Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Inklusion
2.1 Ziele und Aufgaben der Inklusion
2.2 Rechtliche Grundlagen
2.2.1 Grundgesetz
2.2.2 UN-Behindertenrechtskonvention
3 Inklusion in der Praxis
3.1 Schulgesetz Baden-Württemberg
3.2 Voraussetzungen für Inklusion
3.3 Entwicklungen der Inklusion
3.4 Auswirkungen der Inklusion
4 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
„Es ist normal, verschieden zu sein. Es gibt keine Norm für das Menschsein.“ Mit diesem Satz eröffnete der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1993 die Tagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte e.V. in Bonn. Schon vor über 35 Jahren sprach Weizsäcker von Inklusion und dem Verständnis, nicht zwischen Menschen mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf zu unterscheiden.
Diese Studienarbeit wurde nach der Methode des Recherchierens gefertigt und befasst sich mit der Inklusion von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Schule. Inklusion ist zurzeit deshalb so interessant, da davon überall die Rede ist und sich Deutschland aktuell in einem Wandel des Schulsystems befindet.
Ziel der Arbeit ist es, die aktuelle Situation der schulischen Inklusion in Deutschland aufzuzeigen. Diese Studienarbeit befasst sich hier insbesondere mit der Situation in Baden-Württemberg.
Unter Punkt zwei wird zunächst auf den Begriff Inklusion eingegangen und dessen rechtliche Bedeutung geklärt. Anschließend folgen unter Kapitel drei Informationen über die rechtliche Lage in Baden-Württemberg, die Voraussetzungen für Inklusion sowie interessante Fakten bezüglich der Praxis. Die Arbeit schließt mit dem Fazit und einem Ausblick für die kommenden Jahre ab. Die Arbeit ist genderneutral geschrieben.
2. Inklusion
„Behinderung ist nicht heilbar. Sie ist integraler Bestandteil der Persönlichkeit behinderter Menschen und verdient Respekt. Behindernde Strukturen und behinderndes Verhalten aber sind heilbar. Die Therapie lautet: Inklusion“ (BMAS 2011, S. 19). Immer mehr und fast schon überall wird der Begriff Inklusion benutzt, sei es in den Medien, in der Politik oder im Alltag. Was er genau bedeutet und woher er stammt wird nachfolgend erklärt.
Der Begriff Inklusion leitet sich von dem lateinischen Wort „includere“ ab, welches übersetzt „einbeziehen“ heißt. Das bedeutet, dass der Zugang zu Bildungsinstituten, wie in unserem Fall Schulen, als eine Selbstverständlichkeit und Gleichberechtigung gegenüber allen Menschen anzusehen ist (vgl. Köpfer 2012, S. 1). Oft funktioniert dies in der Praxis nicht so einfach, wie es die Theorie vorsieht. „Unabhängig vom jeweiligen Themenbereich geht es immer um den Zugang von Einzelnen und Gruppen zu und die Teilhabe an allen Bereichen der Gesellschaft und darum, dass möglichst alle Menschen in einer Gesellschaft das eigene Leben aktiv gestalten und ein ‘gutes Leben’ führen können“ (Kuhlmann et al. 2018, S. 12).
Häufig wird der Begriff Inklusion mit dem Begriff Integration verwechselt. Hinter diesen beiden Begriffen verstecken sich allerdings zwei komplett verschiedene Bedeutungen. Inklusion ist eine immer weitergehende Entwicklung dessen, was mit Integration angefangen hat. In der Integrationsgesellschaft muss sich ein Einzelner an bestehende Strukturen anpassen und einfügen. Unter Inklusion versteht man, dass solche Strukturen geschaffen werden, damit alle Bürger ihr Recht auf Selbstbestimmung, Chancengleichheit und vor allem die gesellschaftliche Teilhabe ausleben können (vgl. Alicke 2015, S. 21).
Im Schulrecht wird der im Folgenden häufig gebrauchte Begriff des sonderpädagogischen Förderbedarfs verwendet, welcher teilweise mit dem Begriff der Behinderung identisch ist. Unter sonderpädagogischem Förderbedarf versteht man ein Defizit der Entwicklung, welches aber nicht durch eine Behinderung zustande gekommen sein muss (vgl. Staatliches Schulamt Künzelsau 2017, S. 1).
2.1 Ziele und Aufgaben der Inklusion
Um Inklusion verwirklichen zu können, muss es einen fundamentalen Wandel im Denken und Handeln unserer Gesellschaft geben. Die Gedanken und Ziele von erfolgreicher Inklusion können nicht auf einmal umgesetzt werden. „Hierfür ist es erforderlich, persönliche Vorurteile zu überwinden und die eigene Stellung in der Welt und die Bedeutung von menschlichen Beziehungen neu zu überdenken. Für die psychosoziale Arbeit geht es darum, eine vorurteilsfreie und reflektierte Haltung anderen Menschen gegenüber zu erarbeiten“ (Kuhlmann et al. 2018, S. 16). Doch dies ist ein stetiger Prozess, der immer weitergeführt werden muss. Das Ziel von Inklusion ist ein von Anfang an selbstbestimmtes Leben und Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung in allen Lebensbereichen, speziell in dem für diese Studienarbeit wichtigen Bereich Bildung. Es muss gewährleistet werden, dass ein Kind mit Behinderung oder Förderbedarf, gemeinsam mit seinen Eltern, die Wahl zwischen dem Besuch einer Förderschule und einer Regelschule hat (vgl. BMAS 2011, S. 12). Inklusion bedeutet ein gemeinsames Lernen aller Kinder von Anfang an. Eine mögliche Vision unserer Gesellschaft der Zukunft könnte lauten: „Eine Schule für alle - Inhalte und Bildungsformen orientieren sich an den individuellen Bedürfnissen der Kinder“ (BMAS 2011, S. 44).
Wenn ein Kind mit Behinderung oder Förderbedarf schon frühzeitig in seiner Entwicklung bestmöglich gefördert wird und eine gute Bildung erlangt, kann es in vielen Bereichen des Lebens eigenständig zurechtkommen. Bildung ist ein zentraler
Schlüsselfaktor für den weiteren Verlauf des Lebens, allem voran im Arbeitsleben werden behinderte Kinder dadurch bessere Chancen haben. Ein vorrangiges Ziel des Staats muss es sein, mehr Kindern mit Behinderung oder Förderbedarf zu einem Schulabschluss und einer anschließenden Ausbildung zu verhelfen (vgl. BDA 2014, S. 3). Diese Bildungsziele sollen durch den Prozess der Inklusion immer weiter umgesetzt werden.
2.2 Rechtliche Grundlagen
Was schon 1949 im Grundgesetz verankert wurde, erhält seit Anfang des 21. Jahrhunderts einen zusätzlichen Aufschwung durch die 2006 beschlossene UN-Behindertenrechtskonvention.
2.2.1 Grundgesetz
Seit dem 23.05.1949 ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 niedergeschrieben, dass niemand wegen seiner Behinderung in irgendeiner Weise benachteiligt werden darf. „Der Grundrechtskatalog ist das juristische Bollwerk [...]“ (Hartwig/Kroneberg 2014, S. 8). Der Katalog ist der Grundbaustein für jegliche Inklusionsansätze und somit auch ein Baustein für inklusive Schulen. Dies soll die Stellung behinderter Menschen stärken und zielt auf Gleichbehandlung von Menschen mit und ohne Behinderung ab (vgl. Castendiek/Hoffmann 2002, S. 22, zit. nach Castendiek u.a. 2002).
Speziell auf den Bildungsbereich bezogen bedeutet Inklusion, dass alle Kinder, unabhängig ihrer körperlichen oder geistigen Ausgangslage, das Recht auf eine gemeinsame Beschulung erhalten (vgl. Alicke 2015, S. 86). Kinder mit einer Behinderung haben das gleiche Recht wie Kinder ohne Behinderung, eine Regelschule zu besuchen.
2.2.2 UN-Behindertenrechtskonvention
Die UN-Behindertenrechtskonvention bildet für die inklusive Beschulung einen weiteren Grundbaustein der rechtlichen Grundlage. Im Jahr 2001 wurde der Entwurf über ein internationales Übereinkommen zur Förderung und zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderung durch den Staat beschlossen. Am 13.12.2006 entstand das Übereinkommen der Vereinten Nationen, die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Seit dem 26.03.2009 ist Deutschland durch das förmliche Gesetz und die damalige Unterzeichnung und Ratifizierung dazu verpflichtet (vgl. Hartwig/Kroneberg 2014, S. 10f.).
Ziel der UN-BRK ist es, denselben menschenrechtlichen Schutz für alle Menschen mit Behinderung, den die Menschen ohne Behinderung besitzen, zu gewährleisten (vgl. ebd., S. 10).
Einzelne Artikel der UN-BRK beschreiben die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung in den verschiedensten Lebensbereichen und führen gleichzeitig Maßnahmen zur Umsetzung auf. Speziell im Bereich Bildung ist die UN-BRK ein großer Schritt in Richtung eines inklusiven Bildungssystems (vgl. BMAS 2011, S. 22).
In Art. 24 UN-BRK wird konkret auf das Recht auf Bildung von Menschen mit Behinderung eingegangen. Das Ziel ist die Schaffung eines gleichberechtigten Zugangs aller Personengruppen zu einem inklusiven Bildungssystem. Art. 2 Abs. 1 UN-BRK beschreibt die Ziele, wie z.B. die vollständige Entfaltung der Persönlichkeit und Begabung, der Kreativität und der körperlichen sowie geistigen Fähigkeiten von Menschen mit Behinderung. Art. 24 Abs. 2 UN-BRK stellt sicher, dass Kinder mit Behinderung nicht aufgrund ihrer Behinderung daran gehindert werden Grundschulen oder weiterführende Schulen zu besuchen. Dies ist durch den Vertragsstaat sicher zu stellen. Das bedeutet, dass Kinder mit Behinderung einen individuellen Anspruch auf den Zugang zu einer Regelschule und die damit verbundene inklusive Beschulung haben. Es ist daher die Aufgabe der einzelnen Länder, diesen Anspruch im Schulgesetz zu verankern. Art. 24 Abs. 4 UN-BRK geht auf die Verpflichtung ein, Lehrkräfte speziell in der Kommunikation sowie pädagogischen Verfahren zu schulen und sie mit Materialien zur Unterstützung von Menschen mit Behinderung auszustatten.
Die UN-BRK sieht keine sofortige Umsetzung des inklusiven Schulsystems vor, vielmehr soll dieser Prozess „nach und nach“ passieren, wobei sämtliche verfügbaren Mittel ausgeschöpft werden müssen.
3. Inklusion in der Praxis
Die Bestimmungen der UN-BRK sind in Deutschland bisher nur zum Teil umgesetzt. Erschwert wird der Prozess der Inklusion durch die unterschiedlichen Meinungen und Herangehensweisen der Politik sowie die föderalistischen Strukturen im deutschen Bildungssystem. Mit der im Juli 2015 durchgesetzten Änderung des Schulgesetzes in Baden-Württemberg hat die UN-BRK schon einen enormen Umbruch in Baden- Württemberg bewirkt.
3.1 Schulgesetz Baden-Württemberg
Im derzeit geltenden Schulgesetz ist in § 15 SchG Baden-Württemberg (BaWü) die sonderpädagogische Förderung von Kindern mit Behinderung oder Förderbedarf geregelt. Nach § 15 Abs. 1 und 2 SchG BaWü ist die Erziehung, Bildung und Ausbildung von Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Aufgabe aller Schulen. Das heißt, dass Schüler*innen in Regelschulen die ihnen zustehende Erziehung, Bildung und Ausbildung erfahren können.
Nach § 83 Abs. 1 SchG BaWü können die Erziehungsberechtigten eines Kindes mit Anspruch auf sonderpädagogische Förderung eine Beratung durch die Schulaufsichtsbehörde hinsichtlich schulischer Angebote sowohl an allgemeinen Schulen als auch an sonderpädagogischen Bildungszentren erwarten. Seit Juli 2015 ist es nach § 83 Abs. 2 SchG BaWü den Erziehungsberechtigten freigestellt, ob sie den Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot in der Primarstufe oder in der Sekundarstufe 1 an einer Regelschule oder einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum geltend machen wollen.
In § 83 Abs. 4 SchG BaWü ist geregelt, dass die Schulaufsichtsbehörde festlegen kann, dass abweichend von der Wahl der Erziehungsberechtigten, die sonderpädagogische Förderung an einer anderen Regelschule erfüllt wird, falls an der gewählten Regelschule die angemessenen Vorkehrungen zur Erfüllung des Anspruchs, das heißt die fachlichen, personellen und materiellen Voraussetzungen nicht geschaffen werden können. In besonderen Einzelfällen kann auch entschieden werden, dass der Anspruch nur an einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum erfüllt wird.
3.2 Voraussetzungen für Inklusion
Um eine inklusive Beschulung möglich zu machen, müssen bestimmte Vorkehrungen getroffen werden, damit ein bestmöglicher Unterricht für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf oder einer Behinderung stattfinden kann. Die Schule muss räumliche Voraussetzungen, wie zum Beispiel Therapieräume schaffen. Zudem benötigt man speziell geschulte Lehrkräfte und Fachkräfte in den inklusiven Klassen sowie spezielle Materialien und Hilfsmittel.
Die erforderlichen gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen können nur durch ein Miteinander von Bund, Ländern und den Kommunen geschaffen werden und beanspruchen ein hohes Maß jeglicher Mittel (vgl. Alicke 2015, S. 86f.).
Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg hat im Schuljahr 2017/2018 4.980 allgemeinbildende Schulen gemeldet, davon waren 559 sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (vgl. Amtliche Schulstatistik 2020, o. S.). Im selben Schuljahr wurden an öffentlichen Schulen 94.348 Lehrkräfte, davon 43.088 in Vollzeit beschäftigt (vgl. Amtliche Schulstatistik 2018, Tabelle 1).
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