Velázquez als Chiaroskurist seiner Zeit


Seminararbeit, 1999

11 Seiten, Note: 2-3


Leseprobe


EINLEITUNG

Das „Kruzifix von San Placido“ ist ein faszinierendes Beispiel für die Kunst Diego Velàzquez Stimmungen zu produzieren. Der tote Christus strahlt eine enorme Ruhe und Würde aus, und dies in völliger Einsamkeit auf der Leinwand. Vor einem schwarzen, gleichförmigen Hintergrund strahlt er mit seiner ganzen Göttlichkeit, ohne offensichtlichen Pathos oder dramatische Situationen.

Worin liegt der Zauber dieses Bildes? Wo der Unterschied zu anderen Kreuzigungsbildern dieser Zeit? Und worin unterscheidet sich Diego Velàzquez als Chiaroskurist von seinen Zeitgenossen? Dies soll der Gegenstand dieser Untersuchung sein, mit hauptsächlicher Konzentration auf das „Kruzifix von San Placido“, als aber auch des „kleinen Kruzifixes“.

1. DAS KRUZIFIX VON SAN PLACIDO

1.1 Eine interessanten Fragen, die man sich bei diesem Gemälde stellen muß, ist die Frage nach der Datierung. Hierzu gibt es einige unterschiedliche Auffassungen: José Lòpez - Rey1 datiert es auf das Jahr 1632, Odile Delenda2 bezieht sich statt dessen auf Quellen, wie z.B. die undeutliche Datierung auf dem Gemälde selbst, die die Entstehung dieses Bildes auf das Jahr 1630 oder ein wenig später legen. Enrique Lafuente Ferrari, hingegen, nennt in seiner „biographisch - kritischen Studie“ das Jahr 1631. Interessant wird diese Diskussion in Bezug auf die Betrachtung des kleinen Kruzifix sein (vgl. 2.1).

1.2.1 Velàzquez zeigt in seinem Gemälde „Kruzifix von San Placido“ ein „gesteigertes Interesse für den nackten Körper“3. Die Erklärung hierfür ist in seiner ersten Italienreise zu finden. Während seines Aufenthaltes studierte und skizzierte er viele Gemälde von Tintoretto und Tizian. Besonders die „Kreuzigung“ Tintorettos, die er schon aus seiner Lehrzeit kannte, dürfte ihm als Vorbild für sein Kruzifix gedient haben. Als ein großer Bewunderer war Pacheco im Besitz eines Skizzenkartons, in dem auch dieses Gemälde abgebildet war. Des

weiteren ist überliefert, daß Velàzquez in Italien zahlreiche Zeichnungen dieses Gemäldes gefertigt hat. (vgl. Lòpez- Rey, Seite 74; und Justi, Seite 163)

Aufgrund dieses veränderten Körperbewußtseins ist es nachvollziehbar, daß sich manch einer die Frage stellt(e), ob dieses Bild vielleicht nur als Modellstudie, als Studie des Nackten, zu werten ist.

Dies ist zumindest nicht erstrangig der Fall, wie ich in Kapitel 2.1 darlegen werde. Allerdings darf man den Ansatz auch nicht gänzlich zurückweisen, denn man erkennt auf jeden Fall, eine Veränderung bei Velàzquez, was die Darstellungsweise der Körperlichkeit angeht.

1.2.2 Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde viel darüber diskutiert, mit wieviel Nägeln Jesus Christus an das Kreuz geschlagen wurde. Wie Francisco de Rioja4 angibt glaubte man in der Antike, daß es vier Nägel waren. Das Mittelalter in seiner anti - antikisierenden Haltung vertrat dagegen die These, daß es nur drei Nägel waren. Letztere wurde sowohl während der Renaissance als auch bis in den Manierismus hinein als richtig (d.h. höchstwahrscheinlich) angesehen. Die Tatsache einer Drei - Nägel - Kreuzigung bedeutet allerdings, daß die Füße des Gekreuzigten mit einem einzigen Nagel an das Holz geheftet sein müßten. Und dies wäre nur möglich, wenn die Füße übereinandergelegt wären und der Nagel die Mittelfußknochen beider Füße gleichermaßen durchbohren würde. Solch ein Nagel müßte als erstes sehr lang sein, um sicher im Holz verankert sein zu können. Und die Gefahr bestünde, daß die Knochen in dem Moment, in dem der Nagel, durch sie hindurch getrieben, auf das Holz trifft, durch die Wucht des Schlages brechen. Des weiteren muß man bedenken, daß der Sterbende, ob in der Verkrampfung der Agonie oder der Entspannung des Todes, nicht gegen das Holz gelehnt ruht, sondern vielmehr hängt. Dies verursacht natürlich einen enormen Druck auf die Anschlagstellen (d.h. die Nägel). Von diesem Druck besonders belastet wäre dann der Nagel, der die Füße an das Kreuz heftet. Durch das Übereinanderlegen der Füße, das eine sehr unnatürliche Haltung ist, wäre dies ein labiler Punkt. D.h., daß dieser Nagel, durch die entstehende Hebelwirkung der Füße leicht aus dem Holz ausreißen könnte. Ein Befürworter der These der vier Nägel hingegen war Francisco Pacheco. In seinem Manifest „Arte de la Pintura“ widmet er diesem Thema ein ganzes Kapitel. Odile Delenda berichtet, daß de Rioja dessen Meinung mit Verweis auf antike Darstellungen und Berichten unterstützte:

« On ne trouve pas non plus, chez les écrivains, qu’ils soient anciens ou modernes, mémoire d’un clou aussi long, différent des autres [...] »

« [...] la coutume qu’ont les Romains de crucifier avec quatre clous, comme on le montre bien chez Plaute » ( Velàzquez, peintre religieux, Seite 106)

Pachecos Theorie über die Kreuzigung mit vier Nägeln, erscheint im Vergleich mit den oben genannten Auswirkungen einer drei - Nägel - Kreuzigung, viel wahrscheinlicher. Die Glaubwürdigkeit seiner Ausführungen und die Reaktionen hierauf, z.B. aus den Reihen der Sevillaner Gelehrten, (s.o., vgl. Delenda) lassen ihn sozusagen zum Wegbereiter einer neuen (alten) Darstellungsweise werden. Denn in der Folgezeit beeinflußte er den Zeitgeist in diesem Aspekt maßgeblich. Auch wenn nicht er der erste dieser Epoche war, der hierauf zurückgriff, sondern Juan Martinez Montañés mit seinem Kruzifix von 1603 „Christo de la Clemencia“ (s. Fig.34), das in der Kathedrale von Sevilla hängt.

War sich der Sevillaner Gelehrtenkreis über Pachecos These der vier Nägel noch einig, so gingen die Meinungen in Bezug auf seine Verwirklichung des Spruchbandes am oberen Ende des Kruzifixes auseinander.

1.2.3 Gegen Ende des 16. Jahrhunderts befand sich in Rom der Überrest eines Spruchbandes, von dem geglaubt wurde es stamme vom Kreuz Christi5. Und somit war es der Usus gebildeter Maler ihre Kenntnis desselben zu bezeugen. Hierfür brachten sie in ihre Kreuzigungsbilder eine Darstellung des ‚titulus‘ in den drei klassischen Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein ein, gemäß der Überlieferung Johannes (19,19-20). Johannes († 101 n.Chr., überliefert als Lieblingsjünger Christi; vgl. Microsoft Encarta ) wurde hierbei das meiste Vertrauen in die wahrheitsgemäße Überlieferung des Wortlautes entgegengebracht, da er am nächsten von allen Evangelisten am Sterbeort Christi wohnte.

Pacheco hingegen, orientierte sich bei seinem ‚Christus am Kreuz‘ (s. Fig.35) am Evangelium des Matthäus. Dieses Evangelium unterscheidet sich von dem eigentlichen titulus des Johannes ‚IESUS NAZARENUS REX IUDEORUM‘ durch ein vorangestelltes ‚HIC EST‘ und die Aussparung des ‚NAZARENUS‘, welche Pacheco jedoch nicht ausläßt.

Warum er sich an eine andere Überlieferung hielt, die in den Augen der Gelehrten Sevillas als nicht glaubwürdig galt, kann man heute nicht erklären, da er sich auch in seinem Manifest darüber ausschweigt. Matthäus galt nämlich bis zu dem Zeitpunkt seiner Berufung als Apostel als Sünder.( Markus, 2,16)

Allerdings ist es überliefert, daß Pacheco bei dieser Entscheidung von einem Jesuiten- Pater und einem Kardinal beraten wurde und darin wohl die Legitimation für sein Konzept gesehen haben muß. Jedenfalls brachte dieser Bruch der Tradition den Gelehrtenkreis in Aufruhr, denn nach damaliger Auffassung wurde diese Überlieferung von Teilen als eher unkorrekt, von anderen bereits als blasphemisch angesehen. (vgl. Delenda, Seite 106 f) Auch Velàzquez mußte zu diesem Punkt Stellung beziehen, da dies zu einer wichtigen, wenn auch teilweise sehr polemischen, Diskussion eklatierte . Seine Bewunderung für seinen Lehrmeister Pacheco kann man in seinen beiden ‚Kreuzigungen‘ erkennen. Bei dem Kruzifix von San Placido hält er sich zwar strikt an das Johannes - Evangelium, aber man erkennt doch, daß er sich stark an der Vorlage Pachecos orientiert hat. Genau wie sein Schwiegervater hat er das Wort NAZARENUS falsch geschrieben, nämlich NAZARAENUS. Noch stärker kann man diesen Einfluß Pachecos bei dem kleinen Kruzifix erkennen. Bei diesem Gemälde scheint er sich dem Thema aus der Sicht des Matthäus - Evangeliums genähert zu haben (vgl. 2.1).

1.3 Velàzquez gilt zwar als Meister der spanischen Barockmalerei, aber der Manierismus war für seine Arbeit sehr prägend. Nicht nur, daß sein Lehrmeister und Schwiegervater Francisco Pacheco, ein bedeutender Manierist in Spanien war, auch andere Manieristen, wie zum Beispiel Tintoretto oder auch Michelangelo beeinflußten sein Werk entscheidend. Der Manierismus ist ein Kunststil, der sich zum einen aus den Idealen der Spätrenaissance entwickelt hat, aber zugleich auch als Gegenbewegung zu eben dieser verstanden werden muß. Man kann ihn auch als Bindeglied zwischen Renaissance und Barock sehen. Mit dem Manierismus hielt eine neue Stimmung Einzug in die Malerei des frühen 17. Jahrhunderts: mehr Dramatik und Emotionalität.

Seinen ersten Italienaufenthalt nutzte Velàzquez, um Skizzen von Gemälden der großen Künstler der Renaissance und des Manierismus anzufertigen. Für ihn bedeutete dies die Vervollkommnung seiner Malkunst.

Charakteristische Merkmale der manieristischen Malerei sind gestreckte Proportionen der Figuren, die in übertriebener, häufig gedrehter Haltung dargestellt sind und deren Beziehung zum umgebenden Raum häufig unklar ist, eine unrealistische, oft theatralisch wirkende Behandlung des Hintergrunds und die scheinbar willkürliche Auswahl dünner, häufig nicht harmonierender Farben von emailartigem Glanz, die in gesuchten Hell-Dunkel-Kontrasten gegeneinander gesetzt werden.6

Die gestreckten Proportionen des Manierismus sind sowohl in Pachecos „Kreuzigung“ als auch bei El Grecos „Christus am Kreuz mit zwei Stiftern“7 offensichtlich. Im genannten Gemälde El Grecos wird das gesteigerte Lebensgefühl und die Dramatik der Situation durch aufgetürmte Wolkenberge deutlich. Oder um ein Beispiel Velàzquez zu nehmen: das „kleine Kruzifix“.

Auch hier haben wir das Dramatische, zum einen in der Gestaltung des Hintergrundes, der Blick auf Golgatha, zum andern im Leiden Christi. Eine offensichtliche Dramatik, die nicht so subtil wirkt wie bei dem „Kruzifix von San Placido“.

1.4 Wenn man sich dieses Gemälde betrachtet, ist es der, das Bild dominierende „schwarze Grund [der] keine Härte erzeugt“, der einen fesselt. (Justi, Seite 216). Umso mehr hebt sich der Körper des Gekreuzigten strahlend hervor. Letzteres liegt vor allem am Lichtfluß, der von links oben einfällt und den Körper gänzlich einfaßt und sanft umspielt. Hier sind keine Schattenwirkungen und somit auch keine harten Kontraste. Des weiteren strahlt der Gekreuzigte durch seine Körperhaltung Ruhe und Würde aus: „ein toter Christus ohne jedes Pathos, wirklich und doch unnahbar“ (Ferrari, Seite 54). Doch trotz der Ruhe birgt dieses Gemälde eine Dramatik, nicht wie von Stirling8 fälschlicherweise als Shakespearisch beschrieben, sondern eben durch die klare Differenzierung zwischen Verdunklung und dem im Zustand des Todes ruhenden Körper. Dem Körper sieht man jedoch keine Qualen, wie z. B. durch die Verkrampfung während der Agonie an. Im Gegenteil birgt dieser ruhende Körper immer noch eine Vitalität, die wohl darin begründet liegt, daß Velàzquez für die Gestalt des Christus ein Modell benutzte9. Dies kann man in dem Bild beispielsweise daran ablesen, daß die Gestalt am Kreuz fest auf einem Bein steht, während das Andere leicht angewinkelt ist. Ein Toter dagegen könnte so gar nicht ‚stehen‘ sondern würde eher in den Knien abgeknickt am Kreuz hängen, wie bei Zurbaràn (siehe Fig.36). Auch sieht man den Armen keine Belastung durch das Hängen an. Sie wirken eher entspannt gegen das Holz gelehnt.

Weiterhin bewirkt der auf die Schulter gesunkene Kopf, mit dem das Gesicht teilweise verdeckenden Haar, gleichzeitig eine würdevolle als auch demütige Ausstrahlung. Dies ist es auch, was dieses Gemälde auszeichnet: kein übertrieben pathetischer Stil, sondern statt dessen zurückhaltende Frömmigkeit und Pietät.

All diese Wirkkraft wird zusätzlich noch verstärkt durch die zart gelbe Hautfärbung, die teilweise schon von einem Grauschimmer überzogen ist. Es ist genau dieser Farbton, den wir in dem Heiligenschein der Gestalt wiederfinden. Und es ist dieser Farbton, da er stark im Kontrast zum schwarzen Hintergrund wirkt, der uns die Göttlichkeit der Gestalt deutlich macht.

Genau das vermißt man beim Christus des kleinen Kruzifixes. Jener, der ausgehend von Körperbau und Körperhaltung wohl von dem selben Modell dargestellt wurde, wirkt durch seine naturgetreue Hautfärbung weniger göttlich. Das liegt, nach meiner Einschätzung, besonders darin, daß der weißliche Farbton der Haut mit den Grautönen der Gewitterwolken verschwimmt. Man ist leicht versucht anzunehmen, daß hier ein Mensch und kein Gott im Sterben liegt. Aber vielleicht ist es genau das, was Velàzquez ausdrücken wollte, denn im Matthäus - Evangelium (27, 46) steht eine Zeile10 geschrieben, die er möglicherweise in diesem Bild zum Ausdruck bringen wollte: der Moment, in dem sich Jesus von seinem Gott verlassen fühlt, seine eigene Göttlichkeit aufgibt und stirbt.

2. DAS KLEINE KRUZIFIX

2.1 Die Frage nach der Datierung des Kruzifix von San Placido (vgl. 1.1) ist sehr interessant für die Einordnung des kleinen Kruzifix. Wenn das kleine Kruzifix nach „San Placido“ entstanden ist, so müßte man an der Kunst Velàzquez zweifeln, denn die Größe der Wirkung und der Ausgestaltung des Themas (vgl. 1.4 ) ist von den Kritikern aller Zeiten hochgelobt. Und es würde sich folglich die Frage stellen warum er nach einem renommierten, höchst bewunderten Gemälde ein weniger Bemerkenswertes des gleichen Themas folgen lassen sollte. Eine Interpretation, die es erklären würde, daß das kleine Kruzifix zuerst entstanden ist, wäre, daß es sozusagen ein erster Versuch der Annäherung an das Thema war. An sich zeigt das kleine Kruzifix charakteristische Merkmale einer manieristischen Darstellung (vgl. 1.2.1), wie z. Bsp. bei El Greco (s. Fig.33). Im Gegensatz hierzu, folgt das Kruzifix von San Placido eher anderen Einflüssen und geht durch seine Struktur und Wirkung wieder in Richtung Renaissance unter Vermeidung manieristischer Stilmittel, wie z.B. der Lichtführung. Aber auch der in Kapitel 1.2.3 präsentierte Ansatz ist interessant, denn wenn Velàzquez das Motiv der Kreuzigung Christi deshalb zweimal dargestellt hat, um zwei verschiedene Sichtweisen (zum einen nach Matthäus, zum anderen nach Johannes) deutlich zu machen, dann spielt die Frage der Datierung eigentlich eine Nebenrolle. Des weiteren wäre eine Entstehung beider Gemälde zur (nahezu) selben Zeit, ein weiterer Beweis für die Vielfalt und die künstlerische Größe Velàzquez. Wenn es sich allerdings um eine Gleichzeitigkeit handelte, vorausgesetzt, daß hiermit auch eine Gleichwertigkeit der beiden Gemälde verbunden wäre, so würde sich doch die Frage stellen, warum dann das eine Gemälde von kleinerem Format ist.

Nach meiner Meinung, folgte das kleine Kruzifix kurze Zeit nach dem von San Placido, beide im Jahr 1631. Die Erklärung dafür ist in einer Gewichtung zu sehen, die darauf beruht, daß Velàzquez wohl der Meinung des Gelehrtenkreises war, oder sich ihrer anpaßte, daß die Überlieferung Johannes die glaubwürdigere Variante der Kreuzigung Christi sei. Die Entstehung des kleinen Kruzifixes sehe ich mehr in der starken Bindung zu seinem Vorbild Pacheco. An dessen Idee angeknüpft, entstand die bewußt klein, da nicht für so wahrheitsgemäß gehaltene, Kreuzigung Christi.

2.2 Die beiden Gemälde sind einerseits sehr gegensätzlich - bei dem einen die Darstellung der Agonie, bei dem anderen die des Todes - zum anderen könnte man sie auch als logische Abfolge sehen - zuerst der Todeskampf, dann der Tod - oder als zwei Versionen der selben Geschichte. Egal, wie man die Bilder betrachtet, sie gehören auf eine gewisse Weise zusammen. Man kann die Details, in denen sie sich unterscheiden analysieren, wie zum Beispiel die unterschiedlichen Körperhaltungen, hierbei ganz besonders die Kopfpartien: der eine Kopf mit Leidensmiene zum Himmel gewandt, der andere auf die Schulter herabgesunken. Oder die Gestaltung des Hintergrundes: bei dem „Kleinen“ der Blick auf Golgatha, wie ihn Matthäus beschreibt, bei „San Placido“ die Verdunkelung, von der Johannes erzählt. Oder das oben besprochene Spruchband. Oder die Unterschiede in der Stilistik, in der Farbgebung, in der Pinselführung, im Lichtfluß, etc. Das eine im manieristischen, daß andere eher im Renaissance Stil.

Doch trotz all dieser Unterschiede gibt es auch Gemeinsamkeiten. In beiden Darstellungen ist Christus mit vier Nägeln an sein Kreuz geschlagen. Beide stehen auf einem kleinen Stützbrett. Beide stehen auf ihrem linken Bein, haben das Rechte leicht angewinkelt. Sie zeigen die selben Blutspuren auf. Sie tragen die selbe Bekleidung - ein einfaches Leintuch um die Hüften. Selbst die Querbalken der Kreuze zeigen an den selben Stellen Astlöcher auf. Diese vergleichende Beschreibung zeigt deutlich auf, daß diese beiden Bilder in einem konkreten Sinnzusammenhang stehen müssen. Wie der jedoch aussieht ist nicht klar zu benennen, da alle drei Theorien möglich sind. Wobei die Wahrscheinlichste, die der zwei Versionen ist (vgl. Kap. 1.2.3 ).

3. Zusammenfassung

Abschließend möchte ich noch einmal die Ergebnisse meiner Untersuchung kurz umreißen: Nach größter Wahrscheinlichkeit wurde das Kruzifix von San Placido im Jahre 1631 gemalt. Als Inspiration hierfür diente Velàzquez in erster Linie die „Kreuzigung“ von Tintoretto, die er während seiner ersten Italienreise skizzierte, aber auch das Werk Pachecos, seines Lehrmeisters und Vorbildes, beeinflußten ihn in hohem Maße. Beeindruckt von den Darstellungsweisen des Manierismus und der Spätrenaissance, malte er dieses Gemälde mit der Vorstellung eines neuen Körperbildes und zeigt ohne Pathos, dafür aber sehr pietätvoll den toten Jesus Christus. Seine Darstellung der Kreuzigung basiert auf der Überlieferung des Johannes, welche zu dieser Zeit die Version war, die für am wahrhaftigsten gehalten wurde. Aus Verbundenheit zu Pacheco und dessen Betrachtungen, malte er kurz darauf das „kleine Kruzifix“, das auf der Überlieferung Matthäus’ basiert und in einem sehr manieristischen Stil gemalt wurde. Diese beiden Kruzifixe zeigen eine starke Zusammengehörigkeit und sollten immer miteinander betrachtet werden, es sind zwei Varianten ein und derselben Geschichte. Hierbei wird Velàzquez‘ Vielfältigkeit und Meisterschaft deutlich.

Bibliographie:

- Odile Delenda: Velàzquez, peintre reiligieux, Editions Tricorne, Genf, 1993

- Enrique Lafuente Ferrari: Velàzquez: Biographisch- kritische Studie, Editions d’Art Albert Skira, Genf, 1960

- Donald Holden: Forum: Ruben’s Christ on the Cross, reflections on artistic anatomy, in Drawing, v11, No 1, May - June 1989,

- Carl Justi: Diego Velàzquez und sein Jahrhundert, Reclam- Verlag Leipzig 1983, 2.Auflage 1991

- José Lòpez- Rey: Velàzquez, sämtliche Werke, Benedikt Taschen Verlag GmbH, Köln, 1997

- Microsoft ® Encarta ® 98 Enzyklopädie. © 1993-1997 Microsoft Corporation.

[...]


1 In “Velàzquez, sämtliche Werke“

2 In “Velàzquez, peintre religieux“

3 In “Velàzquez, biographisch - kritische Studie“

4 In “Velàzquez, peintre religieux“; spanischer Staatsmann und Kardinal

5 In “Velàzquez, peintre religieux“, Seite 107

6 "Manierismus", Microsoft ® Encarta ® 98 Enzyklopädie. © 1993-1997 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

7 In “Velàzquez, peintre religieux”, Abb. 33, Abb. 35

8 In “Velàzquez und sein Jahrhundert“, Seite 214

9 In “ Velàzquez und sein Jahrhundert”, Seite 215

10 „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Velázquez als Chiaroskurist seiner Zeit
Note
2-3
Autor
Jahr
1999
Seiten
11
Katalognummer
V97183
ISBN (eBook)
9783638098588
Dateigröße
351 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Velázquez, Chiaroskurist, Zeit
Arbeit zitieren
Steffen Buch (Autor:in), 1999, Velázquez als Chiaroskurist seiner Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97183

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