinkrieg.“ (Anhang 7.3, Zeile 317-321)

Es scheint dennoch so zu sein, dass der Abgang von Herrn Hafner eine Art Vakuum in der Machtstruktur der Familie hinterlassen hat. Wo zuvor zwei erwachsene Personen zwei Kindern gegenübergestanden sind, steht heute nur noch eine Person. Die Führungsposition in der Familie ist also geschwächt. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Kinder es lange Zeit Frau Hafner nicht „erlaubten“ sie Abends alleine zu lassen, und sei es auch nur für eine kurze Zeit.

Auch, wie oben schon angeführt, in der Frage nach einer Partnerwahl kommt es dazu, dass die Kinder Frau Hafner regelrecht vorschreiben, wer für sie als neuer Partner in Frage kommen könnte - einzig und allein der Ex-Mann von Frau Hafner, ihr Vater, wie etwa aus einem Gespräch mit den Kindern hervorgeht.

I: Was tätet ihr sagen, wenn eure Mama plötzlich wieder heiraten möchte? V: Jemand anderen?

I: Jemand anderen.

R: Ich weiß es nicht. Das war schon einmal so, da wollte sie den Bauern da drüben, da haben sie schon so geredet, also wie das wäre, wenn erjetzt plötzlich zwei Kinder hätte (lacht) und so. Ich weiß es nicht. Ich täte mich nicht recht freuen. (Anhang 7.5., Zeile 113-118)

Oder wie Frau Hafner selbst diese Situation beschreibt:

H: Also, sie erlauben mir gar nicht, dass ich einen andern Mann kennen lerne,

I: mhm

H: Also für die ist das ganz klar, wenn ich noch einmal heirate, dann heirate ich den Herbert ... ja, ... sie fangen jetzt erst an, das ist seit einem Jahr, also es ist seit diesem Schuljahr, dass ich fortgehen darf. Ich war auf der Faschingssitzung und die Kinder sind alleine ins Bett gegangen. Oder was war denn noch einmal ... Ja, bei den Nachbarn war ich einmal, auch schon um sieben, also da haben sie die letzte Stunde bis acht haben sie noch alleine verbringen müssen. Und das funktioniert jetzt dass sie mich einmal fortgehen lassen. Zwar sehr selten, aber ich habe auch gar nicht das Bedürfnis. Also von daher mischen sie sich nicht mehr so ein, aber vor einem Jahr, da hätten sie mich noch viel mehr daheim haben wollen.

I: mhm

H: Ja, punkto Beziehungen, das schreiben sie mir richtig vor. Also speziell die Vera (Anhang 7.5., Zeile 274-284)

Dies ergibt sich wohl auch dadurch, dass einerseits der Kontakt zwischen den Kindern und dem Vater nie abgerissen ist und dass aktuell die Hoffnung genährt wird, dass es tatsächlich zu einer Wiedervereinigung kommen könnte.

Die Machtstruktur unter den Kindern selbst ist derzeit in Richtung der älteren Tochter entschieden. Einer der Anzeichen dafür ist, dass es der jüngeren (übrigens wie auch der Mutter) von der älteren Tochter nicht gestattet wird, ihr Zimmer zu betreten, während dies in der umgekehrten Richtung nicht gilt5. Auch ist es gerade die ältere Tochter, die ihrer Mutter die Beziehungen vorschreibt. (siehe oben)

4.2. Familie Gold

Nach außen hin sichtbar sind zunächst viele Ähnlichkeiten zur Familie Hafner. Auch Frau Gold ist Lehrerin an einer Volksschule in der Nähe von Graz, auch sie war verheiratet mit einem im Beruf erfolgreichen Ehemann und auch die beiden haben zwei Kinder. Ebenso wie Frau Hafner hat auch Frau Gold nach ihrer Scheidung ein eigenes Haus in Deutschkreuz, einem Vorort von Graz, gebaut.

Frau Gold hat ihren, um zwölf Jahre älteren Mann im Urlaub unmittelbar nach ihrem Abitur kennengelernt. Die Eheschließung erfolgte dann schon ein Jahr darauf - das war 1980 - obwohl schon zuvor Schwierigkeiten erkennbar waren. Diese haben sich in weiterer Folge verstärkt, was sich in der von Frau Gold gezeichneten Lebenskurve (Anhang 7.9) derart ausdrückt, dass unmittelbar nach der Hochzeit ein tiefer Absturz zu erkennen ist. In dieser Absturzzeit ist auch der Sohn Paul geboren worden. Paul ist als Frühgeburt (nach sechs Monate) zur Welt gekommen und auf Grund eines Behandlungsfehlers gehbehindert. Einen nicht unerheblicher Faktor für die Familienstruktur stellte die Anwesenheit der Schwiegermutter von Frau Gold im gemeinsamen Haus dar, da auch dieses Verhältnis nicht frei von Belastungen und Spannungen geblieben ist. Einen Aufschwung hat die Beziehung während der Schwangerschaft zur Tochter Erika genommen. Dieser Aufschwung ist jedoch nach kurzer Zeit wieder zu Ende gegangen. Nach gemeinsam unternommenen Versuchen einer Eheberatung, bzw. Ehetherapie, einer Flucht ins Frauenhaus, ist die Ehe schließlich an einem Tiefpunkt angelangt, sodass Frau Gold 1989 die Scheidung eingereicht hatte. Sie hat dieses Verfahren jedoch in weiterer Folge, aus Rücksicht auf die Kinder, wieder ruhen lassen, letztendlich jedoch das Verfahren wieder aufgenommen und es ist, gegen den Willen von Herrn Gold, zur Scheidung auf Grund der Zerrüttung der Ehe gekommen. Die Scheidung selbst wurde 1993 ausgesprochen, schon in einer, der Lebenskurve von Frau Gold zu entnehmenden Aufwärtsphase, die, trotz einiger Rückschläge, seither einen kontinuierlichen Aufwärtstrend zeigt und zum jetzigen Zeitpunkt an ihrem bisherigen Höhepunkt angelangt ist. Auch von Fau Gold wurde die Scheidung, trotz Einschränkungen in den Lebensumständen als „Erlösung“ und „Befreiung“ empfunden. Was die Situation allerdings sehr schwierig gemacht hat, war, dass der Vater der Kinder sich nicht mit der Scheidung abzufinden imstande war. So hat er den Kindern immer wieder gesagt, dass sie wieder zu ihm zurückkommen werden, dass er sie jederzeit wieder aufnehmen werde. Die Scheidung wurde auch von einem Sorgerechtsprozess begleitet, in dessen Gefolge die Kinder der Frau Gold zugesprochen worden sind. Ein psychologisches Gutachten hatte ergeben, dass der Sohn Paul eine indifferente Tendenz aufweist, während die Tochter Erika eindeutig zu der Mutter tendierte. Auf Grund des Alters wurden die beiden nicht getrennt, sondern beide der Mutter zugesprochen.

Der Kampf um die Kinder fand jedoch auch durch dieses Urteil keinen Abschluss, sondern wurde vom Vater weiter betrieben.

„weil sein Vater, der wollte immer das Sorgerecht haben und hat ihn sehr beeinflusst ... mit so Aussagen wie: Paul du gehörst zu mir. Und: Die Mama kann dich nicht erziehen. Und: Bei mir wartet eine eigene Wohnung auf dich und du kannst jederzeit kommen, ich warte auf dich. Und ... also so, die, ..die Aussagen hat er immer wieder ... ah, gemacht dann, dass, also mir gegenüber hat er es gesagt, dass der Papa zu ihm das gesagt hat Ja, das Ganze hat sich eh über Jahre erstreckt wo eben sein Vater als der aufgetreten ist, der jederzeit für Pauls Probleme ein offenes Ohr hat. Er braucht ihn nur, nur den Papa anzurufen, wenn irgendetwas nicht passt. Das hat der Paul auch ausgenützt.“ (Anhang 7.7., Zeile 297-305)

Das Zusamenleben der Kinder mit der Mutter wurde dadurch zusehends schwieriger. Gipfelpunkt war schließlich der Hinauswurf des Sohnes aus dem Haushalt der Mutter, wodurch das Sorgerecht für diesen letztendlich auf den Vater übertragen worden ist. Das Verhältnis zu ihrem Sohn hat sich seither jedoch gebessert. Das Verhältnis zur, im gemeinsamen Haushalt verbliebenen Tochter wird von Frau Gold als „relativ ungestört“ beschrieben.

Die Binnenstruktur der Familie nach der Scheidung kann so beschrieben werden, dass sie in erster Linie durch die anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen dem Sohn und der Mutter gekennzeichnt war, die schließlich in einer regelrechten „Scheidung“ zwischen dem Sohn und der Mutter gipfelten. Ähnlich wie auch schon bei der Familie Hafner festgestellt, suchten die Kinder der Mutter die Beziehungen, insbesondere Beziehungen zu anderen Männern vorzuschreiben. Der Unterschied liegt wohl im Besonderen auch darin, dass hier ein gegengeschlechtlicher Widerpart in der Familie vorhanden war, der sich wesentlich stärker zum Partnerersatz aufzuschwingen suchte. Die Eskalation, die letzlich in der oben beschriebenen Scheidung zwischen Mutter und Sohn gipfelte, entbrannte denn auch an diesem Thema, als nämlich Frau Gold eine Beziehung zu einem anderen Mann angefangen hatte.

„Und der Paul war der Meinung: Der Herr im Haus ist er selber, so hat er es auch gesagt. Und da hat niemand zu reden. Und dann ... ja das ist halt einmal, nein wirklich, eskaliert, wo die Kinder sich gemeinsam gegen uns verbündet haben und sich so aufgeführt haben, also wirklich arg. ..“ (Anhang 7.7., Zeile 321-324)

Auch die im Interview beschriebene Eskalation, in deren Gefolge Paul ins Internat gehen musste, ist im Zusammenhang mit einer Beziehung zu einem anderen Mann zu sehen. Diese ist jedoch nach etwa einem Jahr wieder abgebrochen worden. Aber auch hier wird von Frau Gold beschrieben, dass sich Erika, wie zuvor auch Paul, in die Position eines Ersatzpartners stellt.

„Nur, machmal mischt sie sich einfach in Sachen ein, die sie nichts angehen. Sie möchte, sie möchte halt von mir gerne alles wissen. Wenn einmal jemand zu Besuch da ist, dann bekommt sie ganz große Ohren, eh das übliche so. Und, .. naja, also manchmal tut sie so, wie wenn ich ihr, ... gleichwertig wäre mit ihr. Das ist mir auch schon gesagt worden, dass wir den Eindruck vermitteln, ... nicht so wie Mutter und Tochter. Also sie stellt sich so ziemlich auf die selbe Stufe, ...“ (Anhang 7.7., Zeile 364-369)

Allerdings wird von Frau Gold auch eingeräumt, dass sie selbst dazu ihren Beitrag geleistet habe, indem sie die Kinder auch in die Position eines Partnes gezogen und damit zu einer Rolle gedrängt hatte, die ihren natürlichen Positionen als Kinder eben nicht entspricht.

„ich habe die Kinder sicher zu sehr ins Vertrauen gezogen und, und auch irgendwo ... ah, als Partnerersatz missbraucht, nehme ich einmal an. Weil ich war ja Jahre, ah wirklich ohne Partner und, und die Kinder kriegen dann Gespräche mit, oder man sagt (K) oder ich habe auch den Kindern etwas erzählt, oder mit ihnen geredet über irgendetwas, was ich sicher nicht machen würde, wenn ich das mit einem Partner besprechen kann.“ (Anhang 7.7., Zeile 426-430)

Ein gravierender Unterschied zwischen Familie Hafner und Familie Gold ist darin zu finden, dass Frau Gold im Interview immer wieder auch versuchte, den Interviewer auf ihre Seite zu bringen, indem sie ihrem Ex-Mann die alleinige Schuld an der Scheidung und der nachfolgenden Situation zuschrieb. Eine Aufarbeitung des eigenen Verhaltens hat bislang noch nicht stattgefunden.

5. Diskussion

5.1. Das Modell von Talcott Parsons

Theoretischer Ansatzpunkt der Überlegungen war das Modell von Talcott PARSONS (1968). Er beschreibt hierbei ein Modell, das auf biologische Unterschiede und Funktionen beruht und in dem vor allem Geschlecht und Generation eine wesentliche Rolle spielen. Innerhalb des Systems Familie gilt es verschiedene Positionen zu besetzen, die der Aufrechterhaltung des Systems und der Tradierung der Werte des übergeordneten Gesellschaftssystems dienen.

In der horizontalen Ebene beschreibt PARSONS die geschlechtliche Differenzierung als eine Differenzierung der „qualitativen Funktionstypen“ (S. 76) indem er zwischen der instrumentalen Funktion und der expressiven Funktion unterscheidet. Die instrumentale Funktion, die das Verhältnis nach außen hin und die Zielorientierungen betrifft, schreibt PARSONS eher dem Mann zu, während die expresssive Funktion, die die internen Beziehungen, die Harmonie und Solidarität innerhalb der Familie betrifft, eher der Frau zukommt.

In der vertikalen Ebene, die von ihm auch als „Macht“ bezeichnet wird, unterscheidet er die unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten auf Prozessverläufe innerhalb der Familie. Diese sind durch das Alter gekennzeichnet, also durch das Verhältnis von Über- und Unterordnung in den Generationen, im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern.

Die Frage, die sich bei der Anwendung dieses Modells gestellt hat, war, inwieweit Kinder in „Ein-Eltern-Familien“ in die Position und somit in die Rolle des weggegangenen Partners drängen oder gedrängt werden und diesen Part innerhalb der Familie übernehmen oder dies zumindest versuchen. Die Funktionen an sich stellen fundamentale Systemfunktionen einer Familie dar, sodass zu vermuten ist, dass durch das bloße Wegfallen eines Teiles des Systems es nicht auch zu einer Auflösung der Funktionen kommt, sondern dass diese auf ein anderes Mitglied der Familie übergehen.

Vorweg zu klären wäre die Frage, ob es sich bei Alleinerziehern mit ihren Kindern um ein unvollständiges oder doch um ein vollständiges, wenn auch reduziertes System handelt. Wie NAVE-HERZ (1992, S. 104 f.) dazu ausführt, wird ein System bestimmt durch seine subjektive Sinnzuschreibung an das System selbst und andererseits durch seine Abgrenzung zu anderen Systemen hin, bzw. dessen Offenheit oder Geschlossenheit diesen anderen Systemen gegenüber.

Tatsächlich ergeben sich hierbei oft definitorische Probleme in der Hinsicht, als Alleinerzieher oft nicht wirklich alleine leben, sondern entweder gemeinsam mit einem neuen Partner, oder aber auch von diesem getrennt in verschiedenen Haushalten. Hinzu kommen Fragen des wiedererstehenden Einflusses der Herkunftsfamilie, des geschiedenen Partners, der Gerichte und des Jugensamtes.

Durch die heute in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht relativ gut abgesicherte Position der AlleinerzieherInnen ist es für diese im Normalfall möglich einen eigenen Haushalt zu führen und unabhängig von anderen Personen zu bestreiten. Es zeigte sich auch bei den betrachteten Einzelfällen, dass die finanzielle Sicherung einerseits und die unabhängige Führung eines eigenen Haushalts andererseits wesentliche Bestandteile des eigenen Familiensystems darstellten. Ein Schluss, zu dem auch NAVE-HERZ (1992) gelangt, wenn sie resümierend feststellt, „dass die Systemgrenze zur Herkunftsfamilie heutzutage bereits durch den eigenen Haushalt, aber auch durch die finanzielle Eigenständigkeit der Ein-Eltern-Familie gekennzeichnet ist.“ (S. 107)

Eine genaue Systemgrenzziehung könnte dennoch schwierig sein, weil diese durch Verbindungen zu außerhalb des Systems stehenden Personen aufgeweicht zu sein scheint, wodurch sich, zumindest für die Kinder, die Situation ergäbe, Mitglied zweier verschiedener, für sie eventuell gleichwertiger Systeme zu sein. Die Probleme, die sich daraus ergeben könnten, liegen vor allem da, wo Familie als Sozialisationsinstanz und als Reproduzent kultureller Werte fungiert; somit also im Zentrum des Sinnes von Familien überhaupt. Denn aus zwei verschiedenen Systemen, die als gleichwertig empfunden werden, kann es nur allzu leicht zu Wertekonflikte kommen. Allerdings ist dagegen zu halten, wie dies auch in unseren Fällen zu sehen ist, dass es kaum zu einer derartigen doppelten Integration der Kinder in zwei verschiedene Familiensysteme kommt. Da der Ehepartner, der nicht mit den Kindern zusammenlebt, von diesen zwar als wichtige Bezugsperson gesehen wird, aber er diese doch nicht in seinen Haushalt, somit in sein System aufnimmt. Der Jurist spricht daher zu Recht in diesem Zusammenhang auch nur von „Besuchsrecht“. Nicht auszuschließen ist allerdings ein völliger Systemwechsel, wie dies auch im Fall der Familie Gold geschehen ist, wenn ein Kind aus einer Ein-Eltern-Familie in eine andere Familie überwechselt.

5.2. Zusammenfassung

Als Subsystem der Gesellschaft kommt der Familie die Aufgabe zu durch Sozialisation ihres Nachwuchses eben dieses System aufrechtzuerhalten und die in der Gesellschaft verankerten Werte weiterzugeben. Um dieser Bestimmung nachkommen zu können, benötigt sie verschiedene Individuen in bestimmten Positionen, wo sie ganz bestimmte Funktionen zu übernehmen haben. Durch den Ausfall der Besetzung einer Position wird die Funktionserfüllung und somit das System selbst gefährdet. Gibt es keine Kinder, so gibt es keine Gefolgsleute. Die Machtausübung auf Grund der Generationenfolge entfällt und das ganze System löst sich mit dem Tod der anderen Positionsinhaber auf. Gibt es keine Eltern, so gibt es niemanden, der die Werte tradiert, die für das bestehende Gleichgewicht der Gesellschaft notwendig sind. Es folgt Anarchie oder im besten Fall irgendwie eine Neuorganisierung. Würde man dem Ruf „Kinder an die Macht“ des deutschen Liedermachers Peter Gabriel folgen, so wäre das System auf den Kopf gestellt. Ende derartige Konstellation würde für die Zukunft nichts Gutes verheißen.

Fällt einer der beiden Ehepartner, wie im hier untersuchten Fall, durch Scheidung aus, so wäre die entsprechende Position vakant und die damit verbundene expressive, bzw. instrumentale Funktion zur Aufrechterhaltung des Systems könnte nicht mehr ausgefüllt werden. Diese wird jedoch entweder durch den verbliebenen Elternteil, oder aber auch zum Teil durch die Kinder ersetzt. In den beiden untersuchten Fällen ist der Partner mit der instrumentalen, nach außen hin gerichteten Funktion aus dem System Familie ausgeschieden. Diese wurde in unserer Fallstudie von dem verbliebenen Elternteil übernommen, wobei die Kinder nicht unbeteiligt geblieben sind. Sie meldeten Interesse an und drängten teilweise, teilweise wurden sie gedrängt, ebenfalls in diese Position. Die geschiedenen Mütter „müssen gleichzeitig Mutter und Vater sein, Nestwärme verbreiten, soziale Kontakte pflegen und in zunehmendem Maße den Familienunterhalt sichern.“ (DYER, 1986, S. 590) Durch die Doppelfunktion der alleinerziehenden Mutter kommt es zu einer Überbeanspruchung und damit zu einer Vernachlässigung der expressiven Funktion, deren Übernahme wird nun teilweise von den Kindern erwartet. Entweder wird dieser Anspruch abgelehnt, wodurch es zum Konflikt bis hin zum Ausbruch aus dem System kommen kann, oder aber auch angenommen, wodurch die Kinder zu Vertrauten der verbliebenen AlleinerzieherIn werden.

Kinder steigen nun von der Stufe der „Gefolgsleute“ zu der Stufe der „Führer“ auf und beanspruchen auch die entsprechende Macht. Es kommt zum Machtkampf, der, je nach Stärke der Individuen, entschieden wird. Eine nicht unerhebliche Rolle spielen dabei die, dem jeweiligen System außenstehende Personen, wie beispielsweise der geschiedene Vater. Dies wird besonders deutlich im Fall von Paul Gold, dessen Vater ihn in seiner Auflehnung gegen die Mutter noch unterstützt.

Geht man, wie PARSONS davon aus, dass die Aufrechterhaltung der Elemente und Funktionen der Systeme zur Bewahrung des Gleichgewichtes im System beitragen, dann können Meldungen von zunehmender Scheidungshäufigkeit und einer zunehmenden Zahl von Scheidungskindern schon zur Beunruhigung beitragen. Denn die Frage erhebt sich im gleichen Augenblick, wie weit das Gleichgewicht der Gesellschaft, die ja aus allen diesen Subsystemen besteht, noch aufrecht erhalten werden kann. Die Beantwortung der Frage, wieweit also die zunehmenden Funktionsvermischungen und Machtkämpfe infolge Scheidung letztlich für unser heutiges, aber mehr noch für unser zukünftiges Gesellschaftsbild verantwortlich ist und sein werden, müßte dahingehend beantwortet werden, dass die derzeitige Entwicklung nichts Gutes verheißt. Und dies, obwohl das Ereignis der Scheidung, wie im gegenständlichen Fall, oft sogar positiv beurteilt wird.

Die Forderung nach familienfreundlicher Politik müsste daher im Sinne der Gesamtgesellschaft liegen. Stärkung der Familien durch gezielte Verhaltens- trainings, durch vermehrte Therapieangebote, durch Werbung, diese Angebote auch anzunehmen, um Scheidungsrisiken zu minimieren, liegt daher nicht alleine im Interesse der einzelnen Familien, sondern dient letztlich dem Allgemeinwohl. Familie ist kein Auslaufmodell, lediglich unmodern ist es ein wenig geworden, nicht zuletzt durch Vorbildwirkungen und Beeinflussung von verschiedensten Seiten, wie Politik, Massenmedien, Kultur. Es gilt die Attraktivität von Familien wieder zu erhöhen. Eine andere Möglichkeit läge in einer Umstrukturierung der Gesellschaft als Ganzes zu einer Gesellschaft, die der Familie nicht mehr bedarf, um, wie PARSONS das ausdrückt, sein „Gleichgewicht“ zu erhalten. Wie diese aussehen müsste ist kaum zu beantworten. Vielleicht eine Art Anarchie, in der ein ständiger Kampf um die Positionen, besonders um die Machtpositionen tobt. Es darf bezweifelt werden, ob diese Zukunftsaussicht eine beruhigende Aussicht ist.

6. Literatur

Claessens, Dieter, 1972. Familie und Wertsystem. Eine Studie zur „zweiten sozio-kulturellen Geburt“ des Menschen und der Belastbarkeit der „Kernfamilie“. Dunker & Humblot, Berlin Dyer, Everett D. 1986. Scheidung und Scheidungsfolgen in den USA. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 38, 1986, S. 581-600

Häcker, Hartmut; Kurt H. Stapf (Hrsg.) (1998). Dorsch Psychologisches Wörterbuch. 13. Aufl., Hans Huber Verlag, Bern

Klima Rolf zum Stichwort „Sozialisation“ in: Fuchs-Heinritz, Werner, Lautmann, Rüdiger, Rammstedt, Otthein, Hanns Wienold (Hrsg) (1995). Lexikon zur Soziologie. 3. Aufl., Westdeutscher Verlag, Opladen

Lamnek, Siegfried. 1995a. Qualitative Sozialforschung. Band I. Methodologie. 3. Aufl., Psychologie Verlags Union, Weinheim

Lamnek, Siegfried. 1995b. Qualitative Sozialforschung. Band II. Methoden und Techniken. 3. Aufl., Psychologie Verlags Union, Weinheim

Luczak, Hania (2000). Die unheimliche Macht des Clans. In: GEO, Nr. 3/März 2000. S. 16-40

Österreichischer Familienbericht 1999: Familie zwischen Anspruch und Alltag (2000). (Hrsg. Irene Kernthaler); Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie, Wien

Mayring, Philipp (1990) Einführung in die qualitative Sozialforschung. PVU, München

Nave-Herz, Rosemarie (1992). Ein-Eltern-Familien: eine empirische Studie zur Lebenssituation und Lebensplanung alleinerziehender Mütter und Väter. Kleine Verlag, Bielefeld

Parsons, Talcott (1968). Sozialstruktur und Persönlichkeit, Kap. III. Das Inzesttabu und seine Beziehung zur Sozialstruktur und Sozialisation des Kindes. S. 73 - 98. Europ. Verlagsanstalt, Frankfurt/MainWatzlawick, Paul; Beavin, Janet H.; Jackson, Don D. 1996. Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. 9. Auflage. Huber, Bern

7. Anhänge:

7.1. Protokoll des ersten einführenden Gesprächs mit Frau Hafner
7.2. Protokoll des ersten familiengeschichtlichen Gesprächs mit Frau Hafner
7.3. Transkription des familiengeschichtlichen Interviews mit Frau Hafner.
7.4. Transkripton eines Interviews mit den Kindern von Frau Hafner
7.5. Transkription eines Interviews mit Frau Hafner
7.6. Transkription eines Interviews mit dem geschiedenen Mann von Frau Hafner
7.7. Transkription des familiengeschichtlichen Interviews mit Frau Gold
7.8. Lebenskurve von Frau Hafner
7.9. Lebenskurve von Frau Gold

7.1. erstes einführendes Gespräch mit Frau Hafner

12. Dezember 1999, 13.00 - 14.00 Uhr Wohnung der Familie Hafner Vor dem Mittagessen Bericht thoretische method. Notizen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

7.2 Einführung in die Familiengeschichte

12. Dez. 1999, 15.40 Uhr bis 16.30 Uhr Wohnung der Familie Hafner

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

7.3. Interview mit Frau Hafner

24.01.2000, 17.00 - 17.45 Uhr Ort: Haus der Familie Hafner anwesend: Frau Hafner Interviewer: Wolfgang Rohm

I: Ja ... also, ich möchte gerne von dir, dass Du mir über die Geschichte deiner Familie erzählst,

einfach, wie deine Familie entstanden ist, so, dass du einfach anfängst, ... vom Anfang.

H: ... mhm ... ja

... also meine Eltern haben sich im Beruf kennengelernt, mein Vater hat Fotograf gelernt und meine Mutter hat in dem Haushalt (K) hat sie auf die Kinder aufgepaßt und gekocht. Also war so eine Haushaltsgehilfin. Dann haben sie sehr jung geheirate, das heißt, meine Mutter war 20 und mein Vater war damals 27 und dann sind die drei Kinder gekommen. Das heißt ich habe einen Bruder, der ist zwei Jahre älter als ich und ich habe eine Schwester, die ist ein Jahr älter als ich und ich bin eben die Dritte, die Jüngste mmm Wenn ich mich z,z,zurückerinnere, haben wir eigentlich eine sehr liebevolle Kindheit gehabt, speziell von meiner Mutter. Und mein Vater, ...der war zuständig, dass er uns die Natur näher bringt. Er ist mit uns spazierengegangen, hat uns das Schifahren beigebracht und war sehr viel mit uns unterwegs. Es hat allerdings einen ... einen Haken gehabt. Mein Vater war Alkoholiker jetzt nicht der Alkoholiker, der randaliert oder wirklich Schwierigkeiten macht, sondern das war so ein langer, versteckter Alkoholismus. Meine Mutter hat immer gesagt, das war durch seinen Beruf weil er also dann immer irgendwelche Gründe gesucht, durch seinen Beruf, weil er Fotograf war, indem er viel bei Hochzeiten war und dann ist eben gefeiert worden, also der ganze Lebenswandel. Und ... mein Vater selbst war das jüngste Kind von dreien ... und sein Vater wiederum, also mein Großvater, ist gestorben, wie mein Vater vier Jahre alt war Jetz war er das Nesthäckchen ... und seine Mutter hat ihn sehr verwöhnt. Und die ist alleine geblieben und hat nicht mehr geheiratet und sie hat auch in dem selben Haus gewohnt wie meine Eltern. Also meine Eltern haben das Haus bekommen nach der Hochzeit und haben es aufgestockt und umgebaut. Die Geschwister sind ausbezahlt worden. Und die Schwiegermutter, die berühmte ... war im Haus und hat eben wirklich solche Aktionen gemacht und mein Vater, der hat dann den Beruf des Fotografen aufgegeben und ist ins Vermessungsamt gegangen, was zusätzlich schwierig war für ihn, weil das einfach nicht sein Metier war. Also die Fotogafiererei hat ihn nie losgelassen. Aber wenn er heimgekommen ist vom Büro, von dieser geregelten Arbeit, die ihm eigentlich nicht so Spaß gemacht hat, ist die Großmutter schon bei der Türe gestanden und hat gesagt: „Fredi kum eina, es gibt Hascheeknedln.“ Dann ist er anstatt zu seiner Familie zuerst zu seiner Mutter und hat dort gegessen und dann ist er zu seiner Frau, die natürlich immer sauer war. Das haben wir mitbekommen, aber sicher nicht bewusst. Jetzt, im Nachhinein ist mir viel klar, warum unsere Familiensituation so gelaufen ist Ja. Weiter erzählen? I: Ja, was mich vor allem interessiert, ist die Entstehung deiner Familie

H: mhm

I:also deiner jetzigen

H: meiner jetzigen

I: ja, deiner jetzigen

H: Ich war 19, habe in (K) ... auf der Pädak, war schon auf der Pädak damals, habe in den Ferien in Lignano gearbeitet und dort habe ich meinen Mann kennen gelernt. Der war damals zwei Jahre, also er ist zwei Jahre jünger als ich. Er war 17 und wir haben uns relativ gut verstanden. Und sind (K) also ich bin 1981 mit der Pädak fertig geworden, da war ich 21. Wie ich 22 war, haben wir uns in Graz eine Wohnung gesucht und sind zusammengezogen. Er hat damals zum studieren angefangen, Betriebswirtschaft, und ich habe zu unterrichten angefangen. Dann haben wir nach acht Jahren wilden Zusammenlebens geheiratet, haben dann zwei Kinder bekommen. Und er hat, wie das erste Kind auf die Welt gekommen ist, da war es vielleicht drei Monate, war er fertig mit dem Studium. Und dann hat sich einfach das umgekehrt. Früher habe ich zum Lebensunterhalt beigetragen und er war zu Hause und hat studiert und jetzt hat eben er gearbeitet und ich war zu Hause. Das war eigentlich schon der Beginn einer Krise. Weil er ist sehr schnell erfolgreich geworden und seiner Arbeit war mit Ausland verbunden ... und es hat sich eben dann so ergeben, dass wir gemeinsam nach Bulgarien gegangen sind. Aber nachdem er mich des öfteren betrogen hat, bin ich dann von Bulgarien nach Hause und habe die Scheidung eingereicht 1995 habe ich mich scheiden lassen. So das war jetzt Zeitraffer.

I: Im Zeitraffer, ja Wie ist das Verhältnis jetzt zu deinem Mann, zu deinem Ex-Mann?

H: Er hat 95 ... hat (K) war die Scheidung, 97 habe ich zum Haus..., nein 96 habe ich zum Haus bauen angefangen und er hat 96 geheiratet. Im Herbst. Das war ziemlich parallel, also ... der Kelleraushub und seine Hochzeit sind ziemlich zusammengefallen. Und jetzt haben wir das Jahr 2000. Im ... zu Weihnachten 99, (K) Weihnachten 98 hat er eigentlich schon gesagt, dass er zurück will. Und ... wie es jetzt aussieht: Wir haben den letzten Sommer zwei Wochen gemeinsam Urlaub gemacht. Jetzt zu Weihnachten war er zwei Wochen hier, wir waren drei Tage gemeinsam Ski fahren mit den Kindern, natürlich und er lebt jetzt in Scheidung. Und ich lasse ihm das eigentlich ... habe ihm das immer offen gelassen, weil ich habe nie geglaubt, dass die Scheidung wirklich vollzogen ist, also geistig vollzogen. Er hat uns nie wirklich losgelassen. Es war so, dass wir, bevor er diese Auslandsarbeiten gemacht hat, da war er eben zwei Wochen China, zwei Wochen Graz, zwei Wochen China, dass er ein anderer Mensch geworden ist. Und ich habe immer gespürt, das ist nicht er. Das war so unrealistisch und unerklärbar und im Nachhinein jetzt bestätigt er das, oder er sagt von sich selbst, das war einfach, ... er ist da in so einen Strudel hineingekommen und hat gehandelt und er kann sich nicht einmal erklären, warum er das gemacht hat. Und ihm kommen die letzten fünf Jahre vor, wie wenn sie nicht gewesen wären. Das haben wir jetzt zu Weihnachten, ist öfter geredet worden davon. Weil ich gesagt habe, selbst wenn jetzt ein Neubeginn möglich wäre zwischen uns, stehen wir beide auf einer völlig anderen Ausgangsposition. Weil er sieht das, was war als Unwirklich, und für mich sind fünf Jahre beinharte Realität hinter mir. Jetzt ohne dass ich da jetzt nachtragend bin, aber es ist einfach so viel passiert jetzt, da rede ich noch nicht einmal vom Hausbauen, sondern auch das, wie er sich gegenüber von mir verhalten hat. Das hat er nicht so realisiert, dass das schlimm war, aber für mich war das nahe eines Nervenzusammenbruches. Und das ... man kann das nicht einfach so wegwischen. Und er sagt auch, er möchte dort weitermachen, wo wir damals aufgehört haben. Für ihn war das eine schöne Zeit miteinander. Und ich sage, ich möchte keine solche Ehe mehr, wie wir sie vorher geführt haben. Obwohl alle gesagt haben, wir führen eine gute Ehe. Aber ich sehe, dass da ... das ist mir zu oberflächlich. Ich möchte etwas anderes. Und wenn er, wenn da wirklich ein Weg weiter gehen sollte, dann müßte er zuerst einmal seinen Job ändern. Er lebt jetzt in China, er müßte zurück nach Österreich. Er hätte auch vor, dass er die Firma wechselt Und für mich steht da auch erst ganz klar, dass er zuerst einmal eine Wohnung nimmt und dass wir uns einfach auf Distanz kennen lernen. Und dazu würden auch einige Familienseminare dazu gehören. Eheberatung ist ein falscher Ausdruck, aber in diese Richtung müßte es gehen. Weil ich möchte ihn nicht der Kinder wegen zurück, sondern wirklich, wenn es da eine Möglichkeit gibt, dann muss das ... die Person für mich so interessant sein, das ich sage, da verbringe ich den Rest meines Lebens mit dieser Person. Und wenn er das nicht ist, bleibe ich lieber alleine.

I: Wie alt waren eigentlich die Kinder bei der Scheidung? H: Das war 95, da war Vera sechs und die Ruth vier.

I: mhm

H: also sechseinhalb und viereinhalb.

Das war im August 95. Die Krise selber hat aber schon angefangen 93. Da war sein Aus...also im ganzen 93er Jahr war er fast das ganze Jahr im Ausland. 94 waren wir gemeinsam in Bulgarien und da hat er aber auch seinen Job an erster Stelle gestellt. Er ist um sechs Uhr in der Früh aus dem Haus gegangen, um neun am Abend nach Hause gekommen.

I: Und wie gehen die Kinder damit um?

H: Damals? Wie sie umgegangen sind? I: Damals und heute.

H: ah das ist sehr schwer zu beurteilen. Herbst 92 ist es losgegangen mit seinen

Auslandsreisen, da war die Kleine eineinhalb Jahre, die Große dreieinhalb Jahre Mir ist es damals oft so gegangen, dass ich (K) am Anfang ist mir das schwergefallen, wenn er weggefahren ist, aber man hat sich dann so daran gewöhnt, dass ich die zwei Wochen einfach besser ohne ihn organisiert habe, weil ich gewusst habe, er kommt nicht nach Hause, ich muss jetzt, wenn ich einkaufen gehe, muss ich das und das und das auch gleich miterledigen, weil ich auf mich alleine gestellt bin. Und mit dem ins-Bett-bringen der Kinder war das auch leichter organisiert, weil dann macht man eben das alleine. Und wenn er dann da war, die zwei Wochen, ...also zwei Wochen war er im Ausland, zwei Wochen war er daheim, dann war das so eine Umstellung. Er hat auf einmal so einen Wirbel hineingebracht, weil er ist eben genau dann nach Hause gekommen von der Arbeit, wenn ich normalerweise die Kinder ins Bett gebracht habe. Dann sind die wieder aufgestanden, dann hat sich das wieder hinausgezögert. Es war oft schwieriger. Dann hat er einfach den Anschluss verpasst. Er ist nach Hause gekommen von einer Auslandsreise und hat die Kinder - da waren sie 2 und 4 Jahre oder so - hat er ihnen Uhren mitgebracht, Armbanduhren. Er (lacht) wo ich gedacht habe, was wollen (K) was soll ein Zweijähriger mit einer Flic-Flac-Armbanduhr. Oder er hat ihnen Legosteine mitgebracht, die für sechs-, siebenjährige gedacht waren und hat zum Legohausbauen angefangen. Und dann haben sie gestritten (lacht), dass ich mir oft gedacht habe, bitte fahre wieder, weil du bringst mir die Kinder nur durcheinander. Das war, er hat wirklich in zwei Welten gelebt. Und der Zugang zu seinen Kindern, die er früher so gern gehabt hat, speziell die Größere, weil er die hat er gewickelt und gebadet und das war sein ganzer Stolz. Er hat auf einmal nichts mehr mit ihnen anfangen können Ja Und so ist es dann den Kindern gegangen, es war so eine langsame

Entwöhnung Weil, wenn er gekommen ist, haben sie gemerkt, so richtig Zeit, dass er mit ihnen eislaufen ginge, oder , hat er ja ohnehin nicht gehabt und am Wochenende haben wir oft nur Freunde besucht. Weil er ja seine Freunde ohnehin kaum gesehen hat, wenn er zwei Wochen im Ausland war. Jetzt hat sich das dann immer am Wochenende (K) am Samstag sind die Freunde an die Reihe gekommen und am Sonntag die. Und da sind die Kinder eben mit den andern Kindern zusammen gewesen, aber nicht mit dem Vater. Und in Bulgarien, das war dann eine Fortsetzung von dem, weil er um sechs Uhr in der Früh aus dem Haus gegangen ist und am Abend nach Hause gekommen ist, wo sie schon wieder im Bett gelegen sind Jetzt war das nicht so schlimm für sie, wie wir endgültig zurück gegangen sind von Bulgarien und alleine gelebt haben. Sie haben gemerkt, mir ist es schlecht gegangen, und das war das Schlimmste eigentlich, wie sie gemerkt haben, ich werde nicht fertig mit der Situation Das hat sie traurig gestimmt. Und sie reden manchmal noch davon, wenn wir uns einen Film anschauen, wo sehr viel geweint wird - hat unlängst einmal Ruth zu mir gesagt, die Jüngere, ... ah ... weißt du noch, du hast auch einmal so viel geweint. Dann ist das die Erinnerung, nicht die Trennung vom Vater, sondern der Schmerz, den die Mutter auf einmal erleidet und die wissen nicht warum. Und ich habe ihnen da schon immer sagen können, ich war Herbert nicht böse, oder es war kein Hass da, es war einfach meine Verzweiflung, mit der ich nicht fertig geworden bin. Mit meiner Einsamkeit, oder mit meiner Schuld. Ich habe natürlich viel Schuld bei mir gesucht und bin auch der Überzeugung, dass ... es gibt keine Unschuldigen in einer Ehe, in einer Ehekrise, ... es gehören zwei dazu, obwohl der Herbert jetzt zu Weihnachten zu mir gesagt hat, ... ah ... bei unserer Scheidung ist die Hauptschuld bei ihm gelegen. Und ich ihm das ausreden versuchen wollte. Und er hat gesagt: Nein, nein, das ist so. Jetzt sehe ich das ein, warum dass du genörgelt hast. Das war das einzige, was du tun konntest, weil ich wirklich nicht zu Hause war. Und ich habe aber mein Nörgeln mit als Beitrag gesehen, warum er immer mehr weggegangen ist. Und ich sehe das auch jetzt noch so, dass das einfach eine schwierige Zeit ist, wenn die Kinder so klein sind und der Mann im Aufbau seines Berufes steht Ja ... Und jetzt ist das für die Kinder so, wo ich wieder aufpassen muss. Weil sie es sich sehr wünschten, dass der Herbert zurück kommt und ich aber sage: Moment, das ... können wir nicht vorausplanen, da müssen wir einfach warten. Und es ist nicht so, dass ich ihn unbedingt zurück will, da muss er sich wirklich verändern. Und da ist eben bei mir der Hauptgrund. Ich bin in der Ehekrise gläubig geworden und ich möchte unbedingt, dass der Herbert genau so an Gott glaubt. Nicht einfach, dass er es nur akzeptiert, was ich tue, sondern dass er das wirklich nachvollziehen kann, warum man auf einmal beten kann Oder mir das auch wichtig ist, weil ich möchte zu den Kindern auch sagen, wenn Vera eine Schularbeit hat, du komm, jetzt beten wir noch für die Schularbeit. Und das nicht nur ein Gewäsch ist, sondern dass man das eben auch wirklich lebt Ja ...

I: Was mich noch interessieren würde, wäre das, wie ihr so (K) erzähle mir einfach so einen Tagesablauf, einen ganz normalen.

H: Jetzt?

I: Mhm

H: Das ist ganz kurz erklärt. Vera ist die erste, die aufsteht, die ist einfach der Morgenmensch, die wird (K) die schaltet sich den Wecker selbst ein und aus, steht auf und sagt: Steht endlich auf, ihr verschläft euch sonst.

Die Ruth und ich, wir brauchen eben ein bisschen länger in der Frühe. Dann stehen wir auf und manches Mal frühstücken wir, meistens nicht. Ich stelle ihnen dann immer irgendwelche Cornflakes hin, die sie dann stehen lassen, aber sie sind einfach keine Frühstücker. Dann fährt die Vera mit einer Nachbarin nach Graz ins Gymnasium und die Ruth bringe ich hinunter in die Volksschule. Ich fahre dann weiter in meine Schule. Habe meinen Unterricht komme meistens zu mittag nach Hause, ... entweder halb eins oder halb zwei, nur Dienstag habe ich einen langen Tag. Und es ist nur es ist jeden Tag so, dass ich vor den Kindern nach Hause komme, außer am Dienstag. Und das haben sie sich aber auch schon so organisiert. Die Ruht geht am Montag und Dienstag in die Schulausspeisung und wenn sie nach Hause kommen, fangen sie mit der Hausübung an oder spielen mit Nachbarinnen, oder, wenn sie mich fragen, dürfen sie sich den Fernseher aufdrehen. Und da halten sie sich eigentlich schon sehr daran. Sie beschweren sich zwar bei mir, dass sie sagen, bei anderen Eltern brauchen sie nicht einmal zu fragen und der Fernseher wird aufgedreht. Bei mir müssen sie immer fragen, aber ich kann mir da recht verlassen, auf beide. Ja und dann, wenn ich nach Hause komme von der Schule ist meistens so, im Winter ist es besonders so, dass ich mich sehr zurück ziehe. Da ist mir das immer recht, wenn wir nichts mehr vorhaben, oder außer, dass wir gemeinsam etwas unternehmen, entweder eislaufen gehen oder ja, einmal nach Graz fahren zur Schwägerin. Aber sonst sind wir am liebsten zu Hause. Und die Kinder spielen eben dann draußen, wenn es schön ist ... Um sechs, halb sieben gibt es ein Abendessen. Wobei die Kinder jetzt auch schon anfangen, dass sie da mithelfen. Gerade wenn es einen Salat gibt, oder so. Das gefällt ihnen dann schon selber so, dass sei da etwas herrichten können ... und...

I: Können sie sonst auch etwas kochen?

H: Ja, Spiegeleier, (lacht) Pizza, Iglo-Pizza, Suppen, das geht schon. I: Machen sie das auch manches Mal?

H: Wenn ich ihnen, (K) da muss ich es ihnen sagen und alles hinlegen Und ... Aber es ist eben kaum die Notwendigkeit einstweilen, weil ich ohnehin immer schon vor ihnen zu Hause bin.

Ja, um Halbacht fangen sie dann an, dass sie sich zum Bett gehen richten. Oder was wir in letzter Zeit machen, und das genieße ich sehr, ah ... ich lege mich mit ihnen gemeinsam ins Bett um sieben. In das große Ehebett legen wir uns da, ich lerne, die Vera lernt entweder Vokabeln oder liest auch. Die Kleine sucht sich auch ein Buch und liest. Das gemütliche beisammen liegen und lesen. Und so komme ich auch auf meine tägliche Stunde lernen, weil das geht so nebenbei. Man versäumt nichts. Ich habe nicht das Gefühl, ich müßte noch etwas vorbereiten für die Schule, oder noch Wäsche bügeln oder sonst irgendetwas. Das genießen sie irrsinnig, diese Gemeinsamkeit. Und das ... manchmal ziehen wir das auch noch länger hinaus, dann wird es eben neun bis zum schlafen, aber es ist sehr friedlich. Und das ... ja das ... also so wie in den letzten Wochen kommt das zwei bis drei Mal in der Woche vor. Das gefällt mir. Und das schätzen sie auch irrsinnig Oder was wir auch noch machen: fast jeden zweiten Tage gehen wir miteinander in die Badewanne. Jetzt haben wir zwar schon beschlossen, entweder Vera und Ruth gemeinsam, oder die Vera und ich, weil zu dritt haben wir mittlerweile nicht mehr Platz. Aber das ist so auch die Zeit wo wir irrsinnig viel persönliches reden Das ist auch schon fast ein Ritual. Und wenn ich mir oft wünschte, ich möchte alleine in die Badewanne ja aber das kann ich nur machen, wenn die Kinder nicht da sind. (lacht) Kaum liege ich in der Badewanne heißt es schon: „Juhu!“

Aber das macht es auch sehr (K) wir haben eine sehr offene Beziehung zu einander. Das ist auch was jetzt Sexualität betrifft. Wo sie mich ganz ungeniert fragen, weil die Vera hat jetzt im Gymnasium Sexualkunde. Und dann: „Du, weißt Du, das war oder das war heute in der Schule.“ Und sie redet da sehr, ... sehr ungeniert und ungezwungen Und das ist sicher dieser enge Kontakt. Wobei ich sagen muss, ich bin heilfroh, dass ich zwei Töchter habe als alleinerziehende Mutter. Ich glaube mit einem Sohn wäre es sicher schwieriger. Auch im Umgang. Es ist, sie sind sehr (K) Sie streiten schon furchtbar miteinander. Also das das ist ...das sind manchmal so, wo ich mir denke, jetzt schmeiße ich sie hinaus oder ich ziehe aus. (lacht) Aber im großen und ganzen sind sie sicher umgänglicher wie Söhne, denke ich mir

I: das kann gut sein, vor allem in dem Alter.

H: Das sind einfach so gewisse Verhaltensregeln, die haben sie einfach schon. Wenn sie sehen, ich rede mit jemandem, dann fiele es ihnen nicht ein, dass sie sich mir auf den Schoß setzen. Was ich bei gleich alten Buben aber erlebe, wie die Mütter das handhaben. Da werden eben die Söhne dann sehr verhätschelt oft ... und das ist bei meinen Kindern sicher weggefallen. Ich habe bald geschaut, dass ich sie selbständig erziehe. Und mir fällt das dann auf im Umgang mit den anderen Gleichaltrigen, weil meine müssen sehr wohl einmal staubsaugen und ... ich meine das hört sich jetzt ideal an, ich bin da ohnehin hart am arbeiten, weil leicht ist es ohnehin nicht. Aber sie müssen einfach die Wäsche in den Wäschekorb geben und sie müssen Betten machen, obwohl sie das sowieso nicht immer tun. Aber das sind diese Dinge, wo ich mir denke: Ich alleine sehe mich da oft nicht heraus. Und die Mädchen ... machen das ... meistens, sagen wir so, ... oder immer öfter.

I: Wie sie eben aufgelegt sind.

H: Ja, (lacht) na sicher,

I: wie es ihnen hineinpaßt, in den Kram.

I: Aber ich tue mir da, (K) erst am Samstag haben wir da wieder geredet. Die eine, die hat zwei Buben und sie sagt, dass der Mann selber oft sagt: Geh was willst du, warum sollen die da staubsaugen können, sind ohnehin Buben ... obwohl es eine sehr moderne Familie ist und sie ist Oberärztin und er leitet eine Firma. Dann kommt dieses konservative Denken noch zurück und das sieht man dann und die Kinder werden wirklich so groß, dass sie nicht wissen, wie sie mit einem Besen umgehen. Und das will ich schon vermeiden. Das das will ich ihnen unbedingt auch beibringen, dass sie Ordnung halten können. Aber das nicht so sehr, weil ich das vermitteln will, sondern weil es mir selbst eine Entlastung ist

I: Mhm, ... du hast gesagt, nach der Scheidung, das war eine recht schwierige Zeit für Dich. Inwieferne schwierig. In welchen Bereichen?

H: Das schwierigste war, nachdem ich ihn sehr jung kennen gelernt habe und immer einen Partner gehabt habe, auf einmal alleine sein. Und da rede ich gar nicht vom fortgehen, weil ich ohnehin nicht fortgegangen bin, weil die kleinen Kinder da waren, aber so ... das Wochenende. Da hast du6 7 schon gemerkt, jetzt kommt das Wochenende. Man fangt an, dass man sich zurück zieht, man kann nicht mehr zu alle Freunde gehen, oder man will es nicht mehr. Man will nicht dorthin gehen, wo eine Familie ist - Mann, Frau, Kinder - du bist das fünfte Rad, auch wenn dir die hundert Mal sagen: „Nein, nein, du kannst ohnehin kommen“. Freilich habe ich es gemacht. Aber man wiederholt das dann ungerne. Man geht eher zu denen, wo man wirklich weiß, da paßt es. Und das sind sehr wenige. Ich kann es mir nicht erklären, aber das ist, das ist (K) meine Schwester war das, da habe ich jederzeit hingehen können. Aber trotzdem will man das dann auch nicht überbeanspruchen. Dieses getröstet werden, dieses, ... oder immer die gleiche Leier und die käme schon noch anders, wenn man immer wieder über das selbe redet: „Warum ist es zu Scheidung gekommen, warum war das so “ Dieses, ja dieses mentale Umstellen. Früher hat man sich auf das Wochenende gefreut und auf einmal wird das so: Was tue ich denn da am Wochenende. Unter der Woche, noch dazu bin ich damals noch nicht arbeiten gegangen, was (K) unter der Woche kann ich einmal in ein Einkaufszentrum fahren oder ... ja es vergeht die Zeit einfach schneller, weil die Kinder bringt man in den Kindergarten und holt sie ab vom Kindergarten, trifft jemanden. Und am Samstag, Sonntag triffst du nicht zufällig irgendjemand; da musst du das planen. Und das hat sicherlich ein Jahr gedauert, dass sich das wieder umgekehrt hat und man sich auch auf ein Wochenende freuen kann Und ich habe dann Herbst 96 zum arbeiten angefangen, nein im Herbst 95 habe ich dann angefangen. Aber die Scheidung selbst war ja, es war, es ist ja nicht im August 95 losgegangen, dass ich alleine war, sondern das war ja schon im Jänner. Also diese Zeit vorher bis zur Scheidung, oder sagen wir bis zum Herbst, wo ich dann zu arbeiten angefangen habe, war das Schlimmste. Und wie ich dann mit der halben Lehrverpflichtung angefangen habe, dann hast du wieder einen Alltag. Du fangst wieder an, dass du andere Leute triffst, du musst wieder vorbereiten, du musst einfach arbeiten. Der Arbeitsprozess hat mir irrsinnig geholfen

I: War es also mehr das Alleinesein und das keinen erwachsenen Gesprächspartner haben. Kann man das so sagen?

H: Auch. Aber noch viel mehr ist das, die Schuld suchen. Und ich habe das sehr intensiv gemacht. Das war der (K) wie ich gläubig geworden bin, war das so. Ich habe das dem Stefan einmal so beschrieben: Ich habe so lange noch meine Schuld gesucht und zurück geschaut, meine Kindheit durchleuchtet, bin fündig geworden. Mein Vater, der Alkoholiker, meine Mutter, die seine Sucht unterstützt hat, wenn sie wieder einmal angerufen hat im Büro und gesagt hat, „der Fredi kann nicht kommen, weil er krank ist, und nicht das gesagt hat, weil er betrunken war am Vortag und jetzt einen Kater hat, darum kann er nicht in die Arbeit gehen. Durch das hat er sein Verhalten nicht geändert und sie hat gelitten und hat aber auch nichts geändert daran, sie hat einfach akzeptiert. Und ich habe auch so viel akzeptiert. Sein Ausland, das lange Arbeiten, bis ich zum Nörgeln angefangen habe, war das bei ihm schon Selbstverständlichkeit. Und wie ich gemerkt habe, unsere Ehe ist am Ende, habe ich zurückgeschaut, was habe ich alles falsch gemacht? Warum habe ich es falsch gemacht? Und dann Erklärungsversuche gemacht. Ich habe viel gestritten auch in dieser Zeit mit meiner Mutter, weil sie gesagt hat: Das stimmt nicht und du warst nicht das ungeliebte dritte Kind8, das ist ein Blödsinn. Ich habe es aber so empfunden, im Nachhinein. Ob das stimmt oder nicht, weiß ich nicht. Ich habe einfach alles zerpflückt Und für mich das auch, meine Schuld dann gefunden in gewissen Dingen. Und dann bin ich gläubig geworden. Also dann habe ich gewusst, mir kann nur noch Gott helfen. Und auch gemerkt, es ist alles leichter geworden, und dann war für mich die Möglichkeit da, dass ich sage, Und ich sage, ich möchte keine solche Ehe mehr, wie wir sie vorher geführt haben. Obwohl alle gesagt haben, wir führen eine gute Ehe. Aber ich sehe, dass da ... das ist mir zu oberflächlich. Ich möchte etwas anderes. Er in der China mit einer Frau und ich in Österreich und baue ein Haus und versorge die Kinder Und dann war mir das möglich, aber es hört nicht ganz auf, ... dieses Schuld suchen, es kommt immer wieder. Oder dieses ... Warum trifft es mich Und für mich war das damals so, ich aber mir das oft gedacht: Mein Gott, ich würde viel lieber mit einer Krebskranken tauschen, die in einer heilen Familie lebt. Eigentlich, sagen wir, ein Wahnsinn, weil es ohnehin egal ist, der eine hat Krebs, der andere hat eine Scheidung, der nächste hat den Verlust eines Kindes die Krise ist egal im (K) jetzt im Nachhinein muss ich sagen, die Krise war für mich genau das, dass ich jetzt so leben kann wie ich jetzt lebe; im Positiven. Und es hat sich eigentlich das Negative zum absolut positiven entwickelt. Und ich stehe ganz anders da wie damals

I: Ja, was mich noch interessiert ist, wie man als Alleinerzieher so seinen Alltag organisiert, wie weit die Kinder schon mithelfen im Alltag, was sie so tun, ob sie dir irgendeine Arbeit abnehmen.

H: Die meiste Arbeit nehmen sie mir ab, und das ist etwas was mir nicht auffällt, sondern ich sehe das an den anderen. Rund (K) also wir haben da manche Eltern da in der Siedlung, die sind (K) sie haben entweder eine Haushaltshilfe daheim oder eine Tagesmutter, oder eine ist ganz daheim und hat drei Kinder. Und die Kinder sind sehr unselbständig. Sie (K) die eine muss sich dazusetzen und lernt mit denen. Oder viele sind einfach, erzählen mir immer wieder: Gestern sind wir wieder fast eine Stunde bei der Hausübung gesessen, wie ist es denn dir da gegangen und ich weiß noch nicht einmal von was die reden, weil ich das nicht einmal gesehen habe, was für eine Hausübung sie haben. Also meine Kinder sind da irrsinnig selbständig. Und das ist meine größte Hilfe, weil das sind Stunden.

Gerade wenn du dann zwei Kinder hast. Also und das ist mir noch viel wichtiger als Geschirr wegräumen oder staubsaugen. Und ich brauche mich da um absolut nichts kümmern. Sie sagen mir am Abend: Du, Mama, morgen brauche ich 40 Schilling, das sind schon die Sachen, oder: Das musst du unterschreiben. Ganz selten einmal, dass mir die Ruth, das ist die Kleinere, einmal ihre Hausübung zeigt, und es ist aber so, dass beide sehr gut sind in der Schule. Also da brauche ich mir überhaupt keine Sorgen machen. Es ist dann schon wieder einmal, dass die Ruth sagt: Du Mama, lernen wir das 1x1, das machen wir dann in der Badewanne, oder eben am Abend, wenn wir im Bett liegen, dass ich ihr dann schon einmal sage: So, du nimmst das Vokabelheft, oder jetzt erzählst du mir was, aber das rennt sehr (K) das ist dann nur mehr das Abprüfen. Ich brauche mich nicht hinzusetzen und mit ihnen Aufsätze zu schreiben, oder Rechnungen machen.

I: Also könnte man sagen, sie sind recht selbständig geworden. H: Sehr selbständig.

I: Zeigt sich das wo anders auch noch?

H: ...Ah, nein, eigentlich nicht. Sie sind nicht die, wie ich es wieder bei anderen Müttern kenne. Wenn wir da wo in einem Freibad waren, und da war die Vera sicher schon sieben, habe ich mit ihr hingehen müssen zum Eisstand ums Eis. Und es ist heute noch so, dass sie nicht alleine in den Ort hinunter gehen, oder sehr ungern. Oder wenn ich irgendwo bin mit ihnen, sie hängen an mir, dass ich mir oft denke, ist das ihre Verlustangst. Also dieses Selbständigkeit, meine Mutter sagt immer: Du warst irrsinnig selbständig in der Schule. Ich war relativ gut in der Schule und ich habe nie jemanden gebraucht zum Lernen und die sagt, ja die sind wie Du. Da hat man nie zum Elternsprechtag gehen müssen oder sonst irgendsoetwas, weil du das so gemacht hast Also, weiß ich nicht, woher die Selbständigkeit kommt, aber das ist meine große Hilfe. Weil wenn die unselbständiger wären, oder schwächer wären in der Schule ginge sehr viel Zeit verloren, dass ich mich zu ihnen setzen muss und mit ihnen lernen muss. Das merke ich einfach, dass ich da sehr beschenkt bin. Weil das sind Stunden

I: ja ... wieviele Stunden am Tag lernen sie denn so?

H: Ah,...wenn sie die Hausübung machen, ... also ich kann das jetzt auch nicht sagen, das rennt eben so schnell bei ihnen. Oder so wie heute, du hast es ja gesehen, ich komme nach Hause, ich frage nicht einmal nach: Habt ihr die Hausübung gemacht. Weil, sobald sie draußen sind, (K) ich habe zu ihnen gesagt, ich komme später heute, heute tue ich skifahren mit der Schule und komme um vier. Normalerweise wäre ich am Montag um zwei da ... Ich nehme ganz einfach an, dass sie die Hausübung schon gemacht haben, weil sie es auch wissen, dass ich spät komme und sie haben auch gewusst, dass du heute kommst. So ... und sie sind jetzt die ganze Zeit draußen und spielen. Ich nehme ganz einfach an: Sie haben die Hausübung.

I: Und wenn nicht?

H: Ja das hat, (K) die Vera ist einmal gekommen in der Früh und hat gesagt: Mama, ich habe vergessen, dass ich die Mathematikhausübung mache, schreibst du mir bitte eine Entschuldigung, dass ich die Hausübung nicht habe. (lacht) Habe ich einmal laut gelacht und gesagt: „Du sagst einfach, du hast das vergessen, aber eine Entschuldigung schreibe ich dir hundertprozentig nicht, dass du die Hausübung vergessen hast. Und sie hat sich das dann selbst organisiert. Sie ist ohnehin früher in die Schule gekommen und hat dann die Hausübung abgeschrieben. OK, habe ich gesagt, solange sie dich nicht erwischen dabei, in Ordnung ist es nicht, aber für sie war das eine Lehre, weil sie hat eine so eine Hektik zusammengebracht. Und zwei oder drei Schulfreundinnen haben ihr geholfen und haben es ihr angesagt, dass sie das geschafft hat. Obwohl es sicher kein Problem wäre, wenn sie es einmal nicht hat Aber ihr war das eine absolute Lehre, dass sie von mir da keine Unterstützung bekommen hat. I: Ja, solche Sachen müssen sie lernen, irgendwann.

H: Ja, ...Es ist, (K) bei uns ist es ein ganz ein normaler Tagesablauf, würde ich einmal sagen. Und manchmal denke ich mir, im Vergleich zu heilen Familien (lacht) in unserer Siedlung, auch oft ein ruhigerer. Die Kinder sind ich meine jetzt abgesehen von ihren Streitereien, die sie sowieso auch haben, aber sie sind nicht so hin und her gerissen. Jetzt fragen wir den Papa, viel(K) oder jetzt fragen wir die Mama, die sagt das, und wenn uns das nicht passt, fragen wir den Papa. Das fällt bei uns weg. Das was ich sage, das gilt.9... Das(K) sie schimpfen zwar oft mit mir, dass ich sehr streng bin, aber ich denke mir, lieber sie schimpfen und ich habe eine Ruhe und wir können friedlich auskommen, als ich ließe ihnen alles durchgehen und wir haben ... unseren wöchentlichen ... Kleinkrieg.

I: mhm, stimmt auch wieder

H: Mhm

I: Sie können nicht einen gegen den anderen ausspielen. H: Nein, das können sie nicht.

I: Sie können nur ein ja oder nein hören. Das stimmt schon, ja

H: Es ist auch so, also am Anfang, als ich sage jetzt oft - es glaubt mir das zwar keiner - aber das alleine leben, es hat echt etwas für sich.

I: mhm

I: Und das ist wirklich die Erfahrung, die ich gemacht habe, es wird alles leichter. Wenn man dann auch aufhört, dass man die Trauer verspürt um den Partner, wobei ich jetzt nicht mehr beurteilen kann, ist das jetzt der Zustand, weil ich ja ohnehin schon seit einem Jahr weiß, der will zurück. Weiß du, diese Sicherheit, man ist ja doch noch geliebt, oder man hat doch nicht alles falsch gemacht, oder ist das das, weil ich mich einfach jetzt wirklich wohl fühle alleine. Das kann ich nicht mehr beurteilen. Das weiß ich nicht. Weil er ruft doch täglich an und sagt uns am Telephon: Ich habe euch lieb und wir gehen ihm ab und er möchte in etwa zwei Wochen oder so wieder kommen ... Wir führen ja jetzt so eine Ehe wie 93, wo er zwei Wochen in China war und dann ist er wieder zwei Wochen nach Hause gekommen. Nur sind es eben jetzt immer sechs Wochen dazwischen, oder acht Wochen. Aber diese Fürsorge ist da, er weiß total Bescheid, wann sie Schularbeit haben und was sie zur Schularbeit bekommen. Er weiß Bescheid, wie es mir geht, und was ich mache. Ist daran interessiert ... Es ist die Ehe, die wir eigentlich 1993 geführt haben. Ohne... dem... negativen Beigeschmack, dass ich eifersüchtig sein müßte. Weil mir das ziemlich egal ist, was er tut. Weil (unverständlich) wir sind geschieden.

I .. mhm

H: Aber trotzdem, es ist wieder das im Kopf da, es ist nämlich ein Unterschied, ob man ganz alleine ist und weiß, es ist keiner da, der einem einmal sagt, ich habe dich lieb, ganz egal, ob da jetzt eine Bindung da ist, oder nicht, oder ob man weiß, ...naja, man hat ja da ohnehin einen im Hinterkopf.10

I: (lacht)

H: (lacht) Es ist so.

I: Der jeden Tag anruft.

H: Genau.

I: Naja, ein wenig Bestätigung braucht man

H: Und es ist in unserer Gesellschaft ist das, das war (K) habe ich so erlebt, wie ich den Ehering weggetan habe, ich habe das nie geglaubt, was das für eine Bedeutung hat, wenn du den Ring wegtust. Und du gehst einkaufen, und ich habe eine Zeit lange geschaut, hat die einen Ring, hat die einen Ring, ah, diese „Schiache“, sogar die hat einen erwischt11. (lacht) ja Und jetzt ist das was, wenn du mich schnell fragen würdest, ich wüßte nicht einmal, wo du den Ehering trägst

I: mhm,

H: .. Oder wenn ich fortgegangen bin, wenn12 ich wieder einmal fortgegangen bin, die sehen mir das alle an, dass ich verlassen worden bin, dass ich alleine bin, dass ich geschieden bin. Wie wenn du einen Stempel oben hättest13 (lacht) (längere Pause) ... das ist, das ist, eine Scheidung vollzieht sich nämlich ... zuerst auf dem Papier und dann einmal lange im Kopf.

I: mhm

H: Und das Formulare ausfüllen So wie du dich freust, wenn du das ausfüllen kannst: „Verheiratet seit“, so ist es am Anfang eine Qual, wenn du ein Formular ausfüllen musst, „geschieden seit“. Und eine Freundin von mir hat dann einmal gesagt, das heißt ja nicht geschieden seit, sondern das heißt, glücklich seit. (lacht)

I: (lacht)

H: Und an diesen Witzen der Geschiedenen, es gehört auch viel Witz dazu, dass man so eine Situation irgendwo ... kognitiv meistert.

I: ... mhm Und haben die Kinder auch den Witz?

H: ...nein, nein überhaupt nicht. Natürlich nicht. Die Vera hat mir vor kurzem erzählt, weiß du Mama, in unserer Klasse sind eigentlich viele Geschiedene. Und viel sind für sie von 35 vier ungefähr14. Mehr sind es ohnehin nicht. Aber für sie sind es viele. Und dann habe ich eben ein wenig gefragt, wer ist das und so, und dann sagt sie: Und die eine, der geht es besonders schlimm. Ich weiß jetzt nicht mehr, welchen Namen dass sie genannt hat, weil da will jetzt ihr Papa wieder heiraten, ... und ... die Mama hat einen Freund und der gefällt ihnen nicht, der haut sie sogar. Und dann habe ich gesagt: Und weiß die das, dass, dass du auch, also dass wir auch geschieden sind? Dann hat sie gesagt, ...ah ja, aber ich habe ihr das erzählt, dass der Papa jetzt mit uns drei Tage skifahren war und dass er da war zu Weihnachten. Und da muss die darauf gesagt haben: Hast du es gut Und da sind mir total die Tränen gekommen. Weil das einfach wirklich in dieser Situation, in der ich bin, eine ganz besondere ist.

I: mhm

H: Weil er ist der

Vater der Kinder. Und ein neuer Freund, das das war mir auch klar, das ginge nicht gut, oder das möchte ich auch gar nicht. Da warte ich eher, bis die Kinder groß sind, und dann kann ich mir vorstellen, dass man, so Gott will, eine neue Beziehung eingeht. Aber ... ich täte mir sehr schwer, dass ich einen Mann als Vater meiner Kinder akzeptierte

I: ... mhm die Kinder täten

sich wahrscheinlich auch schwer.

H: ... Das kann ich eben nicht sagen.

I: mhm ja, schwer zu sagen, wie es ihnen geht dabei.

H: Ich meine, ich habe einen ganz guten Freund, den ich von klein auf kenne, das ist der Helmut, der mir auch die Sauna gebaut hat,

I: mhm

H: und der ist sehr unkompliziert. Wenn der da ist, dann richtet

er sich eben auch etwas zum essen her (unverständlich) (Vera kommt herein)

V: Mama ich habe einen Hunger.

H: aber dann haben sie immer gesagt, weißt du, das ist der Freund

I: mhm

H: aber es ist eben nie zur Diskussion (K) es war (K) er ist kein (K) er ist ein, er ist wie eine Freundin, sagen wir so. Da ist nichts Geschlechtliches oder Sexuelles dazwischen. Das haben die Kinder auch immer gespürt. Es ist einfach der Freund. Und wenn er über die Nacht geblieben ist, schläft er entweder im Wohnzimmer herunten, oder in der Ruth ihrem Zimmer ... und darum haben sie ihn auch immer so akzeptieren könnnen als Freund. Und da war nie irgend die Rede, dass ihnen der eine Vaterposition ersetzte

I: mhm

H: ihnen ist der Vater nie weggenommen worden. Aber auch weil, weil sie von mir nie so Negatives gehört haben manchmal habe ich es mir zwar gewünscht, weil ich mir gedacht habe, vielleicht beschleunigt das das Abschließen der Beziehung, weil ich die Beziehung auch nie abgeschlossen habe. Und die Scheidung war für mich deshalb, weil ich mir gedacht habe, ich akzeptiere das nicht, dass er eine Freundin in China hat, und ich sitze da in Österreich. Ich muss das auch formal regeln. Und das war für mich auch die Möglichkeit, dass ich Haus bauen habe können, weil wäre ich nicht geschieden gewesen, fange ich nicht an, dass ich mich da in so ein Projekt hinein stürze. Aber abgeschlossen mit der Ehe habe ich eigentlich erst so um die Zeit, wie er angefangen hat, dass er sagt, er will zurückkommen. Das ist so zusammengefallen. Das ist das Typische. Du musst etwas loslassen, damit du was bekommst.

I: Wann war das ungefähr?

H: Das war im, zu Weihnachten 98.

I: mhm Ja, war recht aufschlußreich für heute, wir werden für heute Schluß machen, weil ich muss dann fahren. (Dauer 41min02sek)

7.4. Beobachtungsstudie Geburtstagsfest von Frau Hafner

Datum: 4. März, 19.30 - 23.30 Uhr

Ort: Gratkorn, ein Bauernhof in der Nähe des Wohnhauses der Familie Hafner Beobachter: Wolfgang Rohm, Petra Rohm Zu diesem Fest waren meine Frau und ich eingeladen. Gefeiert wurde auf einem Bauernhof in der Nähe des Hauses der Familie Hafner statt. Besitzer des Hofes ist Helmut, der bei Frau Hafner die Sauna gebaut hat und auch sonst bei der Einrichtung des Hauses mitgeholfen hat. Er ist ein enger Freund der Familie und war schon einmal als möglicher Partner von Frau Hafner im Gespräch.

Die Zufahrt war mit Fackeln ausgeleuchtet. Bei unserem Eintreffen waren etwa die Hälfte der Gäste schon anwesend. Bei dem Hof handelte es sich um einen Vierkanthof , dessen Bauweise für diesen Teil Österreichs typisch ist. Durch ein großes Tor gelangt man in den Innenhof. Unmittelbar nach dem Tor ist ein Holzwagen aufgestellt worden, der als Ablage für Blumen und Geschenke diente. Frau Hafner, Helmut, der Bauer und Herr Hafner empfingen dort die Gäste mit Sekt und Orangensaft. Jeder der ankommenden Gäste musste mit Frau Hafner anstoßen und einen Schluck trinken. Nicht anwesend waren die Kinder von Frau Hafner, die alleine zu Hause geblieben sind.

Zwei Räume einer großen, geräumigen Werkstätte sind zum Festraum umfunktioniert worden. Tische mit Bänken sind aufgestellt worden, die der etwa 100-köpfigen Gesellschaft Platz bieten sollte. Und trotzdem sich die meisten Gäste untereinander nicht kannten, herrschte dennoch ein ungezwungene und fröhliche Stimmung. Zwar setzte man sich zu denjenigen Personen, die man am besten kannte, wodurch sich verschiedene Gruppen bildeten, aber trotzdem war es so, dass man immer wieder Vermischungen feststellen konnte, in dem Sine, als sich immer wieder einzelne Personen aus den Gruppen lösten und anderen zugesellten. Besonders gefördert wurde dies durch das Selbstbedienungsbuffet, das sich zu einem Ort der Anknüpfungspunkte herauskristallisierte. In ersten Raum befand sich ein Vorspeisenbuffet und im weiter dahinterliegendem zweiten Raum wurden die Getränke verabreicht. Den Mittelpunkt hier bildete zweifelsohne das große Fass Bier. In diesem Raum wurde später auch das warme Buffet aufgetragen, typische ländlich-deftige Kost.

Nachdem alle Gäste eingetroffen waren, ist Frau Hafner, die offensichtlich den ganzen Rummel genoß, noch einmal zu alle Tische gegangen, um sich mit den Gästen ein wenig zu unterhalten, ehe sie sich im Kreise ihrer engsten Freundinnen an ihren Tisch gesetzt hat.

Nachdem das Essen gegessen und der Kaffeee getrunken war, begann der Höhepunkt des Abends. Erst wurde im hinteren Raum, in dem Frau Hafner saß, ein, auf einer Musikkasette aufgenommenes Lied vorgespielt. Es handelte von Frau Hafner und von ihrem geschiedenem Mann und davon, dass er der Einzige ist, der bei Frau Hafner eine Chance hätte. Aber auch die ganzen Vorgänge um die Scheidung und die Beziehung zu der anderen Frau, die er inzwischen geheiratet hat, waren in dem Text des Liedes enthalten. Erdichtet und nach der Melodie des alten volkstümlichen Schlagers „ein Schiff wird kommen“ gesungen, ist es von Helmut worden. Frau Hafner war so begeistert, dass sie dieses Lied, auch den Gästen im vorderen Raum vorgespielt hat. Anschließend wurden alle Gäste in diesen zweiten Raum gebeten. Hier wurde dann von den Lehrerkollegen gemeinsam ein Gedicht vorgetragen, das eigentlich ihr Geburtstagsgeschenk zum Inhalt hatte. Auch dieses wurde in sehr komischer Weise präsentiert, sodass alle Zuseher vor Begeisterung lachten. Hiernach wurde von den Nachbarn von Frau Hafner ein Sketch vorgespielt: Einer der Nachbarn trat auf als „Frau Lehrer

Hafner“ und die anderen spielten die Schüler. Es wurde eine köstliche Parodie des Auftretens von Frau Hafner. Ihr gesamtes beklagtes Lehrerleid wurde von diesen vorgespielt.

Insgesamt herrschte eine ausgelassene und fröhliche Stimmung. Wir mussten das Fest um 23.30 Uhr verlassen und waren die ersten Gäste die gingen. Alle anderen sind noch Stunden geblieben und haben gefeiert. Frau Hafner selbst ist erst in den frühen Morgenstunden nach Hause gegangen.

7.5. Interview, Familie Hafner

8. März 2000, 16.00 Uhr

Ort: Wohnung der Familie Hafner Interviewer: Wolfgang Rohm Vera, Ruth Hafner

Später kommt auch Frau Hafner

Ort: Haus der Familie Hafner

I: Kommst du auch heute zu uns? Du darfst gerne mitreden. Jetzt könnt ihr alles loswerden, was euch so einfällt. Ich hätte gerne von euch, dass ihr mir ein wenig erzählt, was ihr so den ganzen Tag macht. V: Also ...

R: Radio hören manchmal (lachen) mit Freundinnen spielen

V: mit Freundinnen spielen öhm

R: draußen oder drinnen

V: Tagebuch schreiben fernsehen lesen öhm ja

I: Habt ihr viele Freundinnen? V: Ja schon

I: so richtig gute?

R: ja

V: ja

I: hier aus der Nachbarschaft?

R: mhm

V:mhm

I: oder von wo anders auch?

R: ja, von woanders auch

V : ja, von der Schule, die kommen meistens nicht so oft herauf.

I: mhm sind die weiter weg?

V: ja schon, also meine Freundinnen schon. Da, also, nur die Erika, die zieht jetzt dorthin, bei den Häusern dort.

I: mhm

V: ja

I: Was macht ihr denn am liebsten?

V: Eins, zwei, drei Abschlagen spielen

R: aber jetzt wird das schon manchmal fad

V: ja, das haben wir im Sommer immer, jeden Tag gespielt, das war

I: Im Sommer ist es klass, draußen im Freien

V: ja

I: herinnen ist es ein wenig schwierig V: ja (beide lachen)

V: und wir haben ganz super Verstecke. Aber jetzt wird es schon langweilig, weil die, die sind jetzt die meisten schon richtig entdeckt.

I: mhm

I: Habt ihr eigentlich oft Besuch von Freundinnen? Oder geht ihr oft wohin?

V: Mmja, schon Wir sind aber, also wenn es schön ist, sind wir meistens draußen.

I: mhm

I: Geht ihr öfter zu den Freundinnen oder kommen sie mehr zu euch.

R: Wir wechseln uns ab.

V: da immer ab.

R: also

I (zu R): Und du auch? R: mja,

V: Wir spielen nämlich meistens immer zu viert.

I: oder

V: ja schon

R: ja und von der Siedlung schon. Das ist verschieden. Wir wechseln uns mhm Habt ihr gemeinsame Freundinnen,

V: Die eine ist gleichaltrig mit mir und die andere ist gleichaltrig mit der Ruth und die hat noch eine kleinere Schwester und die spielt auch noch mit uns mit.

R: Mit der spielen wir meistens immer ... gemeinsam.

V: ja

I: Und die sind da aus der Siedlung?

R: ja

V: Also die Fischers, die wohnen da oben und die Schmidts, die wohnen gleich gegenüber I: Du schreibst ein Tagebuch? Wie lange schon?

V: Seit letztes Jahr, oder so

R: Ich schreibe auch eines, manchmal I: Du schreibst auch eines

R: ja

I: Super ... Ein Thema möchte ich noch mit euch bereden. Wie ihr das so seht, wie damals die Scheidung war, mit eurer Mama und eurem Papa, könnt ihr euch an das noch erinnern, an die Zeit? V: Nein, ein bisschen, nur ganz wenig

R: Ich nicht.

I: Du warst noch zu jung, ja,

V: Ich kann mich nur ganz wenig erinnern. I: Wie alt warst du da?

V: sechs, oder so

I: sechs

V: Nein, jünger

I: An was kannst du dich da noch erinnern? R: vier und ich war zwei.

V: Ja dass die Mama eben oft geweint hat, oder so, (lacht) ich weiß es auch nicht mehr genau. Nur wie sie zu dem Amt gefahren sind, da waren wir bei der Oma (lacht) das weiß ich noch Ja recht viel ... weiß ich nicht mehr kann mich nicht mehr gut erinnern.

I: mhm ...

I: Wenn ihr so zu Hause seid, helft ihr auch so zu Hause mit, ein bisschen?

R: ja

V: ja schon

R: Geschirrspüler ausräumen

V: und Jalousien herunter tun

R: oder saugen, oder ich tue manchmal bügeln (beide lachen) also, wenn es halt etwas zum bügeln gibt.

V: Ja schon, und Tisch decken

I: mhm

I: freiwillig? (beide lachen)

V: Naja

R: schon manchmal

Das Bügeln das tue ich gerne

I: Wirklich wahr, du tust gerne bügeln?

R: Nur das ist nicht oft.

I: Darf ich dir meine Hemden bringen? (beide lachen)

I: Und du?

V: Naja, (lacht) das einzige, das ich manchmal freiwillig tue, ist Tisch decken. Das taugt mir so. Das tue ich dann immer so schön verzieren.

I: (nach kurzer Puase) habt ihr noch öfter Kontakt zu eurem Papa? V: Ja, schon, der ruft schon oft an.

I: Jetzt über Weihnachten war er ja da auch noch.

V: mhm. Ja und zur Mama ihren Geburtstag war er auch da.

R: Nein, einen Tag vorher ist er gefahren.

V: (lacht)

I: Einen Tag vorher ist er gefahren, ja stimmt. Da habe ich ihn kurz gesehen da, wenn er da ist?

V: mm

R: Mensch-ärgere-dich-nicht spielen

V: einkaufen fahren

I: mhm Und was macht ihr so

V: mm, was haben wir denn zu Weihnachten getan? Ah ja, da sind wir auf Skiurlaub gefahren, zu Weihnachten mm ja, so Ausflüge machen, so hinschauen und so irgendetwas

R: In den Sommerferien sind wir wohin gefahren, nach Griechenland, ...

V: ja

I: Was tätet ihr sagen, wenn eure Mama plötzlich wieder heiraten möchte? V: Jemand anderen?

I: Jemand anderen.

R: Ich weiß es nicht. Das war schon einmal so, da wollte sie den Bauern da drüben, da haben sie schon so geredet, also wie das wäre, wenn erjetzt plötzlich zwei Kinder hätte (lacht) und so. Ich weiß es nicht. Ich täte mich nicht recht freuen.

V: Weil wenn die dann Kinder bekommen würden, dann wären das unsere Stiefgeschwister15. I: Ist das so schlimm?

V: Also, also es ist eigentlich egal, ob er , ob sie ähm, Stiefgeschwister sind oder nicht.

R: Ich weiß nicht, ich täte mich nicht so freuen.

V: Also freuen tätest du dich sicher schon. R: Ja, schon

V: wenn du wieder einen Papa hättest.

R: das kannst du nicht sagen (lacht) ich weiß es nicht.

I: Ist schwer, nicht?

R: dass man sich das so vorstellt.

I: mhm (länger Pause)

I: Erzählt einmal so einen ganzen Tag, so von der Früh bis zum Abend.

V: In der Früh, OK. ..ähm, um Viertel nach sechs läutet mein Wecker, dann schlafe ich noch, bis der Wecker von der Mama läutet

R: Also du döst.

V: ja

V: stehe auf, ziehe mich an, dann gehe ich ins Bad, nimm die Zahnbürste, streiche eine Zahnpaste darauf, machs naß (lacht), nimm sie in den Mund (lachen beide), tue sie hin und her schieben, dann entsteht ein Schaum, somit tue ich mir die Zähne putzen

I: Wir sollten heute noch fertig werden.

V: (lacht) OK. Also ich tue mir die Zähne putzen, dann frisiere ich mich, dann muss ich noch meine Sachen alles, das sind halt so wichtige Sachen, die ich brauche in der Früh‘ ... ähm ...

R: dann sind wir in der Schule

V: Nein, dann muss ich mir erst meine Sachen anziehen, dann muss ich mich hinausstellen und muss auf meine Nachbarin warten, weil mit der fahre ich immer in die Schule und dann bin ich in der Schule und dann haben wir eben Unterricht. Dann haben wir jeden Tag um halbzwei aus, ah ...und, ja und das andere habe ich ohnehin schon vorher gesagt.

I: mhm

R: Also bei mir ist es auch so, nur also ich gehe manchmal hinunter, manchmal fahre ich auch mit der Mama mit. Dann am Nachmittag spielen wir oder zeichnen oder so, halt diese Sachen. Und ... dann ... (lacht). Am Abend da gehe ich ins Bett.

I: Ihr geht jetzt in welche Klasse?

V: Ich gehe in die erste Gymnasium und die Ruth in die dritte Volksschule

R: in die dritte Volksschule

I: Und dein Lieblingsgegenstand ist Mathematik. V: ja (lacht)

I: Wie kommst du auf das?

V: Ja also, früher da war es immer das Fach, was ich gehasst habe, und ... und Deutsch war mein Lieblingsfach und jetzt ist Deutsch mein Hassfach, also was ich nicht so gerne mag und Mathematik ist deswegen mein Lieblingsfach, erstens ist die Lehrerin lieb und zweitens (Unterbrechung wegen technischer Störung am Gerät) (inzwischen kommt Frau Hafner wieder vom Einkauf zurück und hat uns Torten aus der Konditorei mitgebracht. Sie macht uns noch Kaffee, den sie dann gemeinsam mit den mitgebrachten Tortenstücken serviert)

H: Ich muss euch enttäuschen, recht viel mit Schokolade gibt es nicht. Nur so etwas Sachertortenähnliches

I: Hauptsache Schokolade.

( das Interview mit den Kindern wurde inzwischen beendet, der Abschluss wurde vom Gerät auf Grund eines technischen Defektes nicht aufgezeichnet; die Panne wird nach der Kaffeejause behoben. Die Kinder sind inzwischen in ihre Zimmer gegangen.)

I: Maschine läuft.

I: Was ich noch wissen möchte von dir ist, wie so die Rollenaufteilung ... bei euch in der Ehe war.

H: Das ist schwierig, weil wir eigentlich verschiedene Phasen gehabt haben. Früher war es so, wie ich arbeiten gegnagen bin, war der Herbert daheim und hat studiert. Da hat er den größten Teil der Hausarbeit gemacht. Er ist einkaufen gegangen, oder er hat genau so staubgesaugt oder Wäsche aufgehängt und ich habe (K) war eben in der Schule. Und dann haben wir viel (K) da ist nicht diskutiert worden, wer daheim war hat gekocht und was zu machen war. Und er hat das oft als Ablenkung gemacht. Vom Lernen, wenn es ihn wieder einmal nicht gefreut hat, dann hat er eben angefangen Staub zu saugen oder zum Wäsche waschen und die Wäsche aufzuhängen. Gebügelt habe immer ich. Das hat er nie getan. Und dann, wie ich die Kinder bekommen habe, dann war es eben umgekehrt. Dann ist er arbeiten gegangen und ich war daheim. Aber wir haben genauso noch aufgeteilt. Also gerade am Anfang. Oder dass wir am Wochenende, waren wir gemeinsam einkaufen, gekocht habe natürlich immer ich, weil ich ja daheim war und er ist aber nur am Abend heim gekommen, nicht zum Mittagessen, sondern nur zum Abendessen. Das war sehr unproblematisch unser Zusammenleben. Und jetzt, wie er da war, habe ich auch gemerkt, er ist ständig (K) hat den Kinder was zum essen hergerichtet, hat am Abend gleich gesagt: Was wollt ihr morgen zur Jause? Da hat er einfach meinen Part übernommen, den ich immer gemacht habe, aber ohne dass er es gesehen hat. Das habe ich schon als sehr angenehm empfunden. Oder wenn er die Vera von der Schule abgeholt hat, hat er beim heimfahren eingekauft. Und das ...

I: War das früher auch so?

H: Das war immer so. Es war sehr unproblematisch. Er hat hineingeschaut in den Kühlschrank und hat gewusst, es gehört eine Milch gehört her und Semmerl und Wurst. Das war, also gerade dieses Mal, wie er war, war das einfach so eine Selbstverständlichkeit

I: mhm

H: und ich habe es als eine Selbstverständlichkeit empfunden. Und im Sommer, wie er da war, war das ein Eingriff in mein Privat... in meinen Privatbereich. Da hat mir das nicht so gefallen, dass er da solche Pflichten übernimmt. Aber dieses Mal ... er hat auch Staub gesaugt, und dann ist er auf die Idee gekommen, dann hat er den Teppich hinaus geschleppt, weil Schnee war. Das tut ihm gut, wenn man ihn durchklopft. Und ich habe mir das vor drei Monaten vorgenommen. Dabei ist dann der Schnee weggewesen. Also er setzt einfach die Dinge, hat er selbstverständlich umgesetzt. Und das eigentlich früher auch immer, da ist nicht lange diskutiert worden

I: Wie war denn das so, die Kontakte nach außen? Habt ihr viele Freunde gehabt, miteinander, oder habt ihr unterschiedliche Freunde gehabt?

H: Nein, das war bei uns immer so, wir haben uns nie schwer getan, dass wir einen Freundeskreis aufgebaut haben. Und wie ich nach Graz gezogen bin, waren wir in seinem Freundeskreis drinnen, mit denen er in die Schule gegangen ist ... und dann, weil ich war in Reichenthal in der Schule, ich mein. da haben wir uns auch gut verstanden, aber da haben wir kaum einen Kontakt da. Dann hat es da einmal eine Geschichte gegeben, eben dass er es sich mit einer Freundin von einer Bekannten angefangen hat und dann ist dieser Freundeskreis zerbröckelt. Dann hat, habe ich Schule gewechselt, dann war ich in Altenberg und habe mir da einen Freundeskreis aufgebaut. Da hat er praktisch den Freundeskreis von mir übernommen und dann waren wir viel mit Gratkornern beisammen, weil da ist eine Lehrerin, die pendelt auch, und ... das war bis zur Hochzeit. Dann hat er sich einen Freundeskreis sich aufgebaut an der Uni, das waren eben dann zwei so Freunde, mit denen wir viel beisammmen waren. Also das hat immer gewechselt. Es war entweder sein Freundeskreis oder eben von mir und wir haben uns von überall, das hast du ja ohnehin beim Geburtstagsfest auch gesehen, Es waren von überall war ein Freundeskreis dann da. Und er kennt die Leute auch alle. Nur seine wirklichen Freunde, die eben auch er mitgebracht hat in diese, in unsere Beziehung, die sind zum Geburtstag nicht gekommen, weil die Frau von dem einen hat MS, also multiple Sklerose, die wollte nicht kommen und die andere hat gerade ein Baby bekommen.

I: mhm, aber sonst habt ihr noch so

H: ja

I: nach wie vor den selben Freundeskreis

H: ja

I: wie vorher, nicht?

H: Das ist glaube ich auch nur deshalb möglich, weil er ja gegangen ist. Und die Leute haben, der Kontakt ist nicht abgebrochen, es ist sicherlich nicht mehr so intensiv wie früher, aber er ist da, der Kontakt.

I: mhm

I: Und deine Kontakte zu den Nachbarn da, sind ja recht gut.

H: mhm, das, das ist so langsam so entstanden.

I: mhm

H: Wobei das ohnehin witzig ist, weil das ist die obere Siedlung, also diese, die da das Theater gespielt haben, das ist die obere Siedlung und die sind eigentlich schon voll, kannst du sagen, weil das sind zehn Paare, sowas sieben, acht, nein, acht, neun Ehepaare und da ist es eigentlich schwierig, wenn du da noch jemand Neues mit hinein nimmst. Ich bin ja wesentlich später herauf gezogen wie die alle. Also ich lebe erst seit drei Jahre da. Und die leben alle schon acht Jahre da und die haben mich aber automatisch ... aufgenommen. Da hat sich einfach, wahrscheinlich durch mein Straßen, durch mein Einstandsfest das ergeben, dass sie gemerkt haben: Paßt. Paßt auch hinein. Jetzt bin ich genau so, wenn die, wenn die Silvester feiern, oder ein Faschingsfest, bin ich dabei. Obwohl andere, die auch acht Jahre hier wohnen, die haben eigentlich gar nicht mehr die Möglichkeit, dass sie dazu kommen Wo ... wie gesagt, es freut mich, dass ich da dazu gekommen bin. Ich weiß eigentlich gar nicht, warum.

I:mhm

H: Das erleichtert vieles. Weil wenn man gerade so ein Silvesterfest alleine, oder wieder selber organisieren oder was, oder wegfahren, möchte ich nicht. Und so ist das sehr unkompliziert. I: mhm Du hast gesagt, der Herbert hat in der Ehe viel vom Haushalt auch mit übernommen, viel mitgearbeitet.

H: mhm

I: Wie war denn dann das für dich nach der Scheidung?

H: Ja das war, ich meine es ist ja nicht von heute auf morgen aus gewesen, sondern das war in Bulgarien schon aus, wie wir hinunter gegangen sind, hat er nichts mehr getan. Und in Bulgarien ist es drei mal so schwer zu leben als bei uns. Da musst du um sechs aufstehen, damit du eine Milch bekommst und dich anstellen. Und dann kommt vielleicht nach einer Stunde die Milch. Und die zwanzig, die vor dir sind, bekommen noch eine Milch und du bekommst keine mehr. Oder du gehst auf den Markt und musst dir das Fleisch, das du kaufst, wenn das drei Kilo Fleisch sind, bekommst du das im Ganzen. Nicht wie bei uns, dass du das Faschierte hergerichtet bekommst, oder Kotellet. Das musst du alles selber herrichten. Und er war da nur mehr im Büro. Also der hat gearbeitet von sieben in der Früh bis in die Nacht hinein. Und das ist alles an mir hängengeblieben Das war, das ist schön langsam gegangen. Also 91 ist die Ruth auf die Welt gekommen, 92 war er schon immer mehr und mehr in der Firma drinnen und da hat er einfach, wenn er unter der Woche um sechs, sieben heimkommt, ist vom einkaufen oder so die Dinge sind erledigt. Und auch mit den Kindern, das war vorbei, weil die sind im Bett gelegen. Die waren da zwei und vier Jahre. Oder ein und drei Jahre. Da ist alles an mir hängen geblieben.

I: mhm

H: ja, und er sagt jetzt im Nachhinein, ich habe damals auch zum nörgeln angefangen. Habe gesagt, du, das gefällt mir nicht, und weiß ich was. Und er sagt, das war alles berechtigt, was ich gesagt habe. Ich meine, das nutzt mir jetzt im Nachhinein nichts mehr, aber durch das habe ich auch gelernt, dass ich das dann selber alles organisiere, weil es nutzt mir nichts, das ich warte, bis er heimkommt. Wenn ich eine Milch brauche, dann hole ich mir eine.

I: mhm Kann man sage, du bist praktisch so

H: hineingewachsen.

I: heineingewachsen, genau.

H: genau

I: In das, wie es heute ist.

H: mhm

H: So Dinge, dass er Auto, also Reifen gewechselt hat, das hat schon er gemacht, das kommt eben jetzt dazu. Das sind die Dinge, dass ich eben weiß, OK, habe morgen das Auto in der Werkstätte, muss ich heute noch die Reifen hineintun ... Finanzamt habe immer ich gemacht, also gewisse Dinge habe ohnehin immer ich gemacht. Aber wenn es etwas um Auto oder ... ja ... Schrauben hineinschrauben, das hat alles er gemacht. Das habe ich eben zusätzlich jetzt gelernt. Und das gefällt mir, weil das ohnehin so etwas ist, was ich nie, (K) Bohrmaschine habe ich immer gefürchtet, die fürchte ich jetzt nicht mehr, habe mir eine gekauft (lacht)

I: Wie würdest denn du das sehen, versuchen deine Kinder sich in dein Leben einzumischen?

H: Total

I: Ja? Inwieferne?

H: Also, sie erlauben mir gar nicht, dass ich einen andern Mann kennen lerne,

I: mhm

H: Also für die ist das ganz klar, wenn ich noch einmal heirate, dann heirate ich den Herbert ... ja, ... sie fangen jetzt erst an, das ist seit einem Jahr, also es ist seit diesem Schuljahr, dass ich fortgehen darf. Ich war auf der Faschingssitzung und die Kinder sind alleine ins Bett gegangen. Oder was war denn noch einmal ... Ja, bei den Nachbarn war ich einmal, auch schon um sieben, also da haben sie die letzte Stunde bis acht haben sie noch alleine verbringen müssen. Und das funktioniert jetzt dass sie mich einmal fortgehen lassen. Zwar sehr selten, aber ich habe auch gar nicht das Bedürfnis. Also von daher mischen sie sich nicht mehr so ein, aber vor einem Jahr, da hätten sie mich noch viel mehr daheim haben wollen.

I: mhm

H: Ja, punkto Beziehungen, das schreiben sie mir richtig vor. Also speziell die Vera. Die Ruth, die hält sich da hinaus, aber die Vera, die sagt sehr wohl. Nein du, wenn du wieder heiratst, dann sowieso nur den Papa aber das stellt sich bei mir nicht zur Diskussion. Ich will jetzt gar keine Beziehung, ich will einfach meine Sachen erledigen, die ich zum erledigen habe.

I: Also für den Fall dass, sagen wir als hypothetischen Fall jetzt, gäbe es gröbere Konflikte im Hause.

H: Ja, das

I: kann man das so sehen?

H: Ja,

I: mhm

I: Dann habe ich noch eine Frage. Bei unserem ersten Interview hast du gesagt, dass sich bei dir öfter so Wunsch und Wirklichkeit vermischt. Könntest du mir das näher erklären?

H: Das fällt mir jetzt zum Beispiel wieder auf, wenn der Herbert da ist, denke ich mir oft, ich weiß nicht, ob ich ihn aushalte. Dann ist er weg, ist gleich unmittelbar danach eine Leere da, dass ich mir denke, jetzt geht er mir ab. Und dann lebt man so in diesem Wunsch, es wäre ja doch schön, wenn er da ist. Weißt du, wobei ich aber nicht wirklich weiß, ob das dann das ist, was ich will. Und das vermischt sich so. Und je länger er weg ist, desto mehr ist man so in dieser Traumvorstellung, er ist ja doch der ideale Mann16.

I: mhm

H: Und ich mir dann nicht mehr sicher bin, was ich will, weißt du. Will ich jetzt wirklich, dass die Beziehung jetzt irgendwann einmal heil wird, oder will ich eher den Zustand, wie er jetzt ist. Er ist weg, ich kann tun was ich will und meine Sachen erledigen mit dem Hintergedanken, ja er ist ja ohnehin da. Ruft ein, zwei Mal in der Woche an, oder manchmal sogar jeden Tag, sagt uns, wie lieb er uns hat, aber er ist weit weg das ist so irgendwie so ein angenehmes, man ist nicht ganz alleine, aber man darf alleine handeln.

I: mhm

H: Das ist nämlich wesentlich einfacher, als wenn du zu zweit bist

I: Man ist halt nicht ganz alleine und hat die Verpflichtungen auch nicht.

H: mhm

I: Nicht, weil es bringt ja auch Verpflichtungen mit.

H: mhm, das Rücksicht nehmen, was will er jetzt Was tun wir, gehen wir jetzt zu den Nachbarn oder nicht. Ich meine, das war am Dienstag, wie wir da eingeladen waren am Abend, Activity spielen, ... ja, willst du jetzt hinüber gehen, oder er sagt, na gehen wir schon hinüber. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich um acht ins Bett gegangen. Ich war einfach müde. Aber nein, dann gehst du doch hinüber und dann wird es zwölf da drüben. Es war eh nett. Aber selber hätte ich die Entscheidung viel schneller getroffen, einfach zu sagen, nein, ich gehe da nicht hinüber Und dann musst du dich auf einmal wieder darauf einstellen. Was will er, naja, es ist doch der letzte Abend, am Mittwoch fährt er wieder weg

I: Kommt er jetzt eigentlich regelmäßig?

H: Jetzt kommt er, hat er vor, dass er zu Ostern wieder kommt und dass er mit uns in die Toskana fährt. Ich hätte ihm ja zuerst vorgeschlagen, weißt du was, komme ich nach Peking hinunter. Die Kinder haben gleich gesagt, sie wollen nicht nach Peking. Und ich möchte mir das einfach anschauen, wo er da ... lebt und wo er arbeitet. Und dann bin ich aber selber auf die Idee gekommen, dass das glaube ich nicht recht gut ist. Erstens ist er noch verheiratet. Sie leben zwar getrennt, er hat sich jetzt eine Wohnung genommen, und sie will sich nicht scheiden lassen. Und ich denke mir, wenn ich da auftauche, dann würde er Probleme bekommen, ganz egal, ob jetzt etwas zwischen uns ist oder nicht.

Habe ich mir gedacht, nein, es ist besser, ich fahre nicht hinunter Und er hat vor, dass er im Laufe dieses Jahres seinen Job dort kündigt und zurück kommt Und da merke ich auch, wenn mich andere Leute anreden, dass du das aushältst und so lange und da müßte er jetzt schön langsam etwas tun, dann denke mir ich, es passt mir genau so, das Tempo. Das anders wäre es mir ohnehin zu schnell. Und dann möchte ich auch nicht, dass er zurückkommt und bei uns einzieht, sondern ... dass er sich vielleicht einmal eine Wohnung nimmt und dann sieht man eh weiter.

I: Einmal so zum langsamen wieder angewöhnen.

H: Genau.

I: mhm also für mich wars das jetzt.

H: Ich weiß nicht, mir kommt dann oft so das, bin ich normal? Weil andere sagen, nein, dass du das überhaupt kannst und dass du mit dem Gedanken spielst, dass du den wieder zurücknimmst. Der ist verheiratet, der Mann. Was dir der angetan hat.

I: mhm, naja, aber wie du vorher gerade selber gesagt hast, ihr habt eine gemeinsame Geschichte.

H: Ja, also meine Mutter war total angefressen. Die ist gekommen, Freitag, nein Samstag, wie wir drüben das Fest gehabt haben, und der Herbert und ich waren am Nachmittag drüben und haben noch ein wenig etwas hergerichtet. Und sie hat mir Fleischleibchen (Anm.: Frikadellen) gebracht und den Buben von meinem Bruder hat sie sich geholt. Dann hat sie erst erfahren, dass der Herbert da ist. Ich habe das verschwitzt. Er, der Herbert ist am Freitag gekommen, und ich habe nicht mit meiner Mutter geredet, dass er kommt. „Ma! Wenn der da ist, dann fahre ich gleich wieder!“17 Weißt du, auf der einen Seite ist sie sauer, auf der anderen Seite passte ihr sowieso kein neuer Freund. Oder sie akzeptierte keinen einzigen, weil sie sagt, sei froh, dass du alleine bist, das ist ja viel gescheiter, dass du alleine lebst. Und sie wünschte sich für mich, dass ich alleine bleibe. (lacht) Wobei sie gleich nach dem Tod von meinem Vater eine Beziehung eingegangen ist, die bis heute hält. Also sie eigentlich nie alleine gelebt hat Und dann sagt sie: „Nein, weil das kann ich ihm nicht verzeihen, was mir er angetan hat. Ich meine, da dürfte es ein paar Streite gegeben haben. Und ich würde ihm so große Dinge verzeihen und könnte es mir wieder vorstellen. Weißt du, und dann fange ich zu zweifeln an: Was stimmt da mit mir nicht Reicht es mir nicht? Ginge nicht eine jede andere her und sagte: Schlußstrich.

I: Bist du jede andere?

H: Weißt du, oder mache ich mir da etwas vor, oder ist es das, dass ich mir denke, mir passt bei jedem anderen passt mir ja sowieso das Zehnte nicht und bei ihm passte mir alles, obwohl soviel nicht in Ordnung ist

I: Naja, ... ich meine, ich weiß es auch nicht, aber ihr habt zwei Kinder miteinander, ihr habt eine gemeinsame Geschichte schon durchlebt, die doch auch relativ lange gedauert hat. H: Ja, wobei das mit den Kindern, denke ich mir, das ist ja so kurz, so kurzfristig. Wie lange brauchen die uns noch?

I: Aber ist eben etwas Intensives. Und sie sind und bleiben, auch wenn sie älter sind, Eurer beider Kinder. Das ist immer so, ganz egal was ist. Das ist so. Von daher kann ich das schon nachvollziehen. H: Und mein Bruder zum Beispiel, wieder (K) Ich bin ja sehr gut befreundet mit dem Freund von meinem Bruder, der mir die Sauna gebaut hat. Das ist aber eine, eine absolut platonische Freundschaft. Und wir sind ja vor zwei Jahren oder so, waren wir in Lissabon, der Helmut und ich, vier Tage, gell, haben in einem Hotelzimmer geschlafen und mein Bruder hat gesagt: Nein, bist du wahnsinnig, fang dir ja nichts mit dem Helmut an, weil der Helmut ist mein Freund. Und beim Geburtstagsfest da hat er zu mir gesagt: Siehst du denn das nicht, siehst du denn das nicht, Brigitte, das ist dein Mann. Der Helmut ist dein Mann, nicht der Herbert. Was willst du mit dem Herbert, der hat dir so viel angetan. Weißt du, wo jetzt, ich merke, wo es so ausschaut, wie wenn wir wieder zusammenkommen, dass sich meine Verwandten quer stellen. Die wollen nicht, dass ich wieder irgenwann einmal ... verletzt werde. Das fürchten sie. Und das merke ich auch. Und das habe ich auch zum Herbert gesagt, ich möchte nicht, dass in zehn Jahren, dass wir wieder vor so einer Situation sind. Das, da sagt er auch, ich meine, Garantie hat man nie

I: Naja, Garantie hat man sicher nie. Aber man kann die Wahrscheinlichkeiten erhöhen. (Vera kommt aus ihrem Zimmer mit einem Schulheft in der Hand)

H: Und was möchtest du jetzt?

V: Also in Englisch, da kenne ich mich gar nicht aus. Also da ist ein Satz, also: Mike goes to school by bus und da ist die Frage auf „to school“. Muss man schreiben

H: who

H: who goes

V: nein, nein, die, die Frage ist „to school“.

H: Where to

V: where

V: where to

H: does he go. Das „to“, die Präposition musst du mitnehmen.

V: OK, ... kann man es auch anders sagen H: Wie denn?

V: Nein, ich weiß es nicht

H: Where does Mike go to. Das kannst du auch sagen. V: mhm, OK Vera geht wieder)

H: ... jetzt sind wir unterbrochen worden Garantie ...

I: Garantie hat man nie ... aber man kann die Wahrscheinlichkeiten erhöhen. Täte ich sagen, .. indem man einfach ständig arbeitet daran. Ich meine, eine Beziehung, ich sehe das bei uns, eine Beziehung ist etwas, wo man lebenslang daran arbeiten muss, weil sonst geht es schief. Wir sind auch schon öfter vor Situationen gestanden, wo ich mir gedacht habe, jetzt ist es aus. Aber da muss man dran bleiben. Und ich glaube, es hilft schon, wenn man einfach so den Entschluss fasst, so, wir sind jetzt verheiratet, und Scheidung ist keine Option mehr.

H: Wobei ich da sagen muss, ich habe den Schritt schon einmal gemacht. Für mich war das auch klar, wir heiraten und wir bleiben beieinander. Der Herbert hat da sowohl gesagt, naja wenn es nicht geht, dann gehen wir auseinander. Das hat mich geschreckt schon. Es war so ziemlich vor der Hochzeit. So kurz vorher, oder eh so in dem wo wir schon geplant haben. Wobei er, ich meine kurz vor der Ehe hat er eine Geschichte gehabt, da wäre es auseinandergegangen und nach einem Jahr haben wir dann geheiratet. Für mich war es schon, ich heirate und ich bleibe bei dem Partner. Und ich habe auch immer so das Bild, wir zwei werden gemeinsam alt auf der Bank18. Und ich habe das früher schon immer gehabt und dann sitz, da war noch gar nichts von China, also dass er dort heiratet und so und weggeht, dass wir auf der Bank sitzen und er erzählt mir Geschichten von China. Was jetzt so greifbar nahe ist, dass es sich wirklich erfüllen kann. Jetzt ginge ich eher die Ehe ein, dass ich mir (K) also (K) für mich nur (K) wenn wir wieder beieinander sind, dann kommt nur eine Ehe in Frage. Dass ich dann sage, es reicht jetzt. Ich habe es wieder probiert, aber danke, da bleibe ich wirklich lieber alleine. Weil ich das auch erlebt habe, dass es alleine auch schön sein kann und dass man die Probleme meistert. Bevor ich mir diesen ganzen Schmarrn da noch einmal mitmache, bleibe ich lieber alleine.

I: Das täte ich mir aber vorher überlegen. Weil ich glaube, ich meine, es ist euer Leben, aber ich täte mir das aber schon jetzt sehr genau überlegen.

H: Ja, da geht es ums Betrügen. Weißt du, bevor ich mir so etwas, dass er mich betrügt, noch einmal mitmache, dann ist der endgültige Strich gezogen. Anders schaffe ich es anscheinend nicht. I: Da muss eben auch er so weit sein, dass er sagt: So das ist jetzt eine Entscheidung fürs Leben. H: Ja, da rede ich jetzt nicht von Krisen, dass wir streiten, oder dass einer krank wird oder so, ... das ist für mich etwas, das klar ist und normal ist.

I: Eine Ehe kann man nicht eingehen und sagen, naja, probieren wir es einmal. Wenn es funktioniert, dann passt es, wenn nicht, dann nicht.

H: Aber bei Betrug würde ich sicher früher den Schlußstrich ziehen, als ich ihn letztes Mal gezogen habe.

I: mhm

H: Weil das einfach, das (K) du, da stirbst du, wenn du erfährst, der betrügt dich und du weißt nicht recht, wie du dran bist, oder, das ist das ... und da habe ich ohnehin lange zugeschaut und zugewartet, bis ich dann die Scheidung eingereicht habe.

I: mhm

H: Und er sagt zwar, nein, da ist er gefeit und da hat er seine Erfahrungen gemacht, ... I: hoffentlich, wäre ihm zu wünschen, wäre ihm auch zu wünschen

H: Weißt du, und das war, es hat sich so umgekehrt. Das Fest da am Samstag drüben, er ist immer hinter mir nach. Ich habe immer das Gefühl gehabt, er möchte schauen, wo ich bin und was ich tue und mit wem ich mich unterhalte und ich habe mich total distanziert.

I: mhm

H: Ich hätte auch gar nicht Zeit gehabt, dass ich mich da weiß Gott wie zu ihm stelle. Und in Bulgarien habe ich das auch ganzes Jahr so erlebt. Ich habe immer versucht, ihm nachzurennen. Also vorher schon so, 93, 94, wie er auf einmal der Topmanager wird. Weißt du, mit den zwei kleinen Kindern, immer geschaut, dass alles in Ordnung ist, und das war das ... genau das Gegenbeispiel da drüben am Samstag. Es hat sich umgedreht Das war nicht bewußt von mir, aber wo ich gedacht habe, ich kann nicht heile Familie spielen, wo ich mir gedacht habe, das ist es nicht. Es ist mein Geburtstagsfest, er ist eben gekommen Und ich habe das ein Jahr lang oder zwei Jahre praktiziert, dass ich mir, ich gehe mit nach Bulgarien, ich bin dort unten alleine mit den Kindern und was ist, er ist wieder in China

I: mhm

H: Naja, da denke ich mir, das ist so ein kleiner Lernprozess, ... für ihn auch. Das sage ich nicht, dass das bewußt ist, dass ich ihn da in eine Situation hineindränge, aber er muss einfach wirklich etwas tun, dass wir wieder eins sind. Weil das sind wir jetzt überhaupt nicht Wobei dieser Abend, wo wir Activity gespielt haben, mit den Nachbarn, das war so ein Blitzlicht, wie wir eins sein können I: Wie es die Zukunft sein könnte.

H: mhm

I: Ja, das wäre euch zu wünschen. Wäre eine super Sache eigentlich. H: Eingentlich schon, ja

H: Aber ich verbinde das nicht mit Hoffnung, oder irgendetwas, sondern ich schaue, dass ich eben mit meinem normalen Leben weiter tue. Obwohl da einfach da im Hinterkopf ist, naja, die Schraube, das macht jetzt er. (lacht) Unten gehört der Aufenthaltsraum hergerichtet und das wäre ja für ihn eine Leichtigkeit, dass er da eine Holzdecke hinaufmacht. Weiß du, dieses miteinplanen ... und das dürfte aber nicht sein, weil er einfach nicht Teil meines Lebens ist Und wenn ich mir das so anschaue, die Ulrike19, ich beneide sie keine Sekunde. Eine neue Beziehung mit einem Mann, der nicht der Vater der Kinder ist; Horror.

I: das ist auch schwierig. Das glaube ich. Und ich bin mir auch keineswegs sicher, ob sie sich dessen bewußt ist, was da alles auf sie zukommen kann, alles noch. Bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube, sie hat da noch ein bisschen so eine rosa Brille auf

H: Weißt du, so eine ganz neue Beziehung anfangen, das ist wesentlich einfacher, wenn du noch keine Kinder hast, aber so ... (Ende der Aufnahme) (38min 11 sek)

7.6. Interviw mit Herbert Hafner

Interviwer: Wolfgang Rohm

Interviewter: Herbert Hafner, Ex-Mann von Frau Hafner Ort: Wohnung von Wolfgang Rohm

Datum: 13. März 2000

Anläßlich eines Besuches von Familie Hafner bei uns, zu dem auch Herr Hafner mitgekommen ist, gab Herr Hafner sein Einverständnis zu einem Interview, um die Scheidungsgeschichte und die Familiengeschichte aus seiner Sicht darzustellen. Herr Hafner wurde über die Anonymisierungstechnik aufgeklärt und über die Zielsetzung der Arbeit in Kenntnis gesetzt.

I: Du weißt jetzt, um was es geht. Also fang einfach von vorne an zu erzählen.

H: Wir haben 87, haben wir geheiratet, nachdem wir schon cirka acht Jahre beisammen waren. Der Entschluß zur Heirat war damals beidseitig. Natürlich, nach acht Jahren Beisammensein, natürlich eh schon relativ lange. Sollte man eigentlich glauben, dass dass schon Zeit ist ahm, nach der Heirat war dann der Entschluss da, oder mit der Heirat war der Entschluss für uns gefestigt, Kinder zu zeugen und die Familie mit ... mit Kindern zu krönen. Die ... es war der Wunsch da, der Abstand zwischen den Kindern darf nicht, der Altersunterschied zwischen den Kindern sollte zwei Jahre sein. Die ... ja ich würde

I: Warum eigentlich gerade zwei Jahre?

H: Für mich war das eigentlich die optimale, der optimale Abstand. Erstens für die Kinder, weil sie, weil sie etwas von einander haben und das Zweite ist die, ja die Frau kann sich auch dazwischen wieder ein bisschen erholen. Also ... für mich waren eigentlich zwei Jahre das Optimale. Zum Beispiel: Meine Schwester, die ist sieben Jahre jünger als ich, mit der haben wir uns eigentlich, ja so ... zum Verstehen angefangen, wie sie zwanzig war. Aber ist klar, wenn da, ... ein sechzehnjähriger Bub hat mit einem neunjährigen Mädchen kaum etwas, ...hat er nicht recht viel Freude wahrscheinlich. Und darum war es eigentlich für uns .. und bei der Brigitte in der Familie, die waren, die sind eben drei und die sind, jedes Jahr ist einer gekommen, was für die Mutter wieder sehr anstrengend war.

Darum haben wir eigentlich gesagt, naja zwei Jahre wäre das Optimale Ja, die ... das hat auch alles dann so geklappt. Beim ersten Kind habe ich noch studiert. Bin dann ja, habe dann nach dem Studium das Bundesheer gemacht. Also habe praktisch noch sehr viel Zeit gehabt. Beim zweiten Kind habe ich schon, habe ich schon zum Arbeiten angefangen gehabt. Und dann ist natürlich die ... die Zeit immer ein bisschen knapper geworden ahm, erstens unter Tags, dann am Abend auch ab und zu ... weg. Und dann hat sich, hat sich arbeitsmäßig einiges verändert, weil Auslandsaufenthalte und Auslandsreisen dazugekommen sind, die immer häufiger und länger geworden sind. Zusätzlich, im, während, während der Zeit ist eine andere Frau dazugekommen. Wo man, wo man allerdings auch aus Man sucht dann viel, man sucht dann viel Gründe, warum es, warum so etwas überhaupt passieren kann, weil eigentlich ich immer davon überzeugt war, dass ... dass so etwas nicht sein darf. Und war eigentlich nie, nie für irgendwelche solchen Geschichten, auch nicht für eine Nacht. Darum war das damals etwas Ernsteres offensichtlich. Es ist, es ist aber dann zwischen uns ausgeredet worden, oder war, war entschieden ... und wir haben, das war geplant, dass wir, dass wir gemeinsam ins Ausland gehen. Das war aber immer so, dass sich das immer verschoben hat. Und ist natürlich für eine Frau, die dann daheim ist mit den Kindern, wenn wenn es immer heißt, ja nächstes Monat, nächstes Monat, .. ah, ist es natürlich so ein Leben auf Abdruck nicht einfach. Natürlich auch dann auf die, ja, auf die Psyche druckt, sozusagen. Aber es ist dann, es ist dann dazugekommen. Wir sind dann gemeinsam dort hin gefahren. Es war, es war alles in Ordnung. Es war ... es hat alles gepasst sozusagen. Und dann war aber ja dann, ... ja dann war es dann war es so, dass es (K) dass ich von dort aus, so war das eigentlich, man vergißt ja das alles, dass ich von dort aus wieder, wieder Auslandsreisen gemacht haben. Und und wo, wo sie dann quasi schon in einem Drittland sitzt, alleine, was natürlich dann noch viel, viel schwieriger ist. Und (K) weil wenn du da bist, in deiner bekannten Umgebung, ist es natürlich so etwas wesentlich leichter zu überstehen, als wie wenn du, als wie wenn du irgendwo fremd bist und dann wieder alleine sitzt. Und dadurch, dadurch sind natürlich dann auch viele Reibereien entstanden. Ist klar. Ja und dann, dann hat sich die meine alte Beziehung wieder ... ahm, naja, ist wieder aufgetaucht und dann ist es auch zwischen uns immer schwieriger geworden. Und ist ... ist dann ah, hat dann resultiert in der letztendlichen Trennung und Scheidung ahm, heute, wenn ich zurückschaue, schaue ich auf das, was die Brigitte gemacht hat mittlerweile mit großer Hochachtung und tiefer Bewunderung, ahm, ... was sie geschaffen und und wie sie, wie sie das Ganze geschafft hat und und wie sie mit den Kindern umgeht ah, die die Gründe, warum es, warum es dazu, dazu kommen hat können, zu der ganzen Krisensituation sind sicher viele, oder einige. Viele sind es sicher nicht, sondern einige. Ich nehme auch heute die ... Hauptlast für die Auslöser sicher, sicher auf mich und ... stehe auch ganz offen dazu. Ich und ja, .das ist zu der ... Vergangenheit.

I: Wie war das eigentlich mit euren Beziehungen zu Freunde, zu Bekannte, Verwandte?

H: Wir haben auch vor der, also ahm, nachdem wir schon verheiratet waren und vor allem auch,wie dann die Kinder da waren, ... ahm ... haben wir, haben wir Kontakte nicht verloren und haben wir auch nicht abgebrochen und waren auch nach wie vor mit Bekannte, Verwandte, Freunde beisammen. Haben geschaut, dass wir Samstag, Sonntag relativ viel gemeinsam machen und ... nur ... unter der Woche natürlich ist die Frau dann klarerweise häufiger alleine. Und hat andere Belastungen zu tragen als vorher, als ohne Kinder. Aber, ja das ist klar natürlich in so einer, in so einer Phase, wenn dann eine Frau die eine Frau hat natürlich eine ganz andere Psychologie als ein Mann, ... die, die sehr schwer manchmal zu verstehen ist, aber, wenn, wenn eine Frau die Unterstützung nicht, nicht spürt vom Mann, oder vom Partner, dann ... dann ist natürlich die Phase, wo die wo die Kinder klein sind und wo sie vor allem sehr, wo die Kinder die Unterstützung brauchen, wenn sich da die Frau alleine fühlt, dann dann ist das für die Frau sehr, sehr schwierig. Vorher, bevor wir geheiratet haben, hat es auch viel Kontakte gegeben zu Bekannte, Verwandte. Und Bekanntenkreis war ... aus beiden Seiten. Also nicht nur nicht nur jetzt von der Frau oder vom Mann, sondern von dem Bekanntenkreis aus beiden Seiten

I: Wo stammst du eigentlich her?20 H: aus Linz.

I: aus Linz ... wie sind deine Erinnerungen eigentlich an deine Kindheit?

H: Meine Erinnerungen an die Kindheit sind die, oder sagen wir einmal so: Das Resümee aus der aus der Kindheit, ahm ist eigentlich dass ich, dass ich, das was jetzt Elternhaus betrifft ... dass ich immer alles ganz anders machen wollte als die Eltern. Und ... vor allem, vor allem auch in die Richtung, also ich wollte immer haben, dass die ahm dass die Kinder so richtig stolz sind auf das, was daheim passiert und was daheim, was daheim eigentlich los ist. Und ... also, es fangt an mit einem funktionierendem Elternhaus, dass sie stolz sind, was die, was die Eltern machen. Dass sie dann sagen, das ist meine Mutter, das ist mein Vater. Das war eigentlich das Resümee. So aus dem heraus, aus dem Elternhaus. Und sonst, muss ich eigentlich sagen, dass ich ... die Kindheit eigentlich in angenehmer Erinnerung, bis auf das, wo halt, ah, meine Eltern haben relativ viel gestritten. Was bei uns zum Beispiel, in unserer Beziehung nie so der Fall war. Wir haben nicht viel gestritten

I: Hast du noch Kontakt zu deinen Verwandten, zu deinen Eltern?

H: Ja, zu meinen Eltern klarerweise. Zu Verwandte extrem wenig, weil ich bin doch jetzt mittlerweile schon das siebente Jahr weg.

I: Wenn du jemandem erklären oder zeigen möchtest, so, das war unsere Beziehung, oder unsere Familie, mit der Brigitte und den Kindern und du möchtest das anhand von Fotos zeigen. Was müsste da auf fünf Fotos drauf sein, um das zu zeigen? Wenn du mir jetzt fünf so Fotos beschreiben tätest, der Reihe nach, was da drauf sein müsste, um einem völlig Außenstehenden zu zeigen, so das waren wir. H: mhm, Ich glaube, fünf Fotos sind wahrscheinlich gar nicht notwendig. Man könnte es wahrscheinlich auch mit einem Foto erklären, weil es da gar nicht um die, um die Quantität der Fotos geht, wieviel das, wieviel das sind, das hängt ... naja, ... da würde sicher, ja zumindest einmal, wo alle vier auf dem Foto drauf sind.und wo sich alle vier die Hand halten oder zumindest wo, da gibt es so Fotos, wo dann die Kinder so auf der Schulter sitzen, ... zum Beispiel. Das glaube ich, sind so eher die Fotos, wo ich sage, mit so etwas könnte man das erklären. Kontakte, Berührung,

I: Wie waen so eure Zukunftspläne, eure Zukunftsvorstellungen?

H: Zukunftswünsche ist das wiederherzustellen, was einmal war. Oder jetzt, sagen wir nicht, was einmal war, sondern ... eine Familie wiederherzustellen und die Möglichkeit ist glaube ich gegeben. Ist Natürlich nicht einfach, sicher nicht, und geht auch nicht von heute auf morgen. Das braucht Zeit, das braucht, das sind ... es war viel Zeit dazwischen und ... Menschen verändern sich. Es ist mir ist immer das interessant, wenn jemand sagt, ja, er hat sich nie verändert, er ist immer gleich geblieben. Wenn jamand sagt, bleib, bleib so wie du bist. Das ist, ich weiß nicht, das bleib so wie du bist, das ist, das gibt es eigentlich kaum. Es jeder verändert sich mit der Zeit. Er kann wachsen und, und man sieht das vielleicht als dieses „gleich bleiben“. Aber gleich bleibt nie wer. Nichts bleibt gleich.

I: Wie ihr euch kennengelernt habt und wie ihr geheiratet habt, waren ja immerhin acht Jahre dazwischen, wie waren da so eure Zukunftspläne?

H: Waren eigentlich die, die selben, wie wir sie auch nach der, nach der Ehe gehabt haben: Eigenheim, Kinder, die Zahl war vielleicht immer ein bisschen variiert, also die Brigitte hätte sich sogar mehr vorstellen können. Für mich war da eigentlich auch zwei die optimale Zahl. Aber das waren nie irgendwlche Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten, die was, ... wo man gesagt hätte, da gibt es jetzt grobe, grobe Meinungsverschiedenheiten, das war eigentlich nicht.

I: Und es war euer beider Vorstellung?

H: Ja.

I: Gut, dann sage ich danke für das Gespräch. (Dauer: 20 min 15 sek)

7.7. familiengeschichtliches Interview mit Frau Gold

Ort: Wohnung von Wolfgang Rohm

Datum: 12. März 2000, 15.20 Uhr

Interviewer: Wolfgang Rohm

G: (lacht) Sendung, auf Ö3, kennst du die?

I: nein

G: zu Gast, oder so. Wenn ich nach Graz hinunter fahre, dann höre ich das immer ein Stück. Wenn die Barbara Stöckl jemanden interviewt.

I: Ja, .. nein, kenne ich nicht.

I: Ja, dann probieren wir es noch einmal, hätte ich gesagt. Und ich habe dir letztes Mal schon gesagt, um was es mir geht. Es geht mir darum, ein bisschen die Geschichte deiner Familie zu hören, wie sich so deine Familie entwickelt hat, wie sie entstanden ist, wie du das selber siehst aus deiner Sicht, wie du das beurteilst und was dir halt alles so dazu einfällt.

G: mhm ... Genau Also, angefangen hat es mit ... ah ... in der Zeit nach der Matura. Ahm ... wo ich meinen Ex-Mann kennengelernt habe. Im Zuge eines Ferialjobs. Ja, wir haben uns nach ... nach ganz kurzer Kennenlernzeit hat mein, hat der Freund, der damals eben noch mein Freund war, hat schon von Heirat gesprochen.

I. mhm

G: und ... ahm ... mich hat das ganz sicher beeindruckt, dass dass mich wer heiraten wollte (lacht) und so die große Liebe ... schwört und, und ... naja ich war so richtiges Landmädchen (lacht). War ziemlich beeindruckt von dem, mm, um zwölf Jahre älteren Mann und ... naja ... dann habe ich mich irgendwo innerlich schnell darauf eingestellt, dass, dass, mm, dass ich den Mann heiraten werde Und ..ah, nach einem Jahr haben wir das dann in die Tat umgesetzt. Zwar nach großen Schwierigkeiten, die wir schon gemeinsam gehabt haben. Und wo wirklich ersichtlich war, dass wir uns nicht verstanden haben. Wir haben Probleme eigentlich nicht wirklich ausreden können miteinander, sondern wir haben uns, haben uns immer körperlich versöhnt. ... Und ... öh, es hat irgendwo, habe ich einmal gespürt, dass er, dass er sich nicht mehr so recht sicher ist, ob er mich heiraten will, und dann habe ich mir gedacht, ja jetzt kommt mir (lacht) der Ehemann in spe abhanden. Gerad dass ich halt nicht darauf bestanden habe (lacht) Nein, und dann haben wir ... ja, dann haben wir nach einem Jahr geheiratet. Und ... die größten Schwierigkeiten vom Anfang an gehabt. So nach einer Woche habe ich leichtsinnigerweise schon gesagt, ja wenn das so weitergeht, dann lasse ich mich wieder einmal scheiden. Ich bin die Ehe sowieso nicht (K) Ich habe die Ehe sowieso nicht mit dem nötigen Ernst angefangen. Ich habe mir gedacht, der Mann, der, der muss mich glücklich machen und wenn nicht, dann lasse ich mich scheiden.

I: mhm

G: zu mindest habe ich es so gesagt. Im Innersten wollte ich es natürlich eh, dass ich glücklich werde. Und wir sind wirklich im ersten Ehejahr schon bei einer Ehetherapie gewesen Ja, und, und das erste Kind, der Paul, ist dann auch, also zwischen so Streitigkeiten irgendwann einmal gezeugt worden und da war ich mir auch schon ganz unsicher, ob es überhaupt gut ist, dass man ein Kind hat. Auf der einen Seite wollte ich eines, auf der anderen Seite, anderen Seite war ich aber ohnehin unglücklich in der Beziehung Naja ... der Paul schwierig, weil er körperbehindert ah, war. Das hat sich nach einem Jahr dann herausgestellt. Er war, er ist als Frühgeburt auf die Welt gekommen mit sechs Monaten und eben, es war schwierig, dass er überlebt hat. Und ich war mit dem konfrontiert, dass mein Mann auch sehr viel Arbeit gehabt hat, als Selbständiger, und die Arbeit mit, mit, mit größtem Vergnügen ausgeübt hat. Und ich habe mir einfach auch das ganz anders vorgestellt. Das, wie das ist, wenn man verheiratet ist. Ich habe mir eine Familie vorgestellt, die, ...also, als so eine Familie halt, wie im Bilderbuch. Dass man miteinander lebt und und einfach schöne Dinge miteinander erlebt und das war nicht. Weil mein Mann ist um sieben in der Früh in die Firma gefahren und irgendwann in der Nacht einmal heim gekommen. Er ist auch nicht zum ... zum essen heimgekommen oder nur ganz selten. Es war einzig der Sonntag, wo wir, .. wo wir etwas gemeinsam gemacht haben. Und das waren auch immer so ... so Sachen, die ... ich meine, wo man irgend ... wo mit wem anderen vielleicht zusammen war, oder wo wer zu Besuch war. Wo ich auch nicht sagen kann, dass wir gemeinsame Freunde gehabt hätten. Das war auch nicht. Aber der Sonntag ist eh irgendwo, irgendwie vergangen und miteinander auseinandergesetzt haben wir uns eigentlich nur, wenn ich wieder grantig geworden bin und Gespräch gefordert habe und dann habe halt ich gesprochen und mein Mann hat geschwiegen. Und das ... das .. ja, hat dann auch irgendwie letztendlich in Versöhnung geendet, jedenfalls ist nie etwas herausgekommen. Ist eh klar. Wenn ich nur einen Monolog halte und, ich denke, mein Mann hat, hat das über sich ergehen lassen ... war sicher gedanklich ganz woanders Die Ehe ist einfach furchtbar, furchtbar unbefriedigend für mich verlaufen Bis auf dreimonatige gute Phase, wo ich dann zur Erika schwanger geworden bin, zum zweiten Kind.

I: mhm

G: Die Phase ist wieder abgeebbt. Gut wars, war die Phase deswegen, weil mein Mann da ...ahm, mehr anwesend war daheim. Und er hat zumindest angerufen, wo er, wo er jetzt ist, wo ich ihn erreichen kann am Abend. Was an sich eh üblich wäre, dass das eine Ehefrau weiß, wo ihr Mann steckt Und da haben wir, da haben wir Zeiten gehabt, wo wir, drei Monate waren das, wo wir Zeit miteinander verbracht haben.

I: mhm

G: Ja, und ... nachdem, kaum war ich schwanger, ist die Zeit wieder abgeebbt, weil die Arbeit in der Firma wieder mehr geworden ist und und ich war nicht so glücklich über die Schwangerschaft und, jedenfalls war es ganz schwierig, die .. die ganze Schwangerschaft war schwierig. Wie beim, so schwierig wieder wie beim Paul, nur dass es halt dann nach neun Monaten geendet hat, wie es sich gehört ... ja, nach der es waren manchmal wieder ein paar Wochen, wo es ein bisschen besser gegangen ist, unsere Beziehung. Aber jedenfalls, die Erika war erst neun Monate alt, wie ich dann einmal ins Frauenhaus geflüchtet bin. Da habe ich auch so eine fixe Vorstellung endlich einmal ausgelebt, wo ich mir gedacht habe, es gibt einen Ort, wo ich hinflüchten könnte, wenn es mit der Ehe zu viel wird und wo ich meinem Mann zeigen kann, dass, ... dass ich einen Ausweg weiß. Irgendwo habe ich das immer im Hinterkopf gehabt. Ich könnte ja einmal ins Frauenhaus gehen. Das habe ich dann ausgeführt. Es war eine ... furchtbare Erfahrung in dem Frauenhaus, so dass ich wieder zurückgekommen bin ... und dann haben wir gleich eine Therapie gemacht, die eigentlich ... Es hat nie irgendwo zu einem Erfolg geführt, dass sich, dass wir uns näher gekommen wären. Ich bin dann ein bisschen, im Zuge der ... der Therapie, bin ich ... habe ich dann mehr zu einem, einem ... ja jetzt zu einer Art positiven Denken gefunden. Über mich selber. Mit positiven Leitsätzten, das hat dann mir geholfen, ah, dass es mir persönlich ein bisschen besser gegangen ist, mit meinen Schwierigkeiten Also ich war, ich würde sagen, ich bin psychisch sehr angeknackst gewesen ... und ich habe mich ziemlich aufgeführt oft wenn es mir nicht gut gegangen ist Naja, und irgendwo so nach, nach neun Jahren ... habe ich die Scheidung eingereicht. Da waren auch verschiedene Vorfälle, die eben ganz ganz schlimm waren Und ich habe die Scheidung eingereicht, wieder ruhen lassen, weil ich mirgedacht habe, es ist trotzdem ganz etwas Schlimmes für die Kinder

I: mhm

G: und ... es ist aber dann in der Ruhephase der Sch.. ah, der, der, des Scheidungsverfahrens auch nicht besser geworden, und ... naja, ich habe dann die Scheidung wieder aufgenommen ... ah, nachdem wirklich, ah, ein Gefühl in mir zerbrochen war, das kann ich, das kann ich genau sagen, wann das geschehen ist und welches Ereignis das war. Und von da weg war ich mir sicher, ich kann die Scheidung durchstehen, weil es war eine strittige Scheidung, in der ich beweisen habe müssen, dass die Ehe zerrüttet ist Ja, so ... hm, ... die Kinder haben da, haben sicher sehr gelitten unter den Streitigkeiten und unter (unverständlich)

I: Dein Mann wollte die Scheidung nicht

G: Nein, bis zum Schluß nicht, er ... die Scheidung ist im Namen der Republik halt ausgesprochen worden auf Grund der unheilbaren Zerrüttung, mit der überwiegendene Schuld des Beklagten. Beklagt war mein Mann, weil ich habe die Scheidung ja eingereicht. Und er hat sich bis, bis zum letzten Tag, hat er sich vorbehalten, dass er gegen das Urteil noch beruft. Aber sein Anwalt hat dann gesagt, es bringt nichts. Er ... das würde ihm nur noch mehr Kosten verursachen und er soll es doch endlich akzeptieren. Und er hat auch so im Scheidungsverfahren die Aussage gemacht. Er läßt sich von dieser Frau nicht scheiden, die sich so geändert hat im Laufe der Ehezeit, ... ah, nämlich so geändert, dass er, dass für ihn jetzt ideal wäre Also was er als ideal empfunden hat ... ah, war für mich ein Ausdruck einer emotionalen Distanz zu ihm.

I: mhm

G: wie ich mich nicht mehr gärgert habe darüber, dass er nicht heimkommt, oder wie ich nicht mehr traurig war darüber, dann hat er das Gefühl gehabt wahrscheinlich der Freiheit und, und jetzt ist, ist es OK, für ihn, die Ehe Aber nur, mir war er zu diesem Zeitpunkt egal es kann aber sein, dass er das auch nur vorgeschoben hat, weil er einfach nicht wollte, dass die, dass die Familie auseinanderbricht, dass er, dass die Kinder weg sind und dass er, dass er auch das Vermögen irgendwo aufgeteilt wird also für mich, für mich war dann die Scheidung fast eine Erlösung und ich bin leichten Herzens aus dem großen Haus am Land weggezogen. Wo ich mir vorher zwar gedacht habe, das wird schwierig werden, in eine kleine Wohnung ziehen, von, wirklich von Komfort wegziehen in einen ... in wenig Komfort. Aber ich habe einfach die Kinder genommen und bin in eine 60 qm-Wohnung gezogen Und ... öhm ... ich habe gehofft, dass sich durch die Scheidung, ah, für mich einfach das Leben verbessert. Dass ich, ahm, dass ich einen Frieden habe und das ist auch, ... das ist es dann auch geworden. Also ich habe da schon richtige, ...ahm ... ja, das das war schon eine richtige Befreiung Ich war ein paar Mal ... richtig ... ahm, glücklich. So an einem Abend, dass ich jetzt alleine bin mit den Kindern da, und dass ich nicht warten muss, ob er heimkommt ... ja ... ja und dann, in der Zeit habe ich dann auch Kontakt zu einer christlichen Gemeinde gefunden und das ... das hat mir dann ... ahm, ... das hat mir dann eben viel geholfen. Und auch die Bekehrung ... und ich habe dann auch .. ah, natürlich meine Fehler erkannt, die ich in der Ehe gemacht habe Und ich habe immer auf einen Neuanfang gehofft

I: mhm

G: Habe es zwar direkt, also ganz am Anfang, so ein halbes Jahr nach der Scheidung nicht ganz ausgeschlossen, dass ich vielleicht wieder zurückgehen könnte zu ihm, weil, weil er das wollte Also mein Ex-Mann hat zu den Kindern gesagt, die Mama kommt eh wieder zurück Aber ... das Gefühl war, war komplett weg zu ihm. Und das hat, ist mir auch so erschienen, wenn das nicht mehr, ah ... wie sagt man da? ...regenerierbar wäre naja ...

I: Und wie ist es den Kindern dabei ergangen?

G: Der Paul ist entwurzelt worden, der war sieben. Der ist so richtig entwurzelt worden von dem Haus. Das ist seine Heimat gewesen Vom Papa weg, zu dem hat er doch ein gutes Verhältnis gehabt und von der Oma weg, er hat immer zur Oma hinunter gehen können. Von dem redet er jetzt noch, dass er ... dass er manchmal heimlich fernsehen gegangen ist und sich sämtliche Sendungen angeschaut hat, die ich nicht erlaubt habe. Das ist für ein Kind etwas Besonderes. Wenn es weg kann, von der Obhut der Mama. Naja und die Erika, die war so auf mich fixiert, die wäre sowieso überall hin gegangen Für die, die war vier zu diesem Zeitpunkt, ... also das, der hat das nichts ausgemacht, dass sie vom Elternhaus wegkommt. Aber wohl dem Paul, der war wirklich gespalten. Es hat sich seine Schulumgebung nicht verändert. Er ist in der Schule geblieben, wo er war, es hat sich nur die ...die Wohnsituation verändert Und mein Ex-Mann hat das Sorgerecht beantragt für den Paul und wie er gehört hat, dass er sowieso nur für beide Kinder bekäme, wenn überhaupt, hat er es auch für die Erika beantragt. Und beim psychologischen Gutachten ist heraus gekommen, dass die Erika eindeutig zu mir tendiert und der Paul ... ahm ja nicht eindeutig zu mir tendiert, sondern auch zum Vater.

Dass der eigentlich zwischen uns steht Und dann habe das Sorgerecht natürlich ich bekommen.

Weil bei der Erika war es eindeutig. Und kleine Geschwister werden noch nicht so einfach getrennt Ja, und der Paul hat sicher sehr gelitten unter dem Fehlen des Vaters, weil mein Ex-Mann hat scheinbar einen Schock gehabt, nachdem die Scheidung wirklich ausgesprochen war. Ihm ist es dann richtig bewußt geworden, dass er jetzt etwas verloren hat, was vorher selbstverständlich da war, wenn er irgendwann einmal heim gekommen ist. Und, ich glaube, dann dann hat er mich nicht sehen können und die Kinder nicht. Weil vielleicht hätte es ihn zu sehr geschmerzt. Jedenfalls hat er die Kinder lange nicht geholt. Es ist so ziemlich über ein ganzes Jahr gegangen, dass er so mit den Kindern keinen Kontakt gehabt hat Und wie er dann einen Kontakt gehabt hat, ... dann, genau dann war dann das, wie er ihnen gesagt hat, dass ich wieder zurück komme Das war so ...hm, ja so dreiviertel Jahr bis ein Jahr nachdem, nachdem ich ausgezogen bin aus der ge-(K), aus der Ehe, aus dem Haus, wo wir verheiratet waren Ja, die, ...das Umfeld, soziale Umfeld in dem ich mit den Kindern vorher war, ist auch gleich geblieben. Da hat sich auch nichts geändert. Die Freunde sind gleich geblieben, ... also ... das, das war wahrscheinlich trotzdem relativ positiv

I: mhm, war das nicht so weit auseinander?

G: Nein, das waren nur elf Kilometer Distanz Und die Freunde, die ich gehabt habe, das waren eigentlich eh nur meine Freunde, weil mein Mann, wir haben keine gemeinsamen Freunde gehabt. Mein Mann hat überhaupt keine Zeit gehabt, dass er irgendwelche Kontakte, außer geschäftliche Kontakte gepflegt hätte. Und die geschäftlichen Kontakte hat er alleine gepflegt mhm ... ja ... Und die Erika ist, die ist auch noch bei mir gewesen zuerst. Im Kindergarten, die Kindergartenzeit war sie auch noch in meiner Nähe, weil, weil dort, wo ich unterrichte, dort ist im Erdgeschoß der Kindergarten und da habe ich sie einfach hineingegeben. Und sie hat erst dann, wie sie sieben war, knapp sieben war, zum Schule gehen angefangen und da ist sie dann halt ... da war sie dann ... das erste Mal wirklich getrennt von mir, am Vormitag zu mindest

I: Wie war denn so der, der Alltag bei euch, wie ihr noch verheiratet wart?

G: mhm... ja, wie wir verheiratet waren, mit den Kindern, war es so, dass ich, ... ahm, wie der Paul ein Jahr alt war, den ersten richtigen Posten in der Schule bekommen habe. Und die Oma, die im Haus gewohnt hat, hat den Paul beaufsichtigt, während ich in der Schule war und ich bin ... also, mit Freuden in die Schule gefahren. Das war für mich der erste Job und ... es hat mir einfach Spaß gemacht und ja, ich habe dann Geld verdient. Der Paul hat das ganz, ganz locker genommen. Ich habe ihm in der Früh gewunken und wenn ich heim gekommen bin, ... mja, hat er sich auch gefreut. Aber bei dem habe ich das Gefühl gehabt, es macht ihm überhaupt nichts aus, dass ich weg bin. Der war da so in der (K) im Haus, in der Umgebung seines Elternhauses eh so geborgen und hat sich da, hat sich da wohl gefühlt. Und ich bin ... es gibt eigentlich, ...ahm ... kaum eine Zeit, außer der kurzen Karenzzeit, wo ich, wo ich daheim war. Wo ich Hausfrau war. Mutter. Ich war dann immer berufstätig. Und bei der Erika war es noch krasser, da bin ich schon nach zehn, wie die Erika zehn Monate alt war ... bin ich schon wieder in die Schule gegangen, weil es, weil ich da nicht anders (K) die selbe Dienststelle bekommen habe. Und die hat gelitten darunter Die hat zwar auch im Haus bleiben können, weil eben auch die Oma da war, aber die wollte nicht, dass ich weggehe. Sie hat geweint, wenn ich weggegangen bin, wenn sie schon munter war und mir’s einfach spüren lassen, dass, ... dass ihr das nicht gefällt. Und ich habe auch ... natürlich bin ich überlastet gewesen mit Beruf, Haushalt und zwei Kinder und der Paul hat auch so viele Therapien gehabt ... die habe auch alle ich ausgeführt ... mm, ich habe mir dann eine Putzfrau genommen, weil, weil einmal ist es so krass geworden, da war ich wirklich überlastet. Da, da waren wir dann auch bei einer Ehetherapie. Die Therapeutin hat gesagt, entweder hilft mir mein Mann im Haushalt, oder oder ich soll mir eine Putzfrau nehmen. Und er hat dann gleich ganz groß gesagt: Ja, ja, er zahlt eine Putzfrau ... letztendlich habe es ich bezahlt. Aber was ich, ich wollte eigentlich eh, dass er mir hilft, dass er da ist Er hat nur manchmal die Kinder mitgenommen auf eine Baustelle

I: mhm

G: Oder hauptsächlich den Paul. Kinder ist eh übertrieben. Den Paul hat er mitgenommen, an einem Samstag. Ja und dann, ich war am Vormittag in der Schule, zu mittag bin ich nach Hause gekommen. Ich habe für die Kinder Essen mitgenommen von der Schule, weil bei uns wird eben gekocht und mja, dann habe ich mich, das hat mir meine Schwiegermutter bei der Scheidung vorgeworfen, zur Zeitung gesetzt und Zeitung gelesen. Aber ich habe ah, ... naja ... ich habe einfach auch eine Distanz haben wollen von den Kindern in der Schule und zu meinen eigenen Kindern. Ich war zwar da, aber ich habe halt Zeitung gelesen. Und meine Schwiegermutter hat gesagt, ja, die ... wenn ich heim gekommen bin, dann habe ich Zeitung gelesen. Die armen Kinder sind runter gekommen und haben gesagt: Oma, richtest du mir einen Tee her, ich meine ... (lacht) so bin ich von außen beurteilt worden.Ja es war, ... ich habe ... sicher nicht so besonders viel Zeit gehabt für die Kinder. Aber ich war am Nachmittag vorhanden und wir haben auch Besuche gemacht und, ja, wir haben, mit dem Paul habe ich eh zu Therapien fahren müssen. Einkaufen sind wir gefahren. Ich habe ja alles erledigt. Den Haushalt und ich habe wirklich überhaupt keine Hilfe gehabt von meinem Mann mja, und am Abend habe ich versucht, dass ich die Kinder ins Bett bringe, und wenn sie im Bett waren, habe ich Vorbereitung für meinen Unterricht gemacht Und wenn ich, wenn ich einmal wohin gehen wollte, ins Kino oder, bei der Musikkapelle habe ich damals gespielt, dann war eben die Schwiegermutter im Haus und hat auf die Kinder aufgepasst. Also ich war nicht, nicht wirklich so, so stark angehängt. Ich habe schon einmal, ich habe schon am Abend auch wegfahren können Ja, bis, bis zwei Jahre vor der Scheidung, da habe ich dann, da bin ich dann drauf gekommen, dass eben meine Schwiegermutter ... ja, ziemlich viel schimpft, ziemlich viel schimpft über mich bei den Nachbarn und sie hat auch Gespräche abghört beim Telephon und solche Sachen. Und dann habe ich die Erika zu einer Tagesmutter gegeben ... und, naja, ich habe dann auch nicht mehr gewollt, dass sie auf die Kinder aufpasst am Abend. Das, wir haben sich wirklich, also ich habe dann ganz eine starke Distanz zu meiner Schwiegermutter gehalten ...mh, naja und dann bin ich daheim geblieben. Dann habe ich auch bei der Musikkapelle aufgehört. So, (längere Pause)

Und es waren auch viele Sonntage, die ich mit den Kindern alleine verbracht habe. Da in den Ferien, da haben wir schon etwas unternommen dass wir baden gefahren sind. Oder ich bin auch öfters mit den Kindern essen gegangen Ja,

I: Wie hat sich denn dann das nach der Scheidung, ... ist das gleich weitergegangen so, oder hat sich da etwas verändert?

G: Nein, das ist eigentlich so weitergegangen. Das ist so weitergegangen mit dem, nur mit dem Unterschied, dass ich ...ahm, dass keine Chance mehr da war, dass wer auf die Kidner aufpasst im Haus. Also, ich habe ...ahm, den möglichen Babysitter vom, die also meine Schwiegermutter war, den habe ich verloren gehabt und ich habe gewusst, ich bin jetzt wirklich ganz alleine für die Kinder verantwortlich Ja, aber ansonsten ist alles gleich geblieben Es war weniger zum Putzen, weil die Wohnung viel kleiner war, nein, es hat sich da eigentlich nichts geändert.

I: Wenn du zurückdenkst, ah, ... du und dein Mann, habt ihr irgendwie so eine Art Rollenaufteilung gehabt in der Familie? Oder wie war das?

G: Mhm, ..naja, eine unausgesprochene Rollenaufteilung eigentlich. Dadurch dass er den ganzen Tag und den ganzen Abend und manchmal sogar die halbe Nacht außer Haus war, ist einfach alles geblieben für mich. Es war einmal, ach, eine Zeitlang, dass er den Paul mitgenommen hat. An den Samstagen, wie die Erika ein Säugling war, da hat er, da hat er den Paul an den Samstagen mitgenommen. Der Paul war, der war glaube ich da schon Schüler. Nein, Blödsinn, der war noch kein Schüler. Der war Kindergartenkind. Das, das war für mich eine spürbare Entlastung, dass einmal, dass an dem Samstag eben nur die Erika daheim war. Ja, und ansonsten, irgendeine Aufteilung also er hat nicht einmal fürs Familieneinkommen gesorgt. Weil ich habe ja ein volles Gehalt gehabt und, ah, er hat die, die Wohnungskosten übernommen, das heißt, Strom und die Betriebskosten vom Haus halt übernommen. Und das Haus hat ihm gehört. Er hat mich nie anschreiben lassen, obwohl wir es gemeinsam errichtet haben. Die Kreditrückzahlungen hat er natürlich gemacht, die er gehabt hat. Aber ich habe bis zum Schluß nicht wirklich erfahren, wie hoch die waren. Ah, er hat im Monat 3000 Schilling Haushaltsgeld überwiesen auf mein Konto und von dem Haushaltsgeld und meinem Einkommen habe ich alles bestritten. Also auch alle Geschenke für die Kinder und, und einfach so, so was man halt alles kaufen muss irgendwo in einem Geschäft, alles außer Strom und Heizung, ah das habe ich besorgt und ganz selbstverständlich heimgetragen. Er hat vielleicht ab und zu, weil er zufällig in einem Geschäft war, ein paar Sachen in den Kühlschrank hineingegeben, aber das, das war eher außergewöhnlich. Es ist eben bei der Scheidung auch gefragt worden, was er gekauft hat. Dann hat er gesagt: Naja, wenn er bei einem Bauern war und ein Fleisch bekommen hat ... aber, das und auch wenn die Kinder krank waren. Ich, das war alles klar, dass ich da war und dass ich in der Nacht aufgestanden bin. Auch wenn ich berufstätig war und ich war auch immer berufstätig Ich hätte gerne gehabt, ich hätte es sehr gerne gehabt, dass es irgendwo eine Rollenaufteilung gegeben hätte. Aber wir haben es zu keiner einzigen Gemeinsamkeit gebracht. Und das war eben für mich, das war für mich nie eine Ehe. Also unter Ehe habe ich eine ganz eine andere ... ah, Vorstellung, von einer Ehe habe ich eine ganz andere Vorstellung Nein, mir fällt irgendwo da nichts ein. Er hat sich auch nicht ... um die Kinder gekümmert, wenn ich in die Musikprobe gefahren bin. Es war einmal in der Woche, am Freitag, Musikprobe und eventuell einmal eine Ausrückung, Sonntag vielleicht, oder so. Und das war total klar, dass dann die Schwiegermutter da ist und auf die Kinder aufpasst. Also das war (lacht) das, seine Aufgaben hat zum Teil seine Mutter übernommen

I: mhm

G: Das war für mich frustrierend und ich habe mich immer aufgelehnt dagegen ... hm...

I: Und wenn du denkst, nach der Scheidung, hat es da, naja, so eine Art Rollenaufteilung gegeben zwischen dir und den Kindern?

G: ... hm...

I: Oder hat sich da auch nichts verändert?

G: hm, naja So nach der Scheidung, ich glaube ich habe den Kindern alles gemacht. Und die waren auch noch ziemlich klein Nein, wir haben nicht wirklich einmal eine Aufstellung gemacht, wer die Betten zum Beispiel macht oder wer die Spielsachen wegräumt. Nein, nicht wirklich. I: Und später?

G: Später, dann ... wollte ich es schon durchsetzen. Bei der Erika habe ich es, habe ich es eh ganz gut geschafft. Also die ist jetzt so, dass sie staubsaugt und dass sie ihr Zimmer komplett alleine macht. Also ich habe ... die ist jetzt elf und seit dass sie neuneinhalb ist, habe ich in ihrem Zimmer überhaupt nichts mehr gemacht. Und die Mistkübeln lehrt sie aus, also das Altpapier und das Plastik und so. Was tut sie noch? Ja, sie tut auch Bad putzen. Sie, das macht sie auch manchmal. Also die übernimmt schon Pflichten. Und ich, ich lege auch Wert darauf, weil, weil ich der Meinung bin, dass jeder mithelfen muss. Aber ... ja, ich muss, ... ich muss schon auch etwas sagen, dass sie es wieder einmal tun sollte. Dass sie staubsaugen soll, oder so. Obwohl sie auch manchmal von selbst etwas tut. Aber ... ja, es hat sich mehr so eingependelt, dass sie oft staubsaugt und dass sie einfach das Altpapier und das Altglas wegträgt. Also das mache ich, mache ich nicht mehr. Und dass sie ihr Zimmer macht und ich kontrolliere es aber auch nicht recht, ob sie das wirklich macht. Oder dass sie die Wäsche in den Kasten hineinräumt. Ich stelle sie nur mehr im Korb ins Zimmer. Also das, das macht sie schon. Das ist ihr auch klar, dass sie das tun muss. Und der Paul, der hat gar nichts gemacht, wie er noch bei uns gewohnt hat. Der hat sich wirklich geweigert

I: Der Paul ist ja dann einmal ausgezogen bei euch. Wie war denn da so die Entwicklung bis dorthin. G: Ja, das , tja, das war irgendwo ... fast ein wenig abzusehen, weil sein Vater, der wollte immer das Sorgerecht haben und hat ihn sehr beeinflusst ... mit so Aussagen wie: Paul du gehörst zu mir. Und: Die Mama kann dich nicht erziehen. Und: Bei mir wartet eine eigene Wohnung auf dich und du kannst jederzeit kommen, ich warte auf dich. Und ... also so, die, ..die Aussagen hat er immer wieder ... ah, gemacht dann, dass, also mir gegenüber hat er es gesagt, dass der Papa zu ihm das gesagt hat Ja, das Ganze hat sich eh über Jahre erstreckt wo eben sein Vater als der aufgetreten ist, der jederzeit für Pauls Probleme ein offenes Ohr hat. Er braucht ihn nur, nur den Papa anzurufen, wenn irgendetwas nicht passt21. Das hat der Paul auch ausgenützt. Wir aben dann hohe Telefonrechnungen gehabt. Und die Erika hat das ausgenützt. Und ... öhm, der Paul st mir gegenüber ... mm, immer ziemlich ungehorsam gewesen. Also, ich habe mich nie durchsetzten können. Was ich wollte, habe ich beim Paul nicht erreicht. Sei es, dass er die Aufgabe am Nachmittag macht und nicht am Abend. Wenn er sie am Nachmittag hat machen müssen, hat er sich am Boden hingelegt und geschrieen. So, so richtig krass oft. Oder er hat gesagt, er hat keine mehr und, um acht Uhr am Abend ist er dann mit dem Heft gekommen und hat gesagt, er hat doch eine, da kennt er sich aber jetzt nicht aus. Also mit dem Paul war es ganz schwierig. Er hat einen ziemlich ausgeprägten Eigensinn. Und ... nja, das, eskaliert ist es dann, nachdem (K) er war ein Jahr im Internat, während des Hausbaues und nachdem er wieder, mm, aus dem Internat zurückkommen dürfen hat, ...ahm, mja, ist es eskaliert, wie ich einen Freund, wie ich den Norbert kennengelernt habe. Und er ist dann ein paar Mal zu Besuch da gewesen und hat, hat einfach geasgt: Du Paul, so kannst du mit der Mama nicht reden. Und so was, zum Beispiel, wenn er gehört hat, dass der Paul mit mir redet. Mir ist ja das gar nicht mehr aufgefallen. Ich war das gewöhnt. Aber der Norbert hat halt einmal gesagt: Du, wenn ich das höre, so redest du mit der Mama nicht, oder, oder: Du mach das dir doch selber, was sagst du denn das jetzt zur Mama. Er hat sich, kurz gesagt, hinein gemischt. Und der Paul war der Meinung: Der Herr im Haus ist er selber, so hat er es auch gesagt. Und da hat niemand zu reden. Und dann ... ja das ist halt einmal, nein wirklich, eskaliert, wo die Kinder sich gemeinsam gegen uns verbündet haben und sich so aufgeführt haben, also wirklich arg Und, dann habe ich gesagt: Paul, du musst einmal zum Papa gehen, eine Zeitlang. Ich mag nicht mehr, dass du jetzt da bist, wenn du so tust. Und ich habe dann, nachdem ich eh zuerst versucht habe, dass ich dass ich mit seinem Vater rede, dass er, dass er, er auch mit dem Paul redet, dass er ihm nicht immer sagt: Paul, du kannst kommen, ich warte auf dich. Ich habe ja nicht wirklich ein Mittel in der Hand gehabt. Der Paul hat gewusst, wenn es mir bei der Mama nicht gefällt, dann gehe ich zum Papa. ... Naja, und mein Ex-Mann hat dann noch gesagt, ich bin so und so unfähig, dass ich Kinder erziehe. Und ... ah, also der Paul gehört zu ihm, weil der Paul ist wie er selber und darum komme ich mit dem Paul nicht zusammen

I: mhm...

G: Naja, dann habe ich halt, weil ich mir gedacht habe, es kann nicht so weitergehen, dass, dass auch der Paul zu mir, mir gegenüber so aggressiv ist. Ich habe es einfach, ich habe einfach erkannt, ..ahm, dass das, dass das nicht geht. So, dass, wenn das Kind auf mich körperlich schon los geht und überhaupt keinen Respekt hat, dann, dann muss ich leider das, die Erziehungsgewalt einmal abgeben. ... mm, naja, so ist es auch geschehen und ... mein Ex-Mann hat das natürlich sofort genutzt und hat, hat sichs schriftlich geben lassen übers Jugendamt, dass er den Paul einmal drei Monate haben darf. Probezeit Und dann schaut man weiter. Und in den drei Monaten hat er sich natürlich sehr bemüht und dem Paul alles mögliche versprochen. Und der Paul und ich waren wirklich zerstritten. Der war so frech und so böse mir gegenüber. Er hat, naja das Mindeste war, was er gesagt hat: Du alte Hexe ... mnaja, dann hat er, dann hat er letztendlich das Sorgerecht bekommen, weil der Paul schon vierzehn war und sich das aussuchen hat können, bei wem er bleibt. Naja, ... ist auch, das Ganze hat schon auch eine Vorgeschichte. Ich habe, wie der Paul elf war, oder zwölf, war auch schon einmal so eine Eskalation, dass er, ja, dass er sich recht aufgeführt hat daheim und ich habe ihn dann ins Internat gegeben. Das war das eigentlich das erste Mal, wo ich mir gesagt habe, ich kann den, ich kann das Kind ja gar nicht erziehen. Der läßt sich nicht erziehen von mir. Also das ... ich habe ihn einfach nicht, der hat einfach nicht gehorcht, überhaupt nicht. Egal, was ich gesagt habe Naja, ... naja und so ist er halt bei seinem Vater und ... und jetzt schätzt er mich als seine liebe Mama (sehr ironischer Unterton) und, und ich fehle ihm recht. Die Mama geht ihm ab. Und ... naja, er sieht das jetzt, was ich eigentlich, als, als Mutter, was halt eine Mutter tut. Jetzt sieht er es erst, weil das hat er jetzt nicht mehr. Jetzt hat er nur mehr den Papa, der bei ihm auch nicht da ist. Der ist ja trotzdem immer in der Arbeit. Und der Paul muss sich seine Sachen jetzt selber machen. Muss sich die Schuhe selber putzen. Ist eh alt genug dazu, dass er es tut. Aber bei mir hat er es viel bequemer gehabt. Und, und das sieht er jetzt auch. Und vor allem sieht er, dass ... ah, bei seinem Vater das Leben nicht das Paradies ist, so wie er es sich immer vorgestellt hat Naja, wir können jetzt normal, wieder miteinander reden und naja es ist, also, ganz, ganz anders als, als wie vor, vor einem Jahr (längere Pause)

I: Und das Zusammenleben mit der Erika?

G: ... Das Zusammenleben mit der Erika, ja, das ist, ja, ist relativ ungestört. Wir, ...mja, wir haben eine, 140qm jetzt für uns und einen ganzen Keller dazu und einen Garten. Ja, das hat sich alles gut eingependelt. Sie ist recht selbständig Sie ist eigentlich während der Woche ... mm, ist sie ganz, ist sie ganz brav Nur, machmal mischt sie sich einfach in Sachen ein, die sie nichts angehen.

Sie möchte, sie möchte halt von mir gerne alles wissen. Wenn einmal jemand zu Besuch da ist, dann bekommt sie ganz große Ohren, eh das übliche so. Und, .. naja, also manchmal tut sie so, wie wenn ich ihr, ... gleichwertig wäre mit ihr. Das ist mir auch schon gesagt worden, dass wir den Eindruck vermitteln, ... nicht so wie Mutter und Tochter. Also sie stellt sich so ziemlich auf die selbe Stufe, die aber ich, solange ich nicht irgendwo ... also wir zwei kommen ganz gut aus miteinander Außer es ist halt wer, wer Dritter dabei. Dann fängt sie das stören an, weil sie, sie muss im Mittelpunkt stehen

I: Hat sie eigentlich viele Freunde oder Freundinnen? G: und Freundinnen

I: dass sie, also, trifft sie sich viel mit anderen Freundinnen?

G: Ach sie! ... Naja, nicht besonders. Obwohl wir in einer Siedlung wohnen, sind da nicht, nicht besonders viel Mädchen ... ahm. Es sind mehr Buben in der Nähe. Mit, mit denen, also das ist nicht das Alter, wo sie mit Buben spielen Ja, manchmal schon, oder sie, ...es kommt einmal eine Schulfreundin mit, aber das ist auch nicht so oft. Also sie hat nicht recht viel, recht viel Kontakte in der Siedlung Ich hätte gerne, dass sie mehr hätte. Sie ist viel daheim. Sie ja, sie ist meistens in meiner Nähe ahja, die Vera hat sie, genau. Eine Volksschulfreundin. Sie hat ja, dadurch dass sie die einzige ist, die die, das Gymnasium in Graz besucht ... ah, und die anderen Schüler alle in ein anderes Gymnasium oder in die Hauptschule gekommen sind, hat sie eigentlich die näheren Freundinnen alle verloren. Nur mit einer noch hat sie noch regelmäßigen Kontakt. Mit einer Volksschulfreundin. Und die anderen, die mit ihr in die Schule gehen, die sind einfach zu weit weg I: Und wie sind ihre Kontakte heute zu ihrem Vater?

G: ..mm, ja, also nicht besonders Ja, alle paar Wochen einmal. Besuchsregelung ist ja nie zustande gekommen, weil mein Ex-Mann ja gesagt hat, für ihn gibt es kein Besuchsrecht, also er läßt sich in keinster Weise irgendwelche Tage vorschreiben. Es hat dann zwar die Be (K) die .. dam Jugendamt, die Beamtin hätte wirklich darauf eingewirkt, dass er sich bereit erklärt, bestimmte Tage zu reserviern. Aber er hat das abgelehnt und Es gibt für ihn kein Besuchsrecht, sagt er. Und jetzt ist nie etwas vereinbart worden wann die Erika wieder kommen kann. Und so nach Bedarf. Er hat von den Kindern verlangt, dass sie ihn anrufen, wenn sie kommen wollen. .. Und es ist ihm auch gesagt worden, dass nicht die Kinder das entscheiden, sondern die Eltern. Er hat es nie akzeptiert. Und wenn ... und ja... und irgendwie habe ich das immer alles zur Kenntnis genommen und habe die Kinder wieder anrufen lassen fragen, ob sie kommen dürfen Ja, und sie sagt eigentlich ganz, ganz selten, dass sie zum Papa will. So wirklich ... die, also seit einem Jahr ... ganz selten. Vorher hat sie schon noch öfters gesagt, aber seit einem Jahr sagt sie es ganz selten. Seit der Paul bei ihm ist, fühlt sie sich ein bisschen ausgeschlossen So als zweites Wahlkind Und, ahm, ich glaube, dass ... der Norbert für sie die, die Vaterrolle übernommen hat. Auch wenn sie noch noch so stört. Aber den beansprucht sie total

I: Und wie sind ihre Kontakte zum Paul?

G: Hmja, ... sehr spärlich. Nur wenn sie beim Papa ist. Obwohl bei ihr habe ich schon stark den Eindruck gehabt, dass ihr der Bruder fehlt Umgekehrt nicht. Also der Paul vermisst die Schwester nicht im geringsten. Sie haben sehr viel gestritten Nein, die die Kontakte, die sind irgendwie genau so spärlich wie zum Vater. Weil der Paul, der kommt eigentlich ... jetzt, jetzt, eigentlich schon ein paar Monate nicht mehr. Ich habe ihn zwar, ich selber habe ihn zwar zwei Mal besucht, aber, ja er muss dann halt einmal lernen am Wochennde und dann hat er Internetanschluss und ja, da ist er eh beschäftigt. Also der Besuchskontakt ist wirklich nicht einmal regelmäßig Er möchte zwar, sagt immer, ja, ich wollte eh so gerne kommen, aber dann ... er ist so labil Es ist ihm irgendwie schon beschwerlich, wie er nach Deutschkreuz kommt. Er kann mit dem Bus herfahren, aber das ist ihm vielleicht zu aufwendig

I: Wohnt er weit weg?

G: Nein, es sind eh nur elf Kilometer22, aber ... (wegwerfend)mm, er mag nicht wirklich. Er ruft zwar ab und zu an und erzählt immer etwas. Also das macht er schon (längere Pause) I: Du hast gesagt, dass sich vor allem der Paul so als eine Art Partnerersatz fühlt G: Mhm, genau, der hat sich als Partnerersatz gefühlt. Er hat gesagt, er ist der Herr im Haus ... und ... mja, und hat auch gesagt, es kommt ihm niemand ins Haus, also es kommt kein Mann ins Haus Und wenn, dann müssen sowieso sie selber gefragt werden, also die Kinder, und ... also, ich soll es nur wagen, dann geht er zum Papa.

I: mhm

G: Es ist witzig. Er schreibt auch, wenn er mir so ein SMS schreibt, dann schreibt er seit Neuestem: Dein Sohnemann. (lacht) Sein Passwort im Computer für den Internetzugang ist mein Vorname und jedesmal wenn er Internet einschaltet, dann denkt er halt an seine Mama Ja, er ... ich habe die Kinder sicher zu sehr ins Vertrauen gezogen und, und auch irgendwo ... ah, als Partnerersatz missbraucht, nehme ich einmal an. Weil ich war ja Jahre, ah wirklich ohne Partner und, und die Kinder kriegen dann Gespräche mit, oder man sagt (K) oder ich habe auch den Kindern etwas erzählt, oder mit ihnen geredet über irgendetwas, was ich sicher nicht machen würde, wenn ich das mit einem Partner besprechen kann. Also das sehe ich schon als ganz große Gefahr. Ich sehe das auch bei manchen Alleinerzieherinnen, wo Mütter einen Sohn haben. Also das, da, als Außendstehender sieht man es natürlich besser, aber da ist schon ein zu enger Kontakt da

I: mhm

G: Und sie haben einfach auch, auch viel mitgehorcht von meinen Problemen und so. Wenn eine Freundin zu Besuch war zu einem Kaffee am Nachmittag, ich meine, die Kinder kriegen da immer ganz große Ohren. Oder mit Verwandten, die haben zu viel mitgekriegt. Ich bin jetzt der Meinung, dass die Kinder am Besten gar nicht zu viel mitkriegen sollten. Aber meine, die haben über mich alles gewusst. Also fast, fast zu mindest Und ich glaube, darum können sie mich auch nicht so als Autorität betrachten

I: mhm

G: Und sie waren zu zweit, also wenn, da waren sie sich einig, die Geschwister ah, zu zweit gegen die Mama23, ist mir irgendwo, die waren oft stärker als ich Die, ich habe mir oft, oft, ich habe mir das oft gewunschen, dass einfach noch wer da ist, der den Kindern sagt, so geht das nicht. Und der mir hilft und mich verteidigt. Das weiß ich noch ganz gut, wie oft ich mir das gewunschen habe. Die haben ein bisschen eine Übermacht bekommen über mich

I: Ja, Ulrike, wenn dir nichts mehr einfällt, mir fällt momentan auch nichts mehr ein. Ich danke dir für das Gespräch.

G: Gern geschehn.

I: Ja, eine Bitte habe ich noch, wenn du dein Leben jetzt so als Kurve aufzeichnen müßtest, ... das sollst du jetzt machen, dass du von der Geburt bis heute, so mit Höhen und Tiefen und Aufs und Abs, das ein wenig aufzeichnest und wenn du mir dann dazusagst, wo so die Höhepunkte und die Tiefpunkte in deinem Leben sind.

G: Aha, ja, interessant. (Dauer 51 Minuten)

[...]


1 Die als wesentlich erscheinenden Passagen der aufgezeichneten Interviews wurden mittels Fettschrift hervorgehoben, sodass sie als solche erkenntlich sind.

2 Scheidung als Versagen

3 wenn sie einmal fortgehen „durfte“

4 Scheidung als Schande?

5 Diese Information ist in den Interviews nicht enthalten. Sie wurde jedoch explizit von den Kindern, wie auch von Frau Hafner selbst zu einem anderen Anlaß geäußert.

6 Auffallend ist hier der Wechsel von der „Ich“ - Erzählung zur „Du“ oder „man“-Erzählung

8 als „ungeliebtes drittes Kind“ wollte sie durch Leistung gefallen (vgl Anhang 6.2.) 25

9 Frau Hafner betont ihre Machtposition. Muss sie das so betonen, um der Realität zu begegnen? Taucht hier der Gedanke der Vermischung von Wunsch und Wirklichkeit wieder auf, so wie er von Frau Hafner schon des öfteren geäußert wurde?

10 Wunsch nach emotionaler Zuwendung

11 Scheidung als Versagen

12 wenn sie einmal fortgehen „durfte“

13 Scheidung als Schande

14 „Scheidung“ ist für Vera ein überragendes Thema

15 Aussicht auf potentielle Stiefgeschwister als Vorschub, um nicht die Ablehnung einer konkreten Person begründen zu müssen.

16 Vermischung von Wunsch und Wirklichkeit: Fehlt ein klares Zukunftsbild?

17 Die Mutter von Frau Hafner verfolgte eine gegenteilige Bewältigungsstrategie ihrer Lage. Kann sie daher die Strategie der Tochter nicht akzeptieren?

18 Abgesehen von der Hoffnung auf eine neuerliche Ehe mit ihrem Ex-Mann ist dies das einzige Zukunftsbild, das von Frau Hafner während der Interviews geäußert worden ist.

19 Frau Gold

20 Diese Frage, wie auch die beiden folgenden Fragen sind in erster Linie als Pufferfragen gedacht, um so eine Beeinflussung der darauf folgenden Frage abzuschwächen.

21 Warum wollte der Vater von Paul so unbedingt die Kinder bei sich? Aus Liebe, aus Rache, aus Sorge um die Erziehung der Kinder, aus verletztem Stolz oder um durch die Kinder die Frau wieder zurück zu gewinnen? - Diese Spekulationen könnten nur durch ein Gespräch mit Herrn Gold selbst geklärt werden.

22 Trotz geringer Entfernung kommt es kaum zu Begegnungen zwischen Paul und Frau Gold; ist das der Grund warum jetzt das Verhältnis zueinander positiver beurteilt wird?

23 Gemeinsame Gegnerschaft gegen die Mutter als Machtkampf, oder handeln sie, wie sie es beim Vater gesehen und gelernt haben?

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Rollenverhalten von Alleinerziehern und ihren Kindern
Autor
Jahr
2000
Seiten
49
Katalognummer
V97050
ISBN (eBook)
9783638097253
Dateigröße
521 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rollenverhalten, Alleinerziehern, Kindern
Arbeit zitieren
Wolfgang Rohm (Autor:in), 2000, Rollenverhalten von Alleinerziehern und ihren Kindern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97050

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