Chiapas - Die erste postmoderne Revolution - Der Aufstand der Zapatisten


Hausarbeit, 1999

15 Seiten, Note: 2


Leseprobe


INHALT

1.Einleitung

2. Der Hintergrund
2.1. Geschichtliches
2.2. Das politische System Mexikos
2.3. Mexikos Indígenas

3. Die EZLN
3.1. Die Entstehung der EZLN
3.2. Die Struktur der EZLN

4. Der Aufstand

5. Resümee

1. EINLEITUNG

1,,Als wir aus den Bergen herunterstiegen, beladen mit unseren Rucksäcken, unseren Toten, unserer Geschichte, kamen wir in die Stadt, um das Vaterland zu suchen. Das Vaterland, das uns im letzten Winkel des Landes vergessen hatte, im isoliertesten, ärmsten, dreckigsten Winkel, in der schlimmsten Ecke."2

Als die Zapatisten 1994 aus dem Dschungel von Chiapas kamen, wußte kaum jemand in Mexiko wer sie waren und was sie eigentlich wollten. Doch haben sie es in kurzer Zeit geschafft, ihre Probleme und Ziele an eine breite Öffentlichkeit zu tragen. Ihr Aufstand prägt bis heute die Innenpolitik Mexicos und fand auch auf internationaler Ebene ein großes Medienecho. Inhaltlich läßt er sich eindeutig in den Nord-Süd-Konflikt einordnen (sowohl global gesehen als auch aus rein mexikanischer Perspektive).

Interessant sind aber vor allem die einzigartige Struktur und die neuartigen Methoden dieser Guerilla. Der Aufstand der EZLN (Ejército Zapatista de Liberatión Nacional) ist daher weniger der Versuch der ,,letzten zentralamerikanischen Revolution" als vielmehr der der ,,ersten postmodernen3 Revolution".4

Doch wie ist es zum Aufstand 1994 gekommen?

Und wie sieht eine Revolution im zwanzigsten Jahrhundert aus, deren Anliegen weltweit per Internet abgerufen werden können?

2. HINTERGRUND

2.1. Geschichtliches

Die Informationen dieses Abschnitts wurden den beiden Büchern ,,Der Konflikt in Chiapas" und ,,Mexico heute" entnommen.

Vor der Eroberung durch die Spanier war Chiapas ein Zentrum der Maya- Kultur. 300 n. Chr. entstanden die ersten Städte.

Um 1200 n. Chr. wurden nach internen Schwierigkeiten und damit verbundenen Wanderbewegungen die großen Städte verlassen. Es bildeten sich kleinere Reiche verschiedener Völker (vor allem Tzotziles, Tzeltales und Mames). Diese wurden von den aus dem Norden einwandernden Chiapaneken unterworfen.

1522 begann die spanische Conquista. Nach der gewaltsamen Eroberung durch die Spanier wurde die Provinz Chiapas der Verwaltung von Mexico-Stadt, nach 1531 jedoch der Audiencia von Guatemala unterstellt.

1541 kam der Bischof Bartolomé de las Casas nach Chiapas. Etliche der damals entstandenen Gemeinden existieren heute noch (z.B: Comitán, Teopisca...). Seine Schriften zur erschütternden Lage der Indígenas5 im Kolonialreich trugen entscheidend zur Beendigung der Versklavung der Indígenas bei. Sie stellten einen Meilenstein in Richtung der Entwicklung der Menschenrechte dar.

So liegt der Vergleich mit seinem heutigen Nachfolger in diesem Amt nahe. Bischof Samuel Ruiz, der als Vermittler zwischen EZLN und Regierung auftritt und bereits für den Friedensnobellpreis vorgeschlagen wurde.

Im 17Jhdt. kam es zu einer Wirtschaftskrise und dadurch zu einem massiven Bevölkerungsrückgang. 1712 rebellierten 20 Dörfer der Tzeltales und Tzoziles vereinigt gegen die weltliche Verwaltung und die Kirche. Trotz Niederschlagung des Aufstandes, blieben einige Verbesserungen der Lage der Indígenas erhalten.

1810 wurde eine weitere Erhebung gegen die spanische Herrschaft niedergeschlagen. General Augustine Iturbine schloß sich den Aufständischen an, erklärte 1821 Mexiko für unabhängig und wurde von der Armee zum Kaiser ausgerufen.

1823 wurde er jedoch von den Republikanern gestürzt und erschossen.

In Chiapas gab es schon länger Diskussionen darüber, ob die Provinz zu Guatemala oder Mexico gehören solle. Nach dem Sturz Iturbines erklärte sich Chiapas für unabhängig. Es wurde jedoch eine Volksabstimmung abgehalten, um die Staatszugehörigkeit zu entscheiden. 1824 entschied sich die Bevölkerung definitiv für den Beitritt zum mexikanischen Bundesstaat. Dieser verspätete Anschluß zeigt bis heute seine Wirkung, in jahrzehntelanger Vernachlässigung durch die Zentralgewalt, aber auch in der Romantisierung der Aufstandsbewegung durch die mexikanische Linke.

1910 kam es anläßlich der Wiederwahl Diaz´, (unter dessen Herrschaft es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung gekommen war, von dem allerdings nur kleine Teile der Bevölkerung profitierten), zum Ausbruch der mexikanische Revolution. Unter der Führung des gemäßigten Ignacio Madero beteiligte sich auch der Bauernführer Emiliano Zapata. (1910 verfügte 1% der Bevölkerung über 96% des Grund und Bodens.) Diaz trat zurück und Madero übernahm die Regierung, nach dessen Ermordung General Huerta und ab 1914 Venustiano Carranza. Dessen Verfassung von 1917 das Ende der Revolution darstellte. 1919 wurde Emiliano Zapata, der die Verfassung ablehnte, von Regierungstruppen ermordet.

1943 versuchte Lázaro Cárdenas, der neue Präsident, die in der Verfassung festgelegte Bodenreform durchzuführen, was jedoch nur teilweise gelang.

1968 kam es zu einer Studentenrevolte, die mit einem Massaker auf dem ,,Platz der drei Kulturen" (Mexiko-City) beendet wurde.

1988 wurde Carlos Salinas de Gotarí zum Präsidenten gewählt. Die Oppostion protestierte heftig und warf seiner Partei, der PRI, Wahlbetrug vor. Im letzten Jahr seiner Amtszeit begann der Aufstand in Chiapas.

2.2. Das politische System Mexikos

Mexiko hat zwar seit der Revolution von 1917 eine fortschrittliche demokratische Verfassung, de facto wird das Land aber von der seit 1929 ununterbrochen regierenden PRI (Partido Revolucionario Institucional, ,,Partei der institutionalisierten Revolution") kontrolliert. Diese durchdringt alle Ebenen der Gesellschaft und ist praktisch mit dem Staat ident.

Erst in den letzten Jahren werden Oppositionsparteien wie die linksgerichtete PRD (Partio de la Revolución Democrática) und die rechtsgerichtete PAN (Partido de la Acción Nacional) stärker.

Seit Jahrzehnten sind Wahlen in Mexiko ein kontroversielles Thema. Zwei Aspekte stehen dabei im Zentrum des Interesses: Wahlbetrug und Wahlenthaltung.

Der Regierungspartei wird: Fälschung der Wahllisten, mehrfache Stimmenabgabe, Stimmenkauf, Kontrolle der Stimmabgabe, Raub der Wahlurnen und unkorrekte Auszählung vorgeworfen. Dennoch sind die Wahlerfolge6 der PRI nicht generell in Frage zu stellen. Auch wenn Ergebnisse oft beschönigt und in einigen Fällen auch entscheidend manipuliert wurden, ist die tatsächliche Akzeptanz der PRI beachtlich.

2.3. Mexikos Indígenas

14% der ca. 90 Mio. Einwohner Mexikos sind Indígenas, die sich auf 56 indigene Völker verteilen und oft kein oder wenig Spanisch sprechen. Sie sind vor allem in den südlichen Bundesländern, wie zum Beispiel Chiapas, konzentriert, wo sie auch ihre Kultur besser erhalten konnten. Sozial gesehen bilden die Indígenas die unterste Schicht der mexikanischen Gesellschaft. Die besitzlosen ,,campesinos" (Bauern, Landarbeiter) sind fast ausschließlich Angehörige indigener Völker.

Die Landreform, die der Indígenaführer Emiliano Zapata in der mexikanischen Revolution forderte und die auch in der Verfassung von 1917 verankert ist, wurde nie wirklich durchgeführt. Dennoch erklärte sie Präsident Salinas (PRI, 1988-1994), im Zuge seiner neoliberalen Wirtschaftspolitik, für beendet. Grund und Boden befindet sich noch immer fast ausschließlich in der Hand von Großgrundbesitzern, die mit ihren bewaffneten ,,guardias blancas" die ländliche Bevölkerung repressiv unter Kontrolle halten.

Im südlichen Bundesstaat Chiapas (Dieser hat mit ca. 27% den zweithöchsten Anteil an Indígenas.) ist die Lage besonders prekär:

31% der Bevölkerung von Chiapas sind Analphabeten (Mexiko: 13%), 42% der Haushalte haben kein fließendes Wasser (Mexiko: 21%), 33% keine Elektrizität (Mexiko: 12%)7, obwohl 55%8 des durch Wasserkraft in Mexiko erzeugten Stromes aus Chiapas kommt. 54% der Bevölkerung leiden an Unterernährung, pro 1000 Einwohner gibt es 0,3 Krankenhausbetten (Mexiko: 0,9)9. Dabei ist Chiapas, gemessen an Rohstoffen, sehr reich: Hier liegen die größten Erdölvorräte Mexikos , 35% des mexikanischen Kaffees kommen von hier. Auch Viehzucht und Maisanbau sind in der Hand von Großgrundbesitzern und für den Export bestimmt10. Die Ausbeutung der Rohstoffe wird aber nicht durch Investitionen ausgeglichen. Stattdessen bleibt der ,,kapitalistische Stempel: ökologische Zerstörung, Landvertreibung, Hyperflation, Alkoholismus"11. Die wirtschaftliche Lage in Chiapas, wie überhaupt in ganz Mexiko, hat sich nach der ,, Durchsetzung der neoliberalen Restrukturierung ab1982"12 immer weiter verschlimmert. Vor alllem das NAFTA - Abkommen (North Amerikan free Trade Agreement bzw. Area), das 1994 den mexikanischen Markt für die USA öffnete, wird vielfach als Todesstoß für die campesinos angesehen. Ihre kleinbäuerliche Produktionsweise hat gegen die hochtechnisierte Massenproduktiion des nördlichen Nachbarns keine Chance.

All dies bildete den Nährboden, auf dem die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung wuchs.

3. Die EZLN

3.1. Die Entstehung der EZLN

Zu Beginn der 80er Jahre zogen sich einige Intellektuelle, mit marxistisch leninistischem Gedankengut, in den Südosten Mexikos, in den Lacandona-Dschungel und die Berge zurück. Sie waren zu der Überzeugung gelangt, daß ein friedlicher Wandel nicht mehr möglich sei und begannen mit dem Aufbau einer politisch-militärischen Organisation, im Stile der lateinamerikanischen Guerillias der 60er- und 70er-Jahre.

Das Bemühen, in der ungewohnten Umgebung zu überleben, brachte sie bald in Kontakt mit der indigenen Bevölkerung. Es setzte ein gegenseitiger Lern- und Anpassungsprozeß ein: Die Indígenas brauchten militärische Bildung, um sich gegen die Repression der Landbesitzer wehren zu können, und die Guerilleros eine soziale Basis. Die EZLN öffnete sich für die Indígenas und wich in der Folge von ihrer inadaequat gewordenen Dogmatik immer mehr ab. Vielmehr übernahm sie das dort übliche Prinzip der Kollektiventscheidungen.

Ab 1992 erhielt die EZLN großen Zulauf und bestand nun fast ausschließlich aus Indígenas. Sie unterstellte sich nun den indigenen Gemeinden.

3.2. Die Struktur der EZLN

Im Vergleich zu anderen Guerilla-Bewegungen auf der ganzen Welt fällt die EZLN durch ihre basisdemokratische Struktur auf. Die zapatistischen Dörfer, die die EZLN materiell unterstützen, treffen alle wichtigen Entscheidungen direkt und demokratisch. Diese werden an das ,,Geheime Revolutionäre Indígena Komitee" (CCRI-CG - Comite Clandestina Revolutionaria Indigena - Comandancia General), die Generalkommandatur der EZLN, weitergegeben und ausgeführt. Das CCRI besteht aus den unterschiedlichsten Leuten aus verschiedenen Dörfern und ist durch seine geheime dezentrale Struktur praktisch unzerstörbar. Die militärische Führung der EZLN, die ,,comandantes und ,,mayores" sowie auch ,,Subcomandante Marcos", treten stets mit Skimasken auf. Diese sollen ,,Protagonistentum" verhindern. Subcomandante Marcos, einer der wenigen Mestizen der EZLN, gilt als Kopf der Zapatisten und hat die Funktion des Pressesprechers. Besonders er hat durch seine wortgewaltigen, bisweilen auch pathetischen Texte die Medien und die Öffentlichkeit auf die Seite der Zapatisten gebracht.

1993 eroberten die Frauen im ,, Aufstand vor dem Aufstand" eine gleichberechtigte Rolle innerhalb der Zapatistenbewegung für sich, was für die patriachisch organisierten Indígenagemeinden eine große Umwälzung bedeutete. Ein Drittel der EZLN (auch seiner militärischen Führung) besteht heute aus Frauen. ,,So ist auch Comandante ,,Ramona", neben Marcos, zu einem Medienstar geworden. Die Anwesenheit dieser kleinen, rundlichen und stets maskierten Person in der ,,Friedenskathedrale" von San Cristóbal - als eine der weiblichen unter den 17 Deligierten der EZLN - flößte Respekt ein."13 Das Durchschnittsalter der EZLN beträgt 22 Jahre14, die Zahl der aktiven Kämpfer und Kämpferinnen ist schwer abzuschätzen und liegt zwischen 5 000 und 30 000.

3. Der Aufstand

- 1994

Am 1 Jänner 1994 tritt das Nordamerikanische Freihandelsabkommen in Kraft, die EZLN besetzt mehrere Städte in Chiapas und erklärt der mexikanischen Regierung den Krieg (,,Hoy decimos !Basta!).

Nach zweiwöchigen heftigen Kämpfen stellt die Regierung aufgrund des großen Drucks der Öffentlichkeit ihre Offensive ein. Präsident Salinas bietet eine ,,großzügige" Amnestie an und die Zapatisten antworten mit dem berühmten Kommunique vom 18.1.1994:

,,Wofür wollt ihr uns vergeben? Daß wir nicht Hungers sterben? Daß wir nicht stumm bleiben in unserer Misere?... Daß wir für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit kämpfen?"15 Als die Regierung die EZLN als reguläre Kriegspartei anerkennt, ist diese zu Friedensverhandlungen bereit.

Die ,,Erste Deklaration der Selva Lacandona" wird verlesen. In ihr formuliert die EZLN ihre 11 Grundforderungen:

Arbeit, Land, Wohnung, Ernährung, Gesundheit, Ausbildung, Unabhängigkeit, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden16.

Die Regierung weigert sich, politische Themen auf nationaler Ebene zu diskutieren, da es sich um einen lokalen Aufstand handle.

Nach dem Ende der ersten Verhandlungsrunde befragt die EZLN all ihre Mitglieder und die zapatistischen Dörfer. Mit einer eindeutigen Mehrheit werden die Verhandlungsergebnisse abgelehnt, aber auch die Rückkehr zur Gewalt. Sattdessen forderte die EZLN in der ,, Zweiten Deklaration aus dem Lacandona-Dschungel" (Juni 1994) die ,,Zivilgesellschaft" auf, einen ,,Demokratischen Nationalkonvent" (CND) aus Vertretern aller politischen Organisationen und Gesellschaftsgruppen Mexikos, die an Reformen interessiert sind, zu bilden. Dieser sollte (nach einem erzwungenen Rücktritt der PRI-Regiereung) eine Übergangsregierung aus Parteiunabhängigen zusammenstellen und somit die Demokratisierung Mexikos einleiten.

Die Präsidentschaftswahlen im August, von denen man sich einen Sieg der Oppositionspartei PRD erhofft hatte, gewinnt jedoch wieder die PRI. (Unzählige Proteste wegen Wahlfälschung werden eingereicht)

Ende 1994 bricht die EZLN ihre Gespräche mit der Regierung, aus Protest gegen deren Repression, ab. Über Nacht wird mit Hilfe der Bevölkerung, ohne Waffengewalt mehr als die Hälfte von Chiapas erobert.

- 1995

In der ,, Dritten Deklaration aus dem Lacandona Dschungel" (1.1.1995) kommt die EZLN zu dem Schluß, daß ein Übergang zur Demokratie durch Wahlen nicht möglich sei, fordert zur Formation einer ,,nationalen Befreiungsbewegung" auf und betont wieder den gesamt mexikanischen Aspekt ihres Kampfes. Als das Militär eine Großoffensive startet, zieht sich die EZLN in die Berge zurück und weigert sich das Feuer zu erwidern. Schließlich unterschreibt Präsident Zedillo das ,, Chiapas-Gesetz", welches garantiert, daß während neuer Verhandlungen Miilitäroperationen gegen die EZLN und Haftbefehle gegen ihre Führung ausgesetzt würden.

Eine Komission (COCOPA, aus Mitgliedern des Senats17 ) wird mit der Durchführung der Friedensgespräche beauftragt, eine weitere (CONAI), von Bischof Samule Ruiz ins Leben gerufen, und von beiden Seiten als Vermittler akzeptiert.

Im Februar wird ein internes Memorandum der Chase Manhatten Bank (welche zahlreiche Kredite für Mexiko stellen wird) bekannt, in dem sie die mexikanische Regierung zur ,,Eliminierung" der EZLN auffordet.

Ab Mai findet der ,, Dialog von San Andres" statt. Die Zapatisten gliedern den Dialog mit der Regierung in sechs große Themata:

- Rechte und Kultur der Indígenas · Demokratie und Gerechtigkeit · Wohlfahrt und Entwicklung · Versöhnung in Chiapas · Frauenrechte in Chiapas · das Ende der Feindseligkeiten

Am 27. August findet eine nationale Befragung (consulta nacional), die politische Zukunft der EZLN betreffend, statt. 1,1 Mio. Stimmen18 werden abgegeben, der Transformation der EZLN zu einer politische Organisation wird zugestimmt.

Im Oktober beginnen die Verhandlungen über das erste Thema, wobei die EZLN dutzende Beobachter aus der ,,Zivilgesellschaft" hinzuzieht. Neue Provokationen der Bundesarmee führen immer wieder zu Unterbrechungen.

- 1996

Am 1.1.1996 veröffentlicht die EZLN die ,, Vierte Dekalaration aus Lacandona-Dschungel", in der, als Konsequenz der Volksbefragung, drei neue Initiativen verlautbart werden:19

- Die Gründung eines ,,Internationalen Dialoges für Humanität und gegen Neoliberalismus" für die internationale Arena, der jedes Jahr auf einem anderen Kontinent abgehalten wird.
- Die Gründung des ,,Nationalen Indigenen Forum" aus Vertretern der Indígenas in ganz Mexiko, deren Entscheidungen und Anträge in den Dialog von San Andres miteinfließen sollen.
- Die Gründung der FZLN (Frente Zapatista de Liberación Nacional), einer nationalen, gewaltfreien, unabhängigen zivilen politischen Kraft mit ihrer Basis in der EZLN.

Nach einer ausführlichen Befragung der zapatistischen Gemeienden unterschreibt die EZLN im Februar die ersten Reformvereinbarungen mit der Regierung, über Rechte und Kultur der Indígenas.

Nun beginnt die zweite Runde der Gespräche (betreffend Demokratie und Gerechtigkeit).

Doch der Dialog wird zum Monolog als die Regierungsvertreter sich weigern diese Themata zu verhandeln. Gleichzeitig flammt auch anti-zapatistische Gewalt in Chiapas auf. Daraufhin stellt die EZLN die Gespräche ein. Sie wurden bis heute nicht wieder aufgenommen. Am 12 Oktober findet der erste ,, Congreso Nacionl Indígena" in Mexiko-City statt. Vertreter der indigenen Bevölkerung aus ganz Mexiko nehmen daran Teil, auch die EZLN will eine Delegation schicken. Präsident Zedillo erklärt jedoch, daß jeder Zapatist, der Chiapas verließe, verhaftet werden würde. Nach langen Diskussionen reist jedoch comandante Ramona in die Hauptstadt und wird begeistert empfangen. Im Dezember verschärft sich die Krise, nachdem immer offensichtlicher wird, daß die Regierung nicht bereit ist, die getroffen Vereinbarungen bezüglich der Rechte der Indígenas in die Realität umzusetzten. · 1997

In diesem Jahr eskalierte die Gewalt von seiten der Sicherheitskräfte gegen die Indígenas in Chiapas. Im Juli verliert die PRI bei den Parlamentswahlen erstmals seit fast 70 Jahre die absolute Mehrheit. Präsident Zedillo verlautbart - adressiert an die EZLN -, daß es, ,,nun keinen Platz mehr für Radikalismus" gäbe.

Im September sorgen die Zapatisten wieder für internationale Schlagzeilen:

1111 ihrer Mitglieder begeben sich maskiert auf einen ,,motorisierten Marsch" nach Mexiko- City, um dort die FZLN zu gründen. Tausende schliessen sich ihnen an, hunderttausende empfangen sie.

Dennoch kommt es am 22. Dezember zu einem unglaublichen Massaker. Im Indígenadorf Acetal werden 45 Indígenas darunter 21 Frauen und 14 Kinder20 während einer Messe niedergeschossen. Einige der Täter waren, wie sich herausstellte, Mitglieder der PRI. · 1998

Am 12. Jänner löst die Polizei gewaltsam eine Demonstration in Chiapas auf. Eine Frau wird erschossen, ihre wenige Jahre alte Tochter schwer verletzt.

Im April werden Norwegische Friedensbeobachter von der Mexikanischen

,,Sicherheitspolizei" verhaftet und verschleppt. Ein siebzehnjäriger wird von der Armee verhaftet und gefoltert.

Am 1. Mai plündert die Polizei die Zapatistengemeinde Amparo Agua Tinta.

140 Italienische Beobachter kommen nach Chiapas. 40 von ihnen werden des Landes verwiesen, der Rest wird mit einem zehnjährigen Einreiseverbot belegt. Im Juni tritt Bischoff Ruiz vom CONAI, aufgrund der Unnachgiebigkeit der Regierung, zurück.

Im Juli bricht Subcomandante Marcos, der seit Anfang des Jahres nichts von sich hören ließ, sein Schweigen und wendet sich wieder an die Öffentlichkeit.

Die ,,Fünfte Deklaration aus dem Lacandona Dschungel" wird veröffentlicht.

Im September wird Chiapas von starkem Hochwasser heimgesucht. Es gibt hunderte Tote und Vermißte.

- 199921

Die Zapatisten suchen um internationale Unterstützung in ihrem Kampf zur Anerkennung der Rechte der Indígenas an. Sie führen eine Volksbefragung durch, an der 3 Mio. Mexikaner teilnehmen. Im April greift die Regierung den autonomen Rat von San Andres an. Über 1000 Zapatisten erobern ihn in der Nacht darauf zurück.

5. Resümee

Die EZLN ist mit ihrer basisdemoktatischen Organisation einzigartig. Im Gegensatz zu traditionellen Guerilliabewegungen ist sie nicht dogmatisch, sondern pragmatisch und bewußt pluralistisch. Ihr Ziel ist der Dialog und die möglichst rasche Beendigung des Konflikts. Ihre Forderungen sind klar und im Grunde unanfechtbar. Armut und Ungerechtigkeit sind für alle Welt ersichtlich. Auch wenn kaum konkrete Fortschritte erzielt wurden, so ist es jedoch gelungen auf sich aufmerksam zu machen. Die Probleme und Absichten der Zapatisten sind nun im Bewußtsein aller Mexikaner verankert. Es ist nun also eine Basis geschaffen, um Veränderungen voranzutreiben. Doch ,,richtet sich die Bewegung nicht nur gegen die industrielle Macht Europas und der Vereinigten Staaten, sondern gegen die militärische und transnationale Macht. Die Indígenas suchen keine Vorteile, so wie in den Rebellionen. So wie sie sagen: ,, Nichts für uns, für alle alles." Was sie wollen, ist die Beziehungen zu verändern. Daher ist klar, daß die Reichweite weit über Chiapas hinausgeht."22 Die EZLN sieht sich also als Sprachrohr für alle Armen und Ausgeschlossenen dieser Welt. Ihr erklärtes Feindbild ist der Neoliberalismus.

Die Zapatisten betonten immer wieder, nicht die Macht ergreifen zu wollen, sondern lediglich für eine Systemänderung einzutreten. Auch heben sie hervor, daß der bewaffnete Kampf nur den letzten Ausweg darstellt, da sie auf rein friedlichem Wege nichts erreichen konnten. Besondere Faszination übt die Verbindung von Idealismus und Pragmatismus in der EZLN aus. Die Hompage der EZLN beginnt mit einem Shakespeare Zitat, auch dies ist ein Beispiel für die gekonnte Selbstinzenierung. Eine Mischung aus Intellektualität und Bodenständigkeit, die zahlreiche Menschen erreichen kann. Ihr Pressesprecher fungiert hier als eine Art Übersetzer zwischen zwei Welten.

Denn ein Pfeife rauchender, vermummter, Weltliteratur zitierender Subkomandante Marcos auf dem Cover des Time Magazines tut das Übrige, um die Menschen auf der ganzen Erde für sich, aber auch für seine Sache zu interessieren.

Inzwischen ist die Anzahl der mit der EZLN sympathisierenden Menschen so groß, daß sie ein reales politisches Gewicht haben. Dennoch scheint es immer schwieriger zu werden die Stagnation in Chiapas zu verhindern. Leider beweisen auch die jüngsten Ereignisse, daß die Regierung Mexikos noch immer nicht bereit ist, Zugeständnisse an ihre Bevölkerung zu machen. Noch immer grassieren Gewalt und Korruption.

LITERATURVERZEICHNIS:

Centro de Información y Para Entender Chiapas. Spanien Análisis de Chiapas

Briesemeister/Zimmermann (Hg.) Mexiko heute. Politik, Witschaft, Kultur 1996

Hoffmannn/Wannöffel (Hg.) Soziale und ökonomische

1995 Sackgassen ökonomischer Globalisierung: Das Beispiel NAFTA, Münster.

Nohlen/Schultze (Hg.) Lexikon der Politik. Band1.

1995 Politische Theorien. Beck. München

Purkarthofer, Petra Der politische Diskurs über kulturelle 1997 Identität und Autonomie in Chiapas 1994 - 1996. Wien.

Rosset, Peter Understanding Chiapas, Food First- 1994 Institute for Food & Development Policy, U.S.A.

Saxinger, Kirsten Der Konflikt in Chiapas - Entstehung 1998 und Entwicklung anhand von Presseberichten und Mitteilungen der EZLN. Wien.

Stimmen, Andreas (Hg.) Mexiko. Aufstand in Chiapas. Berlin-1994 Amsterdam Edition. ID- Archiv

Internet Adressen:

Cleaver,Harry !Zapatistas! Documents of the 1994 New Mexican Revolution.

gopher://lanic.utexas.edu/ 11/1a/Mexico/Zapatistas.

EZLN hompage der EZLN 1999 http://www.ezln.org

Zapatista index chronology of the rising (1994 - 1999 present)

http://flag.blackened.net/revolt/ mexico/ralertdx.html

[...]


1 Aus einem Interview mit Subcommandante Marcos, dem Sprecher der EZLN, in : ,,!Zapatistas! Documents of the New Mexican Revolution" (University of Texas, gopher://lanic.utexas.edu/11/1a/Mexico/Zapatistas. 5.6.1999)

2 Subcomandante Marcos. Beweißt uns, daß es anders geht. Rede vor Journalisten zum Auftakt der Friedensgespräche in der Kathedrale von San Cristóbal am 17 Februar 1994. in: Stimmen, Andreas (Hg.). Mexico Aufstand in Chiapas. 1994. Berlin-Amsterdam.Edition ID- Archiv, 95

3,,So charakterisiert Postmoderene im weiteren Sinne eine soziale wie kulturelle Entwicklungen umfassende Grundstimmung, der im Umbruch befindlichen Industrtiegesellschaft, womit der Epochencharakter der P. betont wird." Nohlen, Schultze (Hg.) (1995) Lexikon der Politik. Politische Theorien. München/Beck, 484

4 Aus einem Interview mit Subcommandante Marcos, dem Sprecher der EZLN, in: ,,!Zapatistas! Documents of the New Mexican Revolution" (University of Texas, gopher://lanic.utexas.edu/11/1a/Mexico/Zapatistas 5.6.1999)

5,,politically correct" für Indianer. Gänzlich tabu ist der Begriff ,,Indios"

6 Wahlen 1995: PRI: 45,2%; PAN: 13,6%; PRD: 27,18%; Centro de Información y Análisis de Chiapas.(1999) Para Entender Chiapas. Spanien, 99

7 Daten : Rosset, Peter(1994). Understanding Chiapas, Food First-Institute for Food&Development Policy, ( http://www.ezln.org. 4.6.1999)

8 Daten:Briesemeister, Zimmermannn(Hg.)(1996) Mexiko heute.Der Indianeraufstand in Chiapas.103

9 Daten: Subcommandante Marcos (1992). Chiapas: The Southeast in two Winds . A Storm and a Phophecy, (http://www.ezln.org. 4.6.1999)

10 ebd. 4.6.1999

11 ebd. 4.6.1999

12 Wannöffel Manfred(1995) Nordamerikanische Integration und gesellschaftliche Desintegration, in: Reiner Hoffmann/ Manfred Wannöffel(Hg.): Soziale und ökonomische Sackgassen ökonomischer Globalisierung: Das Beispiel NAFTA, Münster.

13 Huffschmid, Anne(1994). Die Zapatistinnen - wer sie sind und wofür sie kämpfen, in: Andreas Stimmen (Hg.). Mexico. Aufstand in Chiapas. Berlin-Amsterdam. ID-Archiv, 119

14 Aus einem Interview mit Subcomandante Marcos, in: ,,!Zapatistas! Documents of the New Mexican Revolution" (University of Texas, gopher://lanic.utexas.edu/11/1a/Mexico/Zapatistas. 5.6.1999)

15 EZLN homepage (1994). http://www.ezln.org/

16 Purkarthofer, Petra.(1997) Der politische Diskurs über kulturelle Iidentität und Autonomie in Chiapas 1994-1996. Wien, 41

17 Purkarthofer, Petra.(1997) Der politische Diskurs über kulturelle Iidentität und Autonomie in Chiapas 1994-1996. Wien, Anhang

18 Purkarthofer, Petra.(1997) Der politische Diskurs über kulturelle Iidentität und Autonomie in Chiapas 1994-1996. Wien, Anhang

19 EZLN homepage. http://www.ezln.org/

20 Saxinger,Kirsten. (1998) Der Konflikt in Chiapas - Entstehung und Entwicklung anhand von Presseberichten und Mitteilungen der EZLN. Wien. 127

21 Zapatista index. chronology of the rising: http://flag.blackened.net/revolt/mexico/ralertdx.html, 7.6.1999

22 Aubry, Andrés. (1996) Interview in: Purkarthofer, Petra.(1997) Der politische Diskurs über kulturelle Iidentität und Autonomie in Chiapas 1994-1996. 117

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Chiapas - Die erste postmoderne Revolution - Der Aufstand der Zapatisten
Note
2
Autor
Jahr
1999
Seiten
15
Katalognummer
V97065
ISBN (eBook)
9783638097406
Dateigröße
420 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Chiapas, Revolution, Aufstand, Zapatisten
Arbeit zitieren
Dorothea Köb (Autor:in), 1999, Chiapas - Die erste postmoderne Revolution - Der Aufstand der Zapatisten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97065

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Chiapas - Die erste postmoderne Revolution - Der Aufstand der Zapatisten



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden