Grundlagen der Besiedlung Alt-Kairos


Bachelorarbeit, 2014

44 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Forschungsgeschichte
2.1 Antike Beschreibungen
2.2 Spätantike Beschreibungen
2.3 Beschreibungen aus arabischer Zeit

3. Topographie
3.1 Alt-Kairo in der Gegenwart
3.2 Topographie im 1. - 3. Jahrhundert

4. Historischer Abriss
4.1 Besiedlung in vorrömischer Zeit
4.2 Entwicklung in römischer Zeit
4.3 Entwicklung in spätantik-byzantinischer Zeit
4.4 Arabische Eroberung und Besiedlung Alt-Kairos

5. Archäologischer Befund der Hafen- und Festungsanlage
5.1 Die Hafenanlage Trajans und der anschließende Kanal
5.2 Die Festungsanlage aus diokletianischer Zeit
5.2.1 Allgemein
5.2.2 Die Rundtürme
5.2.3 Das Südtor
5.2.4 Der Bereich entlang der Ostmauer
5.2.5 Das Nordtor
5.2.6 Material und Bautechnik
5.2.7 Datierung

6. Schlussbetrachtung

I. Literaturverzeichnis

II. Pläne

1. Einleitung

In der belebten, teils hektisch anmutenden Metropole Kairo, ist die Gegend Alt-Kairos ein besonderer, geradezu einzigartiger Bereich und dies gewiss nicht nur ob der relativen Abwesenheit von Verkehr und Lärm. Vielmehr ist es heutzutage ein Ort, der mit römischen Wehranlagen, Einrichtungen verschiedener religiöser Gemeinschaften - teils seit dem Mittelalter bestehend - sowie modernen touristischen Angeboten Elemente verschiedener Zeiten und Gruppen vereint.1 Dem Autor dieser Zeilen war es vergönnt im Herbst 2012 während eines längerfristigen Aufenthaltes in Ägypten dies vor Ort zu erleben und erste Beobachtungen an der Anlage zu machen.

Die diokletianische Festungsanlage Babylon, die nach der arabischen Eroberung und dem Abzug der byzantinischen Truppen durch zivile Bevölkerung besiedelt worden ist2, bildet den Kern Alt-Kairos. Im Rahmen dieser Arbeit soll dargestellt werden, wie diese Anlage beschaffen war und welche Faktoren zu ihrer Errichtung führten sowie ihre Form beeinflusst haben und somit in direkter Linie auch die Form Alt-Kairos bis in die heutige Zeit hinein geprägt haben. Dazu wird zunächst ein Überblick der auf diese Gegend bezogenen literarischen Quellen aus antiker, spätantik-byzantinischer sowie arabischer Zeit gegeben. Im weiteren Verlauf wird anhand der Topographie der Region die günstige strategische Position des Gebietes um Babylon verdeutlicht, sowie die Siedlungen dieser Gegend von altägyptischer Zeit bis hin zum Kanalausbau und der Hafenanlage Trajans dargelegt. Wie der Hafen die Lage der diokletianischen Festung definierte, so war diese wiederum für Alt-Kairo prägend. Begleitet wird dies durch einen Überblick über für Babylon wichtige Entwicklungen in der ägyptischen Geschichte bis hin zur arabischen Eroberung und der sich an sie anschließenden Besiedlung der Festungsanlage, welche den Beginn der Entwicklung Alt-Kairos markiert.

Besonders in den beiden vergangenen Jahrzehnten wurde die Festungsanlage im Rahmen umfangreicher archäologischer Arbeiten untersucht. Dies geschah zum einen in den 90er Jahren durch das Deutsche Archäologische Institut in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern3 und von 1999 bis 2005 im Rahmen des Groundwater Lowering Project4.

Die Zitierweise und die bei den Einträgen im Literaturverzeichnis verwendeten Abkürzungen orientieren sich an den Richtlinien für Publikationen des Deutschen Archäologischen Instituts.5

2. Forschungsgeschichte

2.1 Antike Beschreibungen

Aus der Antike sind mehrere literarische Werke überliefert. Diese in griechischer Sprache abgefassten Texte stammen von Historikern und Reisenden.

Im Hinblick auf die Ausrichtung dieser Arbeit sind besonders Aussagen über die Gründung und die Lage Babylons, sowie über den für die spätere Form Alt-Kairos so wichtigen Kanal6 und seine Vorläufer von Bedeutung.

Herodot mit seinen Historien, Diodorus mit seiner Bibliothek und die Geographie von Strabon liefern ebendiese Angaben. Der Grieche Herodot bereiste um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. den östlichen Mittelmeerraum und kam im Zuge dessen bis nach Ägypten.7

Diodorus, der im 1. Jahrhundert v. Chr. lebte, hielt sich unter anderem in Alexandria auf und beschrieb in 40 Bänden die Entwicklung der Erde von ihrer Entstehung an bis in seine Zeit.8

Strabon, der 64/63 v. Chr. geboren wurde und nach dem Jahre 23 n. Chr. starb, beschreibt in seiner 17-bändigen Geographie im Wesentlichen die Welt seiner Zeit und die Geschichte der von ihm besuchten Gegenden. In den Jahren 25/24 v. Chr. bereiste er Ägypten.9

In den Historien beschreibt Herodot das Gebiet um Heliopolis, und somit den Bereich des späteren Alt-Kairo, als den Wechselpunkt zwischen dem schmalen kargen Süden und der sumpfigen breiten Ebene des Deltas.10 Des Weiteren schreibt er den Versuch des Baus eines Kanals, der aus der Nähe von Bubastis bis ins Rote Meer führt, dem ägyptischen Pharao Necho und dessen Fertigstellung erst dem Perserkönig Dareios I. zu.11 Der Kanal findet eine ähnliche Erwähnung bei Diodorus12 und Strabon13.

Beschrieben wird die Entstehung einer Siedlung namens Babylon bei Strabon, der berichtet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht14 enthalten

Mit den gleichen Kernaussagen beschreibt Diodorus die Gegend um Babylon und den Ursprung der Siedlung.15

Flavius Jospehus, der im 1. Jahrhundert n. Chr. lebende jüdische Historiker16, erwähnt die Festung Babylon in seinem ebenfalls in griechischer Sprache verfassten Werk Jüdische Altertümer, nimmt aber keine weitergehenden Erläuterungen vor.17

2.2 Spätantike Beschreibungen

Aus der Spätantike, also dem Zeitraum vom Regierungsantritt Diokletians an bis zur arabischen Eroberung, liefert Zosimus in seinen um 500 n. Chr. verfassten Historien18 Informationen zu den Sicherungsmaßnahmen Diokletians.19 Im Rahmen dieser Sicherungsmaßnahmen ist auch die Festung in Babylon errichtet worden.20

Die Situation der Christen in Ägypten und die diokletianischen Verfolgungen werden in der erhalten gebliebenen Chronik des Johannes von Nikiu, einem Bischof der im 7. Jahrhundert im Delta lebte21, geschildert.22

Ebenfalls Erwähnung finden die Verfolgungen in der Kirchengeschichte des Eusebius von Cäsarea.23 Eusebius lebte ca. von 265 bis 340 in Palästina.24

Die Christenverfolgungen unter Diokletian sind im Weiteren besonders im Hinblick auf die Besiedlung der unter Diokletian errichteten Festungsanlage durch koptische Bevölkerungsteile nach der arabischen Eroberung in der Mitte des 7. Jahrhunderts n. Chr.25 von Interesse.

2.3 Beschreibungen aus arabischer Zeit

Aus der Zeit von der ab 640 einsetzenden arabischen Eroberung Ägyptens26 bis 27 zum Beginn der osmanischen Herrschaft 151727 gibt es verschiedene literarische Zeugnisse und Autoren, die Aussagen über die Eroberung und über das von der zivilen Bevölkerung besiedelte Alt-Kairo treffen.28 Im Folgenden werden diese, begrenzt auf zwei Autoren, exemplarisch vorgestellt.

Ibn ‘Abd al-Hakam lebte von 798/99 bis 871 und entstammte einer wohlhabenden Familie aus Ägypten. In seinem Werk Futuh Misr beschreibt er unter anderem die arabische Eroberung Ägyptens unter ‘Amr ibn al-‘As und die Topographie Fustats, einer nach der Eroberung direkt neben der Festung Babylon durch die Araber gegründeten Siedlung,29 sowie ihre Umgebung.30 Seine Abstammung aus Ägypten lässt seine auf dieses Land bezogenen Schilderungen, wie die des Johannes von Nikiu bei den Autoren der Spätantike,31 aus einer Innenperspektive heraus entstehen.

Anders verhält es sich bei dem aus Jerusalem stammenden und im 10. Jahrhundert lebenden al-Muqaddasi (gestorben nach 990).32 In seinem bedeutenden geographischen Werk „Die besten Kategorien zur Regionsunterscheidung“33 verarbeitet er die auf seinen Reisen durch die islamische Welt der damaligen Zeit gemachten Beobachtungen.34 Für Babylon ist sein Bericht über Ägypten bedeutsam, da er in ihm die Existenz einer auf die in Höhe Babylons gelegene Nilinsel Roda führenden Brücke erwähnt und somit die Diskussion über eine im südlichen Teil dieser Insel gelegene weitere römische Festungsanlage unterstützt.35 Er berichtet ebenfalls über den umfangreichen und vielfältigen sich um Alt­Kairo abspielenden Handel, der als ein Faktor für das schnelle Wachstum in der Region nach der arabischen Eroberung angesehen wird,36 sowie über die Lebens- und Wohnverhältnisse in dieser Stadt.37

Ebenfalls der arabischen Zeit entstammen zahlreiche in koptischer Sprache geschriebene Texte, in denen die arabische Eroberung und die Lebenswelt unter arabischer Herrschaft thematisiert werden. Ein Teil dieser Texte wurde im Hinblick auf die koptische Rezeption dieser Ereignisse von Suermann untersucht. Als Beispiele seien an dieser Stelle die in der Mitte des 7. Jahrhunderts verfasste koptische Version der Legende „Eudoxia und das heilige Grab“ sowie die wahrscheinlich im zweiten Viertel des 8. Jahrhunderts entstandene Pseudo-Athanasius-Apokalypse.38

3. Topographie

3.1 Alt-Kairo in der Gegenwart

Alt-Kairo befindet sich aus heutiger Sicht im südöstlichen Teil der Metropole Kairo. Auf Höhe der Südspitze der Insel Roda ist es in ungefähr 400m Entfernung39 zum Nil auf dessen Ostseite gelegen. Die heutige Entfernung zum in das Mittelmeer mündenden Nil ist durch eine im Laufe der Jahrhunderte geschehene Veränderung des Flussbetts40 entstanden. Ebenso hat sich die Spitze des Nildeltas, an der sich das Gebiet des heutigen Alt-Kairo einst befand, nach Norden verlagert.41 42 Durch den Verlauf der ehemaligen Mauern der aus diokletianischer Zeit stammenden römischen Festungsanlage Babylon, die eine Fläche von ca. 5 Hektar umfasst42, sowie sich an diese im Norden und im Osten anschließende Friedhöfe und die einrahmenden Straßen Qasr al-Sam', Mari Girgis und el- Imam ist Alt-Kairo als eine unregelmäßige, fünfeckige Form definiert.43 Aufgrund von Zerstörungen im 19. Jahrhundert sind außer den zwei Rundtürmen des Westtores, dem Südtor und einigen Mauerresten im Westen und Südosten, große Teile der Festungsanlage nicht mehr erhalten.44 Alt-Kairo beherbergt mehrere kirchliche Bauten verschiedener Konfessionen, zwei Klöster, eine Synagoge sowie ein Museum.45 Drei der kirchlichen Gebäude haben römische Bauten adaptiert und sind über oder in sie hinein gebaut worden.46 Des Weiteren sind mehrere Buchhandlungen und andere, größtenteils auf Touristen ausgerichtete, Händler dort anzutreffen.

Umgeben ist die Anlage durch die, nach dem arabischen Eroberer Ägyptens benannte, ‘Amr ibn al-‘As Moschee im Nordosten, den Überresten der ersten islamischen Stadtgründung auf ägyptischem Boden Al-Fustät47 im Osten, einem Friedhof im Südosten, sowie vom Süden bis zum Norden durch eine Wohngegend, deren im Westen befindlicher Teil durch eine Metrolinie abgetrennt ist.

Die Anlagen Alt-Kairos sind heutzutage hauptsächlich aus religiöser, historischer und touristischer Sicht von Bedeutung. Als Beispiel für die letzten beiden Bereiche sei an dieser Stelle das 1908 gegründete und 2006 nach aufwändiger Renovierung wiedereröffnete Koptische Museum genannt.48

3.2 Topographie im 1. - 3. Jahrhundert

In der Antike befand sich die direkt am Nil gelegene Festung Babylon an der Spitze des Deltas.49 Sie war die stärkste militärische Anlage in Ägypten50 und hatte eine für militärische und Handelszwecke sehr günstige strategische Lage.

Ein wesentlicher Handelsweg, der durch Nordägypten führte, war das letzte Stück des Seeweges der Seidenstraße. Von den Häfen Myos Hormos und Berenike am Roten Meer verlief dieses über das in Oberägypten gelegene Koptos nach Alexandria.51

Aufgrund der klimatischen Situation und der durch das Nilhochwasser bedingten Überschwemmung der ufernahen Gebiete, sowie der daraus resultierenden Feuchtigkeit, war es nicht günstig das Delta quer zur Fließrichtung des Nils zu durchqueren. Das Fehlen von Querverbindungen zwischen den Nilarmen erschwerte dies ebenfalls und machte das Delta zu einem für Karawanen ungeeigneten Gelände. Die Monate der Nilschwemme verschärften diese Situation und machten es nahezu unmöglich das Delta zu passieren.52 Diese Problematik konnte umgangen werden, indem man entlang eines Nilarms bis zur Spitze des Deltas zog und dann auf einem anderen Nilarm seinen Weg fortsetzte. Die Luftlinienentfernung zweier Punkte im Delta war somit von untergeordneter Bedeutung, einerseits gegenüber der auf dem Nil notwendigerweise zurückzulegenden Strecke, um von einem Punkt aus zum anderen zu gelangen, andererseits gegenüber der Strömungsrichtung des Nils auf eben dieser Strecke. Die an der Spitze des Deltas gelegene Festung Babylon war somit der Punkt im Bereich des Deltas, von dem aus die zurückzulegende Strecke zu der Summe aller anderen Punkte des Deltas am geringsten war. Dies betraf sowohl den Warenverkehr, der vom Roten Meer bis nach Koptos mit Karawanen ausgeführt und dessen verbleibende Strecke von dort bis Alexandria mit Flussschiffen auf dem Nil bewältigt wurde,53 als auch später die arabischen Eroberer, die über al-Farama nach Babylon gelangten und erst nach dessen Eroberung ihren Feldzug nach Alexandria fortsetzten und auf diese Weise das Delta umgingen, anstatt es zu durchqueren.54

Der einst von Babylon zum heutigen Ismailia verlaufende, so genannte antike Suez-Kanal, stellte nach seiner Erneuerung und Erweiterung durch Kaiser Trajan eine Verbindung des Nils mit dem Roten Meer her und blieb bis ins 5. Jh. hinein schiffbar. Dies bot die Möglichkeit, Waren zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer per Schiff zu transportieren. Ein solcher Transport war kostengünstiger als der Transport mittels einer Karawane bis nach Koptos, auch wenn für die Nutzung des Kanals auf kleinere Schiffe, die nur einen geringen Tiefgang hatten55, umgeladen werden musste.56

Diese Veränderung der Handelsroute verstärkte die durch die strategisch günstige Lage zum Delta und durch die Möglichkeit der Kontrolle des nach Norden und Süden verlaufenden Nilhandels und des Handels auf den von Osten und Westen kommenden Karawanenrouten (beispielsweise durch das Wadi Qarn) gegebene strategische Bedeutung Babylons.57

4. Historischer Abriss

4.1 Besiedlung in vorrömischer Zeit

Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die für das spätere Alt-Kairo relevanten Entwicklung in vorrömischer Zeit gegeben werden. Zu unterscheiden ist dabei zwischen dem Gebiet des späteren Alt-Kairo und der umliegenden Region, auf welche die in 3.2 gemachten Überlegungen zur strategischen Lage in ihren Grundzügen ebenfalls zutreffen.

Die Besiedlung des Gebietes des heutigen Alt-Kairos lässt sich archäologischen Erkenntnissen zufolge ab der Spätzeit, vermutlich ab der Herrschaftszeit der 26. oder 27. Dynastie, nachweisen.58 Diese im Vergleich zur Umgebung späte Besiedlung, wie im Folgenden noch näher dargelegt werden wird, kann durch die wechselnden Verläufe des Nils bedingt sein. Lag der Verlauf eines Nilarms um 1500 v. Chr. und um 1000 v. Chr. noch östlich des Gebietes Alt-Kairos, so führten ungefähr um 500 v. Chr., und von da an bis in die heutige Zeit, Nilarme in wechselnden Verläufen in geringer Entfernung westlich an ihm entlang.59

Nach in jüngster Vergangenheit gemachten Keramikfunden ist von dem Zeitpunkt einer nachweisbaren Besiedlung an eine durchgehende Nutzung in der Spätzeit und der Ptolemäerzeit anzunehmen. Diese Funde zeigen anhand ihrer Herkunft von den griechischen Inseln und der Levante die Handelsverbindungen dorthin auf. Die älteren dieser Scherben sind in für die persische Zeit typischen Depots gefunden worden und gehen somit einher mit den Aussagen antiker Autoren, nach denen Babylon in persischer Zeit gegründet worden sei.60

Die Zerstörung der Stadt Heliopolis' im Jahre 525 v. Chr., die im weiteren Verlauf noch näher beschrieben werden wird, könnte die Gründung einer Siedlung an einem Alt-Kairo nahe gelegenen Orte begünstigt haben61 oder einer dort bestehenden Siedlung Aufschwung gebracht haben.

Betrachtet man die umliegende Region, so lässt sich eine Nutzung der strategisch günstigen Position62 zu verschiedenen, vor dem Beginn der Siedlung Alt-Kairo liegenden, Zeiten anhand verschiedener Siedlungsplätze feststellen. So finden sich im Süden, in Maadi, mit Zeugnissen der Maadi-Buto Kultur Nachweise für eine Besiedlung in vordynastischer Zeit.63

Ebenfalls im Süden jenes Siedlungsgebietes auf der Westseite des Nils befand sich die zur Zeit des Alten Reichs um 3100 v. Chr. gegründete Hauptstadt Memphis, die aufgrund der zu dieser Zeit weiter im Süden gelegenen Spitze des Deltas64 eine ähnlich günstige Lage hatte. So führte dies auch zu einer durchgehenden Besiedlung Memphis' bis in das 7.-8. Jahrhundert n. Chr. hinein. Auch nach einem, mit dem Ende des Alten Reiches und dem Aufstieg anderer Zentren einhergegangenen, Bedeutungsverlustes blieb Memphis noch immer eine der wichtigsten Städte des Landes. Zur Zeit der Perser und sogar unter Ptolemaios I. wurde sie wieder als Regierungssitz genutzt65 und bietet heutzutage wichtige Zeugnisse der Kultur aus dynastischer und ptolemäischer Zeit.66

Im Norden, auf der Ostseite des Nils, befand sich seit dem Alten Reich die Stadt Heliopolis67, deren ägyptischer Name sich auch auf die Bezeichnung der Festungsanlage Babylon ausgewirkt hat68. Die nicht direkt am Nil gelegene, sondern durch einen Kanal mit ihm verbundene Stadt, war bis zu ihrem Niedergang in der Spätzeit zu allen Phasen der ägyptischen Geschichte ein geistiges Zentrum und ein bedeutender religiöser Kultort. 69 Auch wenn nach ihrer Zerstörung im Jahre 525 v. Chr. durch den Perserkönig Kambyses die Ptolemäer diesen Ort später wieder nutzten,70 so konnte dies den Niedergang, der gegen die Zeitenwende sein Ende gefunden haben mag, nicht aufhalten.71

Aus der Zeit des Neuen Reiches sind Stelen und Figuren und aus der Spätzeit eine Sphinx sowie Grabanlagen erhalten, die als Hinweise für darüber hinausgehenden Betrieb religiöser Anlagen und weitere Besiedlung in der Umgebung Alt-Kairos gedeutet werden können.72

Im Jahre 525 v. Chr. begründete Kambyses durch einen Sieg bei Pelusion die bis zu Alexander dem Großen andauernde persische Herrschaft über Ägypten.73 Diese fast 200 Jahre dauernde Fremdherrschaft brachte unter anderem zwei große Veränderungen für Babylon und die gesamte Region mit sich. Zum einen die Zerstörung Heliopolis' im Jahre 525 v. Chr.74, die wahrscheinlich Auswirkungen in Form einer Abwanderung von Einwohnern und einer Verlagerung des Warenaufkommens und der Handelswege auf die anderen Siedlungen der Region gehabt haben wird.

Die andere große Veränderung ist die Fertigstellung eines Kanals vom Nil zum Roten Meer durch Dareios I. Die antiken Schriftsteller geben kein eindeutiges Bild darüber ab, wer zuerst einen solchen Kanal begonnen und wer diesen fertig gestellt hat. Deutliche Auskunft über den Erbauer ergibt hingegen die Inschrift einer Stele aus Kabrat, die eine von vieren im 19. Jahrhundert entlang des Kanals gefundenen Stelen Dareios I. ist.75

„ Saith Darius the King: I am a Persian; from Persia I seized Egypt; I gave order to dig this canal from a river by name Nile which flows in Egypt, to the sea which goes from Persia. Afterward this canal was dug thus as I had ordered, and ships went from Egypt through this canal to Persia thus as was my desire.“76

Der exakte Verlauf dieses Kanals ist zwar nicht bekannt, klar hingegen ist sein ungefährer Verlauf, von seiner Abzweigung vom pelusischen Arm des Nils in der Nähe des antiken Bubastis, durch das Wadi Tumilat, bis zum Isthmus von Suez, einer schmalen Landzunge nahe des heutigen Ismailia und des Timsah Sees. Von dort gab es durch den großen und den kleinen Bittersee eine Verbindung zum Roten Meer, im Verlauf ähnlich dem heutigen Suezkanal.77

[...]


1 Siehe hierzu Abschnitt 3.1.

2 Halm 2003, 27.

3 Grossmann u.a. 1994, 271; Grossmann u.a. 1998, 173.

4 Sheehan 2010, 42.

5 Richtlinien einzusehen auf der Webseite des Deutschen Archäologischen Instituts <http://www.dainst.org/de/publikationsrichtlinien?ft=all> (8.3.2014).

6 Sheehan 2010, 51-53.

7 Pötscher 1967, 1099.

8 von Albrecht 1967, 41.

9 Lasserre 1975, 381-384.

10 Hdt. 2, 5-8.

11 Hdt. 2, 158; Sheehan 2010, 36.

12 Diod. 1, 33.

13 Strab. 17, 1, 25.

14 Strab. 17, 1, 30. Übersetzung aus Radt 2005, 461-463 „Hier denn beginnt der Nil oberhalb des Deltas. Seine rechte Seite, wenn man stromaufwärts fährt, nennt man Libyen - ebenso wie die Umgebung Alexandriens und des Mareotis-Sees - , die line Arabien. Heliu Polis liegt in Arabien; in Libyen liegt die Stadt Kerkesura gegenüber der Warte des Eudoxos ( es wird nämlich ein Aussichtspunkt vor Heliu Polis gezeigt - ebenso wie vor Knidos - , auf den sich die Aufzeichnungen bezogen die jener über gewisse Bewegungen der Himmelskörper machte); dieser Distrikt ist der Letopolitische. Fährt man stromaufwärts, dann kommt das naturfeste Kastell Babylon, wohin einige Babylonier sich abgesetzt und dann von den Königen die Erlaubnis erwirkt hatten, sich dort niederzulassen; heute ist es das Lager einer der drei Legionen die Ägypten schützen. Von dem Lager reicht bis ganz zum Nil ein Rücken, über den Räder und Schneckenschrauben das Wasser hinaufbringen, womit hundertundfünfzig Häftlinge beschäftigt sind; von dort sind deutlich die Pyramiden auf der gegenüberliegenden Seite in Memphis zu sehen, und sie sind auch nicht weit entfernt.“

15 Diod. 1, 56.

16 Schaller 1967, 1440.

17 Ios. Ant. Iud 2, 15.

18 Lippold 1975b, 1562.

19 Zos. 2, 32-35.

20 Sheehan 2010, 56.

21 Fraser 1991b, 1366.

22 Charles 1916, 58-70.

23 Eus. HE 8, 8. 9.

24 Hiltbrunner 1967, 459.

25 Halm 2003, 27; Fraser 1991a, 183.

26 Fraser 1991a, 183.

27 Atiya 1991b, 1856.

28 Raymond 2000, 7. 11.

29 Williams 2002, 37.

30 Rosenthal 1971, 674-675.

31 Fraser 1991b, 1366.

32 Miquel 1993, 492; Sein Geburtsdatum ist nicht eindeutig belegt und wird im Jahre 945 vermutet. Collins 1974, 12.

33 Im arabischen Original lautet der Titel Ahsan al-Taqasim fi Ma‘rifat al-Aqalim. Collins 1974, S. V.

34 Collins 1974, 19. 37 f.

35 Sheehan 2010, 49.

36 Sheehan 2010, 50.

37 Halm 2003, 30-32.

38 Suermann 2002, 167. 171-179.

39 Grossmann u.a. 1994, 272.

40 Bunbury - Lutley 2008, 5.

41 Jeffreys 2008, 6f.

42 Sheehan 2010, 59; Siehe Plan 1.

43 Vgl. Aufnahmen bei Google Maps zu 30° 0‘ 22" N, 31° 13‘ 47" E <https://maps.google.de/maps?q=30°+0‘+22"+N,+31°+13‘+47"+E&ie=UTF- 8&ei=Y6vKUs2UGYa4hAfE3IDQBw&ved=0CAgQ_AUoAg> (8.3.2014).

44 Thompson 2004, 87. „All that remains of Roman Babylon after nineteenth-century demolition are two round towers and two bastions of the western gate, which were preserved because they had been incorporated in the churches of Old Cairo “ Die Rundtürme, von denen nur der nördliche eine Kirche beherbergt (griechisch-orthodoxe Kirche des heiligen Georg) gehören zum Westtor. Über dem Südtor und seinen Bastionen wurde die Hängende Kirche errichtet.

45 Coquin-Charalambidou 1990, 12. 15-17.

46 Sheehan 2010, 58.

47 Williams 2002, 36 f.

48 Gabra - Eaton-Krauss 2007, 13-21.

49 Jeffreys 2008, 7.

50 Grossmann 1991, 465.

51 Casson 1989, 13. 94-97 Abb. 1.

52 Sheehan 2010, 23.

53 Casson 1989, 13.

54 Fraser 1991a, 185.

55 Cooper 2009, 205.

56 Schörner 2000, 36-39 Für Lademengen und Schiffstypen der damaligen Zeit siehe Bagnall 1993, 36-40.

57 Jones 1996, 258 f.; Grossman u.a. 1994, 272.

58 Sheehan 2010, 2.

59 Bunbury - Lutley 2008, 4-5.

60 Sheehan 2010, 32 f.

61 Sheehan 2010, 31.

62 Siehe hierzu Abschnitt 3.2.

63 Sheehan 2010, 29 f.

64 Jeffreys 2008, 6.

65 Huß 2001, 58. 65.

66 Jeffreys 1999, 488 f.

67 Kâkosy 1977, 1111-1113.

68 Sheehan 1994, 55.

69 Kâkosy 1977, 1111-1113.

70 Sheehan 2010, 31.

71 Kâkosy 1977, 1113.

72 Sheehan 2010, 30 f.

73 Keenan 2004, 12 f.

74 Sheehan 2010, 31.

75 Cooper 2009, 195-197.

76 Kent 1950, 147.

77 Cooper 2009, 198f. Abb. 20, 2. 3. 7.

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Grundlagen der Besiedlung Alt-Kairos
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Note
2,0
Jahr
2014
Seiten
44
Katalognummer
V974067
ISBN (eBook)
9783346319067
ISBN (Buch)
9783346319074
Sprache
Deutsch
Schlagworte
grundlagen, besiedlung, alt-kairos
Arbeit zitieren
Anonym, 2014, Grundlagen der Besiedlung Alt-Kairos, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/974067

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