Ministerium für Staatssicherheit (Mfs), Normannenstraße
von Daniel Christ
Am Abend des 15. Januar 1990 nahmen Demonstranten die Zentrale des Ministerium für Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg in Besitz. Das Berliner Bürgerkomitee begann hier seine Arbeit zur Auflösung des MfS.
Dies war ein schwierige und langwierige Angelegenheit, denn das Mfs besaß ca 91.000 festangestellte und wenigstens 172.000 inoffizielle Mitarbeiter (IM); sie war damit zusammen mit der Volksarmee (173.000) größter Arbeitgeber in der ehemaligen DDR. Auch konnte sie einen beachtlichen Immobilienbesitz für sich verbuchen: 2037 Gebäude, Wohnungen und Grundstücke, davon allein 652 in Berlin, unter anderem auch 24 Erholungsheime mit 2058 Betten für Stasi-Mitarbeiter zu Urlaubszwecken. Das Hauptgebäude des Mfs in Berlin, Normannenstrasse (Ost-Berliner Stadtteil Lichtenberg) wurde auch als Stadt in der Stadt bezeichnet, da dort das Mfs in 3.000 Räumen residierte. Allein die Ost-Berliner Bezirksverwaltung arbeitete in weiteren 1.000 Räumen. Dies war aber erst die Spitze des Eisberges, denn dort, in der Normannenstrasse, wurden die Daten von etwa 1/3 der Bürger gesammelt, d.h. etwa fünf Millionen Namen waren im zentralen Mfs-Computer gespeichert. Unter anderem fand auch ein unglaubliches Maß an Post- und Telefonkontrolle statt; in manchen Städten wurde jeder Brief geöffnet (,,Größter Postraub der Welt") und jedes zweite Gespräch mitgehört. Finanziert wurde dieses Unterfangen mit ca. 3,6 Milliarden DM jährlich aus dem DDR Staatshaushalt.
Das MfS der ehemaligen DDR sammelte fast vierzig Jahre lang im Auftrag der SED Material über Millionen von Menschen - in erster Linie über DDR-Bürgerinnen und -Bürger, aber auch über viele Bürger der alten Bundesländer und über Bürger anderer Staaten. Unzählige Lebensläufe - nicht nur in Ostdeutschland - wurden im Laufe der Jahre durch die Staatssicherheit mitgeprägt. Das MfS beeinflußte den beruflichen Auf- oder Abstieg, nutzte systematisch menschliche Schwächen aus und schreckte auch nicht davor zurück, in die Privatsphäre seiner Opfer einzudringen und intimste Informationen für seine Zwecke zu verwenden. Ärztliche Schweigepflicht, Bank- und Postgeheimnis, die Unverletzlichkeit der Wohnung, selbst die in der Verfassung der DDR festgelegten Grundrechte eines jeden Bürgers waren für die Stasi kein Tabu.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ost-Berliner Stasi Zentrale: 3000 Räume für die Schnüffler des Staates
Am 29. Dezember 1991 trat das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) in Kraft, das der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit verabschiedet hatte. Das zentrale Anliegen dieses Gesetzes ist die vollständige Öffnung der Akten des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes, insbesondere der Zugang der Betroffenen zu den Informationen, die der Staatsssicherheitsdienst zu ihnen gespeichert hat. Erstmals bekamen damit Bürger Gelegenheit, in Unterlagen einzusehen, die ein Geheimdienst über sie angelegt hatte. Dies war nun Aufgabe der sog. Gauck-Behörde, die sich seitdem dieser Aufgabe widmet.
Bis zum Dezember 1998 beantragten etwa eine Million Privatpersonen beim Bundesbeauftragten Einsicht in Unterlagen, die der Staatssicherheitsdienst über sie geführt hat.
Eine Woche später, nach der ,,Stürmung des Mfs", beschloß der Zentrale Runde Tisch, daß im Haus 1 der Stasi-Zentrale eine Forschungs- und Gedenkstätte zum politischen System der DDR eingerichtet werden soll.
Der im Sommer 1990 von Mitgliedern des Berliner Bürgerkomitees und Bürgerrechtlern gegründete Verein "Antistalinistische Aktion Berlin-Normannenstraße" (ASTAK) machte es sich zur Aufgabe, diese Forschungs- und Gedenkstätte aufzubauen und zu betreiben. Die ASTAK übernahm auch die Trägerschaft.
Seit der Eröffnung am 7. November 1990 wird ständig am Auf- und Ausbau der Dauerausstellung gearbeitet. Mittelpunkt sind die im Originalzustand erhaltenen Amts- und Arbeitsräume Erich Mielkes, des letzten Ministers für Staatssicherheit.
Hinzu kommen Ausstellungsteile zu systempolitischen Aspekten, zur Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit sowie zu Widerstand und Opposition in der DDR. Zusätzlich zu den angebotenen Führungen besteht die Möglichkeit zum Besuch des ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnisses in Berlin-Hohenschönhausen. Zu ausgewählten Themen werden darüber hinaus Vorträge und Seminare angeboten. Die weitere finanzielle Aufrechterhaltung der Forschungs-und Gedenkstätte Normannenstraße ist ungewiß.
Adresse: Ruschestraße 59, Haus 1
01130 Berlin-Lichtenberg Tel.:030/23724610
Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
von Daniel Christ
Im Mai 1945 richtete die sowjetische Besatzungsmacht auf dem Gelände der heutigen Gedenkstätte ein Sammel- und Durchgangslager, das sogenannte Speziallager Nr. 3, ein. Es existierte bis Oktober 1946 und diente zur Internierung von Personen, die verdächtigt wurden, Kriegsverbrecher bzw. NS-Funktionär gewesen zu sein oder die Besatzungspolitik zu gefährden.
Ende 1946 begann das sowjetische Innenministerium MWD (vorher NKDW) mit dem Aufbau seines zentralen Untersuchungsgefängnisses für politische Häftlinge in der sowjetischen Besatzungszone.
Nach der Gründung der DDR wurde das Haftgelände zunächst dem Ministerium des Innern der DDR, dann dem Ministerium für Staatssicherheit dem Mfs übergeben, dass das Gefängnis bis 1989 als zentrale Haftanstalt für politische Untersuchungsgefangene nutzte.
In der DDR ist dieses Gelände eng mit der Geschichte politischer Strafverfolgung in den Jahren 1945-89 verknüpft.
Ende 1995 wurde die Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen (i.Gr.) ins Leben gerufen.
Mit dem Ziel, einen authentischen Ort politischer Strafjustiz zu bewahren und Raum zu schaffen für die Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Vergangenheit, wurde das Gelände 1992 unter Denkmalschutz gestellt und die Errichtung einer Gedenkstätte beschlossen.
Ende 1995 wurde die Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen (i.Gr.) ins Leben gerufen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das sogenannte ,,U-Boot" in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
Die im August 1996 fertiggestellte und im Anschluß an eine öffentliche Anhörung überarbeitete Konzeption des Arbeitsausschusses, dem die Nutzung der von Bund und Land getragenen Stiftung obliegt, sieht einen Rundgang durch die wichtigsten Stationen des historischen Geländes vor: das sog. U-Boot (Isolationszellen, worin politische Häftlinge Knietief in Wasser inhaftiert wurden), der Gefängnistrakt einschließlich Garagenschleuse, Dunkelzellen und Freigangzellen sowie der Vernehmungstrakt. Dieses sog. U-Boot war ein Trakt mit unterirdischen bunkerartigen Zelle ohne Fenster. Es verfügte neben den Hafträumenüber Zellen, in denen die Häftlinge besonderen Folterungen ausgesetzt werden konnten.
In Verbindung damit sollen eine Dokumentation und eine Ausstellung aufgebaut werden, die anhand der Geschichte des Lager- und Haftgeländes Hohenschönhausen über die politische Verfolgung in der SBZ und der DDR informieren. Schwerpunkte bilden hierbei die Themen
»Internierungs- und Haftpolitik der sowjetischen Besatzungsmacht«, »Das Untersuchungsgefängnis unter der Regie des MfS« und »Die MfS-Untersuchungshaft aus Sicht der Betroffenen«. Darüber hinaus sind eine Bibliothek, ein Archiv, ein Medienraum sowie Wechselausstellungen, Seminare/Workshops und Publikationen als Bildungsangebote vorgesehen.
Adresse: Genslerstraße 66
13055 Berlin
Tel.: 030-9824219 o. 030/98696101 Fax: 030/9824719
Quellen:
http://www.berlin.de http://www.brandenburg.de http://www.gauck.de
Info Broschüre ,,Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen"
Der SPIEGEL, Ausgabe 6,7,8/1990, Schild und Schwert der Partei. SPIEGEL-Serie über Machtfülle und Untersuchungspraxis der DDR-Staatsicherheit, Axel-Springer Verlag, Hamburg, 1990
Die WELT, Förger, Dirk ,,Internieren, isolieren, liquidieren",01.02.1999
DDR, Die Staatssicherheit. Fricke, Karl Wilhelm, Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1989
DDR, Opposition und Widerstand in der DDR. Ein politischer Report. Fricke, Karl Wilhelm, Köln 1984
Das Ministerium für Staatssicherheit. Anatomie eines Mielke - Imperiums. Gill, David u.a., Reinbek, Hamburg 1993
- Arbeit zitieren
- Daniel Christ (Autor:in), 2000, Ministerium für Staatssicherheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97674