Wie ist Weiblichkeit in der Kunst


Seminararbeit, 1999

8 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


A. Einleitung

Die Kunst des 20. Jh. ist geprägt von dem Bestreben die bürgerlichen Totalitätskonzepte aufzulösen und zu dekonstruieren. Historisch ist das 20 Jh. eine Zeit der Krise, zwei Weltkriege und der Holocaust - politische Umbrüche und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Verunsicherungen - sind maßgebliche Faktoren in dieser Zeit, die eine wichtige Rolle hinsichtlich der Entwicklung in der Kunst spielten.

Die Abkehr der Avantgarde vom Naturalismus erfolgte zwangsläufig. Empfindungen und Gefühle, Ängste und Visionen, politischer Ausdruck und die Darstellung gesellschaftlichen Wandels brauchten ein Forum um in eine künstlerische ausdrucksstarke Form gebracht werden zu können. Insbesondere der Surrealismus und der Expressionismus brachten eine Fülle eindrucksvoller Bilder und Kunstwerke zum Vorschein. Die Entwicklung und Weiterentwicklung dieser expressiven Stilrichtungen sind bis heute von entscheidender Bedeutung, der Kunst kraft - und machtvollen Ausdruck zu verleihen. Leider fand die Experementierfreude der KünstlerInnen dieser und anderer Stilrichtungen im Nationalsozialismus ein jähes Ende. Ich erwähne dies um anzudeuten, daß es heute wieder Kritiken gibt, die KünstlerInnen in den Bereich des Wahnsinns und der Abartigkeit rücken wollen. Ein Grund hierfür war und ist der Bruch mit den Wahrnehmungscodes des Alltags in den Darstellungsformen. Das Fragmentarisieren von Körpern, Verzerrungen des Spiegelbildbezuges so das gewohnte Identifikationen nicht mehr möglich sind, alptraumhafte oder idealisierte Kunstgebilde, werden damals wie heute zu dieser Darstellungswahrnehmung beigetragen haben.

Von großer Bedeutung für meine Untersuchung sind unter diesen Aspekten die fragmenthaften Darstellung von weiblichen Körpern in der Kunst. Hans Bellmer mit seinen Puppen und den Fotografien davon, werden als Beispiel dienen um die gemeinten Störungen der Seh- und Identifikationsgewohnheiten deutlich zu machen. KünstlerInnen der Moderne haben an diesem Thema weiterexperimentiert und entdecken zunehmend auch die faszinierenden Möglichkeiten zwischen ganzen und aufgelösten Körperbildern zu experimentieren.. Der Versuch, das ,,authentisch weibliche" darzustellen und zu entdecken ist dabei von großer Bedeutung.

An diesem Punkt scheiden sich die feministischen Kritiken und Theorien. Weiblichkeit sei nur in ,,ganzen" Körpern darstellbar heißt es einerseits und andererseits biete gerade die fragmentarische Kunst die Möglichkeit Weiblichkeit darzustellen. Sigrid Schade, macht in ihrem Beitrag, der Mythos vom ,,ganzen" Körper ihre Ansicht deutlich, daß was immer unter weiblicher sexueller Integrität zu verstehen ist, nicht zwangsläufig in ganzen weiblichen Körpern repräsentierbar sei. Luce Irigaray stellt sich ein göttliches ,,Ganzes", was den Frauen allerdings fehle, als Repräsentantin von Weiblichkeit vor. Judy Chicago meint, Symbolik könne genau die Form von Weiblichkeit zeigen, die oft vermisst wird. Die genannte Thematik findet sich auch in der Ausstellung ,,Puppen ,Körper, Automaten - Phantasmen der Moderne", die aktuell in Düsseldorf ausstellt. Die sehr eindrucksvolle Ausstellung, die sich die experementielle, auf den Körper bezogene Kunst des 20.Jh.zum zentralen Thema gemacht hat, und der dazu erschienene Katalog mit vielen Textbeiträgen zur genannten Problematik lassen erkennen, daß die Diskussionen um die Darstellung von Weiblichkeit noch lange nicht zu Ende sind.

B. Hauptteil

All diejenigen KünstlerInnen die mit dem Fragment experimentierten, Expresionisten, Kubisten und Surrealisten waren nicht repräsentative KünstlerInnen. Während des Nazionalsozialismus fielen diese Kunstrichtungen in den Bereich der Geisteskrankheit und Degeneration. Begrifflichkeiten die in der Kampfschrift ,,Entartete Kunst" angewandt wurden, waren medizinischem Tenor: ,,überzüchtet, verrohte Instinkte, fieberkrank, entartet,.."

Die Ausgrenzung der betroffenen KünstlerInnen wurde regelrecht veranstaltet ; Durch permanente Veröffentlichungen wurde dem imaginärem, einheitlichen phallischem Volkskörper, die ,,zerstückelten" Bilder gegenübergestellt. Silke Wenk zeigt auf, daß die Besprechungen in ,,Entarteter Kunst" suggerierten, daß erst durch den NS-Staat ,,... die moderne Kunst ans Licht der Öffentlichkeit (hätte) gezerrt werden müssen, als hätten die Künstler nicht selbst und oftmals mit spektakulären Aktionen die Öffentlichkeit geradezu gesucht. Die Moderne wird so als etwas Obszönes konstruiert."1

Den Diskurs über den heilen und den kranken Körper - den zerstückelten und den ganzen Körper - begannen die Mediziner offensiv auf den Gesellschaftskörper auszudehnen. Auf der bildsprachlichen Ebenen heißt das, daß ein wie auch immer gearteter Naturalismus als Referenz angenommen wurde und fragmentarische Formen Abweichungen sind, und damit krank.

Die Gleichsetzung der KünstlerInnen mit den Geisteskranken war eine verhängnisvolle Falle. Diejenigen die versprachen, aus einer zerstörten Gesellschaft eine ,,heile, ganze" zu machen, grenzten alles aus, vernichteten alles, was sich mit Hilfe des medizinischen Diskurses im Interesse der ,,Volksgesundheit" ausgrenzen ließ. Der propagierten ,,heilen" Gesellschaft haben nur ,,heile und ganze" Bilder zu entsprechen. Der Rückgriff auf die naturalistischen, klassischen Formen und die damit verbundene Remythologisierung der Antike sind während der Nazizeit die verordnete Kunstrichtung.2 Die Kritik von Sigrid Schade greift genau hier - nämlich moralische Urteile - in dem Sinne der Naziideologien zu fällen. Das es solcher Art der Kritik, bezogen auf das experimentieren mit fragmentarischen Formen, besonders in den Frauenbewegungen gibt, hält Sigrid Schade für gefährlich und sie kritisiert daher die moralisch argumentierende Abwehr, die sich zur fragmentarischen Kunst in Teilen der feministischen Theorien herausgebildet hat.

Sigrid Schade thematisiert aus diesem Grund die Bedeutungsproblematik der fragmentarischen Malerei und stellt in diesem Zusammenhang die Überlegung an, warum die Darstellung von ,,ganzen" Körpern ein Mythos sei und weshalb.

Sigrid Schades Meinung nach sollte nicht über aufgelöste Körper in Bildern gesprochen werden, weil sie über scheinbar reale Körper reden, (das betrifft die kritisierte feministische Theoriebildung), sondern über das was vorliegt: Vorstellungsbilder, die der Einbildungskraft zwischen Wünschen und Ängsten entsprechen und sich so an fragmentarische Körperbilder anheften.3

Was ist überhaupt unter fragmentarischen Körperbildern zu verstehen und welche Funktion haben sie? Sigrid Schade bezieht sich hierzu auf relevante Thesen der Kunstgeschichte.4

- Es kann von der Vorstellung ausgegangen werden , daß etwas verletzt wurde, was vorher als ,,Ganzes" existiert hat. Ein Fragment, ein Torso erregt die produktive Phantasie um das ,,Ganze" wieder herzustellen.
- die Abweichungen oder die Fragmentierung vom ,,Ganzen" hat nur dann Bedeutung wenn das ,,Ganze" vorausgesetzt ist.. (Vanitas- Symbolik ; Infinito- ,,Das Unvollendete als künstlerische Form")
- Die fragmentarische Malerei ist als Aufkündigung des Herrschaftsanspruches zu sehen und kündigt vom Ende einer alten patriarchalen Figur: Der Selbstkonstitution des bürgerlichen Subjekts, das sich selbst als Einheit- als Tatsache- denkt, im Besitz der Wahrheit des Wissens und der Wahrnehmung. Für Sigrid Schade ist der Ausgangspunkt ihrer Überlegungen die narzißtische Figur, die auf dem Feld des Blicks nach der Garantie eines ,,ganzen" Spiegelbildes verlangt
- Eine andere Funktion ist die Figur des ,,pars pro toto", das Eine steht für das Andere. Es handelt sich um ein symbolisches Ersetzungsverhältnis.5

Wesentliches am fragmentarischem Bild ist also, ausgenommen das pars pro toto, daß sie den Spiegelbezug verweigern und Identifikationswünsche zumindest stören, oder sogar ignorieren. Ein Spiegelbild muß ,,ganz" sein, um dem oder der BetrachterIn seine eigene vermeintliche Intaktheit zu garantieren. Fragmentierungen können demnach nur als Verletzungen und Destruktionen wahrgenommen werden.6

Wie Identifikationsgewohnheiten und Sehgewohnheiten mit Hilfe der fragmentarischen Kunst gestört werden können und welche unterschiedlichen Positionen sich zu dem dargestellten ergeben können, zeigen anschaulich die Diskussionsbeiträge zu den Puppenbilder des Hans Bellmer.

1935 entstand Bellmers zweite Puppenserie, auf die sich die unterschiedliche Kritik bezieht. Diese Puppe kennt keine Automatisierung wie die erste, sondern kommt mit einem zentralem Kugelgelenk aus, mit dessen ausgeklügelter Mechanik, der Künstler die Puppe unermüdlich in allen möglichen Stellungen in Szene setzt und sie fotografiert. Auch die Spiele der Puppe sind eine komplexe Choreographie des Begehrens, zunächst der Blick auf die Puppe, und von diesem ausgehend über die Fotografie zurück auf den Betrachter projiziert. Wie Verena Kuni meint, hat sich entscheidendes bei Bellmers zweiter Puppeninstalationen verändert und zwar der Umgang mit dem einzelnen Bild und seiner Findung, und damit verschiebe sich , wie geringfügig auch immer, nicht nur das Verhältnis zu seiner ,,Schöpfung", sondern auch das zu seiner Positionierung im Zeichen der Autorschaft. Wie schon die erste Puppe ist auch diese mit allerlei fetischhaften Accessoires ausgestattet und findet sich in narrative Bühnenbilder arrangiert. Darüber hinaus kommt eine Kolorierung zum Einsatz, die, wie Verena Kuni betont, das Bildgeschehen - oftmals allzu einschlägig - akzentuiert. Das ausgerechnet Bellmers Spiele der Puppen als geschlechtsneutrale inszenierte Körper gesehen werden, kritisiert Verena Kuni, zumal die ,,...gewaltsame Externalisierung der Frau als des Anderen betrieben und in der Sexualisierung bzw. Prostituierung des jungfräulich - kindlichen Mädchens auf die Spitze gebracht - wenn nötig auch mit jener sado-masochistischen Gewalt, die nicht die Position eines Opfers, sondern nur die der willfährigen Lust am Leiden kennt."7 Sigrid Schade hingegen ist der Überzeugung, daß ,,...Bellmers Bilder weder eine bestimmte, noch eine Idealfrau repräsentieren, noch reflektieren sie perverse Wünsche pathologischer Provinienz. Vorstellungsbilder mit erotischer Wirkung können, müssen aber nicht an Personen - Darstellungen heften. Die kindlich organisierten Partialtriebe, die noch nicht auf die kulturell zielgerichtete genitale Fixierung festgelegt sind und dieser Fixierung immer wieder entgleiten, orientieren sich an Partialobjekten, Fetischen, Übergangsobjekten, Formen und Figuren, die die erotische Neugier wecken. Bei Bellmers Bildern kann es sich also nicht um eine ,,Depersonalisierung" der Frau handeln, weil dies nicht die Ebene seines Verfahrens ist...Bellmer gehört also zu denjenigen, die mit ihrer künstlerischen Praxis zur Dekonstruktion des Phantasmas vom ,,ganzen Körper" beitragen..."8

In diesem Zusammenhang kritisiert Sigrid Schade unterschiedliche feministischen Annäherungen an die moderne Kunst, die das ,,pars pro toto" das Fragment und den Torso erneut zum Thema gemacht hätten und dabei moralisch im Sinne der traditionellen Herrschaftskultur argumentierten. Hierzu zitiert Sigrid Schade z. B. Luce Irigaray, die anläßlich der Wiener Ausstellung ,,Kunst mit Eigensinn" ihren Vortrag ,,Göttliche Frauen"(Femmes divines) gehalten hat. Die Thesen der Luce Irigaray seien folgendermaßen zu verstehen, allerdings in Verkennung der Funktion des Spiegels und des Blicks des Anderen

- ,,...Frauen brauchen einen Dieux - femme, der als unendlich vollkommenes oder vollkommen unendliches transzendentales Ideal eine vom männlichen Blick unabhängige Schönheit und Identität der weiblichen Repräsentation garantiere..." Luce Irigaray beklagte demnach die abstrakten, fragmentarischen und aufgelösten Formen in den Bildern der ausstellenden Künstlerinnen. Weibliche Kunst müsse die Schönheit der göttlichen Instanz widerspiegeln. Genau hier, sagt Sigrid Schade, schaffe Luce Irigaray eine normative, eine maßgebende Ästhetik, die gleichzeitig moralisch ist. Das Schöne wäre zugleich das Gute und dieses sei überhaupt nicht fragmentarisch. Damit verfällt Luce Iirigaray genau dem männlichem Phantasma der Autonomie und verdrängt den Schnitt der symbolischen Geschlechtung, sie fällt auf die imaginäre männliche Selbstkonstitution herein, als sie deren scheinbare Unabhängigkeit vom Blick des Anderen (Geschlechts) noch bestätigt, die in der Idee Gottes sich zu beweisen hat, indem sie sie verdoppelt, urteilt Sigrid Schade.9 Hier kann gefragt werden, ob der Textbeitrag von Luce Irigaray wirklich so beurteilt werden muß, denn es findet sich keine Textstelle in der Luce Irigaray explizit auf die Ausstellung und auf die damit damit verbundenen ,,Klagen" eingeht. Vielmehr versucht der Beitrag ,,Göttliche Frauen", das Bewußtsein zu schaffen, daß die Frauen keinen Gott haben wie die Männer und daher ständig auf der Suche nach dem ,,Weiblichen" sind. ,,... Gott ist der Spiegel des Menschen (Feuerbach 1969,S.121.) Der Frau fehlt ein Spiegel, um Frau zu werden. Einen

Gott haben und seine Gattung werden, ist nicht voneinander zu trennen. Gott ist der andere, den wir unbedingt brauchen, um zu werden. Wir brauchen die Ahnung einer Vollkommenheit, um zu werden. Kein starres Ziel, kein unveränderlich postuliertes Eins. Sondern eine Kohäsion und einen Horizont, die uns den Übergang zwischen Vergangenheit und Zukunft sichern, die Brücke des Gegenwärtigen, das sich erinnert und nicht reines Verlieren im Vergessen ist, auch nicht das Zersplittern unserer Existenz, aus Verlassenheit zumeist..."10 Es ist durchaus möglich aus einigen Textstellen die Klagen über das Fragmentarische herauszulesen und über den Umgang mit dem Symbolischen, welches in der Tat auf der Ausstellung Kunst mit Eigensinn reichlich zu finden ist. ,,...Es gibt kein individuelles Gesetz, hinsichtlich des Göttlich - Werdens. Auch kein der Gesamtheit der Frauen übermitteltes kollektives Gesetz... Aber ohne diesen - göttlichen- Horizont können wir weder unsere Gattung verkörpern noch können wir eine Sozietät bilden..." und ,,...Wenn es so ist, daß die Befreiung , die Freiheit der Frauen ins Stocken gerät oder zurückgeht, dann scheinen verschiedenen Gründe dafür verantwortlich zu sein: die Abwesenheit Gottes für sie und ein unangemessener Umgang mit dem Symbolischen..."11

Genau dieser Umgang mit dem Symbolischem, dem Ersetzungsverhältnis oder dem pars pro toto wird auch von Sigrid Schade beklagt. Als Beispiel dienen die Keramikteller von Judy Chicago, die die Vulva in floraler Form zum Thema haben. Die Absicht der Ausstellung ,,The dinner party" war gut gemeint, nämlich, die in der patriarchalen Geschichtsschreibung in Vergessenheit geratenen Frauen wieder in Erinnerung zu rufen. Jedoch trifft die Reduzierung auf dieses sekundäre Geschlechtsmerkmal genau auf die reaktionärste Tradition patriarchaler Symbolik in Weiblichkeitsdarstellungen überhaupt zu.12

Judy Chicago sieht das ganz anders und wahrscheinlich 500.000 BesucherInnen der Ausstellung ebenso. Obwohl die Ausstellung sehr erfolgreich war, wurde sie der breiten Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich gemacht, denn die Museen weigerten sich auszustellen. Daher wurde die Ausstellung fast ausschließlich in einem alternativem Kontext gezeigt. ,,Die Welle der Unterstützung und positiver Reaktionen ist ein Zeugnis für die Macht der Kunst und für den Hunger der Frauen nach Symbolen, die uns stärken. Doch die Weigerung unserer Institutionen, dem klarem Wunsch der Öffentlichkeit zu folgen, die ,,Dinner Party" sehen will, führt zu der Frage, ob unsere Gesellschaft überhaupt bereit ist, die Symbole der Frauen ebenso zu ehren und zu bewahren, wie sie es mit den von Männern geschaffenen getan hat."13 Die Frage stellt sich, ob die Frauen nicht über eine andere Symbolik verfügen, als ausgerechnet ihr Geschlechtsteil.

Sigrid Schade ist der Überzeugung daß, um dieser falsch verstandenen bildlichen Festlegung zu entgehen, alle ästhetischen Mittel gestattet sein sollten und die Experimente der Avantgarde als subversive ästhetische Praktiken fortgesetzt werden müssten.14

C. Schlußbemerkungen

Ich will zeigen wie schwierig es ist, einen gemeinsamen Konsenz zu finden; die unterschiedlichsten Deutungen sind möglich. Einerseits ist die Auseinandersetzung um die Art der Darstellung von Weiblichkeit sehr bereichernd, sofern sie nicht in die Nähe des medizinisch, pathologischen Diskurses der Naziideologien rückt, und andererseits ? Zeigt die Diskussion nicht, wie schon Luce Irigaray befürchtet, daß wir noch keinen selbstbewußten Platz in der Welt eingenommen haben ? Fehlt uns vielleicht doch das selbstbewußte ,,Ganze", um uns dann gelassen auf Fragmentierungen welcher Art auch immer, einlassen zu können ? Was wäre wenn ein Künstler seine berühmten Artgenossen auf die Symbolik reduziert hätte wie Judy Chicago es getan hatte - würde ein empörter Aufschrei durch die Kunstwelt schrillen oder würden sich die KritikerInnen die Bäuche halten vor Lachen oder würde solcherart der Darstellung überhaupt wahrgenommen ?

- Wahrscheinlich nur, wenn der Künstler ausgesprochen berühmt wäre,
- wahrscheinlich würde eine intellektuelle Message vermutet,
- wahrscheinlich wäre auch, daß kein Hahn danach krähte.

Wird angenommen, daß die Männer längst ihren Selbstwert und damit ihr Selbstbewußtsein konstituiert haben, besonders in der Kunst, kann davon ausgegangen werden, daß es bisher noch keinem Künstler eingefallen ist, jene Art von Kunstwerk, wie Judy Chicago es konzepierte, zu erschaffen. Ich möchte mich nicht unbedingt der rigorosen Kritik über die ,,Dinner Party" Ausstellung anschließen, da ich der Meinung bin, das die künstlerischen Freiheiten durch solche Kritik eingeschränkt und der Gefahr der Vordiktierung ausgesetzt werden könnte.

Fazit ist, das ich mich der Meinung von Sigrid Schade anschließen möchte und zwar hinsichtlich der ästhetischen Mittel - die alle gestattet sein sollen - um die künstlerischen Experimente der Avantgarde fortsetzen zu lassen. Der Besuch der Ausstellung Puppen, Körper, Automaten in Düsseldorf und einige Diskussionen haben diesen Eindruck nur bestätigt.

In diesem Zusammenhang möchte ich nochmal auf die Bellmer Puppen zurückkommen. Einige der Puppen, besonders die zweite Pupppe, war derartig realistisch auf Fotopapier gebannt, daß man als BetrachterIn eine Weile brauchte, um die Fiktion zu erkennen. Es handelte sich tatsächlich um ein sehr kindlich erscheinendes Wesen, das jedoch in verlockender erotischer Pose , die gleichzeitig verwirrend wirkte, Einfluß auf den/die BetrachterIn hatte. Die Geschlechtsneutralität die Sigrid Schade in Bellmers Bildern zu erkennen glaubt, konnte ich bei bestem Willen nicht entdecken. Eher ist gut vorstellbar, wie Sigrid Schade das auch schon gesehen hat, daß die Bellmer Puppenbilder sexuelle Wünsche und Phantasien widerspiegeln oder erwecken. . Genauso aber auch Abscheu, Angst und Ekel provozieren können. Gerade diese Ambivalenz jedoch, machen die Puppen so spannend und interpretationsvielfältig

Wichtig ist, das all die Reichhaltigkeit in der Kunst, mit den verschiedensten Facetten möglich bleibt, ohne gleich einer pathologischen Verurteilung zum Opfer zu fallen.

[...]


[1] Der Mythos des ,,Ganzen Körpers", Sigrid Schade in: Frauen, Bilder Männer, Mythen. Kunsthistorische Beiträge, Berlin 1987, vgl. S.254.

[2] ebd., Vgl. S 255.

[3] Der Mythos des ,,Ganzen" Körpers, Vgl. S.239.

[4] Ebd. Vgl. S.239.

[5] Ebd. Vgl. S.239-241.

[6] Ebd. Vgl. S. 242.

[7] Pygmalion,entkleidet von Galathea selbst... ?, Verena Kuni, in: Puppen, Körper, Automaten Phantasmen der Moderne, Kunstsammlung NW, Düsseldorf, 1999. Vgl. S.189-190.

[8] Der Mythos des ,,Ganzen Körpers", S. 253.

[9] Ebd. Vgl. S.243.

[10] Göttliche Frauen, Luce Irigaray, in:Kunst mit Eigensinn, München 1985, S.34/35..

[11] Ebd, S.36 u. 38.

[12] Der Mythos des ,,Ganzen Körper", Vgl S. 257.

[13] Durch die Blume, Judy Chicago, Reinbek bei Hamburg, 1984, S.250.

[14] Der Mythos des ,,Ganzen Körper", Vgl S. 257.

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Wie ist Weiblichkeit in der Kunst
Note
1,0
Autor
Jahr
1999
Seiten
8
Katalognummer
V97849
ISBN (eBook)
9783638963008
Dateigröße
391 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
leider ohne Titelblatt
Schlagworte
Weiblichkeit, Kunst
Arbeit zitieren
Carolin Beinl (Autor:in), 1999, Wie ist Weiblichkeit in der Kunst, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97849

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