Intifada und Friedensprozess


Seminararbeit, 2000

26 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

A: Einleitung

B: Hauptteil
I. Internationale Reaktionen auf die Intifada
I.1. Die internationalen Medien
I.2. Die Reaktionen des Auslands
II. Die Wirkungen der Intifada in Israel
II.1. Die wirtschaftlichen Konsequenzen
II.2. Die politischen Konsequenzen
II.3. Die gesellschaftlichen Konsequenzen
II.4. Rabin und die Intifada
III. Die PLO und die Wirkungen der Intifada in Palästina
III.1. Die wirtschaftlichen Konsequenzen
III.2. Die politischen Konsequenzen
III.3. Die gesellschaftlichen Konsequenzen
III.4. Arafat und die Intifada

C: Schlussteil

D: Literaturverzeichnis

A: Einleitung

Am 8. Dezember 1987 fuhr ein israelischer Armeelastwagen in zwei palästinensische Pkws. Vier Palästinenser wurden getötet. Schnell verbreitete sich das Gerücht, der LKW-Fahrer hätte den Unfall absichtlich verursacht, um so den Mord an einem Israeli wenige Tage zuvor zu rächen. Bei der Beerdigung der Opfer im Flüchtlingslager Dschebalja, nahe Gaza, kam es zu ersten Unruhen. Die Armee schoss mit scharfer Munition, ein 17jähriger Palästinenser starb.1

Im Gegensatz zu vorangegangenen Aufständen beruhigte sich die Lage nicht. Bald flammten ähnliche Unruhen überall in den besetzten Gebieten auf. Hatte die PLO bisher mit Terrorakten für die palästinensische Sache gekämpft, so gingen hier Kinder, Frauen und Greise spontan auf die Straße und traten den israelischen Soldaten mit nichts anderem als Steinen in der Hand entgegen.2 Ein Wort für dieses neue Phänomen war schnell gefunden: ,,Intifada" bedeutet ,,abschütteln" und bezieht sich auf das Abschütteln der Besatzung in Gaza und im Westjordanland.3

In dieser Arbeit soll dargelegt werden, welche Bedeutung die Intifada für die israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen hatte, wie sie beide Seiten zu Verhandlungen zwang. Der Teil I. befasst sich deskriptiv mit den internationalen Reaktionen auf die Intifada. Sowohl der Einfluss der Medien wie auch der Druck internationaler Organisationen und Regierungen auf Israel und PLO wird aufgezeigt. Die Teile II. und III. sind symmetrisch angelegt, da die Entwicklungen auf beiden Seiten deutliche Parallelen zeigen. Die Konsequenzen des Aufstandes auf israelischer und palästinensischer Seite werden miteinander verglichen.

Der Friedensprozess selbst ist nicht Thema der Arbeit.

B: Hauptteil

I. Internationale Reaktionen auf die Intifada

War Israel in den Augen der Weltöffentlichkeit immer als ein um sein Überleben kämpfender Staat erschienen, hatte man den palästinensischen Freiheitskampf immer mit den Terroranschlägen der PLO gleichgesetzt, so änderte sich dieses Bild mit dem Beginn der Intifada.4 Angesichts des brutalen Vorgehens israelischer Soldaten gegen Steinewerfer und Unbewaffnete geriet die Besatzung zunehmend in die Kritik. Der immer stärker werdende Druck seitens der USA und der internationalen Presse zwangen Israel, den Aufstand schnell zu beenden oder nach anderen Lösungen zu suchen. Die von zahlreichen Seiten seit 1987 gestarteten Friedensinitiativen müssen als Reaktionen auf die Intifada gewertet werden.5

I.1. Die internationalen Medien

Die israelische Armee reagierte von Anfang an mit großer Härte auf jede Art von Provokation seitens der Palästinenser. Als in den ersten Tagen der Intifada Ausgangssperren und erhöhte militärische Präsens keine dauerhafte Wirkung zeigten, wurden Schlagstocke und scharfe Munition eingesetzt. Als demokratischer Staat konnte Israel dabei nicht verhindern, dass Fernsehteams von diesen Vorgängen berichteten. Die gesendeten Bilder führten zu einer ersten Verstimmung der westlichen Regierungen.6

Ob der damalige Verteidigungsminister Yitzhak Rabin den Befehl ,,brecht ihnen die Knochen"7 tatsächlich gegeben hat, bleibt bis heute unklar. Allein der Verdacht aber, ein solcher Befehl sei gegeben worden, führte zu großer Bestürzung in der arabischen und westlichen Welt.8

Angesichts einer kritischen Berichterstattung beschuldigte Israel vor allem amerikanische Journalisten, die Vorgänge übertrieben und subjektiv darzustellen. Besonders die jüdischen Siedler in den besetzten Gebieten wehrten sich dagegen. Ein Autoaufkleber mit der Aufschrift ,,Das Volk ist gegen die feindlichen Medien"9 fand große Verbreitung. Sogar das eigene israelische Fernsehen geriet aufgrund seiner Berichterstattung in die Schusslinie. Eine Tränengasgranate mit der Aufschrift ,,PLO-Television" landete auf dem Gelände eines israelischen Senders.

Schließlich schränkte die Armee die Bewegungsfreiheit der Presse mehr und mehr ein. Gebiete, in denen gewaltsame Aktionen durchgeführt werden sollten, wurden vorher zum Sperrgebiet erklärt. Journalisten durften diese Sperrgebiete nicht betreten. Aus bestimmten Dörfern und Städten wurde die Presse so systematisch ausgesperrt.10

Trotzdem gelangten immer wieder Details über Praktiken der israelischen Armee an die Öffentlichkeit. Am 22. August 1988 misshandelten vier Soldaten einen, am Aufstand unbeteiligten, Palästinenser in seiner Wohnung und brachten ihn anschließend in ein Militärlager, wo 20 bis 30 weitere Soldaten auf ihn einschlugen und traten, bis er nach zwei Stunden starb. Im Prozess gegen die Täter wurde die Welt zum Zeugen der unglaublichen Vorgänge innerhalb der Armee.11

Wie unangenehm die Berichte von solchen Vorfällen für Israel waren beweisen schon die Bemühungen, die Arbeit der Journalisten zu verhindern. Da es weder gelang die Intifada niederzuschlagen noch sie aus den Schlagzeilen herauszuhalten, sah sich die Regierung in Jerusalem letztendlich gezwungen, einen Weg der Verständigung mit den Palästinensern einzuschlagen.12

I.2. Die Reaktionen des Auslands

Schon am 22. Dezember 1987 reagierte der UN-Sicherheitsrat auf Israels Politik ,,der eisernen Faust"13 in den besetzten Gebieten. Die Resolution 605 wurde einstimmig angenommen, nur die USA, traditionell Schutzmacht Israels, enthielten sich:

,,Der Sicherheitsrat, [...] in der Auffassung, dass die derzeitigen Politiken und Praktiken der Besatzungsmacht Israel in den besetzten Gebieten unweigerlich schwerwiegende Folgen für die Bemühungen um die Herbeiführung eines umfassenden, gerechten und dauerhaften Friedens im Nahen Osten haben werden, beklagt zutiefst die Politiken und Praktiken der Besatzungsmacht Israel, die die Menschenrechte des palästinensischen Volkes in den besetzten Gebieten verletzen..."14

Obwohl die Vereinigten Staaten die Resolution verurteilten, sah sich die Regierung genötigt, Israels "harsh security measures and excessive use of live ammunition"15 zu kritisieren. Im Allgemeinen aber blieb die amerikanische Haltung gegenüber Israel zunächst freundlich. Der Kongress beschloss Jerusalem Schulden in Höhe von 9 Milliarden $ zu refinanzieren und garantierte eine jährliche Finanzhilfe von 3 Milliarden $.16 Im Weißen Haus erkannte man jedoch, dass die Probleme im Nahen Osten nicht allein durch Geld gelöst werden konnten. Im Februar 1988 präsentierte der US Außenminister Shultz einen Friedensplan auf Basis der UN- Resolutionen 242 und 33817. Die Verhandlungen sollten mit einer internationalen Konferenz beginnen. Ziel war die palästinensische Autonomie.

Der Plan scheiterte am Widerstand des israelischen Regierungschefs Shamir und der PLO, die darin nicht vorkam. Auch der Vorschlag des Ägyptischen Präsidenten Mubarak, der einen sechsmonatigen Waffenstillstand zwischen Israel und der PLO vorsah, scheiterte.18

Am deutlichsten war die Kritik an der Israelischen Politik von europäischer Seite.19 Nachdem die EG schon mehrere Handelsverträge mit Israel aufgrund der Vorgänge in den besetzten Gebieten eingefroren hatte, wurde Arafat im September 1988 dazu eingeladen, vor dem Europaparlament zu sprechen.20 Im Januar 1989 veröffentlichte die EG einen eigenen Nah-Ost-Friedensplan.21 Im Dezember 1988 trat eine Veränderung im Amerikanisch-Israelischen Verhältnis ein. Der PLO-Vorsitzende Arafat verurteilte am 13. Dezember vor der UN-Vollversammlung22 Terrorismus in jeder Form und erkannte für seine Organisation die UN-Resolutionen 242 und 338 an. Aufgrund dieser radikalen Abkehr der PLO von ihrer bisherigen Politik erklärte der US-Repräsentant bei den Sitzungen in Genf Vernon Walters, Israel müsse die Notwendigkeit erkennen, sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen, und die politischen Rechte der Palästinenser achten. In Jerusalem reagierte man darauf mit Verstimmung. Schamir und Peres sahen sich plötzlich isoliert. Da Washington Bereitschaft zeigte unter diesen veränderten Bedingungen einen Dialog mit der PLO einzugehen, konnte sich die Israelische Regierung nur noch bedingt auf ihren alten Verbündeten verlassen.23

Auch in der sowjetischen Nah-Ost-Politik trat seit 1987 eine Veränderung ein. Die seit 1967 abgebrochenen Beziehungen zu Israel verbesserten sich während Gorbatschow die bisher stark geförderte PLO zur Mäßigung veranlasste und seine Unterstützung für den palästinensischen Freiheitskampf zurückschraubte. So drängte er Arafat bei dessen Besuch in Moskau im April 1988 dazu, das Recht Israels auf Existenz und Sicherheit seiner Grenzen anzuerkennen.24 Im Februar 1989 reiste der sowjetische Außenminister Schewardnadse in die Region und verkündete nach einem Besuch in Damaskus seinen Nah-Ost-Plan, der sich wenig von vorherigen Vorschlägen unterschied und ohne weitere Bedeutung blieb.25 Wirkung hatte die veränderte Haltung Moskaus im Israel- Palästinensischen Konflikt vor allem auf die PLO, die sich ihres Rückhalts beraubt und zu Kompromissen gezwungen sah.26

II. Wirkungen der Intifada in Israel

Innerhalb Israels führte die Intifada zu tiefgreifenden Veränderungen. Die finanziellen Folgen waren weder für den Staat noch für die, auf palästinensische Arbeitskräfte angewiesene, Industrie leicht zu verkraften. Der Aufstand war Wahlkampfthema und veränderte die Politik der Regierung. Die innergesellschaftlichen Fronten zwischen Friedensbefürwortern und radikalen Siedlern verhärteten sich. Schließlich setzte bei Rabin, dem maßgeblichen Entscheidungsträger der folgenden Jahre, ein Umdenken ein, dass maßgeblich zu einer israelisch-palästinensischen Verständigung beitrug.

II. 1. Die wirtschaftlichen Konsequenzen

Am 4. Januar 1988 rief Hanna Siniora, der Chefredakteur einer in Ostjerusalem erscheinenden arabischen Zeitung, zu einer Reihe von Boykottmaßnahmen gegen Israel auf. Die PLO übernahm diese Vorschläge. So sollten etwa die palästinensischen Fremdarbeiter in Israel27 zu Hause bleiben und so die Wirtschaft der Besatzungsmacht treffen. Israelische Produkte, vor allem Zigaretten, Getränke und Milchprodukte, sollten nicht mehr gekauft werden. Da die Palästinenser aber auf die Einkünfte aus der Arbeit in Israel angewiesen waren und kaum über eigene Industrie verfügten, ignorierten ca. 80% der Arbeiter und Angestellten den Aufruf zum Streik.28 Trotzdem sah sich Israel gezwungen, Fremdarbeiter aus Portugal, Süd-Libanon und der Türkei ins Land zu rufen. Die palästinensischen Boykottmaßnahmen waren vor allem bei Rindfleisch, Zigaretten und Textilien erfolgreich, weil diese Produkte entweder verzichtbar waren oder selbst hergestellt werden konnten. Die israelische Textil und Schuhindustrie stützte sich zudem auf Subunternehmer in den besetzten Gebieten. Dutzende dieser Betriebe mussten schließen als die Zuliefererunternehmen wegbrachen.29 In den ersten drei Monaten des Jahres 1988 sank die industrielle Produktion in Israel um 3,5%. Für diesen Rückgang machte der israelische Wirtschaftsminister zu einem Großteil den Aufstand in den Besetzten Gebieten verantwortlich.30

Dazu kamen die immensen Kosten für den Militäreinsatz. Der Wirtschaftsberater des Generalstabes Brigadegeneral Navon bezifferte sie bis März 1990 auf ca. 1 Milliarde Mark. Das schlechte Image Israels in der Welt führte zu Verlusten in Export und Fremdenverkehr von ca. 1,2 Milliarden Mark.31

Es gibt keine offiziellen Schätzungen über die Steuerausfälle in den besetzten Gebieten. Zahlreiche Palästinenser boykottierten die israelischen Finanzämter. Wenn Steuern gezahlt wurden, so waren es wesentlich weniger als vor der Intifada, da die Einkommen in Gaza und Westjordanland durch die Intifada erheblich gesunken waren.32

II. 2. Die politischen Konsequenzen

Die am 1. November 1988 in Israel stattfindenden Knesset-Wahlen standen ganz im Zeichen der Intifada.33 In Werbespots schürten die Rechtsparteien die Angst vor der PLO und erweckten den Eindruck als bedrohe der Aufstand gegen die Besatzung unmittelbar die Existenz Israels. Der Likud versprach eine rasche gewaltsame Niederschlagung der Intifada. Die Arbeiterpartei dagegen sprach sich für das Prinzip ,,Land für Frieden" aus.34 Ihre Position war schwieriger, da linke Wählerschichten das harte Vorgehen Rabins kritisierten, während die Rechte Peres vorwarf, insgeheim doch mit der PLO verhandeln zu wollen. Die Mehrheit der Bevölkerung glaubte zu diesem Zeitpunkt noch, dass eine ,,Politik der eisernen Faust" das geeignete Mittel zur Lösung der Palästinafrage sei.35

Die Wahl brachte für die großen Parteien Likud und Arbeiterpartei, die auch schon die bisherige Regierung gebildet hatten, kaum Veränderungen. Das politischen Patt, das schon die vorangegangene Legislaturperiode bestimmt hatte, dauerte an, da beide Parteien nahezu gleich viele Stimmen erhielten . Koalitionsverhandlungen mit kleineren Parteien scheiterten. Unter dem Likud- Politiker Jitzchak Shamir kam es zu einer Neuauflage der alten Regierung der ,,Nationalen Einheit". Die beiden Parteien dieser Regierung verfolgten vollkommen unterschiedliche Ansätze bezüglich der Palästina-Frage. Mit einer Lösung des Problems war nicht zu rechnen.36

Bemerkenswert war aber der Rechtsschwenk der religiösen Parteien im Vorfeld der Wahlen und deren deutliche Stimmengewinne. Diese Parteien eigneten sich mehr und mehr die Argumentation der radikalen Siedler an und bestanden auf der Zugehörigkeit Judäas und Samarias zum Staat Israel.37 Schon im Februar 1990 befand sich die Regierung Shamir in der Sackgasse. Der zweite Mann innerhalb der Likud-Partei Ariel Sharon erklärte ohne vorherige Absprache seinen Rücktritt aus der Regierung. Seiner Ansicht nach wütete überall palästinensischer Terror und keine geeigneten Maßnahmen wurden ergriffen. Am 15. März scheiterte die Regierung an einem Misstrauensvotum. Der Vorsitzende der Arbeiterpartei Shimon Peres wurde mit der Regierungsbildung beauftragt, konnte aber keine stabile Koalition zusammenbringen.38

Erst am 8. Juni gelang es Shamir die Krise zu beenden. Zusammen mit der religiösen Shas Partei und mehreren kleinern Parteien bildete er eine neue stark rechtsorientierte Regierung, die in der Palästinafrage eine kompromisslose Haltung einnahm.39 Arafat bezeichnete das neue Kabinett als ,,Kriegskabinett" und sorgte für ein erneutes Aufflammen der Intifada.40

Im Februar 1992 beschloss die Knesset sich selbst aufzulösen, nachdem zwei kleinere rechtsextreme Parteien aus der Likud-Regierung ausgeschieden waren und keine Mehrheiten mehr zustande kamen. Neuwahlen wurden auf den 23. Juni angesetzt.41

Die Knesset-Wahlen brachten Bewegung in die festgefahrene Situation. Auch diesmal war die Problematik der besetzten Gebiete maßgebliches Wahlkampfthema. In seinen Reden sprach Rabin, der inzwischen Peres als Vorsitzenden der Arbeiterpartei abgelöst hatte, aus, was viele Israelis dachten:

,,Der Likud hat euer Geld genommen, das Geld das ihr als Steuern zahlt, und es in den besetzten Gebieten verschleudert. Er hat nichts für Israel selbst getan. Seit 15 Jahren ist nicht eine einzige Fabrik in Beersheba gebaut worden." ,,Die Wähler müssen sich entscheiden für Stagnation oder Hoffnung."42

Bei einer Umfrage unter Offizieren und höheren Beamten im Ruhestand unmittelbar vor der Wahl sprachen sich 75% für Rabins Politik aus und 90% glaubten, dass Israel mit der PLO verhandeln müsse. Die Likudregierung hatte die anstehenden Probleme nicht lösen können. Die Stimmung unter den Wählern war umgeschlagen.

Die Arbeiterpartei erhielt 44 Knessetsitze, Likud nur 32. Am 13. Juli stellte Rabin sein Kabinett vor und beendete damit eine lange Phase der Instabilität. Der Weg für erfolgreiche Friedensverhandlungen war frei.43

II. 3. Die gesellschaftlichen Konsequenzen

Die Intifada spaltete und radikalisierte die israelische Gesellschaft.44 Auf der einen Seite verfochten die Siedler in den besetzen Gebieten kompromisslos ihre Ansprüche. Auf der anderen Seite forderte die Friedensbewegung immer dringlicher einen Ausgleich mit den Arabern.45

Noch unmittelbar vor dem Beginn der Intifada war diese Bewegung nahezu eingeschlafen. Inhaltlich bewegte sich ,,Peace Now"46 im Rahmen der Vorstellungen der Arbeiterpartei. Die Organisation favorisierte die jordanische Lösung47 des Palästinaproblems und war weit davon entfernt Verhandlungen mit der PLO zu fordern. In der Palästinafrage bestand ein nationaler Konsens innerhalb der israelischen Bevölkerung. ,,Peace Now" und die meisten anderen Gruppierungen überschritten diese Linie nicht. Weder der Rückzug aus den besetzten Gebieten noch eine palästinensische Autonomie wurde gefordert.48 Mit dem Beginn des Aufstandes bekam die Friedensbewegung neuen Auftrieb. Schon in den ersten Wochen der Intifada unterschrieben Tausende Israelis einen Aufruf mit dem Titel ,,The Twenty-First Year Convenant for the Struggle Against the Occupation":

For more than half of its years of statehood, Israel has been an occupying power; the state of Israel is loosing its democratic character. The continued existence of parliamentary system of government within the Green Line cannot disguise that Israel rules over a population, the Palestinian Arabs, which is deprived of all democratic rights. The occupation, thus, is not only a deplorable situation affecting the lives of the Palestinians; it has equally pernicious effect on the very political and spiritual substance of Israeli society. The occupation has become an insidious fact of our lives. Its presence has not been confined to the occupied territories. It is , alas, among us and with us.49

Peace Now rief zu Demonstrationen gegen die Regierung auf ohne seine inhaltlichen Positionen zu verändern. Auf einer von Peace Now organisierten Veranstaltung sprach sich Faysal al-Husseini, einer der einflussreichsten Männer innerhalb der besetzten Gebiete und Vertrauter der PLO-Führung, für eine Zwei-Staaten-Lösung der Palästinafrage aus und erkannte somit indirekt das Existenzrecht Israels an. Drei Tage später wurde er von israelischen Sicherheitskräften in Haft genommen. Unter dem Eindruck dieses Ereignisses begann sich Peace Now zu wandeln.50 Nach Arafats Verzicht auf Terror am 13. Dezember 1988 forderte die Organisation erstmals direkte Verhandlungen mit der PLO. Peace Now überschritt damit eine niemals zuvor angetastete Grenze. Zum ersten Mal dachten Teile der Bevölkerung über einen Frieden mit dem alten Feind PLO nach.51

Auf der anderen Seite radikalisierten sich die Siedler in den besetzten Gebieten. Mit Märschen durch palästinensisches Land bekräftigten sie ihren Anspruch auf Westjordanland und Gazastreifen als Teil von Israel. Nicht selten kam es dabei zu blutigen Zwischenfällen. Siedlermilizen bildeten sich, die bewaffnet auf den Landstraßen patrouillierten und bei Widerstand schossen. Ein Staat im Staate begann zu entstehen. Am 18. Januar 1989 riefen radikale Siedler in Jerusalem einen eigenen Staat ,,Judäa" aus und ernannten einen rassistischen Rabbiner zum Präsidenten.52

Bei der Beerdigung eines, von Palästinensern getöteten, Siedlers wurde Ministerpräsident Schamir vom Mob als Verräter beschimpft und angegriffen. Aktivisten der Friedensbewegung, Journalisten und Künstler wurden Opfer von Terroranschlägen. Die Siedler griffen auch Soldaten handgreiflich an, wenn diese versuchten Palästinenser zu schützen.53

Die Armee bildete das Rückrat des Staates Israel. Sie allein versprach Sicherheit angesichts der von allen Seiten drohenden Feinde. Diese Armee musste sich in den besetzten Gebieten beschimpfen und mit Steinen bewerfen lassen. Sie musste kleine Kinder jagen und mit Schlagstöcken auf Frauen und alte Männer einprügeln.

,,Es gab Tage, da fürchtete ich am meisten, dass die Menschen den Militärdienst verweigern könnten"54 erklärte Dan Shomron, der Chef des Generalstabes. Seine Befürchtungen erfüllten sich zwar nicht55 aber die Moral der Truppe sank. General Amram Mitzna und seinen Männern widerstrebte ihre Aufgabe so sehr, dass ,,Ich mich nicht sehr gut fühle, wenn ich am Morgen aufwache."56 Rechtswidriges brutales und grausames Vorgehen einzelner Soldaten gegen Unbewaffnete diskreditierte die Armee moralisch.57

II. 4. Rabin und die Intifada

Die meisten israelischen Politiker begannen ihre Karriere in der Armee. Der ständige Kampf gegen ihre arabischen Nachbarn prägte sie und lehrte sie, die Palästinenser als Feinde zu betrachten. Yitzhak Rabin, der israelische Held des Sechs-Tage-Krieges, der aufgrund seiner Position in der Arbeiterpartei und seines Ansehens in der Bevölkerung von maßgeblicher Bedeutung für das israelisch-palästinensische Verhältnis war, wandelte sich unter dem Eindruck der Intifada vom ,,Falken" zur ,,Taube".58

Ze'ev Schiff, einführender israelischer Analytiker, bezeichnet die Intifada als ,,Rabins Schule".59 Rabin, 1987 Verteidigungsminister, hatte sich vor dem Aufstand nie eindringlich mit den besetzten Gebieten beschäftigt. Er betrachtete die Palästinenser nicht als Verhandlungspartner, sondern glaubte, Jordanien sei die Macht, mit der man reden müsse. Bei Ausbruch der Intifada trat er eine Reise in die USA an und maß den Ereignissen geringe Bedeutung zu. Er hielt es nicht für notwendig, vorzeitig zurückzukehren.60 Nach dem Ende seiner Reise am 21. Dezember erkannte Rabin aber bald die Tragweite des Aufstandes und nahm sich der Angelegenheit persönlich an. Im Januar 1988 befahl er die Ausgabe von Schlagstöcken um die Intifada mit ,,Kraft, Stärke und Schlägen"61 zu ersticken. Noch im Frühjahr 1988 musste er erkennen, dass ein Ersticken nicht möglich war. Die Rebellion konnte bestenfalls eingedämmt werden.62

Von ihm stammt der, später von der Regierung Shamir übernommene, Plan, Wahlen in den besetzten Gebieten abzuhalten, um mit Repräsentanten in Palästina und nicht mit der PLO in Tunis verhandeln zu müssen.63 Rabin begann Kontakte zur lokalen Palästinenserführern in den besetzten Gebieten aufzunehmen. Schließlich kam es sogar zu Treffen von Abgeordneten der Arbeiterpartei mit PLO Vertretern, die Rabin billigte.64 Die Wende in der israelischen Politik nach der Regierungsbildung durch Rabin im Juli 1992 und das Einlenken der neuen Regierung auf das Prinzip ,,Land für Frieden" sowie die Anerkennung der PLO als Verhandlungspartner sind auf die, in den Intifada-Jahren gezogen, Lehren zurückzuführen.65

III. Die PLO und die Wirkungen der Intifada in Palästina

Die Rückwirkung der Intifada auf die Palästinenser und die PLO-Führung in Tunis verlief in weiten Teilen parallel zu den Entwicklungen in Israel. Mehr noch als die Israelis spürten die Bewohner der besetzten Gebiete den ökonomischen Druck des Aufstandes. Auf politischer Ebene kam es zu Spannungen. Die PLO musste fürchten, bei einem Fortdauern der Unruhen die Kontrolle über ihre Splittergruppen zu verlieren. Von großer gesellschaftlicher Brisanz war der Konflikt zwischen sogenannten Kollaborateuren mit der israelischen Verwaltung und radikalen Palästinensern sowie das Aufkommen der fundamentalistischen Hamas. Ähnlich wie Rabin wandelte sich auch Arafat vom unversöhnlichen Gegner Israels zum Friedensbefürworter.

III. 1. Die wirtschaftlichen Konsequenzen

Die Führung der Intifada hatte versucht, wirtschaftlichen Druck auf Israel auszuüben. Am 13. Januar 1988 beschloss die israelische Regierung die Intifada durch wirtschaftlichen Gegendruck in die Knie zu zwingen. Sie gestattete der Armee, willkürlich Ausgangssperren zu verhängen und Orte zu militärischem Sperrgebiet zu erklären. Die Bewohner der betreffenden Städte und Ortschaften konnten nicht mehr zur Arbeit gehen, die Bauern ihr Vieh und ihre Felder nicht mehr versorgen. Tankstellen wurden gesperrt und Telefonleitungen unterbrochen. Um den Widerstand der Bewohner des Dorfes Kabatije im Norden Samarias zu brechen, stellte die israelische Verwaltung von Februar bis Juni 1988 Wasser und Strom ab. Palästinenser in der Umgebung Hebrons litten unter Ausfuhrverboten für ihre Wein und Obsternte, die nicht über den Jordan transportiert werden durfte. Verstöße gegen Ausgangssperre und Exportverbot wurden mit aller Härte bestraft.66 Im Westjordanland wurden viele Dörfer während der Olivenernte zum Sperrgebiet erklärt. Die Früchte verdarben. Zusätzlich fällten radikale Siedler viele Bäume oder zündeten sie an, während die Bewohner ihre Häuser nicht verlassen durften. In anderen Orten wurden Olivenpressen beschlagnahmt, um die Nachzahlung ausstehender Steuern zu erzwingen. Derartige Maßnahmen trafen die Bevölkerung besonders hart, da Oliven in der Region die bedeutendste Einnahmequelle darstellen.67

Die PLO versuchte den so getroffenen Familien finanziell zu helfen. Auch die Außenminister der Arabischen Liga erklärten ihre Bereitschaft, Geld in einen Fond zur Unterstützung der Intifada einzuzahlen, aber die israelische Regierung verbot die Überweisung größerer Summen in die Besetzten Gebiete und kontrollierte die Übergänge über den Jordan.68

Im Mai 1988 fand die Militärverwaltung ein geeignetes Mittel, um die Palästinenser zur Aufgabe ihres Steuerboykotts zu zwingen. Die Kennkarten, die die Bewohner der besetzten Gebiete ständig bei sich tragen mussten, wurden ungültig erklärt. Neue Kennkarten erhielten nur diejenigen, die ihre Steuerschuld beglichen. Die gleichen Bedingungen galten auch bei der Einführung neuer Nummernschilder für Autos im Juli 1988. Ohne Kennkarte und Nummernschild waren die Palästinenser von ihren Arbeitsstellen in Israel abgeschnitten und die Familien blieben ohne Einkommen.69 Ab März 1991 wurde ein spezieller Erlaubnisschein zur Einreise nach Israel benötigt. Personen, die im Verlauf der Intifada in Gewahrsam genommen worden waren, erhielten diese Scheine nicht.70

Die Führung der PLO bemerkte die Gefahr früh. Unter einem existenzbedrohenden wirtschaftlichen Druck bestand die Möglichkeit eines Zusammenbruchs des Aufstandes.71 Arafat erkannte die Notwendigkeit einer neuen politischen Initiative seitens der PLO.72

III. 2. Die politischen Konsequenzen

Während auf israelischer Seite schon vor der Intifada einzelne Personen wie Shimon Peres einen Frieden anstrebten, und der Aufstand lediglich die Modalitäten dieses Friedens veränderte und dem Friedenswunsch zum Durchbruch verhalf, stand die PLO Israel noch 1987 geschlossen feindlich gegenüber. Die Führung in Tunis war vom Ausbruch der Intifada vollkommen überrascht. Der Aufstand war nicht geplant gewesen und niemand erahnte welches Ausmaß er erreichen würde. Für die PLO stellte sich die Aufgabe den spontanen Volkszorn zu ordnen und sich an seine Spitze zu stellen.73 Dabei stand die Intifada im Gegensatz zu den bisherigen Strategien der PLO. Der Aufstand stützte sich, statt auf Terror und Unterstützung von arabischen Nachbarn, auf den zivilen Ungehorsam der Massen innerhalb des eigenen Volkes und die Symphatie der internationalen Öffentlichkeit . Die Volksbewegung erweckte den Eindruck innerer Einigkeit, aber unter der Oberfläche bestanden schon in einer frühen Phase große Differenzen zwischen gemäßigten Palästinensern, die Israel durch den Druck der Straße zu Verhandlungen zwingen wollten, und Radikalen, die an eine gewaltsame Vertreibung der Israelis glaubten.74

In den besetzten Gebieten bildete sich eine ,,Vereinigte Nationale Führung" zur Koordinierung von Protest und Widerstand. Obwohl sich die Vereinigte Nationale Führung der PLO unterordnete und eng mit ihr zusammenarbeitete war sie trotzdem ein Konkurrenz zur Führung in Tunis. Ihre Gründung kann als Reaktion einer jungen Generation auf die Erfolglosigkeit der PLO in den Jahren vor der Intifada gewertet werden.75

Die PLO musste Wege finden auf diese neue Situation zu reagieren. Sie musste Erfolge vorweisen, um die Kontrolle über die besetzten Gebiete nicht zu verlieren. Eine neue politische Initiative bot einzig die Möglichkeit solche Erfolge zu erzielen.76

Dazu eröffnete sich eine Gelegenheit als König Hussein von Jordanien am 31. Juli 1988 jegliche Ansprüche auf Palästina fallen ließ und die Verantwortung für die besetzten Gebiete somit der PLO übertrug. Die USA und Israel hatten bis zu diesem Zeitpunkt geglaubt, mit Jordanien über Gaza und Westjordanland verhandeln zu können. Diese Möglichkeit brach plötzlich weg.77

Für die PLO bot dies die Chance, als Verhandlungspartner anerkannt zu werden. Dazu musste sie sich aber flexibel und gemäßigt zeigen. Einzelne Mitglieder der Organisation erkannten die Notwendigkeit, eine Zwei-Staaten- Lösung der Palästinafrage zu akzeptieren und sich mit der Existenz Israels abzufinden.78

In Israel waren es Wahlen, die den Friedensbefürwortern zum Durchbruch verhalfen. Auf Seite der PLO erfolgte der Umschwung auf einer, von Arafat sorgfältig vorbereiteten, Sitzung des Palästinensischen Nationalrates in Algier.79 Wie die Knesset war auch der Nationalrat in zahlreiche Fraktionen gespalten, wobei die Friedensgegner dominierten. Es ist Arafats strategischem Geschick zu verdanken, dass sich trotzdem der gemäßigte Flügel durchsetzte.80 Die Abschlusserklärung der Konferenz war sehr wage formuliert, aber enthielt eine Absage an Terrorismus und die Anerkennung von UN-Resolution 242, ohne jedoch den Staat Israel anzuerkennen.81 Gleichzeitig demonstrierte Arafat durch die Ausrufung eines Staates Palästina am 15. November 1988 die alleinige Zuständigkeit seiner Organisation für Verhandlungen.82 Auf der Basis der Abschlusserklärung hielt Arafat seine Rede vor der UN- Vollversammlung in Genf am 13. Dezember 1988, ging aber weit über die Erklärung hinaus:

,,Ich komme zu Ihnen im Namen meines Volkes und biete Ihnen meine Hand, damit wir wahren Frieden schließen können, Frieden auf der Grundlage von Gerechtigkeit. Ich bitte die Führer Israels, hierher zu kommen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen [...]. Kommen Sie, lassen sie uns Frieden schließen. Werft Furcht und Einschüchterung von Euch ab. Lasst das Gespenst der Kriege hinter Euch, die in den vergangenen vierzig Jahren ununterbrochen gewütet haben."83

Am 14. Dezember erklärte er auf einer Pressekonferenz den Verzicht seiner Organisation auf jede Form von Terrorismus und anerkannte Israel und sein Recht auf Sicherheit.84 Der Weg für Friedensverhandlungen war frei.

III. 3.Die gesellschaftlichen Konsequenzen

Es ist gezeigt worden wie die Intifada begann die israelische Gesellschaft zu spalten. Ähnliche Tendenzen gab es auch in den besetzten Gebieten. Palästinenser, die mit der Militärverwaltung kooperierten, oder sich den Anweisungen der Vereinigten Nationalen Führung widersetzen, wurden als Kollaborateure verfolgt. Palästinensische Bürgermeister waren besonders davon betroffen. Wenn sie den Kontakt zur Israel abbrachen, mussten sie mit Repressionen seitens der Armee rechnen. Taten sie das aber nicht, gerieten sie in die Schusslinie der eigenen Bevölkerung.

Die Vereinigte Nationale Führung rief zur Ermordung von Kollaborateuren auf.

Den 26. April 1989 erklärte sie zum ,,Tag zum Begleichen offener Rechnungen mit den Kollaborateuren."85 Bis Ende August 1989 töteten Palästinenser ca. 100 ihrer Landsleute.

Parallel zur orthodoxen Siedlerbewegung in Israel entstand in den besetzten Gebieten eine fundamentalistische Massenbewegung: Die Hamas. Scheich Achmed Jassin gründete sie im Frühjahr 1988. Ihre Anhänger vermummten sich nicht wie die PLO-Symphatisanten mit schwarz-weißen oder schwarz- roten Kopftüchern, sondern trugen schwarze Kapuzen. Bald gab es handgreifliche Zusammenstöße zwischen der säkularen PLO und Hamas. Die Fundamentalisten hatten starken Zulauf. In den Flüchtlingslagern fühlten sie sich der PLO bald überlegen.86

Das Programm der Hamas war radikaler als das anderer palästinensischer Organisationen. Palästina wurde zum unveräußerlichen Eigentum des Islam erklärt und ein heiliger Krieg gegen Israel wurde ausgerufen.87 Es ist einleuchtend, dass sich die latenten Spannungen88 zwischen beiden Organisationen spätestens mit der Erklärung des Palästinensischen Nationalrates von Algier zum offenen Bruch ausweiten mussten.89 Als Hamas eine enge Zusammenarbeit mit marxistischen Dissidentengruppen innerhalb der PLO entwickelte, war Arafats gemäßigtes Lager ernsthaft gefährdet.90

Nur durch ein Erfolg bei seinen Bemühungen um Frieden konnte er seine Position sichern.

III. 4. Arafat und die Intifada

Für Arafat bedeute die Intifada die letzte Möglichkeit seinen Lebenstraum, die Befreiung der Palästinenser von der israelischen Besatzung, zu verwirklichen. Längst hatten die arabischen Staaten ihr Interesse an der Palästinafrage verloren. Keiner der großen Männer der Region war mehr bereit, für das bedrängte Nachbarvolk in den Krieg zu ziehen.91

Arafat erkannte, dass die Bewohner der besetzten Gebiete alleine zu schwach waren, um den israelischen Feind von ihrem Land zu vertreiben. Terror hatte in den vergangenen Jahrzehnten keine Wirkung gezeigt und an einen bewaffneten Volksaufstand war nicht zu denken. Arafat glaubte, dass auch der unbewaffnete Aufstand, dessen Zeuge er wurde, langfristig unter dem militärischen und ökonomischen Druck Israels zusammenbrechen würde. Er suchte nach einer neuen politischen Initiative. Schon im Januar 1988 sprach er in einem Interview mit der Washington Post von der Bildung einer Exilregierung und schloss eine Anerkennung Israels in den Grenzen von 1967 nicht aus.92

Von der Sinnlosigkeit weiterer Konfrontation mag ihn auch die Ermordung seines engen Vertrauten Abu Jihad am 16. April 1988 überzeugt haben. Jihad galt als Organisator der Intifada. Ein israelisches Kommando erschoss ihn in seiner Villa in Tunis.93

Mit dem Aufkommen der Vereinigen Nationalen Führung und der Hamas wuchs für ihn die Gefahr, die Kontrolle zu verlieren. Dazu äußerte sich Shimon Peres:

,,Wissen Sie, ich habe mich definitiv für den Friedensprozess entschieden, als ich etwas erkannt hatte, [...] nämlich das Yasir Arafat so schwach geworden war, dass er möglicherweise stürzen würde."94

Anders als für die israelischen Politiker wurde der Friedensprozess für Arafat zur Existenzfrage.

C: Schlussteil

Sicher kann der Nahost Friedensprozess nicht allein aus der Intifada erklärt werden. Unter dem Einfluss des Aufstandes entwickelten sich auch Elemente, die heute zu den größten Gegnern des Friedens gehören wie radikale Siedler und islamische Fundamentalisten. Die Frage, inwieweit diese Ergebnisse für das spätere Stocken der Verhandlungen nach Rabins Ermordung verantwortlich sind, bleibt offen. Es ist aber deutlich, dass die Intifada der maßgebliche Antrieb für Friedensverhandlungen war. Weil die Situation für beide Seiten über das erträgliche Maß hinaus eskalierte, wuchs die Bereitschaft Kompromisse zu schließen. Die Gemäßigten auf israelischer und palästinensischer Seite sahen sich gezwungen Verbesserungen herbeizuführen, um nicht von den Radikalen von ihren Positionen verdrängt zu werden. Da die Intifada bewies, dass in diesem Fall durch Konflikt keine Lösungen zu erreichen waren, blieb nur der Weg des Konsens.

D: Literaturverzeichnis

- Bishara, Azmy (1990): The Uprising's Impact on Israel, in :Lockman, Zachary und Beinin, Joel (Hrsg.), Intifada The Palestinian Uprising Against Israeli Occupation, London, New York: S. 231-252

- Chomsky, Noam (1990): The Intifada and the Peace Process, in: Fletcher Forum, Jg. 14, S.345-353

- Golan, Galia (1997): Moscow and the PLO The Ups and Downs of a Complex Relationship, in: Sela, Avraham und Ma'oz, Moshe (Hrsg.): The PLO and Israel From Armed Conflict to Political Solution, 1964-1994, New York: S. 121-140

- Gowers, Andrew und Walker, Tony (1994): Arafat hinter dem Mythos, Hamburg, Europäische Verlagsanstalt (Orginal: Behind the Myth: Yasser Arafat and the Palestinian Revolution, London, 1990)

- Hartung, Arnold (1978): Die VN-Resolutionen zum Nahost-Konflikt, Berlin, Berlin Verlag

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- Neff, Donald "Middle East History: It Happened in December The Intifada Erupts, Forcing Israel to Recognize Palestinians." <http://www.whasington- report.org/backissues/1297/9712081.htm>. Dezember 1997

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- Peretz, Don (1990): The Intifada and Middle East peace, in: Survival, Jg. 32, S. 387-401

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- Rubin, Barry (1994): Revolution Until Victory? The Politics and History of the PLO, Cambridge (Massachusetts), London (England): Harvard University Press

- Schreiber, Friedrich (1990): Aufstand der Palästinenser Die Intifada, Opladen, Leske + Budrich

- Shindler, Colin (1991): Ploughshares into Swords? Israelis and Jews in the Shadow of the Intifada, London New York, I. B. Tauris & Co Ltd

[...]


1 Vgl. Schreiber, S.14 f.

2 Vgl. O'ballance, S. 26.

3 Vgl. Schreiber, S. 13.

4 Vgl. Rubin, S. 86.

5 Vgl. Peretz, S.387.

6 Vgl. O' Ballance, S. 31 f.

7 Vgl. Horovitz, S. 121 f.

8 Vgl. O'balance, S. 83.

9 Vgl. Schreiber, S. 19. Zu der weit weniger offenen Berichterstattung in den israelischen Medien vgl. auch Colin, S. 177 f.

10 Vgl. Schreiber, S. 67und O'Ballance, S. 33 f.

11 Vgl. Schreiber, S. 78 f. Der beschriebene Fall ist nur einer von zahllosen Verstößen gegen Menschlichkeit und geltendes Recht, die von Journalisten aufgedeckt wurden oder in Prozessen ans Tageslicht kamen.

12 Vgl. Neff, S. 4.

13 Der Ausdruck stammt von Yitzhak Rabin. Vgl. O'Ballance, S. 33.

14 Vgl. Harttung, S.345.

15 Vgl. Neff, S. 2.

16 Vgl. Neff, S.2.

17 Vgl.Harttung (Übers.), S. 191 sowie S. 252. Die Resolution 242 garantiert Israel seine Existenz innerhalb gesicherter Grenzen, Resolution 338 fordert die Einleitung von Friedensverhandlungen.

18 Vgl. O'Ballance, S. 38.

19 Vgl. Chomsky, S. 345.

20 Vgl. O'Ballance, S. 53 sowie Schreiber, S. 158.

21 Vgl. O'Ballance, S. 60 f.

22 Die Versammlung übersiedelte für einen Tag nach Genf, da Arafat kein Visum für die USA erhalten hatte und die Delegiertren auf seine Anwesenheit bestanden.

23 Vgl. O'Ballance, S. 58 f. sowie Schreiber, S 164 f. Tatsächlich kritisierte die US-Regierung von diesem Zeitpunkt an unverhohlen Fehlentwicklungen der israelischen Politik. Zur Kürzung von US-Hilfen an Israel wegen seiner starren Haltung vgl. O'Ballance, S. 75 f. Zur US-Kritik am Siedlungsbau vgl. Horovitz, S. 145. Zur US-Reaktion auf Shamirs Rechtsregierung im Juni 1990 vgl. O'Ballance, S. 83.

24 Vgl. Gloan, S 126. Es ist nicht klar inwieweit die Intifada diese Umkehr der Sowjetischen Außenpolitik bewirkt hat . Sicherlich entsprach der Wunsch nach Frieden im Nahen Osten und der Beilegung von Stellvertreterkonflikten Gorbatschows globaler politischer Konzeption und musste nicht erst durch den Aufstand angeregt werden. Trotzdem bot die Intifada der UDSSR den Anlass als Vermittler in der Region aufzutreten.

25 Vgl. Schreiber, S. 168f.

26 Vgl. Golan, S. 130.

27 Im letzten Quartal 1987 waren ca. 114 000 Palästinenser in Israel beschäftigt.

28 Vgl. Schreiber, S. 50 ff.

29 Vgl. Bishara, S. 227.

30 Vgl. Bishara, S. 225 f.

31 Vgl. Schreiber, S. 146.

32 Vgl. Bishara, S. 228.

33 Vgl. Peretz, S. 394.

34 Vgl. Peretz, S. 394.

35 Vgl. Schreiber, S. 152 f.

36 Vgl. O'Ballance, S. 54 f. sowie Schreiber, S. 155.

37 Vgl. Schreiber, S. 155 f. Im offiziellen israelischen Sprachgebrauch kommen die Wörter ,,Gaza-Streifen" und ,,West-Jordan-Land" nicht vor. Stattdessen spricht man von Judäa und Samaria.

38 Vgl. O'Ballance, S. 78 f.

39 Vgl. Horovitz, S. 136.

40 Vgl. O'Ballance, S. 82 f.

41 Vgl. Horovitz, S. 141sowie O'Ballance, S. 119.

42 Zitiert nach Horovitz, S 143.

43 Vgl. O'Ballance, S. 126.

44 Vgl. Peretz, S. 394.

45 Vgl. Peretz, S. 387.

46,,Peace Now" ist die größte und bekannteste Organisation innerhalb der israelischen Friedensbewegung.

47 Unter ,,jordanischer Lösung" versteht man den Ansatz der Arbeiterpartei die besetzten

Gebiete nicht in die Autonomie zu entlassen sondern langfristig an den jordanischen Staat zu übergeben. Als König Hussein von Jordanien dies ablehnte und erklärte, die PLO sei die einzig rechtmäßige Vertretung der Palästinenser war dieser Lösung der Boden entzogen.

48 Vgl. Karminer (1990), S. 232.

49 Zitiert nach Karminer (1990), S.238 . Peretz dagegen behauptet, eine Wirkung der Intifada innerhalb der israelischen Gesellschaft sei kaum spürbar gewesen. Vgl. Peretz, S. 396.

50 Vgl. Karminer (1990), S. 243f.

51 Vgl. Kaminer (1996), S. 110f.

52 Vgl. Schreiber, S. 131 ff.

53 Vgl. Schreiber, S. 135 ff.

54 Zitiert nach Horovitz, S. 130.

55 Horovitz spricht sogar von ansteigenden Freiwilligenzahlen. Peretz behauptet dagegen die Kriegsdienstverweigerungen seien stark angestiegen. Vgl. Peretz, S. 396.

56 Zitiert nach Gowers, S. 402.

57 Vgl. Schreiber, S. 77 ff.

58 Vgl. Rolef, S.254 und 265. Anders verhält es sich jedoch mit Shimon Peres. Zunächst ebenfalls ein unversöhnlicher Gegner jeglicher Verhandlungen mit der PLO wandelte er sich schon vor der Intifada zum Friedensbefürworter. Auf die Frage ob Israel auch ohne die Intifada nach Oslo gefahren wäre antwortete er: ,,Ja, ganz sicher. Das war unsere Wahl; wir wollten nicht gegen ihren Willen über die Palästinenser regieren. Wir haben die ganze Zeit über nach einer Möglichkeit gesucht, sie von unserer Besatzung und uns von der Rolle der Besatzer zu befreien." Vgl. Littell, S. 117. Peres Ansichten sind keinesfalls repräsentativ.

59 Zitiert nach Horovitz, S. 122 f.

60 Vgl. Schreiber, S. 18.

61 Zitiert nach Horovitz, S. 127.

62 Vgl. Horovitz, S. 127-129 sowie Litvak(1989), S 246 und Peretz, S.398.

63 Vgl. Rolef, S. 262.

64 Vgl. Horovitz, S. 130-132 sowie Litvak(1989), S. 242.

65 Vgl. O'Ballance, S. 126-128 sowie Horovitz, S.132 f.

66 Vgl. Schreiber, S. 95 f.

67 Vgl. Schreiber, S. 97 f.

68 Vgl. O'Ballance, S. 44 sowie Peretz, S 391.

69 Vgl. Schreiber, S. 99.

70 Vgl. O'Ballance, S. 103.

71 Vgl. Peretz, S. 388.

72 Vgl. Gowers, S. 407.

73 Vgl. Gowers, S. 403.

74 Vgl. Rubin, S.87.

75 Vgl. Litvak (1997), S. 180 f.

76 Vgl. Gowers, S. 403.

77 Vgl. Gowers, S. 428 ff.

78 Vgl. Rubin, S. 101 f.

79 Vgl. Peretz, S. 393.

80 Vgl. Gowers, S. 438 f.

81 Ein so weitgehender Schritt hätte zu diesem Zeitpunkt noch keine Mehrheit gefunden. Trotzdem war mit der Anerkennung von Resolution 242 ein erster Schritt in dieser Richtung getan.

82 Vgl. Rubin, S. 104 f.

83 Vgl. Gowers, S. 446.

84 Vgl. Gowers, S. 450 sowie Chomsky, S. 352.

85 Vgl. Schreiber, S. 58 f.

86 Vgl. Schreiber, S. 117 f.

87 Vgl. O'Ballance, S. 52.

88 Vgl. Peretz, S. 391.

89 Vgl. Schreiber, S. 121.

90 Vgl. Schreiber, S. 122.

91 Vgl. Gowers, S. 400.

92 Vgl. Gowers, S. 406 f.

93 Vgl. O'Ballance, S.45 ff.

94 Vgl. Littell, S. 105.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Intifada und Friedensprozess
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
1,7
Autor
Jahr
2000
Seiten
26
Katalognummer
V97057
ISBN (eBook)
9783638097321
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Intifada, Friedensprozess
Arbeit zitieren
Florian Pressler (Autor:in), 2000, Intifada und Friedensprozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97057

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