Histrionische Persönlichkeitsstörung


Ausarbeitung, 1998

12 Seiten


Leseprobe


INHALT

I. Geschichtlicher Hintergrund und Einführung

II. Diagnostik der HPS

III. Erklärungsansätze

IV. (Unbewußte) Absichten der HPS-Kranken

V. Behandlungsansätze

VI. Therapeut-Patient-Beziehung

VII. Literatur

I. Geschichtlicher Hintergrund und Einführung

Histrione war die griechische Bezeichnung für einen Schauspieler im antiken Rom, ein Hinweis auf das beobachtbare Verhalten bei HPS-Kranken, welche in der Interaktion theatralisch und dramatisch auftreten.

Die Histrionische Persönlichkeitsstörung (HPS) hieß im DMS-II noch ,,Hysterische Persönlichkeitsstörung"; diese wurde zur besseren Differenzierung von der bisherigen ,,Hysterie"-Diagnose und aufgrund der umgangssprachlichen Bedeutung des Wortes ,,hysterisch" umbenannt. Die Hysterie wird heute kategorisch getrennt in: HPS, Somatisierungsstörung, Konversionsstörung, Hypochondrie und Dissoziative Störung. Die HPS ist die diagnostische Beschränkung der Hysterie auf theatralische und emotional aufdringliche Interaktionseigenarten.

Unterscheidungen und die Abgrenzung zur Borderline-PS sind oft schwer, obwohl bei der HPS seltener Identitätsstörungen und psychotische Episoden vorkommen. Oft werden beide Diagnosen gestellt. Hohe Überlappungen mit der HPS gibt es auch bei der Narzißtischen PS und der Dissozialen PS.

Die HPS wird weit häufiger bei Frauen bei ,,extremer Weiblichkeit" diagnostiziert und als typisch weibliche Verhaltensstereotype bezeichnet. Erklärungen hierfür findet man in der gesellschaftlichen Struktur, die immer noch keine geschlechtliche Gleichstellung gewährleistet, und in Fehldiagnosen bei männlichen Therapeuten, die machohaften Männern (mit ,,extremer Männlichkeit") mit den Symptomen: dramatisch, sensationslüstern, oberflächlich, eitel, egozentrisch, eher nicht diese Diagnose stellen. Diesen wird häufiger die Antisoziale PS diagnostiziert, während Frauen wiederum seltener die Diagnose der Antisozialen PS erhalten. Man geht davon aus, daß diese beiden Persönlichkeitsstörungen dieselbe Grundlage und bloß geschlechtstypische Ausformung derselben Grundstruktur (gemeinsame Prädisposition, aber Verhaltensunterschiedlichkeit bei HPS und antisozialer PS) bei histrionischen Frauen und antisozialen Männern aufweisen. Gemeinsamkeiten sind: geringe Impulskontrolle, inszenierte Übertreibungen, Unfähigkeit, enge Beziehungen aufrechtzuerhalten, mangelnde Schuld- und Schamfähigkeit. Bei Männern wird die HPS meistens mit Homosexualität assoziiert.

Die HPS tritt meistens in Verbindung mit Depressionen auf, was auch letztlich den eigentlichen Grund dafür darstellt, daß therapeutische Hilfe gesucht wird. Bessert sich allerdings die Stimmungslage, so ist meistens auch schon der Wille zur Veränderung verflogen, weswegen die HPS auch als sehr schwierig zu behandeln gilt.

II. Diagnostik der HPS

Die Hauptmerkmale für die HPS sind eine übermäßige, unkontrollierte, automatisch funktionierende oder auch dysfunktionale Emotionalität und ein übermäßiges Verlangen nach (ungeteilter) Aufmerksamkeit.

Diagnostisch gesehen ist die HPS im Erstgespräch am leichtesten zu erkennen. Orientieren könnte man sich, meiner Meinung nach, an den Diagnostischen Kriterien der DSM-III-R, ergänzt durch die Kriterien (2) (Suggestibilität, leichte Beeinflußbarkeit durch andere) und (7) (andauernd manipulierendes Verhalten zur Befriedigung eigener Bedürfnisse) aus der ICD- 10.

Die Aufmerksamkeit anderer erregen sie z.B. durch ihre Aufmachung: grelle Kleidung, übermäßige Schminke, Färbung der Haare, intensive Gerüche, etc.

HPS-Kranke haben eine mangelnde Fähigkeit zur Empathie (Einfühlung), sind unfähig, die Gefühle und Absichten anderer Menschen richtig zu interpretieren. Sie sind oberflächlich und selbstbezogen. Sie wollen alles sofort und mit aller Macht, sie sind selbstsüchtig und streben die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung an, suchen auch Anregungen.

Sie führen sich theatralisch, dramatisch und lebhaft auf, verhalten sich reaktiv und intensiv, haben einen impressionistischen Sprachstil, sie entwickeln aus subjektiv-sinnlichen Eindrücken ihr Bild der Wirklichkeit. Ihre Körperbewegungen und Ausdrucksweise sollen gefallen. Sie haben eine übermäßige Sorge um ihre äußere Erscheinung.

Sie sind meistens depressiv, ihre Gefühlspräsentationen wechseln unerwartet und oberflächlich (ohne bewußte Kontrolle und Einflußnahme, sondern bedingt durch enge Situations- und Affektverknüpfungen). Für extreme Gefühlsveränderungen reichen geringfügige Anlässe. Die Stimmung bei HPS-Kranken wechselt von positiv zu negativ (nicht wie bei Depressiven, die sich durchgängig schlecht fühlen).

Sie neigen zu Selbstdramatisierung, spielen dramatische Rollen, um ihre Ziele zu erreichen, haben manchmal (nicht lebensbedrohliche) Selbstmordversuche nach Angst oder Enttäuschung hinter sich, können aber andererseits warmherzig, charmant und verführerisch sein, wobei es ihnen jedoch an Tiefe und Aufrichtigkeit fehlt.

Standage & Co stellten in einer Untersuchung mit Kontrollgruppe fest, daß die Wahrnehmung und Bewertung des eigenen Verhaltens bei HPS-Kranken signifikant schlechter ist. So glauben sie, Symptome, Gedanken und Taten würden nicht zu ihnen gehören, sondern von außen kommen (,,So etwas scheint immer nur mir zu passieren!").

Sie selber sehen sich als umgänglich, freundlich und liebenswürdig (sie wollen schließlich niemandem etwas Böses, da sie die anderen brauchen), merken nicht, daß sie manipulierend auf ihre Mitmenschen einwirken, bzw. einwirken wollen, um ihre Wünsche, derer sie sich noch nicht einmal bewußt sind, zu erreichen.

Turkat unterscheidet die HP in a) die dominante histrionische Persönlichkeit (diese will dominant ihr Umfeld kontrollieren, ihren Willen durchsetzen, sucht Aufmerksamkeit) und b) die reaktive histrionische Persönlichkeit (diese reagiert dramatisch auf Ereignisse, sucht Bestätigung und Zustimmung).

Während der dominante Typ oft die Notwendigkeit der Modifikation versteht, sich aber nur schwer von seinen manipulierenden Versuchen, das Geschehen an sich zu reißen, distanzieren kann, wäre der reaktive Typ zwar eher in der Lage, sich zu ändern, doch dafür ist er oft auch weniger einsichtig.

III. Erklärungsansätze

Die Kindheit, die Konditionierung in der Kindheit, eine fehlende eigene Identität, eine gestörte Kognition, das Unwissen über die eigenen Gefühle, automatische Gedanken und unbewußte Absichten sind meistens die oft miteinander zusammenhängenden Ursachen für die Histrionische Persönlichkeitsstörung.

Viele diagnostische Merkmale der HPS scheinen auf der Kindheit zu basieren. HPS-Frauen kommen aus Familien mit überzufällig häufig Vätern mit antisozialer PS. Viele machten frühkindliche Erfahrungen mit Gewalt und Mißbrauch. Erhebliche Bedeutung für die Entstehung der HPS liegt auch bei den kindlichen Sozialisationsbedingungen. Umgebungsfaktoren für die Entwicklung der HPS können gewesen sein: (a) häufige Bekräftigung eines aufmerksamkeitsuchenden Verhaltens, (b) mögliche elterliche Modelle für histrionisches oder antisoziales Verhalten und (c) meistens nur kurzfristige Erfüllung der interpersonellen Bedürfnisse nach Nähe, Zuwendung und Unterstützung. Das Resultat ist die Entwicklung eines histrionischen Rollenverhaltens.

Die frühkindliche Erziehung verursachte eine Konditionierung, interaktionelle Konflikt- situationen durch äußere Erscheinung und exzellentes Rollenverhalten zu verändern, zu vermeiden oder ihnen zu entfliehen. Es wurde gelernt, bei interaktionellen Konflikten zu versuchen, möglichst gut dazustehen, indem man für sich immer wieder neue inszenierte Rollen präsentiert, also nicht über die eigene Identität, deren Ausprägung durch diese Konditionierung verhindert wird, interagiert, sondern über ein inszeniertes Ich. Für das spätere Leben ergibt sich das Problem, in bedeutsamen Konfliktsituationen, in denen Charakter gefragt ist und die schlichte Präsentation einer oberflächlichen Rolle nicht mehr ausreicht, Ablehnung und Versagen zu erfahren, zu erkennen, daß man nicht in der Lage ist, Situationen zu meistern. Histrionische Frauen aber auch Männer wurden im Kindesalter für ein reizendes Wesen, körperliche Attraktivität und Charme belohnt, anstatt für Kompetenz oder systematisches Denken und Planen. Die meisten Männer allerdings fühlten sich in ihrer Kindheit durch die Präsentation einer besonders männlichen Rolle (Männlichkeit, Härte und Kraft) belohnt, anstatt für Kompetenz oder die Fähigkeit, Probleme vernünftig zu lösen.

Das histrionische Rollenverhalten verhindert die Entwicklung eines stabilen sozialbezogenen Selbstkonzeptes. Bei Zuspitzung zwischenmenschlicher Konflikte verbleibt als Selbstschutz bloß noch die angelernte, aber nur scheinbar selbstsichere Inszenierung gelernter Rollen. Ein stabiles sozialbezogenes Selbstkonzept existiert nicht, die interaktionelle Kompetenz ist somit gefährdet. Da sie Ablehnung riskieren, wenn sie selbstsicher sind und andere direkt um das Gewünschte bitten, gehen sie häufig eher indirekt vor. Manipulation, dann aber auch wieder direkter mit Drohungen (z.B. Selbstmord), Zwang, Eifersucht und Wutausbrüche sind ihre Mittel, wenn sie subtil erfolglos sind.

HPS-Kranke haben es versäumt, sich eine eigene Identität aufzubauen, mit der sie Probleme oder Situationen angehen können, um sie zu bewältigen. Das Leben erscheint ihnen unüberwindbar, die einzige Rettung sehen sie darin, daß ihnen von anderen bei der Lebensbewältigung geholfen wird.

Sie haben ein exzessives Bedürfnis nach Aufmerksamkeit (primäres Ziel), versäumen allerdings, angemessene soziale Fertigkeiten zur Erregung dieser bei anderen zu verwenden. Sie haben auch keine effektiven Mittel und Wege (beobachten, analysieren, systematisch planen) dazu gelernt, sondern wurden in ihrer Kindheit für die oberflächliche Verkörperung bestimmter Rollen belohnt. Ihre Strategie ist es, andere zu erfreuen. Sie sind so sehr in der Sicht dieses Zieles verstrickt, daß ihr Handeln dysfunktional wird, über das effektive Maß hinaus geht. Von dem theatralischen Verhalten und dem Erregen der Aufmerksamkeit so hingerissen, sehen sie ihr tatsächliches Ziel, nämlich das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, nicht mehr.

Äußere Begebenheiten erhalten größere Bedeutung als eigene innere Erfahrungen. Eindrücke beeinflussen HPS-Kranke automatisch, anstatt daß sie über sie nachdenken. Dadurch entstehen extreme Schlußfolgerungen (positive und negative), welche zu übermäßig vielen radikalen Vorurteilen führen. HPS-Kranke neigen zu Emotionen und Oberflächlichkeit, während sie Einzelheiten und Logik kaum beachten können.

Ihnen ist ihr Innenleben kaum bekannt und auch uninteressant, Identifikation findet fast nur über andere statt. Sie meiden auch aktiv das Wissen über sich, da sie nicht damit umgehen können. Das Unwissen über die eigenen Gefühle und die Vermeidung von wahrer Intimität (keine Tiefe) in Beziehungen bedingen sich gegenseitig. Die Beziehungen von HPS-Kranken sind daher seicht und oberflächlich, sie kennen ihre Gefühle nicht genau und haben Angst, falsch zu agieren.

Ihr Denken ist mangelhaft im Hinblick auf Einzelheiten und Schwerpunkte, mit denen sie sich nicht befassen, sie folglich auch nicht erkennen und sich daher auch nicht an sie erinnern können. Ihre Erinnerung ist oberflächlich und diffus, was ihre impressionistische Sprache und ihr gestörtes Denken dann auch ausmacht. Ihr Mangel an Wissen UND fehlende Erfahrung in systematischer Problemlösung bereiten ihnen Probleme bei der Bewältigung von Problemsituationen. Sie sind tatsächlich unfähig, Probleme zu lösen, weshalb sie auch tatsächlich die Hilfe anderer benötigen.

Die kognitive Therapie geht davon aus, daß Gedanken stark Gefühle beeinflussen. Sind diese unkontrolliert (HPS-Kranke betrachten ihr eigenes Handeln und Fühlen nicht ausreichend differenziert), entsteht eine Anfälligkeit für explosive Ausbrüche. Diese Ausbrüche können ebenfalls nicht kontrolliert werden und finden automatisch statt.

Automatische Gedanken

Die Kognition bzw. Affekte haben bei den histrionischen Interaktionsmustern eine besondere Bedeutung: Model (a): Abhängigkeit des Gesamterlebens und Fühlens, von der zugrundeliegenden kognitiven Struktur (Situation > Kognition > Affekt > Handlung), Modell (b): Abhängigkeit der kognitiven Struktur von einer lebenslang gelernten Interaktionsroutine (Situation > Affekt > Kognition > Handlung).

Shapiro und Horowitz behaupteten, die Kognition wäre bei HPS-Kranken abhängig von einer routinierten Theatralik, welche durch eine situationsabhängige Affektivität gesteuert wird, ohne die bewußte Kontrolle des Patienten. Shapiro meinte außerdem, HPS-Kranke würden von ihrer eigenen Darstellung durch Unmittelbarkeit mitgerissen. Sie hätten Gefühle ohne Tiefgang.

Die Verdrängung, also der neurotische Stil in der Entwicklung der hysterischen Pathologie ist signifikant, aber nicht nur Inhalte sind wichtig. Die Kognition ist oberflächlich, diffus und impressionistisch, es besteht eine Unfähigkeit, sich geistig intensiv oder durchgehend zu konzentrieren, dadurch entsteht ein Mangel an Allgemeinwissen, auch bei Inhalten, die nicht verdrängenswert wären.

Viele Antworten zur Erklärung erhält der Therapeut bei den mitteilsamen Patienten, indem er sie einfach fragt. Zur Diagnostik empfiehlt es sich, die zwischenmenschlichen Beziehungen eingehend zu untersuchen, z.B. durch Fragen wie: ,,Wie kam es zu ihnen? Wie waren sie? Wie endeten sie?" (romantisch - bald zerstört, glücklich - Katastrophe, stürmisch - dramatisch). Histrioniker neigen sehr dazu, sich mitzuteilen, weshalb man als Therapeut zumindest schnell erkennen kann, wo das Problem liegt.

Andere Fragen wären: ,,Wie gehen Sie mit Ärger, Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen um?" Hier sollte nach spezifischen Beispielen gefragt werden, da HPS-Kranke eher impressionistisch und weniger objektiv denken. ,,Gab es Anzeichen für dramatische Ausbrüche oder Manipulationen mittels Wut?" ,,Wie sehen andere Menschen Sie in der Regel? Worüber gab es Beschwerden über sie in Beziehungen?" Zur Überprüfung der Selbstmordgefahr soll danach gefragt und erkannt werden, ob es sich um eine echte, oder eine manipulativer oder dramatischer Natur handelt.

Um zu erfahren, ob der Patient eher im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht ODER den Wunsch nach Aktivität und Aufregung hat (nach der Differenzierung von Turkat), lohnt es sich zu fragen, welche Aktivitäten dem HPS-Patienten Spaß machen.

IV. (Unbewußte) Absichten der HPS-Kranken

Aufgrund der gestörten Kognition, Emotionalität und fehlenden Identität ist die HP nicht in der Lage, ihr Leben zu bewältigen. Ihre automatischen Gedanken führen sie dazu, Aufmerksamkeit (und zumeist unbewußt Hilfe) zu suchen und sie auf theatralische und manipulative Art (Extremverhalten der ,,typischen Weiblichkeit") in Rollenspielen zu erlangen.

Millons biosoziale Lerntheorie wird entnommen, daß eine aktiv-dependente PS unfähig ist, ihr Leben selbst zu bewältigen. Ebenso wie auch bei Depressiven, jedoch mit folgendem Unterschied: dependent Gestörte betonen ihre Hilflosigkeit und hoffen passiv auf Führung. HPS-Kranke ,,müssen" andere aktiv dazu bringen, ihnen zu helfen. Sie sind aktiv auf der Suche nach Aufmerksamkeit und Anerkennung, um Mittel und Wege zu finden, die sicherstellen, daß ihre Bedürfnisse ausreichend von anderen befriedigt werden. Dies führt zu sehr unpersönlichen Kontakten. HPS-Kranke wollen von jedem geliebt werden, weil scheinbar alle anderen Menschen lebensfähig sind, und folglich von denen Hilfe zu erwarten wäre.

Es besteht eine Angst vor Ablehnung, da dies an die eigene schwache Position erinnert. Ohne andere ist die HP absolut lebensunfähig. Die Anerkennung ist die einzige Rettung, deshalb muß eine HP aktiv werden und darf sie nicht dem Zufall überlassen. Dazu benutzt die HP zumeist die Art und Weise, wie sie sie in ihrer Kindheit gelernt hat: meist geschlechtsspezifisch (Mann machohaft, Frau charmant).

Die Psychoanalyse geht von einer (unbewußten) Inszenierung aus, die eine nicht vollständig ausgebildete Selbstpräsentanz zu verbergen erlaubt. Das Ziel der HP ist, für andere und sich selber anders zu erscheinen als man (nicht) ist.

V. Behandlungsansätze

Die Behandlung der HPS ist nicht einfach. Die kognitive und die stationäre Gruppentherapie bewähren sich. Schwerpunkte sind die Modifikation des zwischenmenschlichen Verhaltens, die Schaffung einer Identität, das Erlernen des Denkens, die Identifikation und die Bekämpfung der automatischen Gedanken.

Die verhaltenstherapeutische Sicht spricht sich positiv über stationäre Gruppentherapie aus. Innerhalb der Gruppe finden positive und negative Feedback statt, Selbstsicherheitstraining, Desensibilisierung und Bewältigung unvorhergesehener Situationen. Die HP kann weiter innerhalb einer festen Gruppe, in der sie nicht viel zu verlieren haben müßte und mit ähnlich Belasteten zusammen wäre, empathisches (einfühlendes) Verhalten lernen und üben. Es findet ein Wachsen mit der Gruppe statt. Das fehlangepaßte Verhalten nimmt zunächst zu, erreicht ihren Höhepunkt, flaut dann dauerhaft gegen Therapieende ab. Die Erfolge sind gut.

Ein Schwerpunkt wird in der Modifikation des zwischenmenschlichen Verhaltens und des Erlernens des kognitiven Denkens gesetzt. Ein kognitives Ziel wäre, vom oberflächlichen und impressionistischen Denkstil auf systematisches und problemfokussiertes Denken umzusatteln; HPS-Kranke müssen zunächst das Denken lernen. Hier ergibt sich allerdings ein Problem: Die kognitive Therapie ist systematisch und strukturiert, während die HP einen dysfunktionalen Denkstil aufweist. Diese Gegensätze werden von Turkat pessimistisch betrachtet. Er geht davon aus, daß der dominante Typ sein Verhalten nur schwer ändern kann, während es dem reaktiven Typen an Einsicht dazu fehlt. Für den Therapeuten heißt es bei der Behandlung, stetig und konsequent vorzugehen, aber flexibel zu sein, um den Patienten nicht aus der Therapie zu vertreiben. HPS-Kranke müssen einen anfangs unnatürlich erscheinenden Ansatz zur Wahrnehmung und Verarbeitung von Erfahrungen akzeptieren.

Methoden hierzu wären die Bekämpfung automatischer Gedanken, die Gedankenüberprüfung, Aktivitätsplanung, Entspannungs-, Problemlösungs- und Selbstbehauptungstraining. Während HPen vorher für extreme Emotionalität, oberflächliche Inszenierung und Manipulation belohnt wurden, müssen sie in der Therapie lernen, daß sich auch die Beachtung von Details und Selbstsicherheit auszahlen können. Dadurch erlangen sie Ansätze für das aktive Lösen von Problemen.

Das erste Ziel des Therapeuten sollte sein, die Aufmerksamkeit auf ein Ziel zu lenken.

Außerdem sollte ein Zeitplan eingeführt werden, da eine natürliche Neigung von HPS- Kranken ist, eine dramatische Zusammenfassung der letzten Woche zu liefern. Sinnvoll wäre die Reservierung eines Teils der Sitzung hierfür, damit der Patient die Unterstützung und das Verständnis seines Therapeuten erfährt und auch an Spezifischem und Aktuellem gearbeitet werden kann. Gegen diese Tendenz angehen, wäre zu hart und das Ende vom Anfang, da das kognitive Denken bei Therapeut und Patient anfangs noch gegensätzlich sind und der Patient das Denken schließlich (langsam) erst erlernen muß.

HPS-Kranke neigen dazu, das Interesse zu verlieren und sich anderem als der Therapie zuzuwenden. In der Therapie gehalten werden können sie, indem konkretere und bedeutsame Ziele eingebaut werden, nicht nur die wagen Ziele des Erlernen des kognitiven Denkens, der Desensibilisierung, des Selbstsicherheitstrainings oder der Problembewältigung. Diese nunmehr spezielleren Ziele können gesammelt und auf eine Liste gesetzt werden, mit der Absicht, den Patienten erneut auf das momentane Ziel anzusprechen, wenn dieser gedanklich und mit der Konzentration davon abweicht, um dessen Aufmerksamkeit wieder darauf zu lenken oder aber, wenn der Patient das Ziel aus Bequemlichkeit völlig verwerfen möchte. Die Beibehaltung dieser Ziele erlangt man, indem zuvor Therapeut und Patient gemeinsam Vor- und Nachteile der gesetzten Ziele aneinander abwägen. Da der Patient oftmals unlogisch und ,,automatisch" denkt und nicht immer einsichtig ist, sondern vielmehr eigensinnig, ist es bei der HPS sinnvoll, etwas auf Papier stehen zu haben, auf das man sich zuvor geeinigt hatte und sich hinterher auch beziehen kann.

HPS-Kranke sollen ihre spezifischen Gedanken überprüfen und sich auf sie konzentrieren, ohne an ein überstehendes Problem zu denken. Hausaufgaben diesbezüglich (Protokolle der dysfunktionalen Gedanken) sehen meistens so aus, daß der Sinn dieses Zieles der Überprüfung der automatischen Gedanken, das der Verschlimmerung von Problemen vorbeugen soll, vergessen wird, und statt dessen eine dramatische Zusammenfassung der vergangenen Woche vorgelegt wird. Der Patient soll lernen, seine dysfunktionalen Gedanken zu identifizieren und in Angriff zu nehmen. Die Identifizierung der Gedanken dient gleichzeitig der Konzentration auf Emotionen, Wünsche und Prioritäten. An den dysfunktionalen Gedanken kann der Patient sich übungsweise auf seine kognitive Verzerrungen konzentrieren, um sie anschließend zu modifizieren, sie also wieder zurechtzubiegen. Diese Bearbeitung dient dem Patienten dazu, zwischen Realität und Phantasien zu unterscheiden und Kausalzusammenhänge zu erkennen. Differenzierteres Denken führt zu besseren Denkergebnissen. HPS-Patienten müssen daher lernen, nicht vorschnell zu urteilen, sondern versuchen, mehrere Möglichkeiten als Ursache für etwas ,,Dramatisches" zu finden, die nun die ehemals konditionierten und immer wieder bereitstehenden Antworten zur Ursachenfrage in Situationen auf der Basis der Logik ablösen.

Methoden

1) Bekämpfung automatischer Gedanken durch Besänftigung und Kontrollieren der Impulsivität (Selbstkontrolle): Lernen, erst dann zu reagieren, wenn sie ihre Gedanken erfaßt und identifiziert haben. Die Identifikation automatischer Gedanken kann auch als kognitiver Überwachungsprozeß bezeichnet werden. Dies ist eine wichtige Grundlage für die Therapie. Sogar bevor das Kognitive modifiziert wird, kann die Identifikation der automatischen Gedanken, die eine der Grundlagen für das histrionische Verhalten sind, zu einer deutlichen Besserung führen.
2) Patienten können dazu verlockt werden, das (langweilige) rationale Denken zu üben, indem ihnen die Aufgabe erteilt wird, dieses dramatisch zu gestalten.
3) HPS-Kranke fühlen sich unfähig, eine Identität aufzubauen. Der Therapeut kann diesbezüglich eine Liste anfertigen oder als Hausaufgabe formulieren, daß der Patient einzelne für ihn typische Merkmale findet, angefangen bei Lieblingsfarbe, etc., um allmählich eine Identität zu entdecken.
4) HPS-Kranke können die beiden Vorstellungen haben, 1) sie könnten nicht ohne ihren Partner leben und 2) sie könnten nicht selbständig überleben. Möglichkeiten zur Entkatastrophisierung wären z.B. verhaltenstherapeutische Experimente, in denen der Patient mit der gefürchteten Situation (welche künstlich, aber nicht überraschend inszeniert wird) - aber entsprechend schwach - konfrontiert wird (,,geringe Ablehnung" oder ,,kleine Aufgaben"). Allerdings muß man aufgrund Defizite in der Logik bei HPS-Kranken diese systematisch darauf hinweisen, ihre selbstverständliche Überzeugung der eigenen Schwäche durch die Erfolge in den Experimenten in Frage zu stellen.

VI. Therapeut-Patient-Beziehung

Der Therapeut wird anfangs als übermächtige Retter-Person angesehen, als jemand, der dazu da ist, zu helfen. Je aktiver die Rolle des Patienten in der Therapie wird, desto mehr schwindet dieses Bild (Therapeut macht ja kaum noch etwas).

Die Zusammenarbeit zwischen Therapeut und Patient ist wichtig, der Patient darf nicht das Gefühl des Überhandnehmenden bekommen, denn dann hat der Therapeut kaum noch Einfluß und kann nicht mehr (z.B.) Suggestion ausüben. Die Gegebenheiten sollten unter der Leitung des Therapeuten aufgedeckt werden.

Der Therapeut sollte sich in acht nehmen, sich nicht dazu verführen zu lassen, die Rolle des Erlösers zu übernehmen, sondern soll den Patienten mittels Fragen dazu führen, eigene Lösungen für Probleme zu finden.

Selbst wenn der Therapeut sich schuldig fühlt, weil der Patient nicht bereit zu Änderungen ist, hilft er diesem nicht, wenn er ihm die Probleme löst. Dies würde bedeuten, daß der Patient mit der ihm typischen manipulativen Art der Interaktion erfolgreich war. Schließlich muß der Therapeut dann doch zu vielen Forderungen nachgeben, weshalb er sich dann wegen der Manipulationsversuche und Täuschungen des Patienten leicht verärgern kann. Das Eingehen auf den Patienten kann dessen Hilflosigkeit verstärken. Der Patient denkt sich, er müßte alles tun, um möglichst bequem geführt zu werden, um dann in späteren Situationen dann gleich geholfen zu bekommen (Vorarbeit leisten). Dies könnte den Therapeuten dazu bringen, inkonsequent in der Verstärkung selbstsicherer und kompetenter Reaktionen bei dem Patienten und selber emotional zu werden (soft und hart). Dieser Unwille beim Patienten muß früher oder später, jedenfalls auf Dauer gebrochen werden.

Der Therapeut darf sich also nicht auf das Kommunikationsmuster des Patienten einlassen, wobei dies nicht immer leicht ist, da dieses manipulierend und ansprechend sein kann. Durch sein Einlassen darauf, würde der Therapeut die Manipulationsversuche des Patienten belohnen.

Ihre Lebhaftigkeit und Emotionalität sind wichtige Mittel für HPS-Kranke, Aufmerksamkeit zu erlangen. Diese sollen sie auch nicht aufgeben, wozu sie auch nicht zu überzeugen wären, sondern sie sollen vom Therapeuten erklärt bekommen, daß diese Energie auch konstruktiv genutzt werden kann.

VII. Literatur

Fiedler, P. (1994): Persönlichkeitsstörungen. Weinheim: Beltz, PVU

Beck, A.T., Freeman,P. (1989): Kognitive Therapie der Persönlichkeitsstörungen. Weinheim: Beltz, PVU

Turkat: Persönlichkeitsstörungen.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Histrionische Persönlichkeitsstörung
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Veranstaltung
Extremvarianten der Persönlichkeit
Autor
Jahr
1998
Seiten
12
Katalognummer
V97577
ISBN (eBook)
9783638960298
Dateigröße
410 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Histrionische, Persönlichkeitsstörung, Extremvarianten, Persönlichkeit
Arbeit zitieren
Emil Franzinelli (Autor:in), 1998, Histrionische Persönlichkeitsstörung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97577

Kommentare

  • Gast am 21.5.2008

    danke für den artikel.

    lieber verfasser hiermit möchte ich mich nur für den aufschlussreichen text bedanken

  • Gast am 14.9.2005

    Borderline- Histrionik.

    Deine Arbeit macht leider keine klare Differnzierung zwischen der histrionischen und der Borderline-Persöblichkeitsstörung, was wichtig wäre.

  • Gast am 7.8.2005

    Hysterie und ihre therapeutischen Konzepte (1995/96).

    Das Konzept der histrionischen Persönlichkeit diskriminiert die KlientInnen! Klienten werden als Schauspieler diffamiert und wenig ernst genommen. Das Stigma einer psychischen Erkrankung wird somit verstärkt. Das "veraltete" Persönlichkeitkonzept der Hysterie schließt "gesunde Menschen" und Symptomträger ein. (Literatur zur Diskussion: Eckardt (1996) "Hysterie und ihre therapeutischen Konzepte"
    Zeitschrift für Energetische Psychologie und Orgon-Forschung Bd.3; E.E.I.E.P., Schwedter Str. 227, 10435 Berlin

  • Gast am 5.3.2003

    Hilfe für Mitbetroffene.

    Ich fand den Beitrag wirklich sehr hilfreich und aufschlussreich.
    Leider hat etwas gefehlt, was mich ursprünglich zu dieser Seite geführt hatte.
    Eine Bekannte von mir hat diese Krankheit, erfand kürzlich eine Vergewaltigungsgeschichte, genau wegen diesen Symptomen der Aufmerksamkeit usw.
    Wie sollte man als Freundin, Bekannte damit umgehen?
    Wie sollte man mit der Betroffenen umgehen?
    Als unmittelbar Mitbetroffene weiss man sich leider da nicht unbedingt wie man ihr gegenübertreten sollte.
    Soll man so tun als glaube man alles? Sie bemitleiden, um ihr so den Wunsch nach Aufmerksamkeit erfüllen?

  • Gast am 20.2.2003

    Hilfe für Betroffenen.

    Ich möchte mich für den sehr guten übersichtlichen Artikel bedanken. Ich habe gerade eine Beziehung mit einer Frau mit histrionischer Perönlichkeit beendet. Der Artikel hat mir sehr geholfen viele ihrer sehr verletzenden Verhaltensweisen zu verstehen. Ich werde ihn ihr weiterleiten. Vielleicht erkennt sie sich ja wieder.

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Titel: Histrionische Persönlichkeitsstörung



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