Analyse der "idée fixe" aus Berlioz` Symphonie Fantastique


Referat / Aufsatz (Schule), 2000

3 Seiten


Leseprobe


1. Form

Das „Idée fixe“-Thema umfasst insgesamt 40 Takte (T. 72 - T. 111). Es lässt sich in 3 logische Abschnitte gliedern: Abschnitt A mit einer achttaktigen Phrase a und einer siebentaktigen Phrase a‘ (T. 72-86); Abschnitt B mit drei viertaktigen Phrasen b, b‘ und b‘‘ und einer fünftaktigen Phrase b‘‘‘ (T. 87-103); und Abschnitt C mit zwei zweitaktigen Phrasen c und c‘ und einer viertaktigen Phrase d. Insgesamt ergibt sich also folgende Form: A (15 T.) - B (17 T.) - C (8 Takte).

2. Melodieaufbau/-Charakter der einzelnen Phrasen:

Dem gesamten Thema wird durch die Instrumentierung, verschiedene

Dynamikdifferenzierungen und wechselnde Tempoangaben von vornherein ein zierlicher, wechselhafter Charakter gegeben. Flöten und Violinen spielen das Thema, womöglich um der erwünschten Charakterisierung der Geliebten schon durch die Instrumentierung nahe zu kommen. Die Angaben „espressivo“ und „dolce“ tun dem ein gleiches. Die vereinzelten Steigerungen vom Piano zum Sforzato oder gar zum Forte und die wechselnden Tempoangaben (animando in T. 94, ritardando in T. 100 und 110, wieder a tempo in T. 102 und die Fermate in T. 109) verleihen dem Thema einen insgesamt uneindeutigen, schwankenden Charakter. Es unterscheidet sich schon in dieser Hinsicht von klassischen Sinfoniethemen. Offenbar sollen mehrere Facetten der Geliebten dargestellt werden, die mal prächtig und schnell, mal seufzend und schleppend wirken.

Teil A des Themas besteht also aus zwei Phrasen a und a‘. Phrase a ist eine nach oben strebende wellenförmige Melodie, die ihren Höhepunkt mit dem Sforzato in Takt 75 auf dem höchsten Ton f2 findet. Der große Ambitus wird in T. 73 durch eine steigende Quarte und darauffolgend durch eine steigende Septime bewältigt. Ab T. 75 fällt die Melodie wieder langsam in Sekundschritten bis sie in T. 79 ein h1 erreicht. Der alla breve Takt des Themas verleiht den langen Tonwerten (überwiegend gebundene Viertelnoten) einen schreitenden aber durch die entstehenden scheinbaren Verzögerungen auch schleppenden Charakter. Phrase a‘ ist eine abgewandelt Sequenz der ersten Phrase. Sie ist im Charakter ähnlich, beginnt eine Quarte tiefer als in Phrase a und steigert sich in T. 81 nur mit einer steigenden Terz und einer Sexte nach oben. Die Phrase ist kürzer (7 T.), der Höhepunkt liegt mit einem g2 trotz des nach unten sequenzierten Anfangs höher und wird weiter nach hinten verschoben (T. 85), so dass der entspannende Melodieabfall kürzer ausfällt.

Teil B des Themas lässt sich in Phrasen b, b‘, b‘‘ und b‘‘‘ einteilen. Alle Phrasen bis auf b‘‘‘ sind viertaktig. Phrase b ist eine fallende Melodie, die zu Beginn einmal vom g2 eine kl. Sekunde zum as2 aufsteigt und sich im folgenden in Sekundschritten hinabbewegt. Es fällt das Nacheinander von punktierten Halben und Vierteln auf, die die Phrase stockend oder schreitend wirken lassen. Erstmals tauchen hier auch die schon erwähnten Hinweise zur Spielweiser (dolce) auf. b‘ ist eine abgewandelte Wiederholung der ersten Phrase. Das erste Intervall (die kl. Sek.) wurde zu einer großen Sekunden augmentiert. Auch beginnt hier ein Chrescendo poco a poco und schließlich eine Tempozunahme (Animando, T. 94): es wird also Spannung aufgebaut, die mit b‘‘ noch gesteigert wird. Phrase b‘‘ ist eine exakte Sequenzierung von b um eine große Sekunde nach oben. Phrase b‘‘‘ indes beginnt wie eine Sequenz von b‘‘ um eine weitere Sekunde, endet aber mit einem rhythmisch abgewandelten, ritardierten und betont phrasierten Abgang in T. 101. Sie endet wie b in T. 102 piano und a tempo. Das Sforzato in Takt 99 hebt den Höhepunkt der Phrase und des ganzen Themas hervor: das c3 auf der ersten Zählzeit.

Das in allen vier Phrasen sequenziert oder verändert vorliegende Motiv könnte eine Art Seufzer darstellen, der mit der Vergrößerung des ersten Intervalls (T. 97, 91, 95, 99) und der Erhöhung gleichsam eine wiederholtes und gesteigertes Aufstöhnen verbildlicht. Womöglich wollte Berlioz in dieser zweiten Phrase einen weiteren Aspekt seiner Gefühle zu der Geliebten vertonen: die Verzweiflung über ihre Ferne, über den Abstand zwischen dem Liebenden und der Geliebten oder ähnliches.

Der dritte Teil C beginnt in Takt 104. An dieser Stelle ist die formale Einteilung jedoch nicht ganz eindeutig. Der Takt 103 gehört thematisch eher zur vorherigen Phrase, verleiht dieser aber eine gewisse Asymmetrie. Der Takt steht etwas zwischen den beiden Teilen und stört dadurch die Formeinteilung ein wenig.

Man kann C in drei logische Phrasen einteilen: c, c‘ und d, wobei c und c‘ auch als eine Phrase gedacht werden könnten. Es wird dort ein dem in Teil B ähnelndes Seufzermotiv aufgebaut. In Takt 104 bildet eine Zweivierteltriole den Auftakt zu einer fallende Septime. Das Dynamikgefälle von Forte beim Auftakt und Piano in T. 104 akzentuiert dieses Motiv. Es wird in den folgenden zwei Takten ausgehend vom a‘ und mit einer fallenden Sexte als abgewandelte Sequenz wiederholt, versehen aber mit ähnlichen Dynamikschritten vom Sforzato zum Piano. Die letzte Phrase des Teils lässt sich mit keinem vorherigen Motiv in Verbindung setzen. Es ist charakteristisch durch große Dynamikschwankungen (von Piano bis Sforzato innerhalb eines Taktes, T. 108), eine Fermate in T. 109 und ein weiteres, stärkeres Ritardando in T. 110. Die Phrase beginnt mit zwei aufstrebenden Vierteltriolen aus teils chromatischen Tonfolgen. Die Tonwerte sind im folgenden wieder länger, in Takt 108 liegt ein Höhepunkt, der durch eine fallende große Sexte unterbrochen und durch die dann folgende steigende kleine Sexte seinen Schluss auf der Fermate in T. 109 findet. Ein dem Aufgang in Takt 107 ähnelnder Abgang aus Vierteltriolen führt die Phrase auf den Schlusston c2, von dem aus es a tempo weitergeht. Dieser letzte Teil könnte eine weitere, bewundernswerte Facette der Geliebten beleuchten, womöglich die Festigkeit ihres Charakters oder irgend eine andere Bewunderung des Liebenden an ihr.

Abschließend lässt sich feststellen, dass das vorliegende Thema des ersten Satzes aus der Symphonie Fantastique von Hector Berlioz in vielerlei Hinsicht anders ist, als gewöhnliche Sinfoniethemen. Es fallen besonders die asymmetrische Themenbildung, die niemals exakten Sequenzen, die rhythmische Uneinigkeit (durch den alla breve Takt fast Synkopen an manchen Stellen, Duolen und Triolen nacheinander), die großen non-kantablen Intervalle, die Temposchwankungen und die detaillierten Angaben zur Spielweise auf. Vom Programm ausgehend scheint Berlioz in den unterschiedlichen Phrasen seines ersten Themas versuchte zu haben, verschiedene Seiten der Beziehung des Liebenden zu seiner Geliebten darzustellen. Das umfasst Bewunderung und Hinaufschauen ebenso wie seufzerhaftes Klagen und Hoffen.

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Details

Titel
Analyse der "idée fixe" aus Berlioz` Symphonie Fantastique
Autor
Jahr
2000
Seiten
3
Katalognummer
V97282
ISBN (eBook)
9783638099578
Dateigröße
328 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Analyse, Berlioz`, Symphonie, Fantastique
Arbeit zitieren
Andree Michaelis (Autor:in), 2000, Analyse der "idée fixe" aus Berlioz` Symphonie Fantastique, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97282

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