Fallmanagement im Jobcenter. Chancen und Grenzen


Hausarbeit, 2020

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist Fallmanagement im JC: Protagonisten und Ziele

2. Ablauf des Fallmanagements zu Wiedereingliederung in Beschäftigung

4. Ein Fall fürs Fallmanagements?

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Unter einem Case Management versteht man ein Ablaufschema zu Versorgung eines Patienten oder Klienten in Zusammenarbeit mit Dritten. Ziel ist eine bedarfsgerechte und wohl organisierte Hilfeleistung für den Einzelfall. Das breit gefächertes Hilfeangebot, das für Betroffene oft nur schwer zu überschauen ist, wird in individueller Beratung für den Hilfebedürftigen passgenau erschlossen und der Betroffene wird anschließend entsprechend vernetzt.1 Case Management ist als effiziente und kostensenkende Methode für das Gesundheitswesen in den USA entwickelt worden. Es soll die ambulante Versorgung der Patienten stärken und „Drehtüreffekte" vermeiden.2 Dazu bedarf es extra geschulten Personals, eines entsprechenden Budgets und einer guten und flexiblen Infrastruktur.

Mit den Hartz IV Reformen wurde das Case Management, nach einigen Vorläufern, als Fallmanagement auf das Jobcenter übertragen und wird seither von interner und externer Kritik begleitet. Während beispielsweise das Jobcenter angibt, von der DGCC3 zertifiziert zu sein,4 spricht diese vom „marginalisieren"5 des Fallmanagements6 seitens des Jobcenters und veröffentlicht selbst eine kritische Auseinandersetzung mit dem beschäftigungsorientierten Fallmanagement auf seiner Webseite.7 Auch innerhalb des JC8 stellt das FM laut Weisung nur die letzte Option dar und wird parallel immer durch andere Projekte verdrängt. Woran kränkelt das FM genau? Wie genau wird es umgesetzt? Und welche Chancen hat das FM bzw. das JC, sich doch noch zu einem sozialen Dienstleister zu entwickeln und so auch für die Betroffenen spürbare und nachhaltige Hilfe zu entfalten?

Zunächst wird untersucht, wie sich das FM im Jobcenter positioniert. Wer sind die Protagonisten, was sind die Ziele? Dann wird der Ablauf des FM genauestens analysiert um Knackpunkte zu offenbaren. Anschließend wird das Vorgehen der FM anhand eines Fallbeispiels eruiert. Abschließend erfolgt eine Reflexion und Überlegungen zur Verbesserung des FM.

2. Was ist Fallmanagement im JC: Protagonisten und Ziele

Case Manager und Fallmanager sollen durch geführtes Netzwerken die Behandlungseffizienz steigern. Empfänger der Leistungen sind im Krankenhaus die Patienten. Der Begriff des Patienten impliziert wegweisend die Hilfebedürftigkeit der Betroffenen. Das JC benutzt für die Angebotsempfänger den Begriff der „Kunden". Auf die Bezeichnung hat sich das JC festgelegt, um seinen Dienstleistungscharakter zu unterstreichen. Es soll zeigen, dass sich der Leistungsempfänger auf Augenhöhe mit der Behörde befindet und dort auch aktiv verhandeln kann. In der Wirtschaft ist es sogar der Kunde der vorgibt, was er möchte oder auch nicht. Im JC können Kunden aber nicht frei entscheiden, was sie möchten. Wenn sie im Fallmanagement eingegliedert sind, können Sie dieses nur nach ausgestandenen Sanktionen und durch mangelnde Mitwirkung wieder beenden. Anschließend werden sie in die reguläre Arbeitsvermittlung zurück geführt und können dort ebenso erreichen in Ruhe gelassen zu werden, wenn sie die Kooperation verweigern und Sanktionen aussitzen. Folglich ist schon die Begrifflichkeit des „Kunden" im Sinne einer Transparenz, die das Jobcenter9 und auch das Fallmanagement für ihr Handeln vorgeben, irreführend. Bei den Kunden handelt es sich auch nicht um Menschen, die alle Fäden in der Hand halten, sondern tatsächlich um Hilfebedürftige, die vom Arbeitsmarkt ausgesondert worden sind, aufgrund ihrer individuellen Problemlagen. Es sind persönliche und objektive Hemmnisse wie Motivation, Resignation oder Alter, Sprache und fehlende Berufserfahrung. Beeinflussbar durch arbeitsmarktpolitische Instrumente erscheinen dabei die wenigsten der genannten Faktoren.10 Beispielsweise lässt sich die fehlende Berufserfahrung genauso wenig abstreifen wie die Langzeitarbeitslosigkeit. Dies könnte unter anderem auch ein Grund dafür sein, dass das die Arbeitsvermittlung des Jobcenters so ineffektiv ist. In der Corona Pandemie hat sich gezeigt, dass sich die Integrationszahlen kaum verändert haben, obwohl das Jobcenter monatelang geschlossen war. Überhaupt lässt sich keine Korrelation zwischen Kundenkontaktdichte des Fallmanagement bzw. der Arbeitsvermittlung und den Integrationszahlen in den Arbeitsmarkt feststellen. Dabei ist die Kundenkontaktdichte der Wert, an dem die Arbeit der Fallmanager und Arbeitsvermittler gemessen wird. Das Computersystem Verbis misst wie häufig ein Vermittler eingibt, einen Kunden kontaktiert zu haben; der Inhalt ist gleichgültig. Hierbei wird schon Augenscheinlich, dass es eine rein quantitative Bewertung ist. Fallmanager müssen im Übrigen die gleiche Kundenkontaktdichte erreichen wie Arbeitsvermittler, nur mit weniger Kunden, die dann häufiger kontaktiert werden müssen. Das ist der wesentliche Unterschied. Während ein Arbeitsvermittler um die 300 Kunden haben sollte, hat ein Fallmanager lediglich um die 100. Diese Orientierung an Formalzielen, Effizienz und Wirtschaftlichkeit schafft Verunsicherung und Zielkonflikte auf beiden Seiten. Der Trend geht zudem in Richtung einer steigenden Ökonomisierung im Jobcenter, was Zielkonflikte noch verschärft. Studien zeigen, dass Kunden sich immer mehr bevormundet fühlen und Hilfen komplett unwirksam sind.11 Es entstehen zunehmend zwei Fronten. Auf der einen Seite stehen die Kunden, die immer schwieriger werden und deren psychische Probleme zunehmen und auf der anderen Seite stehen die Fallmanager und Arbeitsvermittler mit keinerlei Handhabe und Zugang zu den Kunden. Resultat ist, dass Arbeitsvermittler immer mehr Gewalt ausgesetzt sind. Mindestens ein Drittel der Leistungsempfänger leidet an einer diagnostizierten psychischen Störung, zumeist affektiv oder neurotisch.12 10% haben Alkohol- und Drogenprobleme und 25% haben Schuldenprobleme.13 Die Dunkelziffer könnte mehr bedeuten. 50% der betreffenden Zielgruppe nennt Göckler absolut integrationsfern.14 Die Gegenseite besteht aus Verwaltungsfachleuten und Quereinsteigern, spezialisiert auf standardisierte Abläufe. Voraussetzung ist irgendein Bachelorabschluss, denn wichtig ist dem JC, dass die umfangreiche EDV und deren Konsequenzen bzgl einer bestmöglichen Absicherung schnell verstanden werden. Zielgruppenrelevante Eingangsvoraussetzungen gibt es nicht.

Fallmanager verdienen besser als Arbeitsvermittler, was die Position zu einer Aufstiegsstelle macht.

Neben der zunehmenden Gewalt leiden Arbeitsvermittler und Fallmanager ebenfalls unter der praktizierten Inhaltslosigkeit. Es gibt keinerlei qualitativen Austausch über Kunden und auch keine Würdigung der Arbeit der Vermittler. Jeder arbeitet allein an seinem Bestand und liest lediglich die Dokumentation des Vorgängers. Eine Studie konnte passend dazu nachweisen, dass die Identifikation der Mitarbeiter im Jobcenter mit ihrer Arbeit sehr gering ist und sie ihr wenig Bedeutung beimessen.15

Mithin soll fachlich unausgebildetes Personal eine Zielgruppe in Arbeit vermitteln, an der zuvor alle Fachleute gescheitert sind und zwar in einen Markt, der kein Interesse an ihr hat. Resultat ist, dass ungelöste soziale Konflikte auf unreflektierte Aktivierungsmassnahmen treffen, was wieder zu Konflikten führt. Letztlich bleiben nur einige wenige Integrationserfolge, es überwiegt aber eine mühsame und auf ständige Widerstände stoßende Fallarbeit.16 Oft ist die mangelnde Kooperation auch reiner Selbstschutz, denn was die Kunden erwartet, ist ein ungesichertes Arbeitsverhältnis, harte Arbeitsbedingungen und kaum mehr Einkommen als der Regelsatz.

Das Jobcenter selbst definiert „beschäftigungsorientiertes Fallmanagement" als Dienstleistungsangebot für Kundinnen und Kunden mit einer großen Distanz zum Arbeitsmarkt. Diese Kunden sind mithin noch schwerer zu vermitteln als die in der regulären Arbeitsvermittlung. Hervorgehoben wird, dass das FM die Möglichkeit zur intensiveren Betreuung, Beratung und Vermittlung böte. Es heißt, dass neben den direkt arbeitsmarktorientierten Hilfsangeboten die jeweils individuelle Situation der Betroffenen in den Fokus genommen würde. Es würden mit den Kundinnen und Kunden gemeinsame Ziele formuliert und sie würden bei deren Erreichung unterstützt. Dies setze natürlich die Bereitschaft der Kundinnen und Kunden voraus, dass sie selbst ihre Situation verändern möchten und verlange von den Fallmanagerinnen und Fallmanager, die aktive Mitarbeit der Kundinnen und Kunden auch einzufordern. Hier zeigt sich noch ein grundlegendes Problem des FM. Motivation wird zum einen vorausgesetzt, kann aber andernfalls auch eingefordert werden? Tatsächlich bedürfen große Veränderungen, wie sie das FM bewirken will, einer großen intrinsischen Motivation, die extrinsisch gar nicht erzielt werden kann. Es ist also schwierig anzunehmen, dass Sanktionen und Forderungen seitens des FM einen positiven Effekt haben können. Das JC bezeichnet das FM selbst als einen kooperativen Prozess. Die Implementierung, Koordinierung, Überwachung und Evaluation der Hilfen läge aber in der Verantwortung des Fallmanagers17. Wie diese Phasen konkret aussehen, wird im nächsten Abschnitt zu untersuchen sein.

3. Ablauf des Fallmanagements zu Wiedereingliederung in Beschäftigung

Das interne Konzept des Fallmanagements beschreibt folgende Phasen: Zunächst erfolgt das Profiling in der Arbeitsvermittlung, dann wird der Fall dem FM überstellt, das ist der Fallzugang im FM, anschließend erfolgt das Assessment, der Integrationsplan, die Fallsteuerung, die Netzwerkarbeit und schließlich der Fallabgang.18

Am Anfang des Prozess steht mithin das Kundengespräch mit der Arbeitsvermittlung. In dem Gespräch, wie auch in allen weiteren, wird zu Beginn ein gemeinsames Ziel vereinbart und es wird überprüft, welche Hemmnisse es vorher zu überwinden gilt. Alle diese Angaben werden während des Gesprächs ins System, d.h. in das Arbeitsprogramm Verbis übertragen, das diese Angaben zu jedem Kunden abfragt. Dort sieht es so aus, dass jeder Kunde eine eigene Seite mit unterschiedlichen Reitern hat. Unter dem Punkt „Profiling", dem Herzstück der Arbeitsvermittlung und des FM, werden diese Angaben gespeichert. Dort kann man aus vorgefertigten Kategorien auswählen, wie beispielsweise finanzielle Rahmenbedingungen, familiäre Rahmenbedingungen, persönliche Rahmenbedingungen (Kunde hat starkes Übergewicht, keine Zähne, keine Motivation). Wenn drei Vermittlungshemmnisse genannt werden, fragt das System automatisch nach einer Überstellung ins Fallmanagement, da ein erhöhter Betreuungsaufwandt angenommen wird.19 Genauso ist es mit den viel zitierten Zielen: „Im Vordergrund der Zusammenarbeit stehen Ihre Vorstellungen, Ziele und Perspektiven", 20 heißt es auf der Vorstellungsseite des Fallmanagements. Dabei ist das Ziel zumeist eine Helfertätigkeit in Vollzeit, soweit es die Gesundheit, Kinderbetreuung etc. zulassen. Alles andere müsste entsprechend nachgewiesen werden, durch ärztliche Gutachten... Zur Festlegung des Ziels kann im Profiling aus verschiedenen Zielberufen wie Helfer Lager, Helfer Küche etc. ausgewählt werden. Einige Reiter weiter, wird dazu passend das Stellengesuch erstellt und aktiviert. Entsprechend der Zielvorgabe wird der Kunde nun regelmäßig mit Vermittlungsvorschlägen versorgt, die das System mittels der eingegeben Stärken des Kunden ermittelt. Auch hierzu gibt es jeweils einen Reiter, der nach den Stärken des Kunden fragt, wie „ verpacken“, „Regale einräumen“ und „kommissionieren.“ Unter dem ausgewählten Zielberuf wird im Profiling zu den jeweils angegeben Hemmnissen nach Strategien gefragt. Hilfestellungen können sein, dass der FM Kontakte zur Organisation der Kinderbetreuung herstellt, Beratungsscheine für die kooperierenden, lokalen Stellen der psychosozialen Beratung, Sucht- , oder Schuldenberatung ausgibt oder guckt, dass der Kunde beispielsweise im Rahmen einer Maßnahme weiterqualifiziert wird, indem er dort beispielsweise einen Staplerführerschein machen kann.21 Problematisch ist, der Kunde muss vorher im Grunde schon wissen, was er beruflich machen möchte.

Um auf die übrigen genannten Hemmnisse einzugehen, wird der Kunde u.a. mit Gutscheinen für verschiedene Coachings versorgt, wie dem „mobilen Coaching“ bei psychischen Problemen, einem „Sozialen Coaching“ u.a. bei Wohnungsproblemen, einem „Bewerbungscoaching“ zur Vermittlungsunterstützung oder einem „Gesundheitscoaching“, wenn der Kunde sehr mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen beschäftigt ist. Das Ausgeben eines AVGS (Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein) für ein Coaching ist gewünscht, da dazu extra Budget bereit gestellt wird. Mit Qualifizierungen ist man dagegen nicht so großzügig.

Im Gegensatz zur normalen Arbeitsvermittlung werden zur Erreichung der Teilziele Fristen gesetzt, zusätzlich zur gewöhnlichen Eingliederungsvereinbarung, dem Vertrag zwischen Kunden und Jobcenter. Sinn davon ist, den Erfolg der Arbeit der FM nach innen und außen darstellbar zu machen, folglich ein 11. zusätzliches Controlling zu ermöglichen.22 Gearbeitet wird hier ebenfalls nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Kostenersparnis.

Ein weiteres Indiz zu Lasten des Hilfebedürftigen dazu: Es sollen im „Profiling" nicht nur die Qualifikationen des Arbeitssuchenden herausgearbeitet werden, um ihn effektiv vermitteln zu können, auch sollen Zuvielzahlungen und Fälle des ungerechtfertigten Leistungsbezugs erkannt und durch den Fallmanager sanktioniert werden. Des Weiteren wird überprüft, ob der Kunde nicht an ein anderes Sicherungssystem abgegeben werden kann. Im Sinne eines effektiven Arbeitsbündnis ist das sicherlich eine problematische Konstellation, da so keine Vertrauensbasis geschaffen werden kann. Ein Kriterium für eine gelingende Beratung ist die Akzeptanz des Ratsuchenden, inklusive eines Wohlwollens ihm gegenüber. Da Kunden massive soziale Probleme haben, ist es für sie gerade wichtig, Unterstützung zu finden und ihr Wohlbefinden zu steigern.23 Wieder zeigt sich die grundsätzliche Spannung zwischen individueller Beratung und standardisierten Abläufen.24 Hilfebedürftige werden nach Schema F gefördert und gefordert, die oft mit ihrem Leben so überfordert sind, dass sie einen Coach für ihr ganzes Leben bräuchten. Es wird auch nicht berücksichtigt, dass der Schritt in Arbeit ein wirklich großer für belastete Menschen ist und der Markt an Hilfskräften ohnehin schon überschwemmt ist. Das Jobcenter dazu: „Der Blick ist dabei nicht ausschließlich auf die Verbesserung der individuellen Lebenssituation gerichtet, sondern fokussiert den gesetzlichen Auftrag der mittelbaren und unmittelbaren Integration in Arbeit."25

Folglich ist das Profiling lediglich als nüchterne Auflistung der vorhandenen Mängel zu sehen. Eine Seite weiter im offiziellen Konzept heißt es, dass FM ergebnisoffen arbeiten müssen und Rollenklarheit von ihnen vorausgesetzt wird.26 Als Kunde ist es sicherlich schwer, den FM tatsächlich noch klar in seiner Rolle wahr zu nehmen, bei all den Widersprüchen und der Ignoranz. Die Beratungen finden zusätzlich durchgängig im Setting des Jobcenters statt, so dass der FM tatsächlich keine Ahnung hat, wie der Kunde wirklich lebt.

Nach der Überstellung ins FM erfolgt die Phase des Assessments, eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Vermittlungshemmnissen des Kunden. Es werden Daten und Informationen zur Person und der Bedarfsgemeinschaft, also weiteren Angehörigen des Haushalts, gesammelt und in Verbis dokumentiert. Es erfolgt aber auch zugleich eine Priorisierung und Wertung der Problematiken, wozu der Kunde nun von der Sinnhaftigkeit des FM überzeugt werden muss.27 Angaben müssen dabei zu den Kategorien Qualifikation, Leistungsfähigkeit (kognitiv, psychisch oder physisch), Motivation und Rahmenbedingungen gemacht werden. Genau wie zuvor in der Arbeitsvermittlung, werden die Kategorien nun mit Strategien belegt. Näher ausgeführt werden jedoch vergleichsweise Ressourcen des Kunden, Fähigkeiten und Stärken.

In der nächsten Phase beginnt die eigentliche Integrationsplanung und Fallsteuerung. Mit dem Kunden soll nun gemeinsam ein zeitlicher Ablaufplan erstellt werden, bis das realistische Ziel, eine passende Helfertätigkeit in VZ, erreicht ist. Alle zu klärenden Vermittlungshemmnissen werden dort erfasst, mit einer zuständigen Institution und einer Frist für die Kontaktaufnahme. Diesen Plan erhält der Kunde zum Unterschreiben, zusammen mit einer Eingliederungsvereinbarung, so dass er auch sanktioniert werden kann, wenn er sich nicht an den Plan hält. Während der Fallsteuerung überprüft nun der FM alle vier bis sechs Wochen, ob der Plan vom Kunden eingehalten und umgesetzt wird. Umgesetzte Ziele werden im System als erledigt vermerkt. Abweichungen, wenn sich die Prioritäten des Kunden verändert haben, können angepasst werden. Es ist also nicht als Phase gedacht, in der sich der FM ständig mit dem Netzwerk austauscht, sondern er controllt den Kunden so wie sich selbst und stellt sich immer wieder die Frage nach den eigenen Erfolgsaussichten. Eine grundsätzliche Entscheidung, ob das FM fortgeführt wird, ist nach sechs Monaten zu treffen, anschließend wird die Sinnhaftigkeit alle sechs Monate überprüft.28

Alle Einladungen zu FM Terminen werden mit Rechtsfolgebelehrung verschickt, so dass bei Nichterscheinen auch sanktioniert werden kann. Offensichtlich ist, dass die enge Taktung zur Lösung existenzieller Probleme kaum ausreicht und zusätzlich Stress bedeutet, da Termine im Jobcenter selten gern wahrgenommen werden. Strittig bleibt auch, ob unfreiwillige Beratung und der große Druck des FM die Überzeugung ersetzen, dass der Kunde eine Chance hat.29

Auch Glöckler sieht es kritisch, wenn aus einer fürsorglicher Beratung eine Verfolgungs - und Anweisungsberatung wird.30 In seiner Auswertung von 39 Gesprächen des FM stellte er seinerzeit fest, dass 4 reine Sanktionsgespräche waren und auch der Rest rein dem Erfolg der Organisation diente. Oft sah er ernsthafte Probleme nicht gewertet.31 Auch war das Ziel immer ein zügiger Abschluss. Zusätzlich traten die Berater viel zu dominant auf. Das Resultat war, dass der Kunde noch verbitterter wurde und weiter in die Opferhaltung gedrängt wurde.32

[...]


1 Vgl. https://www.gkv- spitzenverband.de/pflegeversicherung/forschung/modellprojekte/pflege abgeschlossene projekte 8/case un d care.jsp (abgerufen am: 21.11.2020).

2 Vgl. https://online.medunigraz.at/mug online/wbabs.getDocument?pThesisNr=15094&pAutorNr=&pOrgNr=1, S.6 (abgerufen am: 21.11.2020).

3 =Deutsche Gesellschaft für Case und Caremanagement (Anmerkung der Verfasserin).

4 Vgl. https://www.jobcenter-ge.de/Jobcenter/Oldenburg/DE/Beratung-Vermittlung/bFM/bFM-Knoten.html ( abgerufen am: 22.11.2020).

5 Vgl., Rainer Göckler et al: „Case Management in der Beschäftigungsförderung. Eine explorative Annäherung an Standards und Erfolgskriterien (Orientierungsstudie)" unter: https://www.dgcc.de/wp- content/uploads/2013/02/2014 Professionelles Handeln Qualifizierung Beratung.pdf ( abgerufen am: 23.11.2020).

6 Fallmanagement wird im folgenden FM abgekürzt (Anmerkung der Verfasserin).

7 Vgl. Göckler.

8 Im folgenden wird Jobcenter JC abgekürzt (Anmerkung Verfasserin).

9 Vgl. Beratung und Vermittlung. Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement, unter: https://www.jobcenter- ge.de/Jobcenter/Oldenburg/DE/Beratung-Vermittlung/bFM/bFM-Knoten.html (abgerufen am 23.11.2020).

10 Vgl. Rainer Göckler: Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement, Regensburg 2009, S.20.

11 Vgl. Göckler: Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement, Regensburg 2009, S.23.

12 Vgl. Frank Oschmiansky: „Psychische Erkrankungen im SGB II: Situation und Betreuung“ (2017), unter: https://www.econstor.eu/handle/10419/182170, (abgerufen am: 24.11.2020).

13 Vgl. Dieter Henkel: „Integration Suchtkranker in Arbeit im Rahmen des SGB II: eine kritische Bilanz und Prognose“ (2014), unter: https://www.sucht.de/tl files/pdf/veranstaltungen/27.%20Heidelberger%20Kongress%202014/Beitr aege/12-00%20Zemlin-Henkel.pdf, ( abgerufen am: 27.11.2020).

14 Vgl. Göckler: „Fachkonzept: Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement im SGB II.“ Abschlussfassung des Arbeitskreises. Bundesagentur für Arbeit (B.A.). Nürnberg, S.7 https://www.arbeitsargentur.de/zentraler-Content/A03-Berufsberatung /A033- Erwerbspersonen/Publikationen/pdf/Fallmanagement-Fachkonzept.pdf, ( abgerufen am 28.11.2020).

15 Vgl. Göckler, 2009, S. 230.

16 Vgl. Ebd, S.23.

17 Vgl. „Konzept; Einführung eines Fallmanagements in der Sozialhilfe"(2007), S. 14, unter: http://www.bfgt.de/bfgt/obj/vorlagen/was/08-02-07%20-%20fallmanagement%20konzeptz%20sozialhillfe.pdf, (abgerufen am: 28.11.2020).

18 Vgl. „Jobcenter Intern, Handlungsleitlinie für das beschäftigungsorientierte Fallmanagement im Jobcenter Region Hannover"(2018), S.7, unter:, https://www.jobcenter-region- hannover.de/fileadmin/downloads/vorschriften/08 2018JC Intern Fallmanagement.pdf , (abgerufen am 23.11.2020).

19 Vgl. Göckler, 2009, S. 57.

20 In: „Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement. Gezielte Unterstützung durch individuelle Beratung im Jobcenter Oldenburg ", unter: https://www.jobcenter- ge.de/Jobcenter/Oldenburg/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Flyer%20bFM.pdf? blob=publicationF ile&v=2, (abgerufen am: 25.11.2020).

21 Vgl. „Fallmanagement im Jobcenter Northeim“. https://www.jobcenter- ge.de/Jobcenter/Northeim/SharedDocs/Downloads/DE/Flyer/Flyer Fallmanagement.pdf;jsessionid=768D3D42 40BEC8DA57D1E7EDD5584983? blob=publicationFile&v=2

22 Vgl. „Jobcenter rhein kreis Neuss: Konzept: Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement im Rhein-Kreis Neuss“, Stand: 17.02.2017, S.15.; künftig: Konzept.

23 Vgl. Bachmair et al.: Beraten will gelernt sein, Weinheim 1996, S. 30.

24 Vgl. Göckler, 2009, S. 226.

25 In: Konzept, S.6.

26 Vgl. Ebd., S. 7.

27 Vgl. Konzept, S. 10.

28 Vgl. Ebd., S.11 f.

29 Vgl. Göckler, 2009, S. 63.

30 Vgl. Göckler, 2009, S. 65.

31 Vgl. Göckler, 2009, S. 65.

32 Vgl. Göckler, 2009, S. 65.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Fallmanagement im Jobcenter. Chancen und Grenzen
Note
2,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
18
Katalognummer
V976059
ISBN (eBook)
9783346329752
ISBN (Buch)
9783346329769
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fallmanager, Jobcenter Casemanagement
Arbeit zitieren
Sandra Ulrych (Autor:in), 2020, Fallmanagement im Jobcenter. Chancen und Grenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/976059

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