Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsbestimmungen und Standortdefinition
2.1 Definition von Partizipation
2.2 Gesetzliche Rahmenbedingungen für Kinderrechte
2.3 Demokratie in der Partizipation
3 Voraussetzung und Methoden für Partizipation in Kindergarten
3.1 Grundhaltung des Fachpersonals in Kindergarten
3.2 Kinderparlament / Kindergruppenkonferenz im Kindergarten
3.3 Beschwerdeverfahren
4 Inklusion und Integration
5 Grenzen der Partizipation
6 Fazit und Ausblick
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Um eine Betriebserlaubnis für einen Kindergarten zu bekommen, sind nach § 45 SGB Abs. 2 Nr. VIII zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung geeignete Verfahren der Beteiligung von Kindern anzuwenden. Mit dem dadurch gesetzlich geregelten Anspruch der Kinder auf Partizipation gewinnt diese im Kindergarten an Bedeutung. Dabei ist der Gedanke der Partizipation nicht neu, denn bereits in den zwanziger Jahren war der Hinweis auf die Partizipation als Begriff in reformpädagogischen Ansätzen zu finden. (Kreuziger 2011)
„Politisch war diese Pädagogik eingebettet in die Zukunftsvision, dass eine künftige sozialistische Gesellschaft nur von Menschen gestaltet werden kann, für die Demokratie und Gleichheit in allen Bereichen der Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit sein würde und die bereit und fähig sind, politische Verantwortung zu übernehmen.“ (Schröder 1996, S. 25)
Dementsprechend stellt sich die Frage, was ist Partizipation im Kindergarten tatsächlich bedeutet. Was ist sind die Rechte und die Demokratie in der Partizipation? Was macht Partizipation mit den Kindern? Wie sieht es mit der Inklusion und mit Menschen mit Behinderungen aus in der Partizipation? Welche Methoden gibt es in der Partizipation? Können Ressourcen geweckt werden? Gibt es Grenzen in der Partizipation?
Diesen Frage- und Problemstellungen soll die Arbeit nachgehen. Daher wird zunächst eine Definition der Begriffe Partizipation, Rechte und Demokratie erfolgen. Das Ziel der Arbeit ist es dabei, die Partizipation im Kontext der Kindergartentätigkeit darzustellen und klären, warum Kinder im Kindergarten Partizipation brauchen und erfahren sollten.
2 Begriffsbestimmungen und Standortdefinition
2.1 Definition von Partizipation
Partizipation bedeutet im Allgemeinen „Teilhabe“ oder „teilnehmen“, „beteiligt sein“. Wenn der Begriff Partizipation im Kontext zum Kindergarten fällt, geht es um Mitbestimmung von Kindern im Kinderartenalltag, die Kinder sollen in ihrem Kindergartenalltag mitentscheiden und mitwirken dürfen. (Regner, Schubert- Suffrian 2013, S.12).
Anhand eines Stufenmodells kann man die Vorstufen von den eigentlichen Stufen unterscheiden. Die Vorstufen können von Gelegenheiten und Prädestination abhängen, während die eigentlichen Stufen in der Konzeption, legitim festgelegt sind. (Straßburger 2014a, S.25).
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Abbildung 1: Das Stufenmodell der Partizipation im Kindergarten, modifizierte Darstellung nach Straßburger (2014b, S. 232f.)
In den Vorstufen wird Material gesammelt und bereitgestellt. Das bereitgestellte Material wird so zusammengefasst und kindgerecht aufbereitet und umschrieben, dass Kinder ihre Meinung dazugeben können. In der Stufe zwei werden Meinungen, Vorschläge, Anregungen gesammelt. In der dritten Stufe werden die Meinungen dargelegt und besprochen. Es folgen die Stufen der eigentlichen Partizipation, indem die Fachkraft es zulässt, dass die Kinder eine Position vertreten, ohne Beeinflussung der Position oder Vorgabe in der Alternative. In der fünften Stufe geben die Fachkräfte einen Teil ihrer Macht ab, indem sie an die Kinder als Adressaten einen Teil der Entscheidungsbefugnis übertragen. In der letzten Stufe treffen die Kinder die Entscheidung selbst, und werden dabei von den Fachkräften kollektiv unterstützt. (Straßburger 2014a, S.24f.; 232 f.) Partizipation bedeutet nach der Definition von Straßburger/Rieger (a.a.O.) somit, an Entscheidungen mitzuwirken und auf das Ergebnis Einfluss nehmen zu können, wobei klargestellt ist, wie die Entscheidung gefällt wird und wie weit das Recht auf Mitbestimmung reicht.
Partizipation bedeutet dabei, mit den Kindern auf der Beziehungsebene zu kommunizieren. Die Fragen werden als „offene Fragen“ gestellt, dadurch haben die Kinder die Möglichkeit, ihre Sicht einzubringen und es werden keine Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Die Fachkräfte sollten sich selbst bewusst sein, wie weit das Recht der Kinder auf Mitbestimmung reichen soll und wo ihre persönlichen Grenzen und Wertvorstellungen sind.
Um diese Partizipation auf der Individualebene zu ermöglichen, sind die Fachkräfte der Einrichtung als Team gefordert, grundsätzliche Rahmenbedingungen der Teilhabe zu definieren. Im Rahmen der Einrichtungskonzeption sind Methoden, Grenzen und Werte, etwa im Sinne einer gesellschaftlichen oder kirchlichen Definition transparent darzustellen. Dabei gilt: „ Nicht überall, wo Kinder und Erwachsene gemeinsam auftreten, kann von kindgerechter Beteiligung geredet werden." (Kreuzer 2011; Schröder 1995, S. 15). Das Modell von Schröder veranschaulicht, dass der Begriff der Partizipation von Kindern von reiner Fremdbestimmung bis hin zur Selbstbestimmung reichen kann:
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Abbildung 2: Stufen der Beteiligung im Kindergarten, modifiziert nach Schröder 1995, S. 15
Schröder (a.a.O.) definierte die Stufe der Fremdbestimmung dahingehend, dass Kinder dazu angehalten werden, Dinge zu tun, die sie entweder gar nicht verstehen (können) oder aber weil die Erwachsenen es ja nur zu ihrem Besten wollen, kann man sowohl von Unterdrückung als auch von Manipulation reden. Im Rahmen der Fremdbestimmung erhalten Kinder weder Kenntnis über die Intentionen von Aktionen, noch verstehen sie die Aktion an sich. Inhalte, Arbeitsformen, Ergebnisse und Ziele der Maßnahmen und Aktionen unterliegen einer vollständigen Fremddefinition.
Bei der Dekoration handelt es sich um eine „Beteiligungsform“, welche auf den Niedlichkeitsfaktor von Kindern im Sinne einer Schmuck- oder Aufmerksamkeitskomponente setzt. Auch hier fehlt es am Verständnis der Kinder für die Aktion. In der Alibimaßnahme nehmen Kinder nur scheinbar stimmberechtigt, jedoch freiwillig an Sitzungen, Konferenzen aber auch Kinderparlamenten teil.
In der Stufe der Teilhabe würden Kinder über die bloße Teilnahme hinaus ein gewisses sporadisches Engagement der Beteiligung zeigen (können oder dürfen). Bei der zugewiesenen, aber informierten Form der Partizipation wird ein Projekt oder eine Aufgabe von Erwachsenen vorbereitet, allerdings sind die Kinder vorher gut informiert worden, wissen und verstehen also, worum es gehen soll und wissen, was sie selber bewirken können und dürfen.
Die Mitwirkung unterscheidet sich von der Teilhabe dadurch, dass die Kinder eigene Vorstellungen, Wünsche oder Kritik äußern dürfen. Allerdings stehen sie bei der konkreten Planung und Umsetzung der darauffolgenden Aufgabe oder Maßnahme außen vor.
Nach Kreutzers (2011) Argumentation erfolgt hier das erste Mal eine tatsächliche Beteiligung, da es um ein Teilhaberecht geht, dass Kinder tatsächlich in Entscheidungen einbezieht und ihnen das Gefühl des Dazugehörens und der Mitverantwortung begründet vermittelt. Auch hier kommt die Idee der Aufgaben von Erwachsenen, alle Entscheidungen werden aber gemeinsam und demokratisch mit den Kindern getroffen.“ (Schröder 1996, S. 30). Diese Stufe der Beteiligung ist im Kindergartenalter die höchste Form der altersgerecht erreichbaren Partizipation, welche die Grundlage für die nachfolgende Darstellung in der Arbeit bilden soll.
Der Vollständigkeit halber sollen die Partizipationsformen für ältere Kinder und Jugendliche genannt werden, welche nach Schröders Beteiligungsmodel (1996):
Bei der Selbstbestimmung wird im Gegensatz zur Mitbestimmung ein Projekt von den Kindern und Jugendlichen selbst initiiert. Die Erwachsenen stehen lediglich unterstützend und fördernd zur Seite. Entscheidungen werden von den Kindern selbst getroffen, wobei die Fachkräfte eventuell beteiligt werden, die Entscheidungen aber immer mittragen (Schröder 1996, S. 30; Kreutzer 2011). Auf der höchsten Stufe steht letztendlich die Selbstverwaltung, wobei diese als selbstorganisierte Arbeit von z. B. Jugendgruppen, die unter völliger Entscheidungsfreiheit ihre Entscheidungen den Erwachsenen lediglich mitteilen, definiert wird.
Schröder (1996) verweist darauf, dass es bei der Wahl der Partizipationsform zu beachten gilt, „dass nicht nur die jeweiligen Bedürfnisse der Kleinkinder, Grundschulkinder, Teenager, Jungen und Mädchen, der deutschen und ausländischen Kinder und auch der behinderten Kinder an ihre Umwelt zu berücksichtigen sind und somit jeweils unterschieden werden müssen. Auch muss man berücksichtigen, dass die jeweilige Altersspanne der Zielgruppe, hinsichtlich ihrer Kompetenzen zur Beteiligung, ebenfalls entscheidend für das Gelingen von partizipativen Projekten ist. Denn natürlich darf man die jeweilige Zielgruppe weder über- noch unterfordern.“ (so auch Kreutzer 2011).
2.2 Gesetzliche Rahmenbedingungen für Kinderrechte
Kinder haben Anspruch auf einen besonderen Schutz, da sie anders als Erwachsene nicht allein für sich Sorge tragen können (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2017). Zur Sicherstellung des Schutzes und der Rechte von Kindern bestehen zahlreiche gesetzliche Grundlagen, welche nachfolgend exemplarisch aufgeführt werden:
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Tabelle: Überblick über Rahmengesetze für Kinderrechte (eigene Darstellung)
Die UN-Kinderrechtskonvention besteht aus vier großen Rechtsbereichen (Fräd- rich/Jerger-Bachmann 1995, Seite 21):
- Survival rights, die Rechte, die das Überleben des Kindes sichern, wie die Rechte auf Nahrung, Wohnen, medizinische Versorgung;
- Development rights, die Rechte, die eine angemessene Entwicklung des Kindes garantieren, wie Erziehung, Spielen, Schule, Freiheit des Denkens, des Gewissens und der Religion;
- Protection rights, die Rechte, die das Kind vor Ausbeutung, Missbrauch und willkürlicher Trennung von der Familie schützen;
- Participation rights, die Rechte, die freie Meinungsäußerung und Mitsprache in Dingen garantieren, die Kinder betreffen.
Da die Adressaten der Konvention sind die Staaten, welche ihre Rechtsordnung im Sinne der oben beschriebenen Rechtsbereiche gestalten sollen, besteht kein gerichtlich einklagbarer individueller Rechtsanspruch des einzelnen Kindes: “Somit hat das Kind beziehungsweise sein gesetzlicher Vertreter zwar keinen direkten, aus dem Übereinkommen ableitbaren Rechtsanspruch auf irgendeine Leistung oder auf Schutz, aber sehr wohl ein einklagbares Recht auf ein entsprechendes Gesetz in seinem Staat, das der Konvention genügen muss.” (Frädrich / Jerger-Bachmann 1995, Seite 23).
Der deutsche Gesetzgeber trägt der UN-Kinderrechtskonvention mit dem Begriff des Kindeswohls Rechnung und konstatiert, dass “die Kinder ... für ihr Aufwachsen und Selbständig werden physisch und psychisch auf die Unterstützung der Erwachsenen angewiesen sind.“ (BMFSFJ 1998, Seite 159). Die Rechte der Kinder sollen dabei so beschaffen sein, daß sie die Stellung der Kinder und die Bedingungen ihres Aufwachsens deutlich regeln. Dafür reicht es nicht aus, dass Kinder “nur” den Erwachsenen rechtlich gleichgestellt werden.“ (BMFSFJ, a.a.O.). In der Unterrichtung des Bundestages durch die Bundesregierung wird im Elften Kinder- und Jugendbericht (Bundesregierung 2002, S. 19) wird ausgeführt, dass es „.deshalb von entscheidender Bedeutung (ist), dass jungen Menschen Partizipationsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, die ihren Bedürfnissen, ihren Kenntnissen und Fähigkeiten und ihrem Beteiligungswillen gerecht werden. Beteiligung muss dabei als ein kontinuierlicher, unumkehrbarer Prozess angelegt sein ...“
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