Das epische Theater


Referat / Aufsatz (Schule), 1999

5 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Das epische Theater

Unter der Epik versteht man allgemein die erzählende Dichtung. Man unterscheidet zwischen Groß- und Kurzepik. Zur ersteren zählen Romane, Sagen und Volksbücher, zur letzteren Legenden, Märchen, Anekdoten, Erzählungen, Fabeln und Kurzgeschichten.

Der Begründer des epischen Theaters war Berthold Brecht. Er wurde am 10.02.1898 in Augsburg geboren und starb am 14.08.1956 in Ost-Berlin. In den zwanziger Jahren löste er sich von der aristotelischen Form des Dramas und schuf die ,,nichtarestotelische", die ,,epische" Dramenform.

Bereits einige Zeit zuvor wurde der Ruf nach einem neuen Weltanschauungstheater laut.

Hintergrund waren die Veränderungen in der Gesellschaft und der Politik, die nicht nur Gutes bewirkten. Es bildeten sich auch soziale und politische Mißstände, so zum Beispiel das NS- Regime unter Hitler, weswegen Brecht 1933 ins Exil flüchtete. 6 Jahre später folgte der Zweite Weltkrieg, die Entwicklung der Atombomben, deren Einsatz in Hiroshima und Nagasaki sowie einige Zeit später die Nutzung der Kernspaltung zur Energiegewinnung. All diese Dinge wurden den Menschen zum Verhängnis oder zur Bedrohung. Da sich Brecht, Ende der zwanziger Jahre, intensiv mit dem Marxismus beschäftigte und schließlich überzeugter Kommunist wurde, wendete er sich mit dem epischen Theater auch gegen die in der westlichen Welt vorkommenden Klassenherrschaft. Das epische Theater baut teilweise auf den Grundideen des Marxismus auf. Diese Grundideen waren unter anderem eine klassenlose Gesellschaft, in der es für den einzelnen möglich war nach seinem Können zum Wohle aller beizutragen. Dies war jedoch in den westlichen Ländern aufgrund der Klassengesellschaft nicht möglich.

Das epische Theater ist eine Form des modernen Dramas, das auf die vorherrschenden Mißstände in Gesellschaft und Politik aufmerksam zu machen versucht, wobei es den Zuschauer zum Nachdenken anregt und ihn dazu bewegen will, diese Mißstände zu beseitigen.

Wie eingangs erwähnt, schuf Brecht das epische Theater entgegen der aristotelischen Dramenform. Beide Dramenformen unterscheiden sich unter anderem in folgenden Punkten: Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen dem epischen und dem aristotelischen Drama ist, daß im epischen Drama nicht gehandelt, sondern erzählt wird.

Bei einer Bühnenaufführung wird hierfür zum Beispiel ein Erzähler verwendet, der das Geschehen dem Zuschauer näherbringt.

Auch wird im epischen Theater auf die Exposition, sowie auf eine geregelte Akteinteilung verzichtet. Ebenfalls im Gegensatz zum aristotelischen Drama steht die Abschaffung der Ständeklausel in den Stücken Brechts. Weiterhin ist es für das epische Theater typisch, daß jede Szene für sich steht und nicht, wie bei Aristoteles, zwangsläufig aus der vorangegangenen Szene folgt.

Ein weiteres Merkmal des epischen Dramas ist, daß im Gegensatz zum aristotelischen Drama der Mensch nicht bekannt, sondern ,,Gegenstand" der ,,Untersuchung" ist. Mit dieser Untersuchung meint Brecht die Begutachtung des Zuschauers, der laut Brecht nicht mitfühlen, sondern dem Geschehen auf der Bühne objektiv gegenüberstehen und beurteilen soll. Das Verhalten der Charaktere in den Bühnenszenen soll also vom Zuschauer beurteilt und vorallem interpretiert werden.

Durch das Interpretieren des Dargestellten wird ein Lernprozeß beim Zuschauer eingeleitet. Das Publikum soll sich, im Laufe diese Lernprozeßes, selbst auf soziale und politische Mißstände aufmerksam machen.

Der Zuschauer soll selbst aus dem Dargestellten lernen. Dies kann so weit gehen, daß das Stück nicht zu Ende gespielt, sondern abgebrochen wird und der Erzähler das Publikum nach einem möglichen Ende fragt, um zu ,,kontrollieren", ob der Zuschauer aus dem gespielten Teil des Stückes gelernt hat. Dies kommt jedoch selten vor, da das epische Drama ein abschließendes Urteil, normalerweise, stets dem Zuschauer selbst überläßt, ohne ihn nach der Moral des Stückes zu fragen.

Brecht schuf innerhalb des epischen Theaters einen weiteren weitverbreiteten Begriff, der für das epische Theater typisch ist. Das epische Theater stellt etwas gänzlich Nebensächliches, Alltägliches oder für den Zuschauer Normales in den Mittelpunkt. Dies wiederum geschieht durch Unterbrechung, beziehungsweise Erläuterung der Szene durch einen Schauspieler, Sänger oder, wie Eingangs erwähnt, durch einen Erzähler. Es können jedoch auch Lieder und Spruchbänder, die über der Bühne angebracht sind, zur Erläuterung verwendet werden. Auch gehörte ein Aus-der-Rolle-Fallen der Charaktere sowie die Verwendung der Komik zu den ,,Techniken" des von Brecht geschaffenen Verfahrens. Brecht wollte dem Zuschauer verdeutlichen, daß die Umgebung, die Welt, in der der Mensch lebt, veränderbar ist. Er wollte auf diesem Weg, das Publikum dazu bringen, eigene Schlüsse aus dem Bühnengeschehen zu ziehen. Die Zuschauer sollten von sich aus Kritik am Dargestellten üben, um sich in die Problematik des Stückes hineinzudenken, jedoch nicht, sich mit den Charakteren oder dem Geschehen auf der Bühne zu identifizieren. Dazu ist es wiederum notwendig, daß selbst die Schauspieler sich nicht mit ihrer Rolle identifizieren, sondern Abstand zur Rolle halten. Dieses Verfahren wurde von Brecht als ,,Verfremdungseffekt" oder einfach als ,, V-Effekt" bezeichnet.

Eines der bekanntesten epischen Dramen Brechts ist ,,Der Kaukasische Kreidekreis".

Dieses Stück läßt sich in drei Teile unterteilen: 1. Das Vorspiel, 2. Geschichte der Magd Grusche und 3. Geschichte des Richters Azdak.

Bereits beim Betrachten des Personenverzeichnisses zeigt sich ein Merkmal des epischen Theaters, das Fehlen der Ständeklausel.

Im Vorspiel kehren die von den deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg vertriebenen Dorfbewohner in ihr Dorf zurück, um es wieder aufzubauen. Das benachbarte Dorf jedoch will das Dorf zerstört lassen und eine Bewässerungsanlage daraus machen. Nach heftiger Diskussion wird das Dorf den Nachbarn zugesprochen, da ihr Vorhaben der Gegend am meisten nutzt.

Aus diesem Anlass, wird ein Fest gefeiert, wobei man ein altes chinesisches Lehrstück aufführt.

Begleitet wird dieses Lehrstück von einem Sänger, der wie der Erzähler, den Zuschauern das Geschehen näherbringt und kommentiert, ein Bestandteil der Verfremdung. Mit der Aufführung des Stückes im Stück, beginnt der zweite Teil der Dramas: Die Geschichte der Magd Grusche. Dieser baut inhaltlich nicht auf dem ersten Teil auf, was wiederum ein Unterschied zum klassisch aristotelischen Drama darstellt.

Grusche dient dem Gouverneur und dessen Frau. Als eine Revolte gegen den Gouverneur ausbricht und dieser mit seiner Frau flüchten will, kümmert sich niemand um den kleinen Sohn, der von den beiden im Stich gelassen wird. Grusche nimmt sich seiner an und flüchtet mit ihm ins Gebirge, um ihn nicht in Gefahr zu bringen.

Einige Zeit später wird sie jedoch von Gouverneurssoldaten auf richterlichen Beschluss hin gefunden und ihr Ziehsohn seiner leiblichen Mutter, der Gouverneurin übergeben. Der Sänger kommentiert dies mit der Frage wer der Richter sein wird, ob ein guter oder ein schlechter.

Hier beginnt nun die Geschichte des Richters Azdak. Azdak ist nicht von Anfang an Richter.

Da der eigentliche Richter von Revolutionären erhängt wurde, will der fette Fürst seinen Neffen für das Amt einsetzen, glaubt jedoch, daß es besser wäre das Volk über einen neuen Richter entscheiden zu lassen. Um besser entscheiden zu können, wer am geeignetsten für das Amt des Richters ist, wird ein Schauprozeß geführt.

Daran nimmt auch Azdak teil, der, ohne es zu wissen, dem als Bettler getarnten Großfürsten zur Flucht verholfen hat und sich darum selbst beim Dorfpolizisten anzeigt, damit dieser ihn den Panzerreitern übergibt.

Da er sich jedoch bei ihnen beliebt macht indem er den Fürsten verspottet, lassen sie ihn am Schauprozeß teilnehmen.

Azdak zeigt sich in dem Prozeß als äußerst redegewandt und verspottet indirekt den Fürsten. Darum wählen die Panzerreiter, die das Volk representieren, Azdak zum neuen Richter. In seinem Amt wird er bekannt als ein Richter, bei dem auch kleine Leute, trotz Bestechungsgelder der Reichen, eine Chance auf Gewinn eines Prozesses haben. Als er nun entscheiden soll ob das Kind des Gouverneurs seiner leiblichen Mutter oder Grusche zugesprochen werden soll, veranlasst er die Probe mit dem Kreidekreis. Die leibliche und die Ziehmutter sollen das Kind zwischen sich nehmen und daran ziehen, bis eine Mutter das Kind auf ihre Seite gezogen hat. Zweimal wird diese Probe veranlasst, wobei Grusche jedesmal losläßt um das Kind nicht zu gefährden.

Für Azdak ist klar, daß nur Grusche das Kind zugesprochen bekommen darf, da sie am besten für es sorgen kann und es am meisten liebt.

Am Ende des Stückes werden das Vorspiel und der Hauptteil mit den beiden Geschichten durch den Kommentar, beziehungsweise der Moral, die der Sänger den Zuschauern verkündet, zusammengeführt. In dieser Moral heißt es, daß etwas demjenigen gehören soll der am meisten dafür tut oder der das beste damit anzufangen weiß. Diese Moral gibt dem Stück das Aussehen einer Fabel. Das Verkünden der Moral des Stückes durch den Sänger, ist typisch für das epische Drama.

Zusammenfassend läßt sich folgendes sagen: Brecht schuf diese neue Dramenform um auf politische und gesellschaftliche Probleme aufmerksam zu machen. Zu den politischen Mißständen gehört zweifellos das NS-Regime unter dem er selbst zu leiden hatte. Zu den gesellschaftlichen gehört mit Bestimmtheit die Klassengesellschaft der westlichen Kultur. Durch den Verfremdungseffekt, der mit Komik, Distanzierung und Erläuterung arbeitet, wollte er den Zuschauer zum Betrachter machen, ihn dem Geschehen auf der Bühne gegenüberstellen und ihn zum Nachdenken anregen. Der Zuschauer sollte mit Hilfe des Erlernten Probleme im Alltag lösen und die politischen sowie gesellschaftlichen Mißstände beheben. Somit ist das epische Theater gesellschaftskritisch geprägt.

Da Brecht das epische Theater im Gegensatz zum aristotelischen Drama schuf, lassen sich mehrere Unterschiede zum klassischen Drama feststellen. Es werden zum Beispiel die vorkommenden Personen nicht als bekannt vorausgesetzt, sondern sie und ihr Verhalten, werden vom Zuschauer untersucht. Auch verzichtet das epische Theater auf eine Exposition sowie eine geregelte Akteinteilung. Eine Ständeklausel existiert nicht und jede vorkommende Szene steht für sich und folgt weder aus einer vorangegangenen noch zieht sie eine Szene zwangsläufig nach sich.

Der Zuschauer findet durch den V-Effekt keine Gelegenheit sich mit dem Geschehen oder den vorkommenden Charakteren zu identifizieren, was hingegen bei der klassischen Dramenform typisch ist.

Abschließend läßt sich sagen, daß Brecht mit dem epischen Theater eine der bedeutendsten Dramenformen überhaupt geschaffen hat. Seine Theaterform hat bis heute Einfluß auf viele Schriftsteller und Stückeschreiber, was voraussichtlich auch noch längere Zeit so bleiben wird, da er, wie viele Leute glauben, einer der letzten großen deutschen Schriftsteller war.

Ende der Leseprobe aus 5 Seiten

Details

Titel
Das epische Theater
Note
1,5
Autor
Jahr
1999
Seiten
5
Katalognummer
V97652
ISBN (eBook)
9783638961042
Dateigröße
367 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theater
Arbeit zitieren
Michael Weisser (Autor:in), 1999, Das epische Theater, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97652

Kommentare

  • Gast am 6.12.2004

    das epische Theater und die verfremdung.

    Ich bin Magesterstudent der deutschen Literatur und meine magesterarbeit ist uber das epische Theater [die Wiederspieglung einiger Dramen von Brecht in der irakischen Theater].
    Ich brache ihre Hilfe um meine Arbeit beenden zu konnen.
    Im Irak gibt es wenige Informationen daruber.
    Mit besten grusse aus Bagdad.

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