Soziale Phobie und ihre Relevanz im schulischen Kontext


Hausarbeit, 2020

14 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Krankheitsbild einer sozialen Phobie
2.1 Definition nach ICD-10
2.2 Diagnostische Merkmale
2.2.7 Symptome
2.2.2 Ursachen
2.2.3 Kognitives Modell sozialerPhobien nach Clark und Wells

3 Soziale Phobie im Kontext der Schule
3.1. Problemfeld Schule
3.1 Fallbeispiel und Analyse
3.2 Handlungsmöglichkeiten

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Ängstlichkeit und Furcht sind alltägliche Gefühle, die in vielen Situationen helfen auf Gefahrensituationen zu reagieren. Das macht sie für uns Menschen überlebenswichtig. Ängste treten jedoch bei manchen Menschen auch ohne Gefahrenquelle oder Bedrohung auf und nehmen ein so großes Ausmaß an, dass dies zu einer extremen Beeinträchtigung des Lebens der Betroffenen führt. Solche Angststörungen können in ganz unterschiedlicher Form auftreten. Sei es die Angst auf engen Raum zu sein (Agoraphobie), die Angst vor Spinnen (Arachnophobie) oder das Gefühl von Panik in einer bestimmten Situation (Panikstörung).

In dieser Arbeit soll das Krankheitsbild der sozialen Phobie, einer irrationalen Angst, die in sozialen Situationen auftritt, genauer untersucht werden. Soziale Phobien stellen „mit einer Lebenszeitprävalenz von 13% [...] nach Depressionen und Alkoholmissbrauch/-abhängigkeit die häufigste psychische Störung überhaupt dar" (Stangier, Heidenreich & Peitz, 2003, S. 22). Da die Störung zur massiven Beeinträchtigung des Berufs- und Privatlebens führt und in den meisten Fällen bereits vor dem 16. Lebensjahr auftritt (ebd., S. 17), zeigt sich eine besondere Relevanz für den schulischen Kontext.

Im Rahmen dieser Arbeit soll das Krankheitsbild der sozialen Phobie dargestellt werden, um daraus die Notwendigkeit eines professionellen Umgangs mit Betroffenen in der Schule deutlich zu machen.

Hierfür soll zunächst die soziale Phobie definiert werden, um in einem weiteren Schritt diagnostische Merkmale, wie Symptome, Ursachen und Aufrechterhaltung herauszuarbeiten. In einem zweiten Schritt sollen soziale Phobien im schulischen Kontext betrachtet werden. Dabei wird auf die Probleme eingegangen, die in der Schule entstehen und anschließend anhand eines Fallbeispiels analysiert werden. Zuletzt werden daran anknüpfend Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Betroffenen aufgezeigt. Abschließend sollen die Ergebnisse zusammenfassend dargestellt werden.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit wird in dieser Arbeit die männliche Form generalisierend verwendet. Diese soll an jeder Stelle der Arbeit die weibliche Form inkludieren.

2. Krankheitsbild einer sozialen Phobie

Jeder kennt das bedrückende Gefühl der Nervosität und Ängstlichkeit in Situationen, in denen man von anderen bewertet oder beurteilt wird. Sei es bei ein Referat, einer mündliche Abschlussprüfung oder beim Kennenlernen der Eltern des neuen Partners. Hierbei spielen die Reaktionen der anderen Menschen eine wichtige Rolle für den einzelnen. Man möchte möglichst kompetent auftreten, sich nicht blamieren und den richtigen Eindruck machen. In den meisten Fällen führt ein solches Gefühl von ängstlicher Aufregung jedoch nicht zu einem größeren Problem, sondern bewirkt im Gegenteil oft eine erhöhte Leistungs- und Reaktionsbereitschaft (Wlazlo, 1995,S. 8). Für manche Menschen kann dieses Angstgefühl jedoch deutlich extremere Ausmaße annehmen und damit zu einer Beeinträchtigung und Einschränkung im Leben des einzelnen führen. In solchen Fällen spricht man vom einer sozialen Phobie, einem klinischen Störungsbild, das im Folgenden mit Hilfe der internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) genauer definiert werden soll.

2.1 Definition nach ICD-10

Nach der ICD-10 findet sich die soziale Phobie unter den neurotischen, Belastungs­und somatoformen Störungen mit den Kennziffern F40 - F48 und bezeichnet die „Furcht vor prüfender Betrachtung durch andere Menschen, die zu Vermeidung sozialer Situationen führt“ (WHO, 2019).

Erscheinungsformen sozialer Phobien können jedoch sehr vielseitig und daher schwer zu erkennen sein. Situationen in denen Betroffene Angst entwickeln können individuell unterschiedlich sein und sich sowohl auf einzelne Umstände wie Essen, Trinken oder Sprechen vor anderen Menschen beziehen, als auch generalisierend über verschiedene Situationen hinweg auftreten. Man unterscheidet demnach zwei Arten von sozialen Phobien, die spezifische soziale Phobie und die generalisierende soziale Phobie (Melfsen und Walitza, 2013, S. 29).

In der Regel stehen soziale Phobien in Verbindung mit einem niedrigen Selbstwertgefühl und derAngst vor Kritik (WHO, 2019).

Betroffene fürchten sich davor, dass ihr Verhalten von anderen als peinlich, merkwürdig oder lächerlich wahrgenommen und bewertet wird. Daraus ergibt sich eine negative Beeinträchtigung für das Leben der Betroffenen, die sich sowohl auf das schulische, berufliche, als auch das private Leben auswirken kann. Zudem birgt die soziale Phobie das Risiko von anderen psychischen Störungen begleitet zu werden, oder diese auszulösen. Beispielhaft hierfür sind Depression, weitere Angststörungen oderSuchverhalten zu nennen (Davidson, Hughes, George & Blazer, 1994, S. 977).

2.2 Diagnostische Merkmale

Welche Symptome treten bei einer Sozialen Phobie auf? Welche Indikatoren gibt es zur Feststellung eine solchen Störung?

Im Folgenden soll auf die unterschiedlichen Symptome, die eine soziale Phobie begleiten können, genauer eingegangen werden. Anschließend sollen mögliche Ursachen aufgezeigt werden. Dafür soll ich auf Wirkfaktoren nach Wlazlo und ätiologische Modelle nach Sartory konzentriert werden, die sich als besonders übersichtlich und anschaulich erwiesen haben. Beide Konzepte sollen erklärt und mit Beispielen belegt werden. Abschließend soll das kognitive Modell zur Chronifizierung und Aufrechterhaltung sozialer Phobien nach Clark und Wells (1995) graphisch dargestellt und erklärt werden, um das Ausmaß der Erkrankung und die Notwendigkeit einer Behandlung zu veranschaulichen.

2.2.7 Symptome

Eine soziale Phobie wird von verschiedenen Symptomen begleitet. Stangier et. al. (2003) kategorisieren vier symptomatische Bereiche: Kognitionen, Emotionen, körperliche Symptome und Verhalten (S. 7).

Während den Kognitionen ein negatives Selbstbild, die Erwartung von Abwertung und Perfektionismus zugrunde liegen, tritt als emotionales Kennzeichen vor allem ein andauerndes Angstgefühl, das sich bis zur Panik steigern kann, auf. Außerdem empfinden Betroffene häufig Gefühle von Scham, Verlegenheit und Unsicherheit, die aus einer Abwertung des Selbst hervorgehen und zu Vermeidungsverhalten und sozialem Rückzug führen (ebd., S. 8).

Körperliche Symptome zeigen sich vor allem durch Zittern, Schwitzen, Erröten, Verkrampfung, Herzklopfen, Atemnot, Stottern, Kopf- und Magenscherzen (Wlazlo, 1995, S. 10) sowie Übelkeit und erhöhter Harndrang (WHO, 2019). Ihr Auftreten führt meist zu einer Verschlimmerung der Angst, da diese körperlichen Anzeichen von außen sichtbar sind, somit für andere bemerkbar werden und zu einer negativen Beurteilung des Betroffen führen können.

All die genannten Symptome führen demnach zu einem Vermeidungsverhalten von sozialer Interaktion oder von Leistungssituationen, in denen man von anderen beobachtet oder bewertet wird. Der Betroffene flüchtet infolgedessen aus solchen Situation oder versucht diese zukünftig völlig zu vermeiden. „Aus verhaltenstherapeutischer Sicht stellt Vermeidung den wesentlichen Faktor zur Aufrechterhaltung von Angststörungen dar, da eine Widerlegung der Überzeugungen verhindert wird. Zudem stellt Vermeidung die Ursache für die erheblichen sozialen Beeinträchtigung (soziale Isolation, Nachteile im Beruf etc.) dar“ (Stangieretal., 2003, S. 8).

Eine soziale Phobie tritt in den seltensten Fällen allein auf, sondern wird von weiteren psychischen Störungen, wie Depressionen, weiteren Angststörungen oder Suchtverhalten begleitet. Wlazlo (1995) bemerkt außerdem eine Komorbidität mit Zwangssymptomen, wie beispielsweise einem Putz- oder Kontrollzwang, um die Verurteilung durch andere vorzubeugen oderzu vermeiden (S. 11).

2.2.2 Ursachen

Eine soziale Phobie kann durch unterschiedliche Ereignisse, Prozesse und Bedingungen ausgelöst werden.

Wlazlo (1995) nennt vier Wirkfaktoren, die ein sozialphobisches Störungsbild auslösen können (S. 9-10). Zum einen können Ängste klassisch konditioniert sein, indem sie durch ein traumatisierendes Ereignis entstanden sind (ebd., S. 9). Erlebt ein Kind beispielsweise durch den Verlust eines Elternteils durch einen Unfall, kann dies den sozialen Rückzug des Kindes zur Folge haben. Hier sei erneut auf die Komorbidität mit anderen psychischen Störungen, in diesem Fall einer posttraumatischen Belastungsstörung verwiesen.1

Zum anderen können Ängste auch durch eine erhöhte soziale Unsicherheit entstehen, die durch negative Konsequenzen, im Sinne einer Bestrafung, hervorgerufen wird (ebd., S. 9). Wird ein Kind beispielsweise von seinen Eltern beim Essen geschimpft, es solle nicht „wie ein Schwein“ essen, kann diese dazu führen, dass sich das Kind zukünftig in Situationen, in denen es in Gesellschaft von anderen Leuten isst, unwohl fühlt und Angst vor Verurteilung entwickelt.

Des Weiteren können Soziale Ängste Folge sozialer Defizite sein, indem Betroffene ihr eigenes Handeln in Gedanken negativ antizipieren und dieses somit im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung auch tatsächlich negative Konsequenzen oder Erfahrungen nach sich zieht (ebd., S. 10). Denkt sich ein Kind etwa „Ich kann nicht vor anderen sprechen, da fange ich immer an zu Stottern und zu Zittern“, kann diese negative Antizipation der eigenen Handlung dazu führen, dass genau das eintritt.

Zuletzt kann Angstentstehung durch gesellschaftliche Normen oder anerzogene Schuldgefühle beim Übertreten von Regeln bedingt sein (ebd., S. 10). Wird beispielsweise einem Kind von seinen Eltern immer gesagt, es darf Erwachsene im Gespräch nicht stören, kann dies dazu führen, dass das Kind zukünftig Angst vor einer Konversation mit Erwachsenen entwickelt.

Auch Sartory (1997) nennt drei ursächliche Modelle, die zur Entstehung sozialer Phobien herangezogen werden können (S. 50 - 53) und sich im Einklang mit den Wirkfaktoren Wlazlos befinden.

Das Konditionierungsmodell geht wie bei Wlazlo auf ein „traumatisches Konditionierungsereignis, in diesem Fall eine unangenehme Begebenheit in Gesellschaft“ (Sartory, 1997, S. 50) zurück, das als Auslöser von sozialer Angst funktioniert. Beispielhaft hierfür wäre das Stottern eines Schülers während eines Referats, der daraufhin von seiner Klasse ausgelacht wird. Dieses Ereignis kann zu einer konditionierten Angstreaktion vor zukünftigen Referaten führen.

Sartory (1997) nennt mangelnde soziale Fertigkeiten als weitere Ursache einer sozialen Phobie und beschreibt damit „das Fehlen von adäquaten Verhaltensweisen für die soziale Interaktion“ (S. 51), also solcher Fähigkeiten, die als Gelingensbedingungen für die Interaktion mit anderen gelten. Fühlt sich ein Kind zum Beispiel immer ängstlich und überfordert, wenn es mit anderen reden soll und weiß nicht, wie es sich verhalten soll, kann dies zu eine Ausprägung von Angst in sozialen Situationen führen.

Zuletzt nennt sie unter kognitiven Faktoren negative Selbsteinschätzung und irrationale Überzeugungen. Ein negatives Selbstbild kann im sozialen Kontext vermehrt Angst und infolgedessen Vermeidung erzeugen (edb., S. 51). Beispielweise hätte ein Schüler, der sich selbst nicht für kompetent hält, große Angst davor, im Unterricht etwas Falsches zu sagen. Dies würde dazu führen, dass der Schüler überhaupt nicht mehr am Unterricht teilnimmt und die Interaktion im unterrichtlichen Rahmen komplett vermeidet. Irrationale Überzeugungen, wie die Auffassung von allen gemocht werden und immer alles perfekt machen zu müssen, können zu einer Überempfindlichkeit gegenüber Kritik und Ablehnung und damit einhergehend zur generellen Angst vor Beobachtung und Bewertung durch andere führen.

[...]


1 Vgl. hierzu National Comorbidity Survey, Magee, Eaton, Wittchen, Mc Gonagle & Kessler, 1996

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Soziale Phobie und ihre Relevanz im schulischen Kontext
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,0
Jahr
2020
Seiten
14
Katalognummer
V978241
ISBN (eBook)
9783346333407
ISBN (Buch)
9783346333414
Sprache
Deutsch
Schlagworte
soziale Phobie, Schulpädagogik, psychische Störungen, Schule
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Soziale Phobie und ihre Relevanz im schulischen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/978241

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