Die Herrnhuter Brüdergemeine und ihr Beitrag zur Entwicklung des ökumenischen Gedankens


Seminararbeit, 1998

18 Seiten, Note: 2


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

1. NIKOLAUS LUDWIG GRAF VON ZINZENDORF
1.1 Biographischer Teil
1.1.1 Zinzendorfs Kindheit
1.1.2 Zinzendorf am Pädagogium in Halle
1.1.3 Studium in Wittenberg
1.1.4 Zinzendorfs Bildungsreisen durch Europa
1.1.5 Die Freundschaft mit Kardinal Noailles
1.2. Zinzendorfs ökumenische Arbeit
1.2.1 Zinzendorfs Verständnis von Kirche und der Einheit der Kinder Gottes

2. DIE HERRNHUTER BRÜDERGEMEINE
2.1.1 Die Entstehung der Herrnhuter Brüdergemeine
2.1.2 Das Leben in der Brüdergemeine
2.1.3 Die Synoden und Konferenzen
2.1.4 Zinzendorfs Tropenidee (tropoi paideias)
2.2 Die ökumenische Arbeit der Herrnhuter Brüdergemeine
2.3 Die Diasporaarbeit der Herrnhuter Brüdergemeine

3. DER BEITRAG DER HERRNHUTER BRÜDERGEMEINE ZU ENTWICKLUNG DES ÖKUMENISCHEN GEDANKENS
3.1 Wie hat sich die Arbeit der Herrnhuter Brüdergemeine ausgewirkt?

4. LITERATURVERZEICHNIS

Vorwort

Diese Arbeit soll den Beitrag der Herrnhuter Brüdergemeine zur Entwicklung des ökumenischen Gedankens beschreiben.

Wenn man über dieses Thema schreibt, so kommt man nicht umhin, ihren Stifter Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, näher zu betrachten.

Im ersten Teil dieser Arbeit möchte ich das Leben des Grafen näher betrachten und hervorheben, welche Ereignisse ihm in seiner Entwicklung zu einem Ökumeniker geholfen haben.

Es sollen auch seine Gedanken und Theorien zur Einheit der Kinder Gottes dargestellt werden.

Im zweiten Teil der Arbeit beschäftige ich mich mit der Herrnhuter Brüdergemeine. Es soll die Entwicklung der Herrnhuter Brüdergemeine, unter Berücksichtigung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse, dargestellt werden.

Der letzte Teil der Arbeit zeigt auf, welche konkreten Beiträge zur Entwicklung des ökumenischen Gedankens gegeben worden sind, und gibt einen kleinen Ausblick, wie sich die Herrnhuter Brüdergemeine weiter entwickelt hat.

Ich gehe in dieser Arbeit nicht ausführlich auf die damaligen Verhältnisse und Entwicklungen der Kirchen ein und unterlasse es, die Reformierte, lutherische und katholische Kirche, sowie den Pietismus zu beschreiben.

1. Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf

1.1 Biographischer Teil

1.1.1 Zinzendorfs Kindheit

Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf wurde am 26. Mai 1700 in Dresden geboren und starb am 9. Mai 1760 in Herrnhut.

Sein Vater hielt sich zum Pietismus und starb kurz nach seiner Geburt, so daß er keine direkten Einflüsse auf das Heranwachsen Zinzendorfs gehabt hat. Zinzendorf wurde von seiner Mutter großgezogen bis diese 1703 wieder heiratete. Zinzendorf lebte von nun an bei seiner Großmutter Henriette Katharina von Gersdorf .

Er verlebte seine Kindheit bei seiner Großmutter in Geborgenheit und ohne große Probleme. Er bekam dort eine gute Erziehung, so wie sie im damaligen Adelsstand üblich war.

Zinzendorf hatte in seinen ersten sieben Lebensjahren Hauslehrer, die ihn in Sprachen, Mathematik und Bibelkunde unterrichteten. Einer der Erzieher hat einen besonderen Eindruck auf den jungen Zinzendorf gemacht:

Es war sein zweiter Hauslehrer Christian Ludwig Edeling, der in Halle studierte und der Zinzendorf in der pietistischen Tradition von Philipp Jakob Spener und der lutherischen Volksfrömmigkeit erzog. Er bemerkte das Zinzendorf trotz seines jungen Alters sehr empfänglich für Religion und für Gott war und unterrichtete ihn im Katechismus. Edeling war ein guter Lehrer Zinzendorfs, der ihn nicht nur in den Pflichtfächern schulte, sondern ihm auch seinen Glauben vorlebte und Zinzendorf dadurch Jesus ein ganzes Stück näher gebracht hatte. Das veranlaßte Zinzendorf dazu, sein Leben ganz Jesus zu geben und für ihn zu leben. Folgende Zeilen, die Zinzendorf später einmal über seinen Hauslehrer schrieb, machen dies deutlich:

,,Als in meinem sechsten Jahr mein bisheriger Hauslehrer Edeling nach dreijährigem Dienst in der gewöhnlichen Abendbetstunde von mir Abschied nahm, gebrauchte er zarte Ausdrücke von meinem Heiland, seinen Wunden und seinem Verdienst und auf welche Weise ich ihm angehörte. Die waren mir so aufgeschlossen, lebhaft und eindringend, daßich in ein langwährendes Weinen geriet und unter demselben fest beschloßnur für den Mann zu leben, der sein Leben für mich gelassen hatte." 1

Neben den Lehrern hatte seine Großmutter einen großen Anteil an der geistigen und geistlichen Entwicklung von Zinzendorf.

Seine Großmutter war eine sehr gebildete, belesene Frau, die mit einigen hochangesehenen Professoren von Universitäten, darunter Leibniz, August Hermann Francke und Philipp Jakob Spener aus Halle, sowie dem Mystiker Jakob Böhme in Briefkontakt und auch persönlichem Kontakt stand. Sie sprach die europäischen Sprachen und lernte Hebräisch, Chaldäisch und Syrisch. Sie dichtete, komponierte und tanzte. Sie sorgte dafür, daß Zinzendorf auch an anderen Gebieten, über den Unterricht hinaus, Interesse bekam. Sie weckte sein Interesse an philosophischen, literarischen und kulturellen Bereichen. Zinzendorf wurde durch seine Großmutter sehr geprägt. Wie sie ihren Glauben aus- und vorlebte beeindruckte ihn sehr. Bei seiner Großmutter spürte er schon etwas ,, von der an keine Grenzen gebundenen Welt des Geistes und von einer glücklichen Verbindung Spenerscher Herzensfrömmigkeit mit einem gesunden Luthertum." 2 Durch ihre Verbindung mit dem Pietismus, der damals ,, neuen Frömmigkeitsbewegung" 3 erlebte er schon in seiner frühen Kindheit das Leben einer lebendigen, herzlichen Hausgemeinde.

Daß seine Großmutter Henriette maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt war, macht ein Zitat Zinzendorfs deutlich, in dem er sagt:

,,Ich habe meine Prinzipien von ihr. Wenn sie nicht gewesen wäre, so wäre unsere ganze Sache nicht zustande gekommen. Sie war eine Person, der alles in der Welt anlag, was den Heiland interessierte. Sie wußte keinen Unterschied zwischen der katholischen, lutherischen und reformierten Religion, sondern was Herz hatte und an sie kam, das war ihr Nächster" 4 In einer Zeit, in der viele neue Entdeckungen und Erfindungen in Wissenschaft und Medizin gemacht wurden, und die Gesellschaft und das Denken sich stark veränderte, blieb auch Zinzendorf nicht von Zweifeln und Krisen verschont.

Aber in allen Nöten und Glaubenskrisen war Jesus das Fundament, das ihn trug. ,,Zinzendorf hat immer wieder um die Vergewisserung seines Glaubens hart ringen müssen." 5 Aber es blieb stets mit seinem Heiland verwurzelt, was ihm in seinem späteren Leben noch sehr helfen sollte.

Zinzendorf hat also in den ersten Jahren seines Lebens schon sehr viel gelernt und hat Jesus als seinen Herrn angenommen, in dessen Dienst er sein ganz Leben stellen wollte. Durch das Leben am Hofe seiner Großmutter hat er schon ein wenig ,,ökumenische Luft" geschnuppert.

1.1.2 Zinzendorf am Pädagogium in Halle

Eine weitere wichtige Station in seinem Leben war sein Studium am Pädagogium in Halle.

Es waren keine einfachen Jahre für Zinzendorf, denn die Erziehung und der Umgang in Halle war eigentlich genau das Gegenteil von dem, was er bisher gewohnt war. Hier war eine strenge, pietistische Erziehung angesagt, die ihm aber wertvolle Erfahrungen brachte. ,, Hier in Halle hat er für sein ganzes Leben arbeiten gelernt. Die straffe Erziehung, die auf Regelm äß igkeit, Zeiteinteilung und Ordnung drang, ist die unentbehrliche Voraussetzung für Zinzendorfs spätere gewaltige Arbeitsleistung geworden. Hier hat er die Kostbarkeit der Zeit und den Vorteil von Fleißund Ausdauer gelernt." 6

Zinzendorf durfte mit Francke zusammen an einem Tisch essen, denn das war für seinen Stand so vorgesehen. Dort bekam Zinzendorf Einblicke in die vielen internationalen Geschäfte und Verbindungen Franckes. Er konnte zwar nie mitreden, aber er hörte sehr genau hin und war begeistert von den Missionsplänen Franckes und seinem Umgang mit Flüchtlingen und Verfolgten, denen er zu helfen versuchte.

,,Für all die großen Pläne, die später Zinzendorf zur Sammlung der verstreuten Kinder Gottes faßte, liegen hier die Keime." 7 Zinzendorf wurde immer mehr von dem Wunsch erfaßt, in einfacher Art das Evangelium zu predigen, ohne jedoch ein Geistlicher zu werden. Er gründete zusammen mit einigen Kommilitonen und engen Freunden den sogenannten ,,Senfkornorden" und liebte die gemeinsam erlebte Gemeinschaft mit Gott, das gemeinsame Singen, Beten und Bibellesen. Das hat ihn nach eigenen Aussagen in all den schwierigen Situationen gestärkt. Erich Beyreuther schreibt in seinem Buch ,,Der Junge Zinzendorf" über Zinzendorfs Zeit in Halle:

,,In glühender Begeisterung für die Sache Jesu Christi, voller Pläne, eine Ordensbruderschaft evangelischer Adliger aufzubauen, und innerlich reifer,äußerlich zuchtvoller, ausgestattet mit einem geweiteten Blick, versehen mit dem Bildungsgut, wie es nur das Pädagogium vermitteln konnte, kehrte erüber Gavernitz in sein geliebtes Großhennersdorf zurück." 8

1.1.3 Studium in Wittenberg

Nachdem Zinzendorf aus dem Pädagogium in Halle entlassen worden war, wurde überlegt an welcher Universität er sein Jurastudium beginnen sollte. Seine Familie und gerade auch sein Vormund Otto Christian von Zinzendorf, wollte, daß er nicht in Halle studiert, sondern in Wittenberg, wo die Orthodoxie vorherrschte, die mit dem Pietismus verfeindet war. Zinzendorf hätte wohl lieber Theologie studiert, doch dies wurde ihm untersagt, weil er standesgemäß Jura studieren sollte, um später in den Staatsdienst zu gehen. So blieb im nichts anderes übrig, als ,,selbständig in den Schriften Luthers und Speners zu studieren." 9

Wie schon erwähnt waren die beiden Universitäten in Wittenberg und Halle miteinander verfeindet und Zinzendorf war sehr betroffen darüber. Er versuchte zwischen den beiden zu vermitteln, um ,,die Gräben zwischen Pietismus und Orthodoxie zuzuschütten." 10 Hier zeigt sich zum erstenmal der Wunsch bei Zinzendorf, daß Christen in Frieden miteinander leben sollten.

Er versuchte die beiden zerstrittenen Parteien an einen Tisch zu bekommen, doch er wurde von seiner Familie in seinem Vorhaben gestoppt, weil sie Angst um seine Karriere hatte. Das Gespräch, das trotzdem, nur ohne Zinzendorf, stattfand, brachte ohnehin keine Versöhnung. Weil er keinen Erfolg gehabt hatte, ihm aber an der Einigung der Kirchen sehr viel lag, schrieb er sein erstes Buch mit dem Titel ,,Friedensgedanken an eine streitende Kirche", welches allerdings nie veröffentlicht wurde. Dieses Buch sollte nicht nur Pietisten und Orthodoxe zur Einigung und Versöhnung bringen, sondern alle bestehenden Kirchen, die es gab. Das war seine Absicht und sein Wunsch.

1.1.4 Zinzendorfs Bildungsreisen durch Europa

Mit 20 Jahren unternahm Zinzendorf sogenannte Bildungsreisen, die ihn unter anderem auch nach Holland und Frankreich kommen und viele wichtige Erfahrungen machen ließen. In Utrecht studierte Zinzendorf weiter Jura. Er machte viele Bekanntschaften mit Holländern. Er bekam Kontakt zu jungen Adligen, die aus ganz unterschiedlichen Konfessionen stammten und trotzdem Gemeinschaft miteinander hatten. Jeder blieb bei seinem Verständnis von Kirche und Glauben.

Zinzendorf war beeindruckt und schrieb über die Begegnungen: ,,Das machte, daßich mich von der Zeit an bemühte, daßBeste in allen Re- ligionen (d.h. Konfessionskirchen) zu entdecken." 11

In Holland lernte er die herzliche Gemeinschaft von Christen aus verschiedenen Konfessionen kennen, die Einheit unter Christen, für die er sein ganzes Leben arbeiten wollte und es auch tat.

1.1.5 Die Freundschaft mit Kardinal Noailles

Zinzendorf lernte den römischen Katholizismus erst kennen, als er während seiner Bildungsreisen nach Frankreich kam.

Vom September 1719 bis zum April 1720 war Zinzendorf in Paris. Dort beschäftigten ihn die damaligen Verhältnisse in der katholischen Kirche. Sie war in verschiedene Strömungen zersplittert. Zinzendorf bekam Kontakt mit einigen Appellanten. Ihn begeisterte ihr Widerstandswille und ihr Wunsch nach einer Vertiefung der Frömmigkeit. In Paris lernte er auch den Erzbischof der Stadt, den Kardinal Louis-Antoine de Noailles (1651-1729) kennen, der sich zu der Gruppe der Appellanten hielt und trat in eine enge Freundschaft mit ihm ein. Das Band, was den Katholiken und den Pietisten zusammenhielt, war die Liebe zu Jesus. Zinzendorf führt nach seiner Rückkehr nach Deutschland, den Briefwechsel mit Kardinal Noailles fort. In dieser Auseinandersetzung werden die beiden unterschiedlichen Sichtweisen von Zinzendorf und Kardinal Noailles deutlich. Keiner von beiden wich von seinen Grundsätzen ab und "sie bleiben fest im Kern ihres Glaubens". 12 Noailles ist der Meinung, daß die katholische Kirche ,,die einzig wahre Kirche ist und daß die Lehre des Luthertums, daß die "die wahre Kirche sich aus mehreren ,,Sekten" zusammensetze, falsch ist und es außerhalb der katholischen Kirche kein Heil gibt. Wenn es eine Einheit unter den Christen geben kann, dann nur dadurch, daß alle, die sich von der katholischen Kirche losgesagt haben, wieder in sie eintreten und zurückfinden. Er versuchte immer wieder in seinen Briefen, Zinzendorf dazu zu bewegen, sich zu bekehren und in die katholische Kirche einzutreten. Hingegen versuchte Zinzendorf nicht, den Kardinal zum Austritt aus der katholischen Kirche zu bewegen. Er wollte, daß er bei seiner Konfession blieb und kämpfte. Zinzendorf ermutigte den Kardinal, sich gegen die Irrlehren Roms aufzulehnen und sein Amt als Kardinal in dieser Kirche niederzulegen, ohne jedoch gleichzeitig auszutreten.13 Noailles sieht nur die eine, wahre Kirche, nämlich die katholische. Zinzendorf dagegen, sieht einmal die sichtbaren Kirchen und zum anderen die unsichtbare Kirche Jesu Christi, die keine konfessionellen Unterschiede kennt, sondern alle Christen einbezieht. Was Zinzendorf unter Kirche verstand, wird in einem späteren Kapitel genauer betrachtet. Die Freundschaft mit dem Kardinal keine einfache Beziehung. Es war eine Freundschaft in der es heftige Auseinandersetzungen und Streitereien gegeben hat.

Auf Zinzendorfs Initiative hin übersetzt Samuel de Bauval, das Buch von Johann Arndt ,,Vier Bücher vom wahren Christentum". Es wurde schon von vielen Menschen aus verschieden Kirchen gelesen und stellt das Hauptanliegen Zinzendorfs dar, nämlich die ,,persönliche Begegnung mit Jesus" und die daraus resultierende ,,Erneuerung des Gottesbildes im menschlichen Herzen." 14 Dieses Buch widmet er Noailles, der sich nicht dagegen wehren konnte.

Zinzendorf versuchte seine Ideen, Meinungen und Gedanken zur Ökumene weniger durch theologische Schriften zu vermitteln, sondern mehr durch Briefwechsel und Liederbücher. Letztere stellt er einige aus katholischen, protestantischen und eigenen Liedern zusammen.

An dieser Stelle möchte ich ein kurzes Resümee ziehen. Entscheidend für die Entwicklung Zinzendorfs zu einem Ökumeniker, die sich auch später in der Herrnhuter Brüdergemeine widerspiegelte, war seine Erziehung, in der er von seiner Großmutter dahingehend geprägt wurde, in den verschieden Denkweisen der Menschen und den unterschiedlichen Konfessionen das Positive zu sehen, solange es der Verkündigung der Sache Jesu dient. Er lernte während seiner Schulzeit zwei unterschiedliche Arten und Weisen, den Glauben zu leben, kennen: den halleschen Pietismus und die lutherische Orthodoxie. Er behielt das Gute von beiden. Hier spürte er auch das erstemal den Wunsch, Versöhnung und Einheit zwischen den Christen zu schaffen.

Auf seinen Bildungsreisen, besonders in seiner Freundschaft zu Kardinal Noailles, wurde sein Horizont erweitert, indem er dort die Einheit von Christen unterschiedlicher konfessioneller Herkunft real erlebte.

1.2. Zinzendorfsökumenische Arbeit

1.2.1 Zinzendorfs Verständnis von Kirche und der Einheit der Kinder Gottes

Für Zinzendorf ist die Einheit der Christen ein wichtiges Anliegen. Wie kommt diese Einheit unter den Christen, die ja nun in viele unterschiedliche Konfessionen eingebunden sind, zustande? Die Einheit der Kinder Gottes kommt nicht zustande, indem sich Christen bemühen, die einzelnen Kirchen zusammenzubringen. Auf diese Weise kann es keine wirkliche Einheit geben. Man braucht keine Versuche zu unternehmen, die Einheit der Christen herzustellen, weil sie schon existiert. Die Einheit der Christen existiert deshalb schon, weil Jesus am Kreuz für jeden einzelnen Menschen gestorben ist und ihn mit Gott versöhnt hat.

Für Zinzendorf liegt der Grund für die Einheit der gesamten Christenheit im Tod Jesu Christi. Er belegt dies mit Johannes 11, 51b - 52: ,, Denn Jesus sollte sterben für das Volk, und nicht für das Volk allein, sondern auch, um die verstreuten Kinder Gottes zusammenzubringen." 15 Zinzendorf hatte versucht eine Vereinigung zwischen der lutherischen Fakultät in Wittenberg und den pietistischen Professoren in Halle zustande zubringen, ist aber nicht erfolgreich gewesen. Für ihn wurde es immer klarer, daß es keinen Sinn macht, eine Vereinigung zwischen den Konfessionen in dem Sinn herbeizuführen.

Sein Beitrag zur Entwicklung des ökumenischen Gedankens und zur Einheit der Kirchen ist folgender: Er hat versucht, seine Idee von der Einheit der Christen, in den unterschiedlichen Konfessionen vorzuleben. Zinzendorf erfuhr in seinem Umfeld täglich die Einheit der Kinder Gottes. Auf seinem Landsitz lebten Menschen aus den unterschiedlichsten Konfessionen. Es gab Lutheraner, Reformierte, Separatisten und römisch-katholische Christen unter ihnen. Jeder sollte den Glauben behalten, in welchen er hineingeboren worden ist. Der Grund dafür, daß die Einheit wirklich gelang, ist, daß für alle der zentrale Punkt des Glaubens, gewesen ist, daß Jesus jeden Christen rechtfertigt. Darum kann, soll und braucht man für die Einheit der Kinder Gottes nichts zu tun.

,,Denn allen ist die Rechtfertigung durch Christus und die Heiligung durch den Heiligen Geist das Entscheidende. Das übrige verzeihen sie sich gern und lieben sich gegenseitig mit einer ewigen und unaussprechlichen Liebe."16

Seine Erkenntnis, daß die Einheit aller Christen schon bestehe, wollte er durch ,,gelebte christliche Gemeinschaft sichtbar machen."17

Die ,,Gemeine Gottes im Geist"18 ist für Zinzendorf die unsichtbare Kirche, der alle Christen angehören, und die in Jesus Christus begründet ist. Es gibt für ihn viele sichtbare Kirchen, und das sind nicht nur die katholische und die lutherische, sondern alle Bewegungen, die das Evangelium und den gekreuzigten Christus predigen.

Die unsichtbare Kirche ist allerdings real und erfahrbar. Egal welcher Konfession oder Kirche ein Christ angehört, auch wenn er sich zu keiner der bestehenden Kirchen zählt, so ist er doch durch seinen Glauben an Christus Mitglied der unsichtbaren Kirche Gottes.

Die andern Kirchen und Konfessionen bezeichnet Zinzendorf in seiner Sprache, als Religionen.

Diese Religionen sind im Laufe der Geschichte entstanden. Die einzelnen Religionen verkörpern die verschiedenen Seiten der ,,Gemeine Gottes im Geist". Diese verschiedenen Seiten konkurrieren nicht gegeneinander, sondern sie ergänzen sich.

Die Tatsache, daß es viele verschiedene Kirchen und Konfessionen gibt, macht deutlich, daß die ,,Gemeine Gottes im Geist" nicht einseitig, sondern vielseitig ist.

,,Gerade in der Vielheit und Mannigfaltigkeit der Religionen liegt die Schönheit der einen unsichtbaren Kirche, die in ihnen wie ein Kristall in verschiedenen Farben funkelt."19 Jeder Christ bekennt sich somit zu einer bestimmten Kirche oder Tradition und zu der unsichtbaren Gemeinde Gottes.

Man sieht, daß Zinzendorf kein Mensch war, der die anderen Kirchen verurteilt und gegen sie gekämpft hat, wie es die Lutheraner, Pietisten und Katholiken taten. Zinzendorf sah in jeder Konfession eine von Gott gewollte Einrichtung, die den Christen, die Möglichkeit bietet, ihren Glauben authentisch auszuleben. Die Vielfalt der Konfessionen macht es möglich, daß man voneinander lernen und sich gegenseitig ergänzen kann. Ein Gedicht unterstreicht die Ansicht Zinzendorfs:

Ein Erb-Verein

Doch denken wir in Wahrheit nicht, Gott sei bei uns alleine. Wir sehen, wie so manches Licht auch andrer Orten scheine, Da pflegen wir dann froh zu sein und uns nicht sehr zu sperren, wir Haben all` ein Erb-Verein und dienen einem Herren.

Herr Jesu! Deines Herzens Glut, die für den Vater eifert, worüber Satan grimmig tut und seine Sekte geifert, die hat uns Brüder lange schon zu einem Geist vereinigt, und unsre Liebe hat der Sohn der Liebe wohl gereinigt.

Teutsche Gedichte. zweite Auflage 1766. S. 16

2. Die Herrnhuter Brüdergemeine

2.1.1 Die Entstehung der Herrnhuter Brüdergemeine

Zinzendorf lebte und arbeitete in Dresden als Glaubensflüchtlinge aus Mähren auf seinen Landsitz Berthelsdorf bei Zittau in der Oberlausitz kamen, und um Asyl baten. Ihre kirchlichen Wurzeln hatten sie in der alten Brüderunität, die während des dreißigjährigen Krieges zerschlagen worden war. Allerdings hatten sie ,,kaum noch Wissen um deren Eigenart und Tradition." 20

Zinzendorf erlaubte ihnen, sich auf seinem Gut niederzulassen und am 17. Juni 1722 wurde am Hutberg bei Berthelsdorf angefangen, das erste Haus zu bauen. So entstand die Siedlung Herrnhut. 1727, nur fünf Jahre später, zählte man in Herrnhut schon 300 Einwohner. Mittlerweile waren es nicht nur Glaubensflüchtlinge aus Mähren, sondern auch ,,Schwenckfelder aus Schlesien, dazu Pietisten, Separatisten, Lutheraner und Reformierte aus verschiedenen Teilen Deutschlands." 20 , die ihren Glauben in ihrer Heimat nicht mehr ausleben konnten, wie sie es wollten und deshalb in Herrnhut Zuflucht suchten, weil sie zum Teil wegen ihres Glaubens verfolgt wurden.

Wie sich schon durch die verschiedenen religiösen Hintergründe und Herkünfte erahnen läßt, kam es unter den Einwohnern von Herrnhut zu Streitereien und Spannungen. Das kam durch hinzugezogene, mährische Familien, denen die Tradition der alten Brüder noch in Erinnerung waren und die sich nicht der lutherischen Kirche in Berthelsdorf anschließen wollten oder dadurch, daß ein Separatist die lutherische Kirche als Babel bezeichnete.21

Als alle Versuche des Ortspfarrers, Ruhe und Ordnung in die Siedlung zu bringen, fehlschlugen, quittierte Zinzendorf seinen Dienst in Dresden und kam nach Herrnhut, um sich ganz dem Aufbau dieser Siedlung zu widmen. Hier konnte er nun versuchen, die Ideen und Gedanken bezüglich der Einheit der Kinder Gottes und den Wunsch nach einem friedlichen Miteinander der verschiedenen Konfessionen, in die Tat umzusetzen. In Herrnhut lebten Christen aus den verschiedenen Kirchen und sie lebten im Streit. Im Aufbau Herrnhuts sah Zinzendorf nun seine Aufgabe. Er machte sich viele Gedanken, wie man die Siedlung strukturieren und organisieren müßte.

In der Schloßgemeinde zu Ebersdorf traf Zinzendorf auf eine Gruppe von Christen, die tiefe Gemeinschaft hatten, aber aus unterschiedlichen Konfessionen stammten. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft und unterschiedlichen Meinungen und Glaubensgrundsätzen waren sie eins, weil Jesus Christus die Mitte war.

Was ihn erstaunte, war, daß sie nicht versuchten den einzelnen zu "seinem Glauben zu bekehren", sondern "einen ganz diversen Gang gingen und jeder auf seinem Sinn blieb und seine Art behielt." 22 Dieses Modell einer christlichen Gemeinschaft führte Zinzendorf auch in Herrnhut ein.

Zinzendorf war es immer wichtig, die Gemeinschaft untereinander zu pflegen. Zinzendorf meinte zwar, das ein Christ, wenn er keinen anderen Christen bei sich hat, auch im Glauben wachsen und überleben könne, aber eigentlich sei der christliche Glaube auf Gemeinschaft ausgelegt.

,,Durch sein intensives Bemühen um jeden einzelnen, durch den Einfallsreichtum seiner Ideen und nicht zuletzt durch das Charisma seiner Persönlichkeit konnte er in kurzer Zeit unter den Ansiedlern Frieden stiften, ja sie zu einer engen Gemeinschaft zusammenschmieden. Aus konfessioneller Zersplitterung und separatistischem Chaos gelang die Bildung derüberkonfessionellen Brüdergemeine." 23

2.1.2 Das Leben in der Brüdergemeine

In der Herrnhuter Brüdergemeine sollte das gemeinsame Leben, wie in der Urgemeinde praktiziert werden. Liebe und Freiheit waren ganz wichtige Punkte.

Zinzendorf bemängelt, daß Christen in Formen gepreßt wurden, die gar nicht ihrem Naturell entsprachen. Die Folge war, daß sie sich in der eigenen Gemeine falsch gaben und unter Druck auftraten. Aber die Gemeinschaft, die ihnen Freiheit gab, ihren Glauben auszuleben, suchten sie sich in einer anderen Gemeine. Zinzendorf liebte die freie ungezwungene Art. Er arbeitete daran, daß jeder seine Art des Glaubens ausleben und entfalten konnte. Es kann für Gemeinschaft nur positiv sein, wenn sie verschiedene Arten beieinander hat, denn nur so können sie sich ergänzen.

Es galt einander zu lieben und einander anzunehmen und liebevoll zu ermahnen, wenn jemand in Zweifel oder auf Irrwegen war. Es fanden täglich Versammlungen, in Form von Singstunden, Liebesmahl und Gebetsstunden, in der Herrnhuter Brüdergemeine statt, zu der alle Mitglieder eingeladen waren. Es gab Kleingruppen und viele Ämter wurden von Laien eingenommen. Das Priestertum aller Gläubigen wurde hier praktiziert. Sonntags nahm man am Gottesdienst der lutherischen Kirche in Berthelsdorf teil. Es wurden sogenannte Banden eingerichtet, eine Art Hauskreissystem. ,,In den Banden sammelten sich, je nach Neigung und stand der religiösen Entwicklung, acht bis zehn Brüder oder Schwestern." 24 Später wurden sie durch ,,Chöre" abgelöst.

2.1.3 Die Synoden und Konferenzen

Synoden und Konferenzen waren zwei von vielen Einrichtungen, die dazu dienten sich innerhalb der Gemeinen über religiöse Grundsätze, Fragen der Praxis, Ordnungen und anderen Dingen des Gemeinelebens zu verständigen.

Da die Herrnhuter Brüdergemeine aus Leuten mit unterschiedlicher konfessioneller Herkunft bestand, waren diese Einrichtungen notwendig, um eine gemeinsame Grundlage zu finden, wenn es um unterschiedliche Meinungen ging. Die Einrichtung der Synoden und Konferenzen macht deutlich, daß es für Zinzendorf sehr wichtig war, daß nicht alles von ,,oben herab" festgelegt wurde, sondern durch Gespräche, Diskussionen und Erörterungen. Lösungen für Probleme wurden gefunden, ohne eine Gruppe zu ignorieren.

,,Die Beschlüsse wurden kollegial gefaßt und in wichtigen Fragen dem Losentscheid unterworfen." 25

Für Zinzendorf waren die Synoden in erster Linie dazu da, sich gegenseitig über Erfahrungen und Probleme auszutauschen und so die Gemeinschaft untereinander zu fördern. Die Synoden dienten nicht nur der Erstellung von neuen Regeln und Grundsätzen, sondern besonders auch der Erholung, Besinnung, Gemeinschaft miteinander und mit Gott.

2.1.4 Zinzendorfs Tropenidee (tropoi paideias)

Zinzendorf verstand die Brüderkirche nie als eine eigenständige Konfession. Er wollte auch nicht, daß sie neben den anderen bestehenden Kirchen als eigenständige Kirche anerkannt wurde. Leider kam es doch dazu, während Zinzendorf sich in Amerika aufhielt. Als Zinzendorf aus Amerika wiederkam, mußte er feststellen, ,,daßseine engsten Mitarbeiter [...] stetig daraufhingearbeitet hatten, daßdie Brüderkirche als selbständige protestantische Kirche in den verschiedenen deutschen Ländern anerkannt würde." 26 Nun konnte Zinzendorf diese Entwicklung nicht mehr rückgängig machen und mußte die Brüderkirche neu organisieren.

So übernahm er, ,,die bereits von Christoph Matthäus Pfaff (1686-1760) ausgebildete Vorstellung der Glaubenslehren als verschiedenen Erziehungsweisen (tropoi paideias) undübertrug sie auf die Situation der Gemeine." 27

Das bedeutete daß die mährische Kirche nicht mehr mit der Brüderkirche gleichzusetzen war. Die mährische Kirche war nun ein Tropus neben dem lutherischen und reformierten Tropus, also ein gleichberechtigtes Glied der gesamten Gemeine. Jede Ortsgemeine und jedes Glied sollte sich nun entscheiden, zu welchem Tropus sie bzw. es gerechnet werden wollte. So wahrte Zinzendorf die Einheit in der Brüderkirche und die Möglichkeit, daß Christen verschiedener konfessioneller Herkunft immer noch Mitglied werden konnte, ohne aus ihrer Kirche austreten zu müssen. Die Einheit der Tropen innerhalb der Brüderkirche hatte feste Formen:
1. Die Grundlage ist der gemeinsame Glaube an den gekreuzigten (und auferstandenen, gegenwärtigen) Christus, wie er im Augsburger Bekenntnis in einmaliger Form ausgedrückt wurde. Zinzendorf fordert die Anerkennung des Augsburger Bekenntnisses auch in dem Reformierten und dem mährischen Tropus der Brüderkirche.
2. Den sichtbarsten Ausdruck findet die Einheit einerseits im gemeinsamen Mahl, andererseits im gemeinsamen Amt, da die Bischöfe der verschiedenen Tropen einem leitenden Bischof, der vielleicht Erzbischof genannt wurde, verantwortlich waren.
3. Der Auftrag der Kirche, Gemeinschaft, Evangelisation und Mission, wurde gemeinsam wahrgenommen.
4. Der Alltag in den Gemeinden der Brüderkirche kannte nur Brüder, nicht aber reformierte oder mährische Christen.
5. Das Ziel der Tropeneinrichtung war nicht, eine neue Kirche zu gründen, sondern in den Gliedern Verschiedenen Kirchen das Bewußtsein der beschämenden Trennung, den Wunsch nach Einheit und die Berufung zum Werk der Einheit zu Wecken. Allerdings wurde Zinzendorf darin von seinen Mitarbeitern nicht immer verstanden, und in verschiedenen Punkten wurden in seiner Abwesenheit und dann nach seinem Tod die Weichen anders gestellt, als er es geplant hatte. 28

2.2 Dieökumenische Arbeit der Herrnhuter Brüdergemeine

Zinzendorf hatte es mit der Hilfe Gottes und des Heiligen Geistes29 geschafft, aus einer Gruppe von Christen, die aus den unterschiedlichsten Konfessionen stammten und miteinander im Streit und in Uneinigkeit lebten, eine erweckte, einheitliche, geordnete Gemeinschaft zu bilden, deren Anliegen es war, das Evangelium in alle Welt zu bringen und die Einheit unter den Kindern Gottes zu fördern. Wie trug die Herrnhuter Brüdergemeine nun dazu bei, daß die Einheit unter den Christen, nicht nur in den eigenen Gemeinen, sondern auch in den anderen Kirchen und Konfessionen, verwirklicht wurde?

2.3 Die Diasporaarbeit der Herrnhuter Brüdergemeine

Diaspora ist ein griechisches Wort und bedeutet ,,Zerstreuung". 30

Man könnte nun meinen, daß die Diasporaarbeit der Herrnhuter Brüdergemeine zum Ziel hatte, die eigenen Mitglieder, die am Rande der Gemeinen lebten, zu sammeln. Aber es ging vielmehr um die erweckten Christen in den anderen Kirchen. Man versuchte sie zu erreichen, indem die Brüder, die auf Reisen waren Besuchsdienste machten. Sie gingen zu diesen Brüdern und Schwestern und predigte ihnen von Jesus. Dabei ging es nicht darum, die Leute für die eigene Gemeine zu gewinnen, sondern zu erwecken, aufzuerbauen und zu stärken. ,,Was in Herrnhut [...] verwirklicht wurde, sollte in der Diasporaarbeit für die ganze Christenheit möglich werden." 31

Da man sich nicht von den anderen Konfessionen abgegrenzt hatte, sondern sie akzeptierte und sich mit ihnen eins machte, konnten sehr schnell Freundschaften geschlossen werden. Sie bildeten überhaupt die Grundlage für diese Art von Arbeit. Innerhalb kurzer Zeit konnte ein Netz von erweckten Christen in vielen Bereichen Deutschlands und in der Schweiz sowie Holland, Skandinavien, Rußland und im Baltikum aufgebaut werden. In diesen Ländern kam es auch zu Gründungen von Tochtergemeinen. Aber die Herrnhuter Brüdergemeine war nicht nur darauf bedacht, die Kinder Gottes zu erreichen. Durch die Herrnhuter Brüdergemeine entstand die erste evangelische Missionstätigkeit. Sie erreichten Indianer in Amerika und in Surinam und brachten das Evangelium nach Grönland. Natürlich wurden in diesen Gebieten auch Gemeinen gegründet, die jedoch keine Christen aus den bestehenden Kirchen herauslösen sollten. Die Konzentration lag vielmehr auf Heiden, die Jesus kennenlernen sollten und dann ihren eigenen Landsleuten das Evangelium predigen sollten.

,,Nicht die Bekehrung ganzer Völkerschaften [...] sollte das Ziel der Herrnhuter Mission sein [...]Die Gewinnung von Erstlingen sei für die gegenwärtige Weltzeit [...] genug." 32

3. Der Beitrag der Herrnhuter Brüdergemeine zu Entwicklung des ökumenischen Gedankens

3.1 Wie hat sich die Arbeit der Herrnhuter Brüdergemeine ausgewirkt?

Zinzendorf hat es geschafft seine Ideen, Prinzipien und Konzepte in der Herrnhuter Brüdergemeine zum größten Teil zu verwirklichen.

Die Mitglieder der Herrnhuter Brüdergemeine zeigten, durch die Art, wie sie ihre unterschiedlichen Glaubensarten lebten und wie sie Gemeinschaft praktizierten, daß eine Einheit unter den Christen der verschiedenen Konfessionen möglich ist. Die Herrnhuter Brüdergemeine ist ein hervorragendes Beispiel, für die Einheit der Kinder Gottes, sie ist ein Bild für die ,,unsichtbare Kirche".

Sie hat über ihre Grenzen hinaus versucht, Christen, auch in anderen Kirchen und Gemeinschaften für ihre Idee, ihre Art zu Glauben und diesen zu leben, zu begeistern.

Es sind gerade durch die Diasporaarbeit viele Verbindungen zu vielen verschieden Kirchen auf der ganzen Welt entstanden, und es wurden viele Christen, durch die Herrnhuter Brüder inspiriert neue Wege zu beschreiten und größer zu denken, als ihr ,,kirchlicher Horizont" es zuließ. Durch die Diasporaarbeit kam zum Beispiel John Wesley zum Glauben, der später die ,,Methodistenkirche" gegründet hat.

Nicht wenige Verbindungen und Freundschaften wurden nach kurzer Zeit wieder gelöst, weil man in bestimmten Punkten so anders dachte und glaubte, daß eine Zusammenarbeit nicht möglich war.

Aber auch, wenn nicht immer die Einheit von kirchlichen Gruppen erreicht wurde, so sind doch die einzelnen Christen enger zusammengekommen.

Nach Zinzendorfs Tod wurde die Arbeit erfolgreich weitergeführt und die Gemeinen sind gewachsen und die Missionare haben immer mehr Gebiete der Welt erreicht. Durch das Wachstum, mußten sich auch die Strukturen der Herrnhuter Brüdergemeine ändern. Alte Strukturen, die Zinzendorf eingeführt hatte, wurden geprüft und zum Teil über Bord geworfen. ,, Freilich sind viele seiner originellen Bilder und Kernsätze nach seinem Tod zugunsten eines schlichten biblisch-kirchlichen Christentums abgeschliffen oder aufgeben worden..." 33

Es kam dazu, daß die Herrnhuter Brüdergemeine sich zu einer eigenständigen Freikirche entwickelte und heute sowohl im Bund der Freikirchen als auch in der evangelischen Kirche Deutschlands vertreten ist. Somit war das Ziel Zinzendorfs, daß sich die Herrnhuter Brüdergemeine nicht als eigenständige Konfession verstand, aufgegeben worden. Aber auch durch ihre Mitgliedschaft in den beiden Bünden, sieht sie ihre Aufgabe unter anderem auch als Vermittler.

Die wirkliche Einheit der Kinder Gottes ist nicht verwirklicht worden, aber man hat die Verständigung zwischen den Kirchen vorangetrieben, und man findet in vielen Kirchen und Freikirchen, seien es Lutheraner, Reformierte, Baptisten, Methodisten, etc., Formen, die ihren Ursprung in der Herrnhuter Brüdergemeine haben.

Vieles von dem, was Zinzendorf und seine Brüder gedacht haben, ist erst in der heutigen Zeit, durch die Bildung des ,,ökumenischen Rates der Kirchen" oder der ,,Allianz", verwirklicht worden.

Aber dennoch:

,,Durchüber zweihundert Jahre wechselvoller Geschichte hat [die Herrnhuter Brüdergemeine] versucht, demökumenischen Anliegen Zinzendorfs treu zu bleiben." 34

[...]


1 Nach Beyreuther: Der junge Zinzendorf, 73.

2 Bayer: Ökumenische Profile.

3 Ebd.

4 Beyreuther, Zinzendorf 15.

5 Ebd.

6 Beyreuther, der junge Zinzendorf, 98.

7 Ebd. 106.

8 Ebd.

9 Nach Wallmann, 111.

10 Ebd.

11 Beyreuther: Zinzendorf, 37.

12 Vgl. Blanke

13 Ebd. 10.

14 Ebd., 124.

15 Nach Luther 1984. 16 4.vgl. Blanke 15

17 Hahn; Reichel.

18 Ebd.

19 vgl. Blanke, 15.

20 Ebd.

21 Vgl. ebd.

22 Hahn; Reichel, 103.

23 Wallmann, 113.

24 Ebd., 115.

25 Hahn; Reichel 135

26 Wettach, 69.

27 Hahn; Reichel, 412.

28 Nach Wettach, 70f.

29 vgl. die Abendmahlsfeier am 13. August 1727 in Berthelsdorf, wodurch die Brüder ihre ,,konfessionellen Schranken" überwunden hatten und zu einer Einheit wurden.

30 Walter Bauer, Wörterbuch zum Neuen Testament.

31 Hahn; Reichel, 418.

32 Wallmann, 119.

33 Meyer, 37.

34 Nach Bayer, 127.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Herrnhuter Brüdergemeine und ihr Beitrag zur Entwicklung des ökumenischen Gedankens
Note
2
Autor
Jahr
1998
Seiten
18
Katalognummer
V97495
ISBN (eBook)
9783638959476
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Herrnhuter, Brüdergemeine, Beitrag, Entwicklung, Gedankens
Arbeit zitieren
Lars Schwesinger (Autor:in), 1998, Die Herrnhuter Brüdergemeine und ihr Beitrag zur Entwicklung des ökumenischen Gedankens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97495

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